Leitsatz

Bei Ermittlung des Schuldzinsenabzugs sind auch Über- und Unterentnahmen der dem Wirtschaftsjahr 1999 vorangehenden Wirtschaftsjahre zu berücksichtigen. Die durch das StÄndG 2001 durch Ergänzung des Satzes 2 erweiterte Anwendungsregelung des § 52 Abs. 11 EStG hat insoweit keinen klarstellenden, sondern rechtsbegründenden Charakter, der einen Rückgriff in einen abgeschlossenen Besteuerungszeitraum als unzulässige echte Rückwirkung ausschließt.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine KG. Im Laufe des Jahres 1999 wurden trotz eines Jahresfehlbetrags von rund 200.000 DM Entnahmen von ca. 550.000 DM vorgenommen. Es ergaben sich Zinsaufwendungen i.H.v. annähernd 30.000 DM. Das Finanzamt errechnete nicht abzugsfähige Schuldzinsen gem. § 4 Abs. 4a EStG i.H.v. ca. 17.000 DM und minderte somit den Verlust aus Gewerbebetrieb um diesen Zurechnungsbetrag. Mit ihrem Einspruch hiergegen machte die Klägerin geltend, dass es zu einer Hinzurechnung von auf Überentnahmen beruhenden Schuldzinsen nur dann kommen könne, wenn die Überentnahmen des laufenden Jahres die Beträge übersteigen würde, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen hätten. Die Anwendungsregel des § 52 Abs. 11 EStG sehe nicht vor, dass dieser Teil der Vorschrift in 1999 nicht anzuwenden sei. Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch unter Berufung auf das BMF-Schreiben vom 22. Mai 2000, wonach Über- und Unterentnahmen in Wirtschaftsjahren vor dem Jahr 1999 unberücksichtigt bleiben müssten, als unbegründet zurück. Darüber hinaus würde durch die Gesetzesänderung des § 52 Abs. 11 EStG durch das Steueränderungsgesetz 2001 die Auffassung des Finanzamts kodifiziert.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts ist die Klage der KG begründet. Gem. § 52 Abs. 11 EStG ist § 4 Abs. 4a EStG erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 31.12.1998 endet. Durch das StÄndG 2001 hat der Gesetzgeber § 52 Abs. 11 EStG um einen Satz 2 dahingehend ergänzt, dass Über- und Unterentnahmen vorangegangener Kalenderjahre unberücksichtigt bleiben. Das beklagte Finanzamt hat daher die Unterentnahmen der Wirtschaftsjahre vor 1999 unberücksichtigt gelassen und einen Anfangsbestand von 0 DM angesetzt. Der erkennende Senat vertritt dagegen die Auffassung, dass die vor 1999 entstandenen Unterentnahmen sehr wohl zu berücksichtigen seien. Dies entspreche dem Sinn und Zweck des Gesetzes, nach dem nicht abziehbare Schuldzinsen nur dann entstehen können, soweit sich entnahmebedingt ein negatives Kapitalkonto ergebe. Eine steuerschädliche Überentnahme im laufenden Veranlagungszeitraum liege erst vor, wenn sie zur Entstehung oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos führe. Der Steuerpflichtige könne deshalb bei positivem Kapitalkonto auch frühere Gewinne und Einlagen ohne Begrenzung des Schuldzinsenabzuges entnehmen. Der dadurch dem Steuerpflichtigen entstehende größere Aufwand rechtfertige nicht die Nichtberücksichtigung früherer Unterentnahmen. Dieser Grundsatz werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Neuregelung erstmals auf das Wirtschaftsjahr anzuwenden ist, das nach dem 31.12.1998 endet. Auch die Neufassung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG, wodurch ausdrücklich angeordnet wird, das Über- und Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren vor 1999 unberücksichtigt bleiben müssen, könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Anwendung dieser Vorschrift würde, bezogen auf das Streitjahr 1999, rückwirkend in einen abgeschlossenen Besteuerungszeitraum eingreifen und somit eine verfassungswidrig unzulässige echte Rückwirkung darstellen.

 

Hinweis

Das Urteil ist zu begrüßen, da auf diese Weise Unterentnahmesalden der Vorjahre nicht verloren gehen, was dem Gesetzeszweck des § 4 Abs. 4a EStG widersprechen würde. Das UrteiI hat allerdings lediglich Relevanz für Jahre 1999 und 2000, da mit Wirkung ab VZ 2001 durch § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG klargestellt wurde, dass Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre - wohl aus Praktikabilitätsgründen - nicht zu berücksichtigen sind.

Es ist jedoch auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 21.12.2003 (5 K 127/01) hinzuweisen, das zum genau entgegengesetzten Ergebnis kommt: In dem betreffenden Streitfall wurde entschieden, dass die Einbeziehung von Über- und Unterentnahmen der Vorjahre in die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen zu nicht handhabbaren Berechnungsproblemen führen würde, so dass eine Nichtberücksichtigung die Folge sein müsse. In beiden Rechtssachen ist die Revision zugelassen bzw. wurde bereits eingelegt, so dass die Entscheidung des BFH abzuwarten ist. Aus Gründen der Systematik ist u.E. zu erwarten, dass die hier diskutierte Meinung des FG Münster obsiegen wird.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 13.10.2003, 5 K 4658/01 F

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