Leitsatz

Die Fortschreibung der festgestellten Grundstücksart nach § 22 Abs. 2 BewG kommt auch in den Fällen in Betracht, in denen die auf einen früheren Stichtag vorgenommene (Art-)Feststellung auf einer Billigkeitsmaßnahme des FA nach § 163 AO 1977 beruht. Voraussetzung ist, dass sich die für die frühere Billigkeitsmaßnahme maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt geändert haben.

 

Normenkette

BewG § 20, , BewG § 22 Abs. 2 und , BewG § 22 Abs. 4, , BewG § 75 Abs. 5 und , BewG § 75 Abs. 6 , AO 1977 § 130 f., , AO 1977 § 163

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.07.2000, II R 31/99

Anmerkung

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks mit einem 1984 errichteten Wohngebäude. Dort wohnte sie im Erdgeschoss mit ihrer Familie, während das – von den übrigen Gebäudeteilen nicht abgeschlossene – Kellergeschoss von ihrer Schwiegermutter genutzt wurde. Das FA bewertete das Grundstück auf den 1.1.1985 zunächst als „Einfamilienhaus”, änderte diese Feststellung jedoch im Einspruchsverfahren in die Grundstücksart „Zweifamilienhaus”. Der Änderung legte das FA die in einem gleichlautenden Ländererlass enthaltene Billigkeitsregelung der obersten Finanzbehörden der Länder v. 15.5.1985 (BStBl 1985 I S. 201) zugrunde, nach der ein Wohngebäude unter gewissen Voraussetzungen auch dann als Zweifamilienhaus bewertet werden kann, wenn es zwei Wohnungen enthält, die nicht gegeneinander abgeschlossen werden können. Als bekannt wurde, dass die Schwiegermutter der Klägerin im Jahre 1992 nach auswärts verzogen und im Jahre 1993 verstorben war, stellte das FA durch einen Art- und Wertfortschreibungsbescheid die Grundstücksart auf den 1.1.1994 mit „Einfamilienhaus” fest.

Der BFH hält dieses Vorgehen für zutreffend. Über die Art eines Bewertungsgegenstands ist eine neue Feststellung ( Artfortschreibung ) zu treffen, wenn sie von der zuletzt getroffenen Feststellung abweicht ( § 22 Abs. 2 BewG ). Die Vorschrift ermöglicht es dem FA, den Einheitswert an die Veränderungen der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums anpassen. Die Entscheidung stellt klar, dass eine Fortschreibung der festgestellten Grundstücksart auch in den Fällen in Betracht kommt, in denen die auf einem früheren Stichtag vorgenommene Artfeststellung auf einer Billigkeitsmaßnahme des FA nach § 163 AO beruht. Erforderlich ist in solchen Fällen, dass sich die für die frühere Billigkeitsmaßnahme maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse im Feststellungszeitpunkt geändert haben. Im Streitfall lagen die Voraussetzungen, unter denen nach der Billigkeitsregelung von zwei Wohnungseinheiten gesprochen werden konnte, nicht mehr vor, weil in den Wohnräumen des Kellergeschosses kein selbständiger Haushalt mehr geführt wurde.

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