Leitsatz

1. Das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands wird indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt. Dies gilt auch, wenn das Angebot nach Abschluss des Kaufvertrags unwesentlich geändert wird.

2. Ein einheitlicher Erwerbsgegenstand kann aufgrund besonderer Umstände auch vorliegen, wenn der Käufer das Angebot erst 19 Monate nach Abschluss des Kaufvertrags annimmt.

3. Gegen die ständige Rechtsprechung des BFH zum einheitlichen Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht bestehen keine durchgreifenden unions- oder verfassungsrechtlichen Bedenken (entgegen Urteil des Niedersächsischen FG vom 26.8.2011, 7 K 192/09, 7 K 193/09, Haufe-Index 2908557, EFG 2012, 730).

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8, § 9 GrEStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 19.2.2004 von der X AG ein Grundstück mit aufstehendem älteren Verwaltungs- und Produktionsgebäude, das noch bis zum 31.12.2005 an einen Dritten vermietet war. Die X AG hatte dem Kläger bereits im Dezember 2003 den Abschluss eines Generalübernehmervertrags zur Sanierung des Gebäudes und eines Generalmietvertrags zu einem pauschalen Festpreis von ca. 8 Mio. EUR angeboten. Auf der Grundlage eines später teilweise modifizierten Sanierungsentwurfs schloss der Kläger mit der X AG im September 2005 einen Generalübernehmervertrag zu einem pauschalen Festpreis von rund 7,65 Mio. EUR.

Das FA hatte gegen den Kläger bereits 2004 Grunderwerbsteuer für den Grundstückserwerb festgesetzt. Nachdem das FA Kenntnis von dem Generalübernehmervertrag erlangt hatte, bezog es mit einem nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid die Sanierungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ein. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des FG war Gegenstand des Erwerbs das Grundstück mit saniertem Gebäude (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.9.2010, 5 K 5356/08, Haufe-Index 2636047, EFG 2011, 1644).

 

Entscheidung

Der BFH stimmte dieser Beurteilung zu und wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Die Grundsätze des grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstands bestimmen darüber, welcher (künftige) Grundstückszustand für die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer maßgebend ist. Im Regelfall betrifft die Problematik die Frage, unter welchen Voraussetzungen beim Erwerb eines unbebauten Grundstücks aufgrund eines daneben geschlossenen Bauerrichtungsvertrags – in Abgrenzung zu den eigennützigen Erwerberleistungen – auch die Baukosten zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zählen. Doch auch bei dem Grundstückserwerb mit bereits aufstehendem Gebäude kann ein mit der Veräußererseite daneben geschlossener Gebäudesanierungsvertrag als einheitlicher Erwerbsgegenstand "Grundstück mit saniertem Gebäude" zu beurteilen sein; in diesem Fall gehören auch Sanierungskosten zur Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1, § 9 GrEStG.

2. Bei einem zivilrechtlich einheitlichen Vertrag liegt stets ein einheitlicher Leistungsgegenstand vor. Bei formal getrennten Verträgen kann ein solcher vorliegen, wenn zwischen den mehreren Verträgen ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang besteht.

Das ist zum einen der Fall, wenn der Grundstückserwerber bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" des noch herzustellenden künftigen Grundstückszustands (z.B. Bebauung) gegenüber dem Veräußerer nicht mehr frei gewesen ist.

Zum anderen wird ein objektiv sachlicher Zusammenhang der mehreren Verträge (widerleglich) indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot später annimmt.

3. Im letztgenannten Fall muss die Annahme des Angebots regelmäßig in engem zeitlichen Zusammenhang (der naturgemäß nicht auf einen bestimmten Zeitraum fixiert werden kann) mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags erklärt werden. Verstreicht zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Bauerrichtungs- oder Sanierungsvertrag ein längerer Zeitraum, wird regelmäßig von eigennützigen, die Bemessungsgrundlage nicht erhöhenden Erwerberleistungen auszugehen sein.

Dazu hat der BFH klargestellt, dass ein einheitlicher Erwerbsgegenstand auch vorliegen kann, wenn der Käufer aufgrund besonderer Umstände das Angebot erst 19 Monate nach Abschluss des Kaufvertrags annimmt. Ein solcher besonderer Umstand liegt z.B. vor, wenn mit der Kernsanierung eines erworbenen (vermieteten) Gebäudes erst nach dem Auslaufen des Mietvertrags begonnen werden kann.

4. Die erneut gegen die Rechtsfigur des einheitliche...

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