Produktivitätsfortschritte besser mit Kennzahlen als mit monetären Größen bewerten

Die Erfahrungen bei Anwendung der oben genannten Grundsätze zur Optimierung von Fabriken sind in vielen Unternehmen überwiegend positiv. Dennoch besteht seitens des Managements oft der Wunsch, die Vorteile einer schlanken Produktion zu konkretisieren und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die betriebliche Effizienz transparent zu machen. Mit Blick auf das unternehmerische Kardinalziel Unternehmensrentabilität wäre dabei eine monetäre Kosten-Nutzen-Betrachtung vermutlich ideal. Aufgrund der Komplexität der Wirkung fertigungswirtschaftlicher Verbesserungsmaßnahmen und unter Berücksichtigung der Denk- und Handlungsweise der an der Produktion Beteiligten erscheinen leistungsorientierte Kennzahlen jedoch aussagefähiger. Mit ihrer Hilfe können die Verbesserungspotenziale der Wertstrom-Optimierung ebenfalls quantifiziert und darüber hinaus eine gute Kommunikation im fertigungswirtschaftlichen Umfeld gewährleistet werden.

4 Kategorien von Messgrößen

Betrachtet man die vier wesentlichen Gestaltungsfelder innerhalb einer Fabrik – Fertigungsprozesse, Fertigungstechnik, Fertigungsfläche, Fertigungsmitarbeiter –, so erscheinen folgende Wertstrom-Kennzahlen als besonders bedeutsame Größen zur Bewertung der Optimierungspotenziale:

Abb. 2: Ansatzpunkte der Wertstrom-Methode und zugehörige Messgrößen

3.1 Fertigungsprozess-Messung

3.1.1 Durchlaufzeit und Bestand

Klassische Größe "Durchlaufzeit"

Die Durchlaufzeit ist eine Größe, die bereits traditionell im Fokus der Fertigungsplanung steht. Sie ist die Zeitspanne, die zwischen dem Beginn der Bearbeitung eines Auftrags, also Auftragsfreigabe (SoP; Start of Production), und dessen Bearbeitungsende (EoP; End of Production) liegt. Dabei unterscheidet man nachfolgende Durchlaufzeiten-Elemente: die Durchführungszeit umfasst die Bearbeitungszeit sowie die Rüstzeit; die Übergangszeit besteht aus Transport- und Liegezeiten.

Abb. 3: Durchlaufzeit und Durchlaufzeitenelemente

Bestände und Reaktionsfähigkeit der Produktion

Im Rahmen der Wertstrom-Methode ist die Durchlaufzeit allerdings besonders wichtig, da sie die im Produktionsprozess vorhandenen Bestände wiedergibt und gleichzeitig ein Maß für die Reaktionsfähigkeit einer Produktion ist. So sind längere Durchlaufzeiten auf höhere Liegezeiten und damit Bestände zurückführen. Überhaupt bezieht sich die Durchlaufzeit im Sinne einer Wertstrombetrachtung zunächst auf den physischen Materialstrom und vernachlässigt administrative Leistungen im Bereich der Auftragsplanung und Arbeitsvorbereitung. Man spricht in diesem Zusammenhang gerne von einer Rampe-Rampe Betrachtung, bei der die reine Verweildauer der Materialien zwischen Wareneingang und Versand im Fokus steht. Diese physische Durchlaufzeit der Materialien steht im direkten Zusammenhang mit den Kapitalbindungskosten, den belegten Flächen – beiden steigen mit der Durchlaufzeit – und einer sinkenden Agilität des Unternehmens bzw. sinkenden Flexibilität, auf kurzfristige Kundenänderungen reagieren zu können.

Bei der Erhebung der Durchlaufzeit im Rahmen einer Wertstromanalyse steht man oftmals vor der Problematik, dass die Zeiten der zu bearbeitenden Komponenten nicht auf jeder Wertschöpfungsstufe ins Betriebsdatenerfassungssystem (engl.: ERP-/Enterprise Resource Planning System) zurückgebucht werden und somit keine detaillierten Aussagen zur Zusammensetzung der Durchlaufzeit generiert werden können. In der Praxis behilft man sich hier, indem man die Umlaufbestände in den einzelnen Prozessstufen zählt und auf den durchschnittlichen Kundenabruf bezieht. Damit kann man sogar direkt einzelnen Transportbehältern eine konkrete Durchlaufzeit zuordnen.

3.1.2 Fließgrad

Neu im Rahmen der Wertstromanalyse ist hingegen die Flussgeschwindigkeit der Produktion, die anhand des Fließgrads beurteilt wird. Sie betrachtet das Verhältnis von gewollter und ungewollter Verweildauer in einem Prozess.[1] Übertragen auf die Produktion setzt man die wertschöpfende Bearbeitungszeit ins Verhältnis zur Durchlaufzeit und betrachtet so den Umsetzungsgrad einer Fließfertigung.

 
Fließgrad = Summe Bearbeitungszeiten (BZ)  
Durchlaufzeit (DLZ)  

Formel 2.1: Berechnung des Fließgrades

Idealisiert wäre ein Wert von 1 anzustreben, was bedeuten würde, dass es ausschließlich Bearbeitungs- und keine Übergangszeiten gibt. Mit seiner Hilfe kann man beurteilen, inwieweit niedrige Lagerbestände, kurze Unterbrechungen und Wartezeiten realisiert wurden. Verbal unterscheidet man bei der Wertstrom-Methode im Übrigen den hier erläuterten Fließgrad vom Flussgrad; letzter ist dabei lediglich der Kehrwert des Fließgrads:

 
Flussgrad = 1  
Fließgrad  

Formel 2.2: Berechnung des Flussgrades

[1] Pfeffer, 2014, S. 53.

3.2 Bewertung der Fertigungstechnik: Maschinenverfügbarkeit und Flexibilität

Die Umsetzung der Prinzipien von Lean Production wirkt sich direkt auf die Effizienz der Anlagen aus, eine wichtige Voraussetzung um Liegezeiten und damit Durchlaufzeiten und Bestände zu reduzieren. Aus diesem Grund ist die Messung der Anlageneffizienz unerlässlich. Allerdings variieren die Methoden zur Berechnung der Zuverlässigkeit von M...

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