Kennzahlen, Kompetenzen und Kooperation als Erfolgsfaktoren im Einkaufscontrolling


Serienelemente
Erfolgsfaktoren im Einkaufscontrolling

Einkaufscontrolling geht bei DB Schenker weit über die üblichen Themen wie Funktionskosten und Savingssteuerung hinaus. Im letzten Teil des Interviews erläutert Patrick Reiß, welche Kennzahlen dabei zum Einsatz kommen und welche Kompetenzen und Rollen von Bedeutung sind.

Das Interview führten Tobias Steinhauser, Principal und Head of R&D, Procurement & Supplier Management bei Horváth in München, und Dr. Peter Schentler, Partner und Head of Controlling & Finance Österreich bei Horváth in Wien.

Das Interview ist entnommen aus. Klein/Schentler, Einkaufscontrolling, 2. Aufl. 2022.

Wie leben Sie Einkaufscontrolling bei DB Schenker?

Reiß: Wir haben ein Performance-Management-Team aufgesetzt. Der Name ist bewusst gewählt, um das Thema weiter zu fassen. Dieses Team bündelt alle Themen zur Datentransparenz: die „klassischen“ Einkaufscontrollingthemen wie Funktionskosten oder Savingssteuerung. Aber darüber hinaus auch die Schaffung von Datentransparenz, Benchmarking und Potenzialidentifikation für Saving und Effizienzsteigerung.

Ein Fokusthema für 2023 ist die Optimierung der Savings-Planung inkl. Savings-Ziele. Ansätze gab es bereits in der Vergangenheit, aber wir werden einen Schritt weiter und viel stärker Richtung Potenzialidentifizierung gehen. Das heißt wir sehen uns unseren Spend und die vergangene und prognostizierte zukünftige Entwicklung im Detail an; darauf aufbauend möchten wir den Category Managern Empfehlungen geben, wo wir Potenziale sehen.

Wie stellen Sie den Link zwischen dem Einkauf und den Fachbereichen her?

Reiß: Wir haben ein Category-Owner-Modell etabliert. D.h. wir haben für die Categories einen Verantwortlichen auf globaler, regionaler und lokaler Ebene. Und diese Category Owner stimmen sich mit dem jeweiligen Category Manager und dem Performance Management Team hinsichtlich zukünftiger Bedarfe und Entwicklungen ab. Damit haben wir Einblick in die Bedarfsplanung.

In der Praxis funktioniert das in einigen Categories bereits sehr gut. Ein gutes Beispiel ist die IT. Bei anderen Warengruppen ist es schwieriger. In unserer Branche gibt es sehr viele Zeitarbeitskräfte, und mit einer besseren Geschäftsentwicklung steigt auch der Bedarf. Beispielsweise war der Boom in den letzten Jahren so nicht planbar und vorhersehbar.

Wie viele Einkaufsabteilungen müssen wir aber den Fachbereichen noch stärker vermitteln, dass sie uns frühzeitig einbinden. Je früher wir involviert sind, desto besser das Ergebnis. Wenn der favorisierte Supplier des Fachbereiches ausgewählt und ihm ggf. schon mitgeteilt wurde, dass er präferiert ist, ist es für den Einkauf sehr schwer noch monetäre oder nicht monetäre Verhandlungsergebnisse zu erzielen.

Welche Kennzahlen sind für Sie im Einkaufscontrolling relevant?

Reiß: Im Fokus stehen drei Kennzahlen. Sehr wesentlich sind Savings. Dazu sehen wir uns Cost Reduction, Cost Avoidance und Negotiated Savings an, auch differenziert nach Sichtbarkeit in der GuV bzw. „Procurement Performance“. Die Kennzahlen werden auch in Relation betrachtet, d.h. zur Größe der Einkaufsabteilung oder im Verhältnis zum Spend des jeweiligen Landes.

Daneben ist die Effizienz sehr wichtig. Im Fokus steht die bereits erwähnte Adoption Rate unserer Tools und Prozesse. Sie ist eine meiner Top-3-Kennzahlen, auch wenn immer wieder Kritik daran laut wird. Wir hören manchmal von den Einkaufsbereichen „Ihr reduziert uns auf die Nutzung von Systemen“. Aber wenn das System nicht genutzt wird, können wir Verbesserungen nicht vorantreiben und auch andere Kennzahlen nicht auswerten. Damit ist die Adoption Rate die Grundlage für viele weitere Effizienzkennzahlen.

Eine weitere wichtige Kennzahl ist Kundenzufriedenheit. Wir möchten von unseren internen Kunden erfahren, wie sie uns sehen und bewerten. Was ist in ihren Augen der Wert von Procurement und was erwarten sie sich vom Einkauf der Zukunft? Im Bereich der Systeme erfragen wir bereits heute die Kundenzufriedenheit mit dem P2P-System. Wir fragen aber noch nicht, wie zufrieden die Fachbereiche mit dem Business Partnering seitens des Einkaufs sind. Hier ist noch einiges zu tun, wir gehen auch in Richtung einer Net-Promotor-Score-Logik.

Die nächsten Schritte hinsichtlich der Kennzahlen sind zum Beispiel den Reifegrad der Einkaufseinheiten in den Ländern betrachten; aber so weit sind wir noch nicht.

Rolle und Kompetenzprofil

Das Thema Mitarbeiter und der so genannte „War for Talents“ betrifft viele unserer Kunden. Wie stellt sich die Situation bei DB Schenker und insbesondere im Einkauf dar?

Reiß: Die beste Strategie, das beste Tool oder der beste Prozess helfen nichts, wenn wir nicht die richtigen Personen haben. Aber es wird zunehmend schwieriger, Mitarbeiter und vor allem passende Mitarbeiter für ausgeschriebene Stellen zu finden; vor allem für ein disruptives Umfeld wie die Logistik. Ich möchte aber auch nicht Stellen mit Personen besetzen, die nicht passend sind und sich auch nicht in die Stelle hineinentwickeln können; da lasse ich die Stelle im Einzelfall lieber frei. Keine Kompromisse bei der Personalauswahl: Kompetenz, Teamfit und Potenzial müssen passen.

Wir investieren zunehmend mehr in das Thema Mitarbeiter finden, halten und ausbilden. Als internationaler Konzern haben wir hier auch viele Möglichkeiten. Wir sind in sehr vielen Ländern vertreten, es gibt viele verschiedene Rollen, Positionen, Karrierepfade und Aufstiegsmöglichkeiten. Damit können wir Mitarbeitern viele Chancen und Möglichkeiten bieten sich weiterzuentwickeln.

Wie gehen Sie mit physischer Präsenz vs. Home Office vs. unterschiedlichen Standorten um – auch vor dem Hintergrund von Änderungen basierend auf Covid19?

Reiß: Wie bei vielen anderen Unternehmen hat sich auch bei uns mit der Covid19-Pandemie einiges geändert. Ein Teil der Belegschaft arbeitet aus dem Home-Office; und wie wir festgestellt haben, funktioniert das gut. Wir haben viel Neues über Zusammenarbeit im Team gelernt und sind durchlässiger geworden. Globale Videokonferenzen sind business as usual; in der Vergangenheit waren wir in der Zusammenarbeit viel lokaler oder regionsorientierter aufgestellt. DB Schenker hatte bereits vieles digitalisiert, damit war Home Office auch einfach möglich. Das heißt nicht, dass unsere Prozesse immer optimal digitalisiert sind, aber sind sie digitalisiert. Und derzeit beschäftigt uns dahingehend eher das Thema Automatisierung und Effizienzsteigerung.

Als Global Player müssen wir hier unsere Vorteile und die Chancen nützen, die die neue Arbeitswelt bieten kann. In der Vergangenheit hat der Standort Essen sicher 50% der potenziellen Bewerber „abgeschreckt“. Heute können Mitarbeiter in Deutschland in vielen Bereichen von DB Schenker größtenteils selbst entscheiden, wo sie leben und arbeiten möchten. Ich führe themen- und ergebnisorientiert. Aber wir stellen auch den persönlichen Austausch sicher, den ich weiterhin für sehr wichtig halte; bestimmt nicht im täglichen Arbeiten, aber an und an. Sei es bei einem Kaffee oder bei einem Abendessen und Afterwork. Das intensiviert Beziehungen und schafft Vertrauen. Beides sind wichtige Bestandteile, um als Team erfolgreich und effizient zusammenarbeiten zu können. Deshalb treffen wir uns auch zum persönlichen Austausch einmal im Monat in Essen. Natürlich muss es auch hier bestimmte Rahmenbedingungen und Grenzen geben. Es macht wenig Sinn, wenn in einem Team von 20 Leuten eine Person in einer anderen Zeitzone sitzt, und sich nicht mehr zugehörig fühlt.

Die von Ihnen geschilderte Entwicklung beobachte ich in vielen Unternehmen. Aber warum ist das erst jetzt möglich? Die fortschreitende Digitalisierung hätte das bereits vor einigen Jahren zugelassen.

Reiß: Ich glaube, dass das eine Frage des Gelernten ist. Viele Top-Manager und Entscheidungsträger stammen noch aus einer anderen Generation und sind damit ein wenig konservativer als Berufseinsteiger oder jüngere Mitarbeiter. Daher hat es vermutlich Corona “gebraucht“, weil wir auf einmal gezwungen waren die Mitarbeiter ins Home-Office zu senden.

Zum Abschluss noch die Frage, wie Sie das Kompetenzprofil des Einkäufers in Zukunft – oder zumindest in den nächsten 5 bis 10 Jahren – sehen?

Reiß: Der Einkäufer der Zukunft muss ein Bündel an Fähigkeiten mitbringen, je nach konkreter Ausprägung der Rolle natürlich in unterschiedlicher Tiefe und Ausprägung. Neben den klassischen Einkaufskompetenzen und Verhandlungskompetenz werden strategisches Mindset, Stakeholder Management und erweiterte IT-Kompetenzen sehr wichtig werden.

Es gilt einerseits sehr integrativ zu sein, Stichwort Stakeholder-Management. Das betrifft nicht nur Lieferanten, sondern ebenfalls intern die richtigen Leute zusammenzubringen und Fachbereiche zu überzeugen, so auszuschreiben wie auszuschreiben ist und welche Lieferanten einbezogen werden sollten. Andererseits muss der Einkauf robust und sehr klar sein, gerade dann, wenn es darum geht unangenehme Entscheidungen zu treffen.

Der Einkauf muss in Zukunft noch tiefer in Themen wie Entwicklung der Rohstoffpreise, Risikobewertung, Finanzbewertung und Nachhaltigkeitsthemen einsteigen. Einkäufer brauchen hier gute Analysefähigkeiten und müssen sicher ein wenig strategischer aufgestellt sein als heute.

Dazu kommen weitere Skills, die es in der Vergangenheit im Einkauf eher weniger gegeben hat. Zum Beispiel der Umgang mit Tools wie MS PowerBI und SAP Analytics Cloud, um Datenanalysen und -auswertungen auch besser selbständig treiben zu können; um immer optimal auf interne und externe Gespräche vorbereitet zu sein.

Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch

Schlagworte zum Thema:  Controlling, Kennzahl, Beschaffung, Einkauf, Lieferkette