Leitsatz

1. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Erstattung nur solcher Aufwendungen von der Steuer befreit ist, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Eine vom Arbeitgeber für die berufliche Nutzung von Wohnraum gezahlte Aufwandsentschädigung (§ 17 BBesG) ist nur steuerfrei, wenn die Voraussetzungen für einen Werbungskostenabzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gegeben sind.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 12 Satz 2, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5, § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Außendienst-Mitarbeiterin im Prüfungsdienst einer Versicherungsanstalt, erhielt eine pauschale Aufwandsentschädigung (Mietentschädigung) i.H.v. 213 DM gem. § 17 BBesG. Der Arbeitgeber behandelte diese Entschädigung als gem. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei.

Nach einer LSt-Außenprüfung stellte das FA fest, dass die Klägerin in ihrer Wohnung über keinen abgeschlossenen Raum als Arbeitszimmer verfügte. Das FA sah deshalb die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der Entschädigung nicht als gegeben an. Das FG gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte Erfolg. Die Mietentschädigung sei steuerpflichtiger Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG komme nicht zur Anwendung. Die Mietentschädigung sei auch nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt worden (vgl. dazu BFH, Urteil vom 16.9.2004, VI R 25/02, BFH-PR 2005, 88).

Soweit in Abschn. 13 Abs. 4 LStR 1999 bzw. R 13 Abs. 3 LStR 2000 Anweisungen "zur Erleichterung der Feststellung, inwieweit es sich in den Fällen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG um eine steuerfreie Aufwandsentschädigung handelt", getroffen werden, sei davon auszugehen, dass diese erst zur Anwendung kommen, wenn der Werbungskostenabzug dem Grund nach gegeben ist. Sollten die Anweisungen anders zu verstehen sein, fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.

 

Hinweis

1. Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen gezahlt werden, steuerfrei, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Der BFH hat die Vorschrift in ständiger Rechtsprechung verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass die Erstattung nur solcher Aufwendungen von der Steuer befreit ist, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind. An dieser Rechtsprechung hält der BFH auch in der Besprechungsentscheidung fest. Bestärkt in dieser Rechtsauffassung sieht sich der VI. Senat auch durch die Entscheidung des BVerfG vom 11.11.1998, 2 BvL 10/95 (BStBl II 1999, 502) zu § 12 Satz 1 EStG. Dort hatte das BVerfG u.a. entschieden, dass der Aufwandstatbestand in § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, als er nicht nur erwerbsdienliche, als Werbungskosten oder Betriebsausgaben berücksichtigungsfähige Ausgaben, sondern auch Amts- und Stellenzulagen umfasse.

2. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Beitrittsbeschluss des BFH vom 21.9.2006, VI R 81/04, BFH-PR 2007, 17 (zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der steuerfreien Abgeordnetenpauschale) hinzuweisen. Dort hat der VI. Senat u.a. angeführt, dass die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG nur dann eine unbedenkliche vereinfachende Verrechnung von Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen bleibt, wenn der Tatbestand der "Aufwandsentschädigung" sicherstellt, dass von der Steuerfreiheit nur Bezüge zum Ausgleich von einkommensteuerlich absetzbaren Erwerbsaufwendungen erfasst werden.

3. Wird einem Arbeitnehmer aus einer öffentlichen Kasse eine Entschädigung für das Unterhalten eines häuslichen Arbeitszimmers gezahlt, so hängt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 EStG – aufgrund der angeführten Beschränkung – folglich davon ab, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG gegeben sind. Insoweit hat der BFH stets daran festgehalten, dass zwischen dem privaten Wohnbereich und dem Arbeitszimmer eine hinreichende Abgrenzung gegeben sein muss (vgl. zuletzt BFH, Beschluss vom 16.8.2005, VI B 8/05, BFH/NV 2005, 2006). Scheidet – wie im Streitfall – mangels hinreichender Abgrenzung ein Werbungskostenabzug aus, so liefe es auf eine verfassungswidrige Privilegierung der Empfänger von Bezügen aus öffentlichen Kassen hinaus, eine Steuerfreiheit der angeführten Vergütung anzunehmen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.11.2006, VI R 3/04

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