Die erste ist die Volatilität: das Umfeld zeichnet sich durch Unbeständigkeit mit hoher Schwankungsbreite aus, d. h. Ausmaß, Häufigkeit und Unprognostizierbarkeit der Veränderungen nehmen zu. Dies führt zu Anpassungsbedarfen bei der Gestaltung der Controlling-Kernprozesse Planung und Forecasting. Da es bereits viele Veröffentlichungen dazu gibt, wie man diese Prozesse sinnvoll anpassen kann, soll dieses Thema im Rahmen des Artikels nicht weiter vertieft werden.[1]

Auf drei Erfordernisse sei aber nochmals kurz hingewiesen. Zum einen ist bei Planungsprozessen eine Akzentverschiebung dahin gehend erforderlich, dass Planungen mehr die Bandbreite von Möglichkeiten aufzeigen, anstatt illusorische Sicherheiten zu präsentieren. Zum zweiten ist es im volatilen Umfeld sinnvoll, nicht (mehr) zu viele Ressourcen in Planungsprozesse zu investieren, sondern stattdessen mehr Ressourcen dafür zu nutzen um Mechanismen zu implementieren, die die Verwundbarkeit der Organisation reduzieren bzw. ihre Anpassungsfähigkeit erhöhen. Und als drittes der Hinweis, dass der Blick nach draußen noch stärker in den Vordergrund rücken muss, da Ausmaß und Richtung der eingetretenen Volatilität integraler Bestandteil der Erfolgsbeurteilung sein müssen.

Die zweite Herausforderung ist die Unsicherheit. Sie ist gekennzeichnet durch das Fehlen 100 %iger Sicherheit, d. h. es gibt mehr als eine Möglichkeit. Der "Kardinalfehler" mancher Controller ist hier, dass sie der Unsicherheit in ihren Analysen nicht Rechnung tragen. Unsicherheit hat eine Form, d. h. man kann nicht sagen, dass die Zukunft unsicher ist und dass man im nächsten Jahr ein Ergebnis von 54.687 EUR erwartet. Falsche Präzision ist nicht informativer, sondern irreführend. Wichtig ist auch zu beachten, dass Unsicherheit nicht gleichbedeutend mit Risiko ist. Dies ist am Beispiel des Würfelns gut nachvollziehbar. Beim Würfeln besteht eine Unsicherheit, welche Zahl man würfelt. Solange man aber kein Geld darauf wettet, besteht kein Risiko.

Die dritte Herausforderung ist die Komplexität, die dazu führt, dass Ursache-Wirkungszusammenhänge häufig nicht nachvollziehbar sind. Dies ist für Controller eine große Herausforderung, insbesondere auch im Kontext von Predictive Analytics. Da Prognosemodelle auf Ursache-Wirkungszusammenhängen basieren, muss im Vorfeld durch rigoroses Hinterfragen geklärt werden, ob diese überhaupt in der angenommenen Form existieren. Methodische "Tretminen" im Bereich der Ursache-Wirkungszusammenhänge sind beispielsweise, dass man eine Korrelation fälschlicherweise als Kausalität interpretiert, dass man Confounder übersieht, oder dass man "absence of evidence" als "evidence of absence" interpretiert. Aber auch genügend methodisches Wissen bietet keinen Schutz vor einem weiteren Problem, i.e. dass bei manchen unternehmerischen Fragestellungen die Datenlage möglicherweise einfach nicht schlüssig ist. Dies müssen Controller dann entsprechend kommunizieren, d. h. sie müssen etwaige Vorbehalte unmissverständlich transparent machen.

Die vierte und letzte Herausforderung ist die Ambiguität, also die Mehrdeutigkeit von Informationen und Beobachtungen. Entscheidungsrelevante Informationen entstehen aus den drei Schritten "finding the dots", "connecting the dots" und "explaining the dots". Die Fähigkeit des "connecting the dots" wird im unsicheren Umfeld zu einer wichtigen Kompetenz. Gleichzeitig führt aber die Ambiguität dazu, dass wir beim "connecting the dots" aufpassen müssen, denn hier besteht das Risiko, dass man sich vorschnell, d. h. zu wenig evidenzbasiert, auf ein Narrativ festlegt. Im VUCA-Umfeld darf das Vertrauen in die Richtigkeit der Erklärung eines Sachverhaltes nicht nur mit der Kompetenz oder der Erfahrung der handelnden Personen begründet werden, sondern es muss auch durch Evidenz begründbar sein. Mit einem Augenzwinkern spricht man hier auch gerne von einer evidenzbasierten anstatt einer eminenzbasierten Argumentation. Von daher ist es Aufgabe der Controller, immer wieder kritisch zu hinterfragen, ob bei einem Sachverhalt auch alternative Erklärungen oder Narrative möglich, plausibel und wahrscheinlich sein können. Dies ist angesichts der momentanen Beliebtheit des Storytellings und der Strategie des Setzens von Narrativen keine leichte, aber eine wichtige Aufgabe. Wer sich für ein sehr extremes, aber gerade deswegen eben auch sehr lehrreiches Beispiel interessiert, dem sei die Geschichte von Theranos empfohlen.[2]

Das Zusammenspiel von Komplexität und Ambiguität stellt das menschliche Gehirn vor große Herausforderungen, weil es von seinen "Werksvoreinstellungen" her zum einen eine "Mustersuchmaschine" ist, und zum anderen, weil es Unsicherheit nicht mag. Dies birgt das Risiko, dass wir – um die unliebsame Unsicherheit zu verlassen – zu schnell die erstbeste "dot connection" (Antwort) die unser Gehirn produziert[3] für plausibel erachten – anstatt länger in der Frage zu verweilen oder nochmals die Perspektive zu wechseln.

Die Beschäftigung mit VUCA ist kein Selbstz...

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