Rz. 99

Die Verwaltungsanweisungen zur Beurteilung von Darlehensverträgen zwischen Angehörigen wurden in dem BMF-Schreiben v. 23.12.2010[1] neu zusammengefasst. Hiernach müssen zur Anerkennung durch die Finanzverwaltung folgende Voraussetzungen erfüllt sein, wenn Darlehensverträge zwischen nahen Angehörigen steuerlich anerkannt werden sollen:

  1. Zivilrechtlich wirksamer Abschluss des Darlehensvertrags.
  2. Tatsächliche Durchführung des Darlehensvertrags, so wie er vereinbart worden ist.
  3. Vertragsinhalt und Durchführung müssen dem entsprechen, wie es zwischen Fremden üblich ist (Fremdvergleich).[2] Die Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formerfordernisse führt nicht alleine und ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Darlehensvertrages ist jedoch ein besonderes Indiz gegen den vertraglichen Bindungswillen der Vertragsbeteiligten, welches zur Versagung der steuerrechtlichen Anerkennung führen kann.[3]
  4. Trennung der Vermögens- und Einkunftssphären der Vertragschließenden.
  5. Klare, deutliche und einwandfreie Abgrenzung von einer Unterhaltsgewährung oder einer verschleierten Schenkung der Darlehenszinsen.[4]
 

Rz. 100

Vergleichsmaßstab für den Fremdvergleich (Voraussetzung Nr. 3) sollen die zwischen Darlehensnehmern und Kreditinstituten üblichen Vertragsgestaltungen sein. Hierzu sollen insbesondere gehören:

  • Vereinbarung über Laufzeit des Darlehens,
  • Vereinbarung über Art und Zeit der Rückzahlung des Darlehens,
  • Entrichtung der Zinsen zu den Fälligkeitszeitpunkten,
  • ausreichende Sicherung des Rückzahlungsanspruchs, die bei Hingabe banküblicher Sicherheiten vorliegt.[5]
 

Rz. 101

Sind beide Angehörige volljährig und sind sie wirtschaftlich voneinander unabhängig, muss der Darlehensvertrag nicht in allen Punkten dem entsprechen, was unter fremden Dritten üblich ist, wenn die Darlehensmittel sonst bei einem fremden Dritten hätten aufgenommen werden müssen und in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern stehen. Hier ist es ausreichend, wenn die getroffenen Vereinbarungen tatsächlich vollzogen werden, insbesondere die Darlehenszinsen regelmäßig gezahlt werden.[6]

Wirtschaftlich unabhängig voneinander sind Angehörige dann, wenn jeder seinen Unterhalt und seine für die Lebensführung benötigten Aufwendungen aus eigenen Mitteln bestreiten kann.

 

Rz. 102

Ein Fremdvergleich ist auch durchzuführen, wenn Vereinbarungen zwischen einer Personengesellschaft und Angehörigen von solchen Gesellschaftern getroffen werden, welche die Gesellschaft beherrschen.[7]

 

Rz. 103

Die vereinbarte Schenkung und die Rückgabe sind ertragsteuerlich nicht als Darlehen anzuerkennen, soweit die unentgeltliche Zuwendung eines Geldbetrags an Angehörige davon abhängig gemacht wird, dass der Empfänger den Betrag als Darlehen wieder zurückgeben muss. Denn der Empfänger erhält nicht die alleinige und unbeschränkte Verfügungsmacht über die Geldmittel, da er sie nur zum Zwecke der Rückgabe an den Zuwendenden oder an eine Personengesellschaft, die der Zuwendende oder dessen Angehörige beherrschen, verwenden darf.

 
Praxis-Beispiel

Vater V schenkt seinem Sohn S 100.000 EUR. S gewährt V oder einer Personengesellschaft, die von V oder dessen Angehörigen beherrscht wird, den empfangenen Geldbetrag für die Dauer von 5 Jahren als Darlehen. Das Darlehen wird angemessen verzinst.

 

Rz. 104

Wurde im vorstehenden Beispiel zwischen V und S vereinbart, dass S den empfangenen Geldbetrag wieder als Darlehen zur Verfügung zu stellen hat, so ist, wirtschaftlich gesehen, S mit Empfang des Geldes noch nicht hierüber verfügungsberechtigt. Es steht weiterhin bis zur "Rückzahlung" des Darlehens dem V zur Verfügung. Die Schenkung wurde also bei der Geldzuwendung noch nicht tatsächlich vollzogen. Folglich konnte auch der Empfänger des Geldes kein Darlehen gewähren. Die Vereinbarung zwischen den Angehörigen ist vielmehr ertragsteuerlich als eine modifizierte Schenkung zu beurteilen, da im Zeitpunkt der Schenkung eine endgültige Vermögensverschiebung noch nicht vorliegt, sondern der Vollzug der Schenkung bis zur Rückzahlung des sog. Darlehens aufgeschoben wird. Außerdem wird der Umfang der Schenkung durch die Zahlung sog. Darlehenszinsen erweitert. Folglich dürfen die als Darlehenszinsen geltend gemachten Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden.[8]

Einkommensteuerlich ist also das Vertragswerk im vorstehenden Beispiel als eine Schenkung des V an S zu behandeln, die hinsichtlich des Kapitals erst im Zeitpunkt der "Rückzahlung des Darlehens" vollzogen wird und die sowohl den Betrag des "zurückgezahlten Darlehens" als auch die laufend gezahlten "Zinsen" umfasst. Die Zinszahlungen sind daher ebenfalls Zuwendungen des V an S und weder Betriebsausgaben bei V noch Einkünfte bei S.

 

Rz. 105

Entsprechendes gilt im Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern, wenn das Kindesvermögen nicht einwandfrei vom Elternvermögen getrennt wird.

 

Rz. 106

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