Solange sich alle Mitarbeiter nach Recht und Redlichkeit verhalten, ist Compliance ein abstraktes Gebilde. Wenn es aber ein Fehlverhalten gibt, sind die Folgen konkret: ein beschädigtes Image, verärgerte Geschäftspartner, niedrigere Gewinne, Schadensersatzansprüche und im schlimmsten Fall ein Gerichtsverfahren.

In diesem Kapitel erleben Sie Compliance als unverzichtbaren Bestandteil der Unternehmensführung und lernen die wichtigsten Rechtsvorschriften kennen. Dazu erfahren Sie, wie Sie persönlich von Verstößen anderer und unterlassener Vorsorge betroffen sein können.

1.1 Rechtskonformität und Redlichkeit

1.1.1 Alter Wein in neuen Schläuchen?

Wer das liest, denkt vielleicht:

  • Gesetzestreue und Redlichkeit sind für ein gut geführtes Unternehmen doch nichts Neues (z. B. der ehrbare Kaufmann).
  • Immer neue Schlagworte, immer neue Kosten?
  • Die Definition "Einhaltung externer und interner Regeln und Prinzipien" ist so weit gefasst, dass man damit operativ nichts anfangen kann.
  • Sollen wir die perfekte Welt schaffen? Niemand wird jemals verhindern können, dass Menschen rechtswidrig handeln oder sich unredlich verhalten.
  • Soll "gute Geschäftsführung" neu beschrieben werden?

1.1.2 Was ist an Compliance neu?

Mit diesen Überlegungen liegen Sie gar nicht falsch. Es geht tatsächlich um neue Anforderungen an eine gute Geschäftsführung:

  • Von Unternehmen werden heute aktive aufbau- und ablauforganisatorische Maßnahmen verlangt, um Risiken für Rechtskonformität oder Redlichkeit zu vermeiden.
  • Die Gesamtheit dieser Maßnahmen nennt man Compliance-Management-System.
  • Im Interesse einer praktikablen Eingrenzung sollte man sich dabei auf straf- oder bußgeldbewehrte Regelverstöße sowie erhebliche Reputationsrisiken oder Vermögensschäden beschränken. Nur bei solchen besonderen Gefährdungslagen sind über die vorhandenen Verfahren hinausgehende Compliance-Maßnahmen sinnvoll.
  • Bußgeld- und Strafandrohungen sind Hinweise auf ein besonderes öffentliches Interesse an der Regeleinhaltung. In vergleichbarer Weise gilt das auch für drohende Rufschäden. Das betrifft nicht nur Themenstellungen wie Korruption, Kartellverbote, Datenschutz oder Diskriminierung, die bisher im Vordergrund der Compliance-Diskussion standen.
  • Unternehmen müssen darüber hinaus viele straf- oder bußgeldbewehrte Vorschriften von großer praktischer Bedeutung einhalten (z. B. im Umweltschutz, dem Personalwesen, dem Einsatz von Fremdressourcen, der Exportkontrolle oder der Einhaltung von Herkunftsbezeichnungen) und haben hierzu üblicherweise bereits Verfahren und Weisungen eingerichtet.
  • Ein unternehmensübergreifendes Compliance-Management-System erfordert daher die Vernetzung voneinander unabhängiger Prozesse im Unternehmen. Spätestens das ist Geschäftsführungsaufgabe.
 

Definition von Compliance

Die Maßnahmen eines Unternehmens, die vor dem Hintergrund seiner sonstigen Bemühungen um eine rechtskonforme und redliche Führung der Geschäfte und das entsprechende Verhalten seiner Mitarbeiter erforderlich sind, um straf- und bußgeldbewehrte Verhaltensweisen zu vermeiden und besonders schwerwiegende Reputations- oder Vermögensschäden zu verhindern.

1.1.3 Woher kommt die Aufmerksamkeit für Compliance?

Ob Sie wollen oder nicht: Für Compliance gibt es eine Reihe guter Gründe, wie z. B.:

  • Wachsender Ermittlungs- und Überwachungsdruck: Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden haben den Respekt vor Unternehmen und Managern verloren.
  • Investigativer Journalismus: Managerfehlverhalten ist für Wirtschaftsmedien so attraktiv wie königliche Hochzeiten für die Boulevardpresse.
  • Wertgeprägte Unternehmenskultur: Unternehmen beanspruchen heute selbst, Träger von Werten zu sein, und werden in der Öffentlichkeit und von ihren Kunden daran gemessen.
  • Gegenseitige Vernetzung: In einer hochvernetzten, arbeitsteiligen Wirtschaftswelt berührt das Fehlverhalten eines einzelnen Teilnehmers schnell die Interessen anderer Beteiligter.
  • Druck in der Lieferantenkette: Unternehmen achten daher bei Geschäftspartnern auf Compliance-gerechtes Verhalten und geben den Compliance-Druck in der Lieferantenkette weiter.
  • Internationale Standards: Angebot und Nachfrage sollen im Leistungswettbewerb optimiert werden. Was unlautere Sondervorteile verschafft, wie z. B. Korruption oder Kartellabsprachen, wird von den führenden Wirtschaftsnationen geächtet und nach Möglichkeit verfolgt.

1.2 Rechtsgrundlagen gegen unrechtes Unternehmenshandeln

Unternehmensinhaber, d. h. die tatsächlich Führungsverantwortlichen, sind nach § 130 OWiG verpflichtet, durch angemessene Aufsichtsmaßnahmen die Verletzung straf- oder bußgeldbewehrter Unternehmenspflichten zu verhindern. Kommen sie oder an ihrer Stelle beauftragte Mitarbeiter (Pflichtendelegation) dieser Pflicht nicht ordnungsgemäß nach, handeln sie oder die beauftragten Mitarbeiter (§ 9 OWiG) selbst ordnungswidrig und können mit einem Bußgeld belegt werden. Daneben können auch gegen Unternehmen selbst Sanktionen verhängt werden (Verbandsstrafe nach § 30 OWiG).

Diese Regelungen bilden heute in Deutschland die harte rechtliche Grundlage für die unter dem Stichwort Compliance erfassten Pflichten zur Vermeidung rechtswidrigen Unternehmenshandelns. Sie bestehen gegenüber der Allgemeinheit und nicht nur gegenüber den Unterneh...

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