Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Nichtzulassung einer Revision. Fahrten zur Arbeitsstätte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Angesichts der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein lediger Steuerpflichtiger Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG für Fahrten von einem weiter entfernt liegenden Wohnort als Werbungskosten geltend machen kann, kommt der Rechtssache offensichtlich keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.

2. Ein Abweichen von der Auffassung des BFH scheidet jedenfalls aus, wenn das Finanzgericht lediglich in Anwendung der höchstrichterlich herausgearbeiteten Grundsätze eine auf den Einzelfall bezogene Gesamtwürdigung vorgenommen hat.

3. Ein Verfahrensmangel durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht schon dann gegeben, wenn das Gericht zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung oder rechtlichen Würdigung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist.

 

Normenkette

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 24.06.1988; Aktenzeichen VI B 38/88)

 

Gründe

1. Der Bundesfinanzhof hat in Auslegung und Anwendung der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO festgelegten Voraussetzungen die Zulassung der Revision abgelehnt, ohne daß insoweit erkennbar ist, daß er Bedeutung und Tragweite von Grundrechten außer acht gelassen oder ihren Schutzbereich völlig verkannt hätte (BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 26, 327 ≪334≫).

a) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer die behaupteten Grundrechtsverletzungen überhaupt hinreichend substantiiert gerügt hat, nachdem er die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe weder inhaltlich vorgetragen noch die Nichtzulassungsbeschwerde beigefügt hat (vgl. § 92 BVerfGG).

b) Angesichts der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein lediger Steuerpflichtiger Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG für Fahrten von einem weiter entfernt liegenden Wohnort als Werbungskosten geltend machen kann (vgl. BFH, BStBl. 1986 II S. 221 f. m.w.N.), kommt der Rechtssache offensichtlich keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.

c) Ein Abweichen von der Auffassung des Bundesfinanzhofs in der vorgenannten Rechtsfrage scheidet jedenfalls aus, weil das Finanzgericht lediglich in Anwendung der hierzu höchstrichterlich herausgearbeiteten Grundsätze eine auf den Einzelfall bezogene Gesamtwürdigung vorgenommen hat.

Eine willkürliche Nichtzulassung der Revision, die allenfalls zu einem Entzug des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) führen könnte, ist damit nicht ersichtlich (BVerfGE 3, 359 ≪364≫; 67, 90 ≪95≫).

Ebensowenig ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ersichtlich, als deren Folge eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Betracht gekommen wäre. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht schon dann verletzt, wenn das Gericht zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung oder rechtlichen Würdigung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist (BVerfGE 22, 267 ≪273≫; 70, 288 ≪294≫).

Das Finanzgericht hat seiner Würdigung nicht etwa Tatsachen zugrunde gelegt, zu denen sich der Beschwerdeführer nicht vor dem Ergehen des Urteils hätte äußern können, sondern vielmehr die einzelnen Tatsachen im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung nicht als ausreichend erachtet, um den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers in dem weiter entfernt liegenden F. anzunehmen.

2. Soweit der Bundesfinanzhof gemäß Art. 1 Nr. 6 BFH-EntlG seinen Beschluß über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 115 Abs. 5 FGO nicht näher begründet hat, ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich. Dem Grundgesetz läßt sich nicht entnehmen, daß jede – auch eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche – gerichtliche Entscheidung mit einer Begründung versehen werden müßte (BVerfGE 50, 287 ≪290≫; 65, 293 ≪295≫; Nichtannahme-Beschluß vom 10. Januar 1983 – 2 BvR 1577/82 –, StRK BFH-EntlG R. 94 u.ö.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 34 Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1556427

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