Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinschuldner im Konkurs nicht verfassungsbeschwerdebefugt
Leitsatz (amtlich)
Soweit der Gemeinschuldner nach § 6 Abs. 1 KO in seiner Verwaltungsbefugnis und Verfügungsbefugnis beschränkt ist, hat er nicht die Fähigkeit, rechtswirksam eine Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Normenkette
KO § 6 Abs. 1-2; GG Art. 14 Abs. 1 S. 2; ZPO § 51 Abs. 1; BVerfGG § 90 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Hamm (Entscheidung vom 29.05.1979; Aktenzeichen 15 W 108/79) |
Gründe
I.
1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer mehrerer Grundstücke in U., deren Zwangsversteigerung von einem Teil seiner Gläubiger betrieben wurde. Während des Verfahrens wurde über sein Vermögen der Konkurs eröffnet. Die Grundstücke wurden am 19. Mai 1978 dem Meistbietenden zugeschlagen. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel des Beschwerdeführers blieben in allen Instanzen ohne Erfolg.
Das Landgericht hat seine sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen, da er hierzu keine Befugnis habe. Die weitere Beschwerde hat das Oberlandesgericht als unbegründet zurückgewiesen:
Ein Grundstückseigentümer, der im Zuge eines Zwangsversteigerungsverfahrens in Konkurs falle, verliere gemäß § 6 KO die Befugnis, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Er könne daher auch im Zwangsversteigerungsverfahren bezüglich eines zur Masse gehörigen Grundstücks die Rechte eines Beteiligten nicht mehr ausüben; an seine Stelle trete der Konkursverwalter. Dieser habe für den Gemeinschuldner die Rechte wahrzunehmen, die sonst dem Grundstückseigentümer im Zwangsversteigerungsverfahren zustehen. Dessen Beschwerdeberechtigung könne auch nicht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil das Grundstück weit unter Wert zugeschlagen worden und hierdurch die Eigentumsgarantie verletzt sei. Es sei gegebenenfalls Sache des Konkursverwalters, im Falle einer drohenden Verschleuderung des Vermögens die Rechte aus § 765a ZPO geltend zu machen.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde wird eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 und des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gerügt.
Die Grundstücke seien weit unter ihrem Wert zugeschlagen worden. Diese Rüge könne der Beschwerdeführer trotz der Vorschrift des § 6 KO erheben. Er mache kein Verfügungsrecht über sein Vermögen geltend, sondern wehre sich gegen die Verletzung seiner Grundrechte. Diese seien höchstpersönlich und weder veräußerlich noch übertragbar. Er habe ein berechtigtes Interesse an der Geltendmachung seiner Grundrechte. Er wolle die Verschleuderung seines Vermögens verhindern, da die nicht befriedigten Gläubiger nach Aufhebung des Konkursverfahrens ihre Forderungen unbeschränkt gegen ihn geltend machen könnten.
Zugleich wird der Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht enthält keine Bestimmungen über die Fähigkeit, Verfahrenshandlungen vorzunehmen (BVerfGE 1, 87 (88)). Insoweit obliegt dem Gericht, die Rechtsgrundlage für eine zweckentsprechende Gestaltung seines Verfahrens im Wege der Analogie zum sonstigen Verfahrensrecht zu finden (BVerfGE 1, 109 (110f); vgl. auch BVerfGE 33, 199 (204)).
Wegen der Eigenart der verschiedenen verfassungsgerichtlichen Verfahren können allerdings die entsprechenden Bestimmungen anderer Verfahrensgesetze, insbesondere §§ 51ff. ZPO, nicht ohne weiteres entsprechend angewandt oder der ihnen zugrunde liegende Rechtsgedanke ohne weiteres allgemein auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht übertragen werden (BVerfGE 1, 87 (88f); 28, 243 (254)). Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde richtet sich deshalb die Fähigkeit, die erforderlichen Verfahrenshandlungen vorzunehmen, nach der Ausgestaltung der in Anspruch genommenen Grundrechte und deren Beziehung auf das im Ausgangsverfahren streitige Rechtsverhältnis (vgl. BVerfGE 28, 243 (254) mwN).
2. Mit der Eröffnung des Konkursverfahrens verliert der Gemeinschuldner die Befugnis, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und hierüber zu verfügen. Das Verwaltungsrecht und Verfügungsrecht wird durch einen Konkursverwalter ausgeübt (§ 6 Abs. 1 und 2 KO). Das Eigentum bleibt weiterhin in der Hand des Gemeinschuldners. Er kann lediglich vom Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens an über dieses Vermögen nicht mehr verfügen und es auch nicht verwalten. Hierdurch soll die gemeinschaftliche Befriedigung aller persönlichen Gläubiger des Gemeinschuldners sichergestellt werden (§ 3 Abs. 1 KO).
Landgericht und Oberlandesgericht ziehen aus der Regelung des § 6 KO den Schluß, daß der Grundstückseigentümer, der während eines Zwangsversteigerungsverfahrens in Konkurs falle, insoweit die Rechte eines Beteiligten nicht mehr ausüben könne. An seine Stelle trete der Konkursverwalter. Diese Auffassung steht mit dem Grundgesetz in Einklang.
§ 6 Abs 1 KO ist eine den Inhalt des Eigentums bestimmende Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie ist durch Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt und entspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Regelung steht auch mit den übrigen Verfassungsnormen in Einklang (vgl. hierzu BVerfGE 21, 150 (155); 25, 112 (117); 42, 263 (295, 305)). Ihr Zweck ist die gemeinschaftliche Befriedigung der persönlichen Gläubiger des Gemeinschuldners. Ist dieser hierzu nicht mehr in der Lage, müssen einseitige Maßnahmen zugunsten oder zu Lasten eines Gläubigers verhindert werden. Dem dient primär die Übertragung des Verwaltungsrechts und Verfügungsrechts auf einen Konkursverwalter.
Die berechtigten Belange des Beschwerdeführers als Gemeinschuldner werden dadurch gewahrt, daß er sich gegen den Beschluß über die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen mit Rechtsmitteln wenden kann (§ 109 KO). In diesem Fall steht § 6 Abs. 1 KO der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde nicht entgegen.
Mit der Unanfechtbarkeit des Beschlusses über die Eröffnung des Konkursverfahrens ist dem Gemeinschuldner endgültig jegliche Verwaltungsbefugnis und Verfügungsbefugnis bezüglich seines zur Konkursmasse gehörenden Vermögens genommen. Er hat insoweit die materiell-rechtliche Handlungsfähigkeit verloren. Diese ist auf den Konkursverwalter übergegangen. Allerdings wäre es unzutreffend, von dessen Berechtigung, als Partei kraft Amtes eine Verfassungsbeschwerde im eigenen Namen erheben zu können (vgl. hierzu BVerfGE 27, 326 (333)), zu schließen, daß der Gemeinschuldner hierzu nicht befugt sei. Der Verlust dieser Befugnis ist vielmehr darin begründet, daß die prozessuale Handlungsfähigkeit die materiell-rechtliche hinsichtlich des streitigen Rechtsverhältnisses voraussetzt. Dieser Grundsatz ist im Verfahrensrecht allgemein anerkannt (vgl. §§ 52 ff. ZPO, § 62 Abs. 1 VwGO; § 71 Abs. 1 SGG, § 58 Abs. 1 FGO); er gilt auch für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.
Die vom Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde ist somit unzulässig und gemäß § 24 BVerfGG zu verwerfen. Damit erledigt sich auch der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 1614380 |
BVerfGE, 405 |