Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 13.03.1991; Aktenzeichen L 9 Kr 166/89)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 13. März 1991 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) abgabepflichtig ist.

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, dessen ordentliches Mitglied jeder bildende Künstler sein kann. Er hat nach § 2 Abs 1 seiner Satzung den Zweck, die bildende Kunst nach jeder Richtung zu fördern, die Interessen der bildenden Künstler im Zusammenschluß von Künstlerpersönlichkeiten wahrzunehmen und Ausstellungen zu veranstalten. Dazu betreibt er eine Galerie, in der den Mitgliedern Gelegenheit zur Ausstellung und zum Verkauf von Werken geboten wird. Ein Verkauf erfolgt durch die Ausstellungsaufsicht im Namen und im Auftrag des betreffenden Künstlers. Der Kläger behält als Unkostenbeitrag 10 vH der Verkaufssumme zur Deckung der Ausgaben für die Ausstellung ein.

Die Künstlersozialkasse stellte mit Bescheid vom 17. Juli 1986 fest, daß der Kläger seit dem 1. Januar 1983 zum Kreis der Abgabepflichtigen gehöre, weil er „eine Galerie/einen Kunsthandel” betreibe. Der Kläger antwortete darauf, er werde von den Mitgliedern des Vereins, also den Künstlern, finanziell getragen und sei nicht in der Lage, Entgelte für künstlerische oder publizistische Leistungen zu zahlen; dies werde sich auch in Zukunft kaum ändern. Die Beklagte sah hierin einen Widerspruch und wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 1988 zurück.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage durch Urteil vom 16. Juni 1989 abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) Berlin die Berufung durch Urteil vom 13. März 1991 zurückgewiesen. Nach der Rechtsprechung sei die Erteilung eines sogenannten Erfassungsbescheides zulässig. Dieser sei auch rechtmäßig. Denn der Kläger betreibe nach eigenen Angaben eine Galerie und sei damit dem Grunde nach abgabepflichtig.

Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung des § 24 KSVG.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG vom 13. März 1991, das Urteil des SG vom 16. Juni 1989 und den Bescheid vom 17. Juli 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1988 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zutreffend abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Der Kläger ist abgabepflichtig.

Der angefochtene Bescheid vom 17. Juli 1986 ist noch von der Künstlersozialkasse als rechtsfähiger bundesunmittelbarer Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 37 Abs 1 in der ursprünglichen Fassung des KSVG vom 27. Juli 1981 ≪BGBl I 705≫) erlassen worden. Als solche ist die Künstlersozialkasse mit Ablauf des 31. Dezember 1987 aufgelöst worden, wobei alle Rechte und Pflichten auf die Landesversicherungsanstalt (LVA) Oldenburg-Bremen übergingen, die seither das KSVG durchführt und dabei die Bezeichnung „Künstlersozialkasse” führt (§ 37a und § 37 KSVG idF des Art 1 Nr 8 und Nr 7 des Gesetzes zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung vom 18. Dezember 1987 ≪BGBl I 2794≫). Dementsprechend hat die LVA Oldenburg-Bremen (Künstlersozialkasse) auch den Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 1988 erlassen. Sie ist auch Beklagte des Rechtsstreits.

Die Künstlersozialkasse kann nach dem Urteil des Senats vom 8. Dezember 1988 (BSGE 64, 221 = SozR 5425 § 24 Nr 2) gegenüber den nach § 24 KSVG abgabepflichtigen Unternehmern die Abgabepflicht zunächst nur dem Grunde nach feststellen. An der Zulässigkeit solcher sogenannten Erfassungsbescheide hat der Senat in einem Urteil vom heutigen Tage (1. Oktober 1991, Verfahren 12 RK 7/90, zur Veröffentlichung bestimmt) festgehalten. Das gilt auch für das vorliegende Verfahren.

Die Abgabepflicht nach § 24 KSVG ist in vier Urteilen vom 8. Dezember 1988 bestätigt worden für einen eingetragenen Verein, der ein Symphonie-Orchester betrieb (12 RK 1/86 = BSGE 64 aaO), für eine Stadt als Inhaberin eines Theaters ohne eigenes Ensemble (12 RK 38/88 = SozR 5425 § 24 Nr 3), für eine Musikschule in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins (12 RK 15/87) und für einen Landkreis als Träger eines Volksbildungswerks, das auch Musikaufführungen veranstaltete (12 RK 8/88). In drei Urteilen vom heutigen Tage (1. Oktober 1991) hat der Senat die Abgabepflicht ferner bestätigt für eine Stadt, die im Rahmen ihrer Volkshochschule eine Musikschule betreibt (12 RK 7/90, zur Veröffentlichung bestimmt), für eine weitere Musikschule in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins (12 RK 1/91) und für einen Kunstverein, der Werke bildender Künstler als Jahresgaben oder bei Ausstellungen in Kommission nimmt und verkauft (12 RK 33/90, zur Veröffentlichung bestimmt).

In dem letztgenannten Urteil hat der Senat ausgeführt, daß Kunstvereine im Katalog der abgabepflichtigen Unternehmen des § 24 Abs 1, 2 KSVG der ursprünglichen Fassung (aF) vom 27. Juli 1981 (BGBl I 705) und in § 24 Abs 1 KSVG in der Neufassung (nF) durch Art 1 Nr 5 des Gesetzes zur Änderung des KSVG vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606) nicht aufgeführt und daher als solche nicht abgabepflichtig sind. Etwas anderes gilt nach dieser Entscheidung jedoch, soweit Kunstvereine eines der in dem Katalog genannten Unternehmen betreiben, wie es bei dem dortigen Kunstverein mit dem Kunsthandel iS des § 24 Abs 1 Nr 4 KSVG aF und des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 6 KSVG nF der Fall war. Daß sich der Kunstverein nicht als Kunsthändler oder Galerist bezeichnete, sprach nicht gegen seine Abgabepflicht. Ebenso war unerheblich, daß der Kunstverein seinen Hauptzweck in der Förderung der Kunst als solcher sah, er keinen Gewinn erzielte oder auch nur erzielen wollte sowie daß er gemeinnützig tätig und steuerrechtlich begünstigt war.

Gleiches gilt im vorliegenden Verfahren, in dem der klagende Verein nicht wie ein Kunstverein aus Kunstfreunden als Mitgliedern besteht, die selbst nicht Künstler zu sein brauchen, sondern ein Künstlerverein ist, in dem sich Künstler zusammengeschlossen haben. Soweit ein solcher Künstlerverein als eingetragener Verein regelmäßig und planmäßig Kunstwerke seiner Mitglieder ausstellt und verkauft, wie es nach den Feststellungen des LSG beim Kläger der Fall ist, betreibt er ebenfalls eine Galerie oder einen Kunsthandel und ist abgabepflichtiger Unternehmer (vgl auch Brandmüller, Komm zum KSVG, Stand 1. November 1989, § 24 RdNr 8, wonach „Produzentengalerien”, dh Zusammenschlüsse mehrerer Künstler in einer Art Genossenschaft, unter § 24 Abs 1 Nr 6 KSVG nF fallen). Obwohl hier die Vermarktung oder Verwertung von Kunst durch einen Künstlerverein erfolgt, handelt es sich nicht um abgabefreie Selbstvermarktung durch die einzelnen Künstler. Denn Vermarkter oder Verwerter ist nicht der einzelne Künstler selbst, sondern der eingetragene Verein. Dieser stellt – einem seiner Satzungszwecke entsprechend – die Kunstwerke aus, verkauft sie durch die Ausstellungsaufsicht und behält als „Unkostenbeitrag” 10 vH der Verkaufssumme zur Deckung von Ausgaben ein. Danach erzielt er mit dem Umsatz von Kunstwerken Einnahmen und ist dem Grunde nach abgabepflichtig. Ob, wie das LSG anscheinend meint, anders zu entscheiden wäre, wenn der Kläger nicht ein eingetragener Verein, sondern eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts wäre, bezweifelt der Senat, braucht das hier jedoch nicht zu klären.

Dem LSG ist darin zuzustimmen, daß die Abgabepflicht dem Grunde nach unabhängig davon besteht, ob die selbständigen Künstler, deren Werke der Kläger verkauft, der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliegen oder nicht. Sie hängt auch nicht davon ab, ob in der gesamten Zeit, auf die sich die Feststellung der Abgabepflicht nach § 24 KSVG erstreckt, Entgelt angefallen ist, das als Bemessungsgrundlage für die Höhe der Künstlersozialabgabe nach § 25 KSVG heranzuziehen ist. Insofern ist darauf hinzuweisen, daß nach § 25 Abs 3 KSVG aF abgabepflichtiges Entgelt auch der Preis war, der dem Künstler aus der Veräußerung eines Werkes im Wege des Kommissionsgeschäfts für seine eigene Leistung zustand. Dieses wurde im Entwurf des KSVG mit dem Hinweis näher begründet, daß im Kunsthandel Kommissionsgeschäfte häufig sind (BT-Drucks 9/26 S 21 zu § 25). Nach einem dem § 25 Abs 3 KSVG durch Art 1 Nr 6 Buchst c des Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1988 angefügten Satz 2 ist das Entgelt jedenfalls seit 1989 auch abgabepflichtig, wenn – von einer hier nicht interessierenden Ausnahme abgesehen – ein nach § 24 Abs 1 KSVG zur Abgabe Verpflichteter im Namen des Künstlers gehandelt hat. Dieses ist nach den Feststellungen des LSG beim Kläger der Fall. Durch die genannte Regelung, die während der Ausschußberatungen im Bundestag in den Gesetzentwurf eingefügt worden ist, sollte der Möglichkeit vorgebeugt werden, die Abgabepflicht zu umgehen (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 11/3629 S 6 unter g). Dort heißt es weiter: Allein durch die Wahl einer anderen rechtlichen Gestaltung solle die Pflicht zur Entrichtung der Künstlersozialabgabe nicht entfallen können. Deshalb solle in Anlehnung an die Regelung über die Abgabepflicht beim Kommissionsgeschäft ein Unternehmer oder eine Unternehmerin auch dann abgabepflichtig sein, wenn er oder sie das Geschäft mit dem Kunden nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Künstlers bzw der Künstlerin … abschließe.

Ob dieses auch für die Zeit vor 1989 gilt und ob der Kläger damals etwa auch Geschäfte in anderer Form (dh nicht im Namen der Künstler) abgeschlossen hat und welche abgabepflichtigen Entgelte zur Bemessung der Höhe der Abgabe beim Kläger im einzelnen heranzuziehen sind, wird in dem dazu vor dem SG anhängigen weiteren Rechtsstreit unter den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu klären sein.

Hiernach erwies sich die Revision des Klägers als unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1172967

NJW 1992, 1342

NZA 1992, 912

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