Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsvertretervertrag. Versicherungsvertreter. Provisionsvorschüsse. Provision. Provisionsvorschuss. Stornierung. Versicherungsvertrag. Prämienzahlung. Stornoabwehr. Stornogefahrmitteilung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Versicherungsunternehmen kann die an den Versicherungsvertreter geleisteten Provisionsvorschüsse zurückfordern, soweit von diesem vermittelte Versicherungsverträge storniert worden sind, bevor die Prämienzahlung die für die endgültige Entstehung des Provisionsanspruchs erforderlliche Höhe erreichten, und soweit die von dem Versicherungsunternehmen ergriffenen Maßnahmen zur Stornoabwehr als ausreichend anzusehen sind.

 

Normenkette

HGB §§ 87a, 92 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 22.07.2004; Aktenzeichen 7 S 57/04)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Potsdam v. 22.7.2004 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen. Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen. Der Beklagte war auf Grund eines Agentur-Vertrages v. 15.12.1999 bis zum 31.10.2001 für die Klägerin als Versicherungsvertreter tätig. Nach dem Agentur-Vertrag und den ihm beigefügten Provisionsbestimmungen sind Abschlussprovisionen erst verdient, wenn der Versicherungsnehmer bei Kranken- und Lebensversicherungen die erste Jahresprämie, bei Sachversicherungen zwei Jahresprämien in voller Höhe entrichtet hat. Die dem Vertreter vorschussweise gezahlte Abschlussprovision für Lebensversicherungsverträge ist ferner zurückzuzahlen, solange und soweit sie 50 % der gezahlten Beiträge übersteigt.

Nach dem Ausscheiden des Beklagten forderte die Klägerin Abschlussprovisionen aus Versicherungsverträgen zurück, die von dem Beklagten vermittelt worden waren und nach der Darstellung der Klägerin storniert wurden, bevor die Prämienzahlungen die für die endgültige Entstehung des Provisionsanspruchs erforderliche Höhe erreicht hatten.

Die Klägerin hat den Rückzahlungsanspruch unter Einbeziehung von Verwaltungsprovisionen und nach Verrechnung mit Gegenforderungen des Beklagten auf 1.037,48 EUR beziffert. Das AG hat ihr 357,52 EUR zuerkannt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage auch hinsichtlich der restlichen 679,96 EUR stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, der die Klägerin entgegentritt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Sie ist daher zurückzuweisen.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin könne in dem mit der Klage geltend gemachten Umfang Abschlussprovisionen zurückfordern. Die betreffenden, von dem Beklagten vermittelten Versicherungsverträge seien nicht ausgeführt worden, ohne dass die Klägerin dies zu vertreten habe. Nach den von ihr vorgelegten Computerauszügen habe die Klägerin in allen Fällen, in denen sie Provisionsvorschüsse zurückfordere, die nach der Rechtsprechung erforderlichen Maßnahmen getroffen, um die Nichtausführung der Verträge abzuwenden. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, dem Versicherungsvertreter durch Übersendung von Stornogefahrmitteilungen Gelegenheit zu geben, die Not leidend gewordenen Verträge selbst nachzubearbeiten, habe ggü. dem Beklagten nicht bestanden, da dieser inzwischen aus ihren Diensten ausgeschieden sei.

Auch der Höhe nach sei die Klage in vollem Umfang begründet. Die Klägerin habe für jeden einzelnen Versicherungsvertrag, für den sie Provisionsvorschüsse zurückfordere, dargelegt, dass der Vertrag storniert worden sei und dass die Prämienzahlungen nicht die für die endgültige Entstehung des Provisionsanspruchs erforderliche Höhe erreicht hätten. Diese Angaben habe der Beklagte nicht bestritten.

II.

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, das Provisionsrückzahlungsbegehren der Klägerin scheitere nicht daran, dass die Klägerin dem Beklagten keine Stornogefahrmitteilungen habe zukommen lassen, ist frei von Rechtsfehlern.

a) Nach § 92 Abs. 4 HGB hat der Versicherungsvertreter - abweichend von § 87a Abs. 1 HGB - erst dann Anspruch auf Provision, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Versicherungsvertretervertrag berechnet. Dem entspricht die in dem Agentur-Vertrag der Parteien getroffene Provisionsregelung, gegen deren Wirksamkeit - auch aus der Sicht der Revision - keine Bedenken bestehen. Nach der Vorschrift des § 87a Abs. 3 HGB, die auch für den Versicherungsvertreter gilt (BGH, Urt. v. 19.11.1982 - I ZR 125/80, MDR 1983, 728 = VersR 1983, 371, unter I 2a; Urt. v. 21.3.2001 - VIII ZR 149/99, MDR 2001, 823 = BGHReport 2001, 503 = VersR 2001, 760, unter II 2c; von Hoyningen-Huene in MünchKomm/HGB, § 92 Rz. 25, m.w.N.), besteht allerdings auch dann Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist; der Anspruch auf Provision entfällt im Falle der Nichtausführung aber, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat (BGH, Urt. v. 21.3.2001 - VIII ZR 149/99, MDR 2001, 823 = BGHReport 2001, 503 = VersR 2001, 760, m.N.).

b) Mit Rücksicht auf Besonderheiten, die sich aus der Natur des Versicherungsverhältnisses ergeben, ist anerkannt, dass das Versicherungsunternehmen im Regelfall nicht gehalten ist, im Klagewege gegen säumige Versicherungsnehmer vorzugehen, wenn außergerichtliche Maßnahmen erfolglos geblieben sind (von Hoyningen-Huene in MünchKomm/HGB, § 92 Rz. 31; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 92 Rz. 24; Bonvie, VersR 1986, 119 [121], jeweils m.w.N.). Die Nichtausführung (Stornierung) des Vertrages ist vielmehr schon dann von dem Versicherungsunternehmen nicht zu vertreten (§ 87a Abs. 3 S. 2 HGB), wenn es Not leidende Verträge in dem gebotenen Umfang "nachbearbeitet" hat (BGH, Urt. v. 19.11.1982 - I ZR 125/80, MDR 1983, 728 = VersR 1983, 371, unter I 2b; Urt. v. 12.11.1987 - I ZR 3/86, MDR 1988, 555 = NJW-RR 1988, 546, unter II 1; Urt. v. 21.3.2001 - VIII ZR 149/99, MDR 2001, 823 = BGHReport 2001, 503 = VersR 2001, 760; von Hoyningen-Huene in MünchKomm/HGB, § 92 Rz. 28; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 92 Rz. 17, jeweils m.w.N.).

c) Ob zu den Maßnahmen, die das Versicherungsunternehmen hiernach zur Stornoabwehr zu ergreifen hat, in jedem Fall auch Stornogefahrmitteilungen an den Versicherungsvertreter zählen, wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt.

Für die Zeit bis zur Beendigung des Versicherungsvertreterverhältnisses werden solche Mitteilungen überwiegend für erforderlich gehalten (OLG Schleswig v. 24.4.1984 - 3 U 114/82, MDR 1984, 760; OLG Frankfurt v. 20.11.1989 - 3 U 4/88, VersR 1991, 1135; OLG Saarbrücken v. 24.3.1999 - 1 U 529/98-96, VersR 2000, 1017 [1018 f.]; Küstner in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1, 3. Aufl., Rz. 1230 ff.; von Hoyningen-Huene in MünchKomm/HGB, § 92 Rz. 32; Brüggemann in Großkommentar zum HGB, 4. Aufl., § 92 Rz. 16; Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl., § 87a HGB Rz. 27). Umstritten ist demgegenüber, ob das Versicherungsunternehmen einem Versicherungsvertreter auch dann Stornogefahrmitteilungen zukommen lassen muss, wenn dieser inzwischen aus seinen Diensten ausgeschieden ist (so LG Mainz v. 8.9.1999 - 9 O 25/99, NJW-RR 2000, 915 [916]; wohl auch OLG Köln NJW 1978, 327 [328]; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 92 Rz. 21; von Hoyningen-Huene in MünchKomm/HGB, § 92 Rz. 32; Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl., § 87a Rz. 27; a.A. OLG Schleswig v. 24.4.1984 - 3 U 114/82, MDR 1984, 760; OLG Frankfurt v. 20.11.1989 - 3 U 4/88, VersR 1991, 1135; OLG Saarbrücken v. 24.3.1999 - 1 U 529/98-96, VersR 2000, 1017 [1018 f.]; OLG Karlsruhe v. 16.5.1984 - 1 U 11/84, VersR 1984, 935 [936]; Küstner in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1, 3. Aufl., Rz. 1235 ff.; wohl auch Brüggemann in Großkommentar zum HGB, 4. Aufl., § 92 Rz. 16).

d) Nach der Rechtsprechung des seinerzeit für das Handelsvertreterrecht zuständigen I. Zivilsenats des BGH bestimmen sich Art und Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Nachbearbeitung Not leidender Versicherungsverträge nach den Umständen des Einzelfalls (BGH, Urt. v. 19.11.1982 - I ZR 125/80, MDR 1983, 728 = VersR 1983, 371, unter I 2b; Urt. v. 12.11.1987 - I ZR 3/86, MDR 1988, 555 = NJW-RR 1988, 546, unter II 1). Nach dieser Auffassung, die der erk. Senat teilt, kann das Versicherungsunternehmen entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, was im Streitfall von ihm darzulegen und zu beweisen ist, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den Not leidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten (BGH, Urt. v. 12.11.1987 - I ZR 3/86, MDR 1988, 555 = NJW-RR 1988, 546). Sind Stornogefahrmitteilungen somit nur eines von mehreren zur Stornoabwehr in Betracht kommenden Mitteln, unter denen das Versicherungsunternehmen die Wahl hat, und besteht demzufolge auch ggü. einem noch in den Diensten des Versicherungsunternehmens stehenden Vertreter weder eine Pflicht noch auch nur eine Obliegenheit zu Stornogefahrmitteilungen, kann im Verhältnis zu einem - wie hier - aus den Diensten des Versicherers ausgeschiedenen Vertreter nichts Anderes gelten.

2. Die Klägerin kann daher die an den Beklagten geleisteten Provisionsvorschüsse zurückfordern, soweit von diesem vermittelte Versicherungsverträge storniert worden sind, bevor die Prämienzahlungen die für die endgültige Entstehung des Provisionsanspruchs erforderliche Höhe erreichten, und soweit die von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen zur Stornoabwehr als ausreichend anzusehen sind. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht diese Voraussetzungen hinsichtlich eines der Klageforderung entsprechenden Gesamtbetrages als erfüllt angesehen hat, sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin für jeden der nach ihren Angaben stornierten Verträge durch Computerauszüge dargelegt, welche Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer geleistet hat und dass der Vertrag storniert worden ist, nachdem trotz Mahnung keine weitere Zahlung erfolgt war. Die Verfahrensrügen, mit denen die Revision diese Feststellungen angreift, hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin für alle Versicherungsverträge, für die sie Provisionen zurückfordert, durch die Vorlage von Computerauszügen dargelegt, dass die säumigen Versicherungsnehmer gemahnt worden sind. Dass jeweils solche Mahnschreiben versandt worden sind, hat der Beklagte nicht bestritten. Die aus den vorgelegten Computerauszügen ersichtlichen Maßnahmen zur Stornoabwehr hat das Berufungsgericht zu Recht für nach Art und Umfang ausreichend erachtet. Nach dem Inhalt der maschinell erstellten Mahnschreiben für die verschiedenen Versicherungssparten sind die Versicherungsnehmer nach Einstellung der Prämienzahlungen jeweils im Rahmen eines automatisierten Mahnverfahrens durch drei aufeinander folgende Mahnschreiben unter Hinweis auf die Rechtsfolgen, die sich aus der Einstellung der Prämienzahlung ergeben, und teilweise unter Androhung gerichtlicher Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Zahlungen aufgefordert worden. Versicherungsnehmern, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, hat die Klägerin darüber hinaus schriftlich ein Gesprächsangebot unterbreitet und ihre Bereitschaft zu einem Entgegenkommen bekundet. Weiter gehender Maßnahmen bedurfte es jedenfalls in Anbetracht der geringen Höhe der gefährdeten Provisionsansprüche des Beklagten - die mit der Klage zurückgeforderten Provisionen belaufen sich auf Beträge zwischen 26,65 EUR und 467,90 EUR - nicht.

3. Der Höhe nach hat der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision insoweit nicht angreift, die von der Klägerin errechneten Rückzahlungsansprüche nicht bestritten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1381801

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