Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge durch den Versicherer.

 

Normenkette

HGB § 92 Abs. 4, § 87a Abs. 3

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 14.11.1985)

LG Koblenz

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 14. November 1985 – in bezug auf die Beklagte zu 4 im Wege des Versäumnisurteils – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Lebensversicherungsunternehmen. Die Beklagte zu 1 war für sie von Januar bis Ende Juni 1983 als Versicherungsvertreterin tätig. Die Klägerin begehrt Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in Höhe von 128.030,90 DM, weil 139 der von der Beklagten zu 1 vermittelten Versicherungsverträge hätten storniert werden müssen. Die Beklagten zu 2 bis 4 werden aus selbstschuldnerischer Bürgschaft in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Stornierung der Verträge beruhe auf unterschiedlichen Gründen. In vielen Fällen hätten die Versicherungsnehmer gekündigt, weil sie getäuscht oder sonst nicht korrekt behandelt worden seien. In anderen Fällen hätten die Versicherungsnehmer bereits den ersten Beitrag nicht geleistet. Ein weiterer Teil der Versicherungsnehmer habe die Folgeprämien nicht gezahlt.

Ihrer Pflicht zur Nachbearbeitung sei sie – die Klägerin – in allen 139 Fällen nachgekommen. In den Kündigungsfällen habe sie die Versicherungsnehmer angeschrieben und versucht, diese zu einem Festhalten am Vertrage zu bewegen; es sei die Änderung der Versicherung und die Beratung durch Außendienstmitarbeiter angeboten worden, in einem beigefügten Merkblatt sei überdies auf Hilfen bei finanziellen Schwierigkeiten hingewiesen worden. Sei die erste Prämie oder eine Folgeprämie nicht geleistet worden, so habe sie den jeweiligen Versicherungsnehmer unter Hinweis auf die Folgen angemahnt.

Bis zur Beendigung des Handelsvertretervertrages habe sie der Beklagten zu 1 jeweils eine Stornogefahrmitteilung nebst Durchschriften der Mahn- und Kündigungsschreiben übersandt und auf den drohenden Provisionsverlust hingewiesen.

Verträge, die ab 31. Mai 1983 notleidend geworden seien, habe sie selbst sehr intensiv nachbearbeitet. Ein Mitarbeiter habe sich über zwei Monate lang ausschließlich um die von der Beklagten zu 1 vermittelten notleidenden Versicherungsverträge bemüht.

Die Beklagten haben demgegenüber bestritten, daß in sämtlichen 139 Fällen die Verträge storniert werden mußten und auch storniert worden sind. Sie haben ferner bestritten, daß die Beklagte zu 1 Stornogefahrmitteilungen erhalten habe. Eine eigene intensive Nacharbeit habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Ebensowenig habe sie die Höhe des Anspruchs schlüssig dargetan.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin durch Versäumnisurteil zurückgewiesen, das es auch nach Einspruch der Klägerin aufrechterhalten hat.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag weiter. Die Beklagten zu 1–3 beantragen, die Revision zurückzuweisen; die Beklagte zu 4 war im Revisionsverfahren nicht vertreten.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Provisionsvorschüsse verneint, weil die Beklagte zu 1 einen Provisionsanspruch in Höhe der Vorschüsse erworben habe. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die von der Klägerin behauptete Stornierung von Verträgen stünde dem Provisionsanspruch der Beklagten zu 1 nicht entgegen; denn die Klägerin habe nicht dargetan und bewiesen, daß ihr die Ausführung der Verträge unmöglich oder unzumutbar gewesen sei (§ 87 a Abs. 3 HGB). Ihr Vorbringen, sie habe alles Erforderliche zur Rettung notleidender Verträge getan, sei teilweise nicht hinreichend substantiiert, teilweise aber auch verspätet. Sie könne im übrigen keine tatsächliche Vermutung für sich in Anspruch nehmen, daß ein Teil der Verträge trotz ausreichender Nacharbeit nicht zu retten gewesen wäre.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg.

Die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen reichen nicht zu der Annahme aus, daß die Beklagte zu 1 in voller Höhe der von der Klägerin – unstreitig – gewährten Provisionsvorschüsse einen Provisionsanspruch erworben hat.

1. Grundsätzlich entsteht der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters erst mit der Zahlung der Prämie durch den Versicherungsnehmer (§ 92 Abs. 4 HGB). Allerdings schließt die Nichtzahlung der Prämie den Anspruch nicht ohne weiteres aus. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß auch auf Versicherungsvertreter die Regelung des § 87 a Abs. 3 HGB anzuwenden ist (so BGH, Urt. v. 19.11.1982 – I ZR 125/80, VersR 1983, 371, 372). Danach hat der Versicherungsvertreter auch dann einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, daß der Versicherer das Geschäft nicht ausführt. Dieser Anspruch entfällt erst dann, wenn dem Versicherer die Ausführung des Geschäfts ohne sein Verschulden unmöglich oder unzumutbar wird. Die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft den Versicherer. Ihm obliegt es, vor Ablehnung von Provisionsansprüchen notleidende Verträge nachzubearbeiten. Art und Umfang der Nachbearbeitung bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (zum Vorstehenden BGH VersR 1983, 371, 372 f).

2. Diese rechtlichen Erwägungen hat zwar auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Seine weitere Annahme, die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, das zur Nacharbeit Erforderliche und Zumutbare veranlaßt zu haben, hält der rechtlichen Nachprüfung aber nicht stand.

Das Berufungsgericht hat bei seinen Ausführungen zwei Fallgestaltungen unterschieden: Einmal die Fälle, in denen die Klägerin der Beklagten zu 1 Stornogefahrmitteilungen gemacht hat; sie beziehen sich auf den Zeitraum bis zum Ende des Vertreterverhältnisses (30. Juni 1983). Sodann die Fälle, in denen die Klägerin eine eigene Nachbearbeitung durch ihre Mitarbeiter veranlaßt hat; sie betreffen vor allem den nach Vertragsbeendigung liegenden Zeitraum. Die Ausführungen zu beiden Fallgruppen sind nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Zur ersten Fallgruppe hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Klägerin habe in ihrer Einspruchsschrift dargelegt, der Beklagten zu 1 sei der gesamte Schriftwechsel einschließlich der Kündigungs- und Mahnschreiben sowie der Kontoauszüge übersandt worden, so daß angenommen werden könne, sie habe sämtliche für eine Nacharbeit notwendigen Informationen erhalten. Davon ist auch für die Prüfung in der Revisionsinstanz auszugehen.

Das Berufungsgericht meint jedoch weiter, die Klägerin habe nicht dargetan, zu welchem Zeitpunkt die Stornogefahrmitteilungen gemacht worden seien; es lasse sich deshalb nicht feststellen, daß sie der Beklagten zu 1 rechtzeitig zugegangen seien. Dies wird von der Revision zu Recht gerügt.

Das Berufungsgericht läßt unberücksichtigt, daß die Beklagten zu 1–3 bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 4. April 1984 (GA 60 f) zugestanden haben, daß die Beklagte zu 1 bis zur Beendigung des Vertreterverhältnisses Stornogefahrmitteilungen erhalten habe und daß es ihr aufgrund dieser Mitteilungen möglich gewesen sei, die Verträge nachzubearbeiten und zu retten. Unter diesen Umständen war ein weiteres Vorbringen der Klägerin zur Frage der Rechtzeitigkeit entbehrlich.

Rechtsfehlerhaft ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, an einer Substantiierung fehle es überdies deshalb, weil die Klägerin nicht angegeben habe, in welchen der 139 Fälle Stornogefahrmitteilungen gemacht worden seien. Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, daß es dem Gericht nicht zumutbar sei, die einschlägigen Fälle aus den vorgelegten Unterlagen herauszusuchen. Indessen hat die Klägerin die vom Berufungsgericht vermißte Auflistung in ihrer Einspruchsschrift vom 8. August 1985 (GA 167) vorgenommen und dort jedenfalls 38 Einzelfälle angeführt, die sich anhand der als Anlage 1 zur Berufungsbegründung überreichten Liste in Verbindung mit der als Anlage IV zur Einspruchsschrift bezeichneten Aufstellung unschwer konkretisieren lassen. Bezüglich dieser Auflistung kommt die vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang angenommene Zurückweisung des Vorbringens in der Einspruchsschrift als verspätet nicht in Betracht, weil allein die Berücksichtigung der Auflistung den Rechtsstreit nicht verzögert haben würde (vgl. auch nachfolg. unter II 2 b). In diesen Fällen wird das Berufungsgericht bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung geringere Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast stellen können, und zwar insbesondere bezüglich der Gründe, die die Verträge notleidend gemacht haben. Denn die Beklagten zu 1–3 haben insoweit mit Schriftsatz vom 4. April 1984 zugestanden, daß es der Beklagten zu 1 aufgrund der Stornogefahrmitteilungen möglich gewesen sei, die Verträge nachzubearbeiten und zu retten. Soweit sich diese Vertragsfälle mit den in der Einspruchsschrift konkret angeführten 45 Fällen decken, wäre das Berufungsgericht – falls es darauf ankommen sollte – nicht gehindert, die insoweit vorgelegte Kundenkorrespondenz urkundenbeweislich zu verwerten; zwar nicht als Ersatz für einen gebotenen Zeugenbeweis, aber doch als Nachweis dafür, daß die Vertragsgefährdung durch schriftliche Beschwerden der Versicherungsnehmer eingetreten ist, weil sich diese – ob berechtigt oder nicht – von der Beklagten zu 1 falsch beraten oder getäuscht fühlten. Dieser Umstand dürfte es auch – wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zu bedenken gibt (BU 17) – gerechtfertigt erscheinen lassen, jedenfalls in diesen Fällen geringere Anforderungen an den Umfang der Nachbearbeitungspflicht zu stellen.

Nach alledem läßt sich die Klageabweisung bezüglich der Fälle, in denen Stornogefahrmitteilungen übersandt worden sind, nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung halten. Insoweit ist der Rechtsstreit aber noch nicht entscheidungsreif, da das Berufungsgericht bislang keine abschließenden Feststellungen zu der von der Klägerin behaupteten unverschuldeten Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit getroffen und insbesondere nicht geprüft hat, ob die Klägerin vorliegend allein durch die Stornogefahrmitteilungen das ihr Zumutbare getan hat. Die Sache bedarf daher insoweit einer weiteren Aufklärung durch das Berufungsgericht.

b) Soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin bezüglich der Fälle einer (nach Vertragsbeendigung) eigenen Nachbearbeitung durch die Klägerin als unzureichend angesehen hat, ist auch dies nicht frei von Rechtsfehlern.

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts läßt sich der Kreis der insoweit in Betracht kommenden Fälle unschwer ermitteln. Die Klägerin hat vorgetragen, eine eigene Nachbearbeitung sei in all den Fällen erfolgt, in denen die Beklagte zu 1 keine Stornogefahrmitteilungen erhalten habe. Das bedeutet, daß damit alle nicht bereits von den Ausführungen vorstehend unter II 2 a) erfaßten Fälle gemeint sind.

Das Berufungsgericht bemängelt auch zu Unrecht, die Klägerin habe nicht für jeden Einzelfall vorgetragen, welche Nachbearbeitungsmaßnahmen ergriffen worden seien. Aus der Berufungsbegründung der Klägerin vom 22. November 1984 in Verbindung mit der gleichzeitig als Anlage 1 vorgelegten Zusammenstellung ergibt sich für sämtliche der 139 Fälle hinreichend deutlich, welche Gründe den jeweiligen Vertrag notleidend gemacht haben und welche Nachbearbeitungsmaßnahmen die Klägerin ergriffen hat; außerdem hat die Klägerin entsprechende Beweise angeboten. Die Klägerin hat die Stornierungsfälle insgesamt in drei Gruppen eingeteilt:

Die erste Gruppe umfaßt danach 13 Kunden, die in der Aufstellung jeweils mit roten Ziffern gekennzeichnet worden sind (vgl. GA 101–103 und Anlage 1). Diese Kunden haben nach dem Vorbringen der Klägerin die Lebensversicherungen gekündigt bzw. – in einem Fall – Beitragsfreistellung beantragt. Dazu hat die Klägerin den Schriftwechsel vorgelegt und die Kunden, die sich teils auf schlechte Beratung bzw. arglistige Täuschung berufen und teils wegen finanzieller Schwierigkeiten fristgerecht gekündigt hätten, als Zeugen benannt. Sie habe die Kunden angeschrieben und versucht, sie zum Festhalten am Vertrage zu bewegen. Die – auch insoweit wieder als Zeugen benannten – Kunden seien nicht bereit gewesen, ihren Kündigungsentschluß aufzugeben.

In der zweiten Gruppe hat die Klägerin diejenigen Versicherungsnehmer zusammengefaßt, deren Lebensversicherungen gem. § 38 VVG von Beginn an hätten gelöscht werden müssen, weil noch nicht einmal der Einlösungsbeitrag gezahlt worden sei (vgl. GA 103 f). Es handelt sich um die in der als Anlage 1 vorgelegten Aufstellung unter Ziffer 1–4, 6 (-02), 12, 23, 27, 30, 32, 54, 55 (-02), 56, 57, 59–61, 63, 64, 66(-02)–72, 75, 76, 78–84, 89, 91–95, 97–107 sowie 109–127 aufgeführten Kunden. In allen Fällen habe die Klägerin die erste Prämie vergeblich angemahnt und der Beklagten zu 1 bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses Stornogefahrmitteilungen übersandt. Zum Beweis hat die Klägerin zahlreiche Mitarbeiter als Zeugen benannt.

Zur letzten Gruppe hat die Klägerin diejenigen Versicherungsnehmer gerechnet, deren Verträge sie gem. § 39 VVG wegen Nichtzahlung der Folgeprämie gekündigt habe (vgl. GA 104 f und Anlage 1). Es handelt sich um die in der Aufstellung unter Ziffer 5, 6 (-01), 7, 8, 10, 11, 14, 16–22, 23 (-02), 24, 26, 31, 33–40, 42–52, 55 (-01), 58, 62, 65, 66, 73, 74, 77, 85–88, 90, 96, 108 und 139 angeführten Fälle. Auch diese Kunden seien vergeblich angemahnt worden. Außerdem habe die Beklagte zu 1 bis zum Vertragsende Stornogefahrmitteilungen erhalten. Zum Beweis hat sich die Klägerin wiederum auf das Zeugnis verschiedener Mitarbeiter berufen.

Ergänzend hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nähere Ausführungen zur Art und Intensität der ab 31. Mai 1983 von ihr nachbearbeiteten Versicherungsverträge gemacht. So hat sie u.a. dargelegt, daß sich einer ihrer Mitarbeiter über 2 Monate lang ausschließlich um die notleidenden Verträge der Beklagten zu 1 bemüht habe.

Die auf die Einzelfälle entfallenden Stornobeträge hätte das Berufungsgericht weitgehend den schon in erster Instanz vorgelegten Anlagen K 6, K 8, K 9 und K 10 (einschl. der darin enthaltenen Zusammenstellungen) entnehmen können.

Insgesamt genügt dieses Vorbringen der Klägerin entgegen der Annahme des Berufungsgerichts den nach Auffassung des Senats (BGH VersR 1983, 371, 372) an die Darlegungslast des Versicherers in Stornierungsfällen zu stellenden Anforderungen. Das Berufungsgericht wäre überdies nicht gehindert gewesen, die mit der Einspruchsschrift vom 8. August 1985 (GA 163 ff) vorgelegten Unterlagen zumindest urkundenbeweislich zu berücksichtigen; dies gilt insbesondere für die als Anlagen I und II vorgelegten Muster eines Mahn- und Kündigungsschreibens bzw. eines Anschreibens an die Beklagte zu 1 sowie die als Anlage III vorgelegte Liste einschließlich der Kundenkorrespondenz in den 45 angeführten Vertragsfällen (dazu auch oben unter II 2 a). Die Berücksichtigung dieser Unterlagen – einschließlich der Provisionsrückforderungsliste gem. Anlage IV – hätte den Rechtsstreit nicht verzögert, so daß jedenfalls insoweit eine Zurückweisung als verspätet gem. §§ 527, 296 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht kommt.

3. Die Klageabweisung läßt sich insgesamt auch nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts halten, das Vorbringen der Klägerin zur Höhe der durch Stornierungen betroffenen Provisionen sei nicht schlüssig.

Soweit das Berufungsgericht darauf hinweist, aus der Anlage IV zur Einspruchsschrift ergebe sich gegenüber der Klagesumme von 128.030,90 DM nur ein Betrag von 115.737,10 DM, kommt eine Unschlüssigkeit allenfalls bezüglich des Differenzbetrages und nicht in voller Höhe in Betracht. Die vom Berufungsgericht weiter angeführte Differenz in der Anzahl der Stornofälle gemäß Anlage IV (154 statt 139 Fälle) läßt sich aus der Zusammenfassung mehrerer Verträge eines einzigen Kunden erklären (vgl. z.B. Anlage 1 zur Berufungsbegründung).

Zu Unrecht beanstandet das Berufungsgericht weiter, die Klägerin habe die von ihr einbehaltene Stornoreserve unberücksichtigt gelassen. Das Berufungsgericht hat insoweit nicht beachtet, daß die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. März 1984 (GA 57) – von den Beklagten unwidersprochen – vorgetragen hatte, daß eine Stornoreserve von 23.663,10 DM im Wege der Aufrechnung berücksichtigt worden sei. Die Revision weist auch zu Recht darauf hin, daß das vom Berufungsgericht angeführte Schreiben der Klägerin vom 29. Juni 1983 (Anlage I Bl, 43) durch das spätere Schreiben vom 5. März 1984 (Anlage I Bl. 62) überholt ist, so daß nach dem Vorbringen der Klägerin letztlich eine Stornoreserve von 23.663,10 DM maßgebend sein sollte.

4. Demgegenüber hat das Berufungsgericht eine tatsächliche Vermutung zugunsten der Klägerin, daß für eine bestimmte Anzahl von Stornofällen eine Nachbearbeitung erfolglos geblieben wäre, mit zutreffender Begründung verneint. Für eine derartige Vermutung fehlen jegliche Anhaltspunkte.

Die Revision kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf die Senatsentscheidung vom 19. November 1982 – I ZR 125/80 – (VersR 1983, 371, 373) berufen. Dort ging es durchweg um kleinere Geschäfte, und überdies lagen aufgrund der in mehreren Parallelverfahren, die sich mit der Nachbesserungspraxis der jeweils identischen Klägerin befaßten, konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer im Rahmen des § 287 ZPO zu berücksichtigenden tatsächlichen Vermutung vor. Daran fehlt es hier.

III. Die Revision hat nach alledem Erfolg. Sie führt – in bezug auf die im Revisionsverfahren nicht vertretene Beklagte zu 4 im Wege des Versäumnisurteils – zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht.

 

Unterschriften

v. Gamm, Merkel, Piper, Erdmann, Mees

 

Fundstellen

Nachschlagewerk BGH

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