Entscheidungsstichwort (Thema)

Bürgschaft

 

Leitsatz (amtlich)

a) Hat der finanziell nicht leistungsfähige Ehegatte ohne unzulässige Beeinflussung eine Bürgschaft für ein Darlehen wirksam erteilt, das den Umfang üblicher Konsumentenkredite übersteigt, und dient die übernommene Haftung nur dem Schutz der Bank vor Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den Bürgen, ist eine Zahlungsklage als derzeit unbegründet abzuweisen, solange der Bürge Vermögen nicht erworben hat und die Lebensgemeinschaft fortbesteht.

b) Die Bank kann eine Bürgschaft des Ehegatten im Hinblick auf eine spätere Erbschaft vereinbaren, sofern sie zu erkennen gibt, welches Vermögen für sie Bedeutung besitzt. In diesem Falle darf sie jedoch ebenfalls Ansprüche gegen den finanziell nicht leistungsfähigen Bürgen vor Eintritt des Erbfalls nicht geltend machen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Wirksamkeit der Vereinbarung einer Bürgschaft des Ehegatten im Hinblick auf eine spätere Erbschaft.

 

Normenkette

BGB §§ 765, 157, 242

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 08.03.1996)

LG Baden-Baden

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 8. März 1996 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden vom 4. August 1995 wird zurückgewiesen; jedoch wird Ziff. 1 dieses Urteils neu gefaßt:

Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die klagende Bank gewährte dem Ehemann der Beklagten, der damals als Versicherungsvertreter arbeitete, am 24. Oktober 1990 einen Kredit in Höhe von 74.000 DM. Die Beklagte übernahm am selben Tag die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu diesem Betrage für alle Ansprüche der Klägerin gegen den Hauptschuldner aus der Geschäftsverbindung. Die Beklagte ging damals trotz einer abgeschlossenen Berufsausbildung als Hotelfachfrau keiner Erwerbstätigkeit nach, weil sie zwei in den Jahren 1986 und 1989 geborene Kinder versorgte. Sie besitzt auch kein Vermögen.

Der Darlehensvertrag nennt als Verwendungszweck „Kfz-Reparatur”; tatsächlich sollte der Kredit jedoch nur teilweise Verbindlichkeiten abdecken, die das Fahrzeug des Ehemannes der Beklagten betrafen. Der Rest war nach dem Vorbringen der Klägerin für Ausgaben bestimmt, die den gemeinsamen Haushalt, insbesondere die Wohnung, der Familie betrafen. Die Beklagte behauptet dagegen, der Kredit habe im übrigen zur Tilgung von Spielschulden ihres Ehemannes sowie zur Finanzierung seiner Alkoholabhängigkeit gedient.

Im März 1994 kündigte die Klägerin das Darlehen, weil der Kreditnehmer seinen Rückzahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkam. Sie nimmt die Beklagte wegen einer noch offenen Forderung in Höhe von 62.111,13 DM in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage unter Hinweis auf § 242 BGB abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr, mit Ausnahme eines Teils der Zinsen, stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages unter dem Gesichtspunkt der §§ 3, 9 AGBG hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Die weite Zweckerklärung der Bürgschaft ist unschädlich, weil die dieser Klage zugrundeliegende Forderung den Anlaß für die Übernahme der Haftung bildete (vgl. BGHZ 130, 19, 34 ff).

II.

Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, der Bürgschaftsvertrag verstoße nicht gegen die guten Sitten, und zur Begründung ausgeführt:

Zwar sei die Beklagte bei Übernahme der Verpflichtung einkommens- und vermögenslos gewesen, und die Klägerin habe mit einer Änderung dieser Verhältnisse in absehbarer Zeit nicht rechnen können. Allein die finanzielle Überforderung des Bürgen sei jedoch nicht entscheidend. Hier habe die Klägerin nach ihrer unwiderlegten Behauptung die Bürgschaft als zusätzliche Sicherung angesehen, weil die Beklagte damals im elterlichen Haus gelebt habe und zu erwarten gewesen sei, daß sie das Grundstück einmal erben werde. Im übrigen sei nicht von einem auffallenden Mißverhältnis zwischen Verpflichtungsumfang und Leistungsfähigkeit des Ehegatten auszugehen. Der Darlehensbetrag übersteige zwar den Rahmen eines üblichen Konsumentenkredits, habe jedoch der Tilgung von Verbindlichkeiten gedient, die im gemeinsamen Interesse der Ehegatten eingegangen worden seien. Die Klägerin habe auf die Entscheidungsfreiheit der Beklagten, die nicht geschäftsunerfahren gewesen sei, nicht in unzulässiger Weise eingewirkt. Soweit die Beklagte vortrage, sie sei von ihrem Ehemann unter Druck gesetzt worden, behaupte sie selbst nicht, daß dies der Klägerin bekannt geworden sei.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Rügen der Revision greifen nicht durch.

1. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, daß die Beklagte bei Erteilung der Bürgschaft kein eigenes Einkommen und Vermögen hatte und mit einer wesentlichen Verbesserung ihrer finanziellen Verhältnisse damals auf absehbare Zeit nicht zu rechnen war. Unter solchen Umständen bedeutet die Übernahme einer Haftung in Höhe von 74.000 DM selbst dann eine erhebliche wirtschaftliche Überforderung, wenn die Beklagte erwarten durfte, irgendwann einmal ihre – damals 55 und 51 Jahre alten – Eltern zu beerben; denn trotz dieser Aussicht war bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge nicht anzunehmen, daß sie schon bei Eintritt des Bürgschaftsfalles Vermögen erworben haben werde.

2. Kann die Ehefrau die aus der Bürgschaft herrührende Verpflichtung voraussichtlich nicht erfüllen, so ist der mit dem Gläubiger geschlossene Vertrag in der Regel gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn die Bürgin durch zusätzliche dem Gläubiger zurechenbare Umstände in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt worden und so ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern entstanden ist (BGH, Urt. v. 25. April 1996 – IX ZR 177/95, WM 1996, 1124, 1125, z.V.b. in BGHZ, m.w.N.). Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht entsprechende Voraussetzungen, die die Beklagte darzulegen und zu beweisen hatte, jedoch nicht festgestellt.

a) Die Beklagte hat nicht substantiiert vorgetragen, auf welche Weise der Ehemann sie mit unzulässigen Mitteln, etwa der Drohung empfindlicher finanzieller Nachteile oder Appellen an die eheliche Solidarität, zur Übernahme der Haftung gedrängt habe. Im übrigen darf der Gläubiger in der Regel annehmen, daß die Entscheidung, die Bürgschaft für einen den verständigen Interessen beider Ehepartner dienenden Kredit zu erteilen, in freier Selbstbestimmung, ohne Mißbrauch der Vertragsfreiheit, getroffen wurde (BGHZ 128, 230, 233; BGH, Urt. v. 18. Januar 1996 – IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521; v. 25. April 1996 – IX ZR 177/95, aaO). Tatsachen, die der Klägerin im Streitfall die Erkenntnis hätten aufdrängen müssen, daß eine solche gemeinsame Basis fehlte, hat die Beklagte nicht bewiesen. Der Kreditnehmer benötigte einen einsatzfähigen Pkw für die Ausübung seines Berufes als Versicherungsvertreter, demnach zur Sicherung des Familienunterhalts. Nach der Überzeugung des Berufungsgerichts durfte die Klägerin auch davon ausgehen, daß das Darlehen im übrigen für Ausgaben, die der Familie zugute kamen, verwendet wurde. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision wendet sich lediglich gegen die Feststellung, auch die Beklagte habe über das Konto verfügt. Darauf kommt es indessen nicht an. Entscheidend ist allein, daß sie die Behauptung der Klägerin dazu, wie der Kredit verwendet wurde, nicht widerlegt hat.

b) Die Beklagte behauptet nicht, daß das Kreditinstitut selbst sie in unzulässiger Weise beeinflußt habe. Sonstige der Bank zuzurechnende Umstände, die zu einem rechtlich anstößigen Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern führen können, sind ebenfalls nicht ersichtlich, Die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den Erbaussichten der Beklagten sind in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung, so daß der Senat nicht auf die dagegen erhobenen Revisionsrügen einzugehen braucht.

3. Eine Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages aus sonstigen Gründen hat das Berufungsgericht zutreffend verneint.

Eine Bürgschaft kann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn sich der Vertrag bei vernünftiger Betrachtungsweise in jeder Hinsicht als wirtschaftlich sinnlos erweist, weil auch aus der Sicht des Gläubigers kein schutzwürdiges Interesse an einer Haftung dieses Umfangs besteht (Senatsurt. v. 25. April 1996, a.a.O. S. 1125). Darauf beruft sich die Revision im Streitfall, weil die Beklagte immer einkommens- und vermögenslos gewesen sei. Jedoch ist bei solchen Krediten das Begehren der Banken auf Einbeziehung des Ehepartners in die Haftung regelmäßig deshalb vertretbar, weil sie sich auf diese Weise vor Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den Ehegatten schützen. Dieser Zweck allein begründet nicht die Wirksamkeit der Willenserklärung des Partners, wenn dessen Entscheidungsfreiheit durch dem Gläubiger zurechenbare Umstände beeinträchtigt, die Verpflichtung also mit unangemessenen Mitteln herbeigeführt wurde (BGHZ 120, 272, 278; BGH, Urt. v. 5. November 1996 – XI ZR 274/95, z.V.b. in BGHZ). Fehlen dagegen solche den Bürgen benachteiligenden Belastungen geht es vielmehr nur darum, daß er weder Einkommen noch Vermögen hat, ist dem beschriebenen Schutzinteresse der Bank rechtliche Bedeutung grundsätzlich nicht abzusprechen. In diesen Fällen kann den Belangen des wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Partners im Wege der Vertragsauslegung oder durch Anwendung der Regeln, die die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 242 BGB entwickelt hat, angemessen Rechnung getragen werden.

III.

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin sei nicht nach § 242 BGB gehindert, die Beklagte in Anspruch zu nehmen. Hier habe die Bank eine zusätzliche Sicherung im Hinblick auf die zu erwartende Erbschaft erhalten wollen. Dieser Gesichtspunkt überdauere sogar die Auflösung der Ehe. Zudem seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß die Parteien stillschweigend ein pactum de non petendo vereinbart hätten.

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Der Kreditgeber kann trotz wirksamer Begründung des Bürgschaftsvertrages aufgrund einer besonderen Abrede oder nach § 242 BGB gehindert sein, den Ehepartner, der eine seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weit übersteigende Bürgschaftsverpflichtung eingegangen ist, in Anspruch zu nehmen.

Dies hat der Senat bisher für Fälle entschieden, in denen die Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt der Entscheidung über den Bürgschaftsanspruch nicht mehr bestand (BGHZ 128, 230, 236; Senatsurt. v. 25. April 1996 – IX ZR 177/95, WM 1996, 1124). Nach dieser Rechtsprechung sind dann die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzuwenden, sofern die Verpflichtung des Ehegatten hauptsächlich dem Zweck diente, den Gläubiger vor Nachteilen durch Vermögensverlagerungen zu schützen sowie ihm den Zugriff auf eine Teilhabe des Bürgen am Vermögenszuwachs des Hauptschuldners zu ermöglichen, und diese Umstände nicht mehr eintreten können. Eine solche Zweckrichtung des Bürgschaftsvertrages bildet in der Regel die alleinige rechtlich tragbare Grundlage für den erkennbar gewordenen Geschäftswillen der Parteien, wenn der Gläubiger den Wunsch nach einer Einbeziehung des Partners nur mit der Gefahr von Vermögensverschiebungen begründet oder der Bürge finanziell nicht leistungsfähig ist und aufgrund der bei Vertragsschluß erkennbaren Tatsachen auch nicht erwartet werden kann, daß er in absehbarer Zeit mit eigenem Einkommen oder Vermögen zur Tilgung der Kreditforderung beizutragen vermag (Senatsurt. v. 25. April 1996, a.a.O. S. 1126).

2. Die Beklagte und ihr Ehemann leben in Scheidung. Als vor dem Tatrichter letztmals mündlich verhandelt wurde, war das Scheidungsurteil bereits ergangen, jedoch noch nicht rechtskräftig geworden. Die für die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nicht behauptet, daß zu diesem Zeitpunkt die Lebensgemeinschaft zwischen dem Hauptschuldner und der Bürgin endgültig aufgelöst war und zugleich keine gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen mehr bestanden. Von diesem Sach- und Streitstand ist für die revisionsrechtliche Beurteilung auszugehen. Der von dem Schutz vor Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Bürgen bestimmte Zweck des Bürgschaftsvertrages gewinnt jedoch nicht erst dann Bedeutung, wenn die Geschäftsgrundlage entfallen ist.

a) Der besondere Vertragszweck der Bürgschaft ist – wie der Senat bereits im Urteil BGHZ 128, 230, 235 angedeutet hat – gleichermaßen zu beachten, solange die Lebensgemeinschaft zwischen Hauptschuldner und Bürgen besteht. Dabei ist im Zweifel anzunehmen, daß die Parteien das Vernünftige gewollt haben, somit der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einer sachgerechten, mit Inhalt und Zweck des Gesetzes vereinbaren Regelung gelangt (vgl. BGHZ 79, 16, 18; BGH, Urt. v. 3. März 1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034, 1035). Wird die Haftung nur übernommen, um dem Gläubiger die Möglichkeit einzuräumen, auf Vermögen zuzugreifen, das möglicherweise später einmal in der Person des Partners entsteht, spricht dies für einen übereinstimmenden Willen beider Vertragspartner, daß der Gläubiger aus der Verpflichtung des Bürgen keine Ansprüche herleiten darf, solange er finanziell nicht leistungsfähig ist. Dies legt es nahe, die Bürgschaft in dem Sinne auszulegen, daß die Fälligkeit des Anspruchs von Anfang an hinausgeschoben wurde, bis der Bürge Vermögen erlangt hat (vgl. zu derartigen Abreden BGH, Urt. v. 18. Mai 1977 – III ZR 116/74, WM 1977, 895, 897; v. 24. Oktober 1991 – IX ZR 18/91, WM 1992, 159, 160).

b) Selbst dort jedoch, wo im Einzelfall die Erklärungen der Parteien eine solche Auslegung nicht zulassen, ist der Gläubiger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, den von Anfang an erkennbar wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Bürgen in Anspruch zu nehmen, solange in dessen Person kein Vermögen entstanden ist. Die Ausübung gesetzlicher oder vertraglicher Rechte ist ausnahmsweise nicht gestattet, wenn sie dem Zweck der Norm oder der getroffenen Vereinbarung eindeutig nicht entspricht sowie beachtliche Belange des anderen verletzt und der Berechtigte kein schutzwürdiges Interesse an der Durchsetzung des erhobenen Anspruchs hat (BGHZ 29, 113, 116 ff; 58, 146, 147; BGH, Urt. v. 24. Februar 1994 – IX ZR 120/93, WM 1994, 623, 625). Die Bürgschaft des einkommens- und vermögenslosen Ehegatten gewinnt grundsätzlich erst durch das anzuerkennende Bedürfnis der Bank, sich vor Vermögensverlagerungen zu schützen, eine rechtlich tragfähige Basis. Daher darf das Kreditinstitut nicht den Bürgen in Anspruch nehmen, der weiterhin vermögenslos ist, in dessen Person also die Tatsachen (noch) nicht eingetreten sind, die der Bank den Zugriff wegen ihrer Forderungen gegen den Hauptschuldner ermöglichen sollen. Nur eine solche Einschränkung der Rechtsverfolgung vermeidet eine Unausgewogenheit des Vertragsverhältnisses zu Lasten des Bürgen, die nicht hinnehmbar wäre. Demzufolge ist die Klage des Gläubigers als zur Zeit unbegründet abzuweisen, wenn der von Anfang an erkennbar finanziell nicht leistungsfähige Bürge kein Vermögen erworben hat.

3. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts kommen diese Grundsätze auch dann zur Anwendung, wenn die Bank die Bürgschaft des finanziell leistungsunfähigen Partners nicht nur zum Schutz vor Vermögensverlagerung verlangt hat, sondern auch in der Erwartung, der Ehepartner werde durch eine Erbschaft Vermögen erwerben.

Die Bürgschaft soll es dem Kreditgeber im allgemeinen ermöglichen, sich aus dem gesamten Vermögen der Eheleute zu befriedigen. Daher ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn er durch die Einbeziehung des Partners auch auf das Vermögen zugreifen will, welches diesem aufgrund einer Erbschaft zuwächst, eines Ungewissen zukünftigen Ereignisses, das bei Erteilung der Bürgschaft keine Rechtsposition gewährt, sondern lediglich eine tatsächliche Hoffnung begründet (Senatsurt. v. 25. April 1996 a.a.O. S. 1126). Es mag sein, daß hier die Klägerin, weil den Eltern der Beklagten ein Hausgrundstück gehört, damit rechnen konnte, die Bürgin werde irgendwann in der Zukunft in nicht unerheblichem Umfang Vermögen erlangen. In einem solchen Falle muß die Bank indessen vor Erteilung der Bürgschaft zu erkennen geben, auf welchen Vorstellungen ihr Geschäftswille aufbaut, damit für den Ehegatten die Bedeutung dieses Umstands ersichtlich wird. Nur dann kann ein entsprechendes Interesse die Geschäftsgrundlage für eine Bürgschaft bilden, die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehefrau auf absehbare Zeit erheblich übersteigt.

Ob die Klägerin rechtzeitig deutlich gemacht hat, welche Bedeutung das den Eltern der Beklagten gehörende Grundeigentum für ihre Entschließung hatte, eine Bürgschaft zu fordern, kann hier dahingestellt bleiben. Dieselben Gründe, die eine Haftung des Bürgen wegen Vermögensverlagerung ausschließen, solange es an dieser Voraussetzung fehlt, hindern die Bank, die auf eine Erbschaft des wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Bürgen hofft, daran, diesen in Anspruch zu nehmen, bevor das noch Ungewisse Ereignis eingetreten ist, welches Vermögenswerte Rechte in der Person des Partners entstehen läßt. Besitzt die Bank lediglich ein rechtlich anzuerkennendes Interesse, auf jenes zukünftige Vermögen zugreifen zu können, entspricht eine frühere Ausübung der Rechte aus der Bürgschaft in der Regel nicht den vertraglich getroffenen Abreden. Ein entsprechendes Vorgehen erweist sich jedenfalls als rechtsmißbräuchlich; denn ein schon jetzt den Bürgschaftsanspruch zuerkennendes Urteil würde unabhängig davon gelten, ob die Beklagte jemals Erbin wird.

4. Der Senat hat in seinem Urteil vom 25. April 1996 (a.a.O. S. 1127 f) näher dargestellt, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, daß der Gläubiger von Anfang an nicht mit finanziellen Leistungen des Bürgen rechnen konnte. Diese Grundsätze sind hier anzuwenden. Eigenes Einkommen des Bürgen spielt daher als berechtigtes Zugriffsobjekt keine Rolle, sofern voraussichtlich der pfändungsfreie Betrag innerhalb von fünf Jahren seit Fälligkeit der Bürgschaftsforderung nicht ein Viertel der Hauptschuld erreicht. Die Beklagte verdient lediglich etwas mehr als 800 DM monatlich. Sie ist zudem für zwei Kinder unterhaltspflichtig. Daher vermag sie nicht einmal geringe Teilleistungen zur Tilgung der Hauptschuld aufzubringen. Die Klägerin hat selbst nicht behauptet, daß mit einem wesentlich höheren Einkommen der Beklagten bei Eintritt des Bürgschaftsfalles zu rechnen war. Folglich steht der Klägerin jedenfalls derzeit kein Anspruch aus der Bürgschaft zu.

IV.

Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO); denn die Beklagte kann schon aus prozeßrechtlichen Gründen nur erreichen, daß die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

1. Das Landgericht hat die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Urteilstenor, jedoch aus den Entscheidungsgründen; denn diese werden mit der Feststellung eingeleitet, die Klägerin könne die Beklagte im Augenblick nicht aus der wirksamen Bürgschaft in Anspruch nehmen. Dieser Hinweis wird an mehreren Stellen wiederholt. Das Landgericht stützt sich zudem für seine Entscheidung auf das Senatsurteil BGHZ 128, 230, 235, dem ebenfalls zu entnehmen ist, daß der Bürge, solange die Gefahr der Vermögensverschiebung nicht endgültig ausgeräumt ist, nur einen vorübergehenden Einwand gegen den Klageanspruch besitzt.

2. Durch diese im landgerichtlichen Urteil enthaltene Einschränkung war die Beklagte schon in erster Instanz teilweise unterlegen (vgl. BGHZ 24, 279, 284). Sie hat das Urteil jedoch trotz der darin enthaltenen Beschwer im Berufungsrechtszug nicht angefochten. Mit der Revision begehrt die Beklagte demzufolge auch nicht mehr als die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Einer endgültigen Klageabweisung steht daher schon die Vorschrift des § 308 ZPO entgegen.

 

Unterschriften

Brandes, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter

 

Fundstellen

Haufe-Index 1122700

BGHZ

BGHZ, 325

NJW 1997, 1003

NWB 1997, 430

JR 1998, 198

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1997, 406

DNotZ 1998, 571

JZ 1997, 617

MDR 1997, 359

NJ 1997, 131

ZBB 1997, 180

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