Leitsatz (amtlich)

Auch in der GmbH & Co. KG haftet der nicht im Handelsregister eingetragene Kommanditist unbeschränkt.

 

Normenkette

HGB § 176

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig (Urteil vom 16.09.1977)

LG Braunschweig

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 16. September 1977 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte ist durch notariellen Vertrag vom 10. Januar 1974 der K.-Fertigbau GmbH & Co. KG beigetreten und seit dem 5. April 1974 im Handelsregister als Kommanditist eingetragen. Für diese Gesellschaft hatte die Klägerin im Jahre 1973 Bauarbeiten ausgeführt. Sie ist Ausstellerin und Inhaberin dreier Wechsel vom 14., 20. und 27. März 1974 über 15.000, 16.518,76 und 20.000 DM, die auf die K.-Fertigbau GmbH & Co. KG gezogen sind und die der Beklagte und Günther Gr. als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH für die Kommanditgesellschaft akzeptiert haben. Nachdem diese in Vermögensverfall geraten ist, nimmt die Klägerin den Beklagten gemäß § 176 Abs. 2 HGB auf Zahlung in Anspruch, weil er bei der Annahme der Wechsel und damit vor seiner Eintragung ins Handelsregister Kommanditist gewesen sei.

Der Beklagte meint, sein Beitritt sei erst nach der Annahme der Wechsel wirksam geworden. Außerdem hält er § 176 HGB auf die Kommanditisten einer GmbH & Co. für unanwendbar.

Das Landgericht hat den Beklagten – unter Abweisung eines nicht in die Revisionsinstanz gelangten Anspruchs – zur Zahlung von insgesamt 51.646,61 DM (Wechselsummen und Nebenkosten) nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe der Wechsel verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision, die die Klägerin zurückzuweisen beantragt, erstrebt er weiterhin die volle Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Nach § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB haftet, wenn die Gesellschaft schon vor der Eintragung in das Handelsregister ihre Geschäfte beginnt, jeder Kommanditist, der dem Geschäftsbeginn zugestimmt hat, für die bis zu seiner Eintragung begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter, es sei denn, daß seine Beteiligung als Kommanditist dem Gläubiger bekannt war. Tritt – wie hier der Beklagte – ein Kommanditist in eine bestehende Handelsgesellschaft ein, so findet für die in der Zeit zwischen seinem Eintritt und dessen Eintragung in das Handelsregister begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft diese Vorschrift entsprechende Anwendung (§ 176 Abs. 2 HGB). Sie greift – entgegen der Ansicht der Revision – auch im vorliegenden Falle ein.

1. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß der Beitritt des Beklagten schon am 10. Januar 1974 und damit vor der Annahme der Wechsel durch die Gesellschaft wirksam geworden ist. Der Eintritt in eine bestehende Handelsgesellschaft werde – so führt es aus – regelmäßig mit Abschluß des Beitrittsvertrages wirksam. Hier enthalte der Vertrag keine davon abweichende Bestimmung. Vielmehr spreche sein Text – wofür das Berufungsgericht einige Vertragsstellen anführt – gerade für die sofortige Wirksamkeit. Daß die in derselben Urkunde vereinbarten Änderungen der Satzung der Komplementär-GmbH (betreffend den Gesellschafterbestand, die Geschäftsführung und die Firma) zu ihrer Wirksamkeit noch der Eintragung in das Handelsregister bedurft hätten, stehe dem nicht entgegen.

Diese Darlegungen enthalten entgegen der Ansicht der Revision keinen Rechtsfehler. Da der Eintritt in eine bestehende handelsrechtliche Personengesellschaft zu seiner Wirksamkeit der Eintragung nur dann bedarf, wenn die Vertragschließenden das als Bedingung vereinbaren, wird, sofern eine solche Abrede fehlt und auch kein anderer Stichtag bestimmt ist, der Beitritt mit dem Vertragsabschluß wirksam. Der Revision ist einzuräumen, daß, obwohl hier der Vertrag notariell beurkundet worden war, auch eine bloß mündliche Nebenabrede die Wirksamkeit des Beitritts hätte aufschieben können. Eine solche hatte der Beklagte aber nicht behauptet. Das Berufungsgericht ist deshalb mit Recht allein vom Inhalt der Urkunde als der einzigen Erkenntnisquelle für den zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragschließenden ausgegangen. Die §§ 133, 157 BGB hat es bei der Auslegung dieser Urkunde nicht verletzt. Umstände, die dazu hätten nötigen können, ihr eine aufschiebende Bedingung für den Beitritt zu entnehmen, hat es weder übersehen noch rechtsfehlerhaft gewürdigt. Allerdings hatten die Vertragschließenden vereinbart, die Kommanditisten und die Gesellschafter der Komplementär-GmbH sollten stets personengleich sein. Daraus ergibt sich jedoch nicht zwingend, daß auch der Eintritt des Beklagten in die Kommanditgesellschaft erst mit der Eintragung der GmbH-Satzungsänderungen am 29. März 1974, also nach der Annahme der Wechsel, habe wirksam werden sollen. Die gegenteilige Würdigung des Berufungsgerichts ist jedenfalls möglich und deshalb revisionsrechtlich nicht angreifbar, zumal auch bei Vertragsabschluß abzusehen war, daß die Eintragung demnächst erfolgen werde, und damit der Absicht der Beteiligten, Unterschiede im Gesellschafterbestand zu vermeiden, genügt war.

2. Daß der Klägerin die Beteiligung des Beklagten als Kommanditist im Sinne von § 176 HGB „bekannt” gewesen sei, hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht. Seine Beweiswürdigung enthält keinen Rechtsfehler und ist deshalb für das Revisionsgericht bindend.

3. Es kann daher nur die Frage sein, ob § 176 HGB nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auf die Haftung der Kommanditisten einer GmbH & Co. KG überhaupt nicht anzuwenden ist, weil in ihr üblicherweise alle Gesellschafter außer der Komplementär-GmbH Kommanditisten sind (so Limbach GmbH-Rdsch. 1967, 165 ff; K. Schmidt JZ 1974, 220 N. 15 und NJV 1975, 668 N. 35; Binz GmbH-Rdsch. 1976, 33 N. 85; H. Westermann, Personengesellschaftsrecht, 4. Aufl. Rz. 909; a.A. P. Hofmann GmbH-Rdsch. 1970, 182 ff.). Von einer „Institutionalisierung” dieser Gesellschaftsform in dem Sinne, daß mit natürlichen Personen als persönlich haftenden Gesellschaftern gar nicht mehr gerechnet werden kann, läßt sich jedoch kaum heute schon sprechen; es kommt – auch nach dem eigenen Anschauungsmaterial des erkennenden Senats – zwar verhältnismäßig wenig vor, ist aber immerhin auch nicht ganz selten, daß solche Gesellschaften neben einer Komplementär-GmbH „echte” persönlich haftende Gesellschafter haben. Vor allem aber ließe sich die Ausschaltung des § 176 HGB bei der GmbH & Co. KG nur rechtfertigen, wenn die Funktion der Vorschrift, den Rechtsverkehr vor nicht registrierten Haftungsbeschränkungen zu schützen, von dem Firmenzusatz „GmbH & Co.”, den diese Gesellschaften im Geschäftsverkehr führen müssen (BGHZ 62, 216, 227), voll übernommen werden könnte. Das ist nicht der Fall. Aus dieser Rechtsformbezeichnung wird zwar heute regelmäßig zumindest von Vollkaufleuten und sonst geschäftsgewandten Personen der Schluß gezogen, daß mit Gesellschaftern, die auch mit ihrem Privatvermögen haften, nicht gerechnet werden kann. Von § 176 HGB geschützt sind aber bislang auch die weniger geschäftserfahrenen Personen, die als private oder kleingewerbliche Kunden, als Arbeitnehmer oder sonst irgendwie rechtsgeschäftlich mit einer solchen Gesellschaft in Berührung kommen und unter denen sich viele befinden, die mit dem Begriff „GmbH & Co.” keine ausreichenden Vorstellungen verbinden. Die haftungsrechtliche Privilegierung der Gesellschafter der GmbH & Co. würde daher zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen, daß diesem Personenkreis praktisch ersatzlos der Schutz genommen werden würde, den ihm das Gesetz bisher gewährt hat. Ein weiteres Bedenken kommt hinzu: Zwar wird nach § 176 HGB schon derjenige Gläubiger einer Kommanditgesellschaft nicht geschützt, der die Kommanditisteneigenschaft eines nicht eingetragenen Gesellschafters kennt; die Höhe seiner Haftsumme braucht er dazu nicht zu wissen. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine restriktive Interpretation des § 176 HGB geboten ist, kann aber dennoch nicht völlig außer Betracht bleiben, daß die fehlende Eintragung von Kommanditisten auch zu Irrtümern über die Höhe des Kommanditkapitals führen kann, und das Handelsregister auch die Aufgabe hat, insoweit Klarheit im Rechtsverkehr zu verschaffen. Diese Funktion kann durch die Verwendung des GmbH & Co.-Zusatzes ebenfalls nicht ersetzt werden. Auch das spricht dafür, die Kommanditisten einer GmbH & Co. bei unterbliebener Eintragung haftungsrechtlich nicht anders als sonst die Kommanditisten zu behandeln. Das grundsätzliche Bedenken, daß die unbeschränkte Haftung des nicht eingetragenen Kommanditisten im Einzelfall ganz unverhältnismäßige Ausmaße annehmen kann, richtet sich gegen die Vorschrift als solche, erlaubt aber keine bevorzugte Behandlung der GmbH & Co.-Gesellschafter.

4. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, das den Beklagten verurteilt hat, läßt sich nach alledem im Ergebnis nichts einwenden.

 

Unterschriften

Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Dr. Bauer, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kellermann kann urlaubshalber nicht unterschreiben. Stimpel

 

Fundstellen

NJW 1980, 54

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1980, 56

JZ 1979, 644

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