Leitsatz (amtlich)

Der für die Pflichtteilsberechnung vorzunehmenden Schätzung des Wertes eines Handelsunternehmens (§ 2311 BGB) kann, wenn das Unternehmen fortgeführt wird, grundsätzlich nicht der Liquidationswert zugrunde gelegt werden, auch dann nicht, wenn das Unternehmen zur Zeit des Erbfalls ertraglos war.

 

Normenkette

BGB § 2311

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 20.10.1970)

LG Bochum

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin und die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm vom 20. Oktober 1970 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die am 22. Februar 1967 verstorbene Witwe Selma M. hatte erbvertraglich ihre Adoptivtochter, die Klägerin, zu 2/3, den Beklagten zu 1 zu 1/3 und für den Fall, daß die Klägerin vor oder nach Eintritt des Erbfalls ohne Hinterlassung ehelicher Abkömmlinge wegfallen sollte, als ihnen Ersatzerben den Beklagten zu 2, einen Sohn des Beklagten zu 1, als Erben eingesetzt. Zum Testamentsvollstrecker hat sie den ursprünglichen Beklagten zu 3 ernannt, dessen Nachfolger der jetzige Beklagte zu 3 ist.

Die Klägerin hat durch Erklärung vom 21. April 1967 die Erbschaft ausgeschlagen. Sie verlangt ihren Pflichtteil, der unstreitig in der Hälfte des Nachlaßwertes besteht. Streit besteht zwischen den Parteien über den Wert des Nachlasses, soweit er in dem von der Firma M. betriebenen Unternehmen, einer Maschinenfabrik für Bergbau und Kupplungen in B., besteht. Die Erblasserin war Alleininhaberin dieser Firma. Geschäftsführer war aufgrund Anstellungsvertrages vom 3. August 1950 der Beklagte zu 1.

Im Einvernehmen mit den übrigen Parteien erteilte der ursprüngliche Beklagte zu 3 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „R.-W. „R.” T. AG” den Auftrag, den Wert des Unternehmens festzustellen. Diese erstattete ein von den Wirtschaftsprüfern Prof. Dr. Mi. und Dr. S. unterzeichnetes Gutachten vom 8. September 1967. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, daß das Unternehmen zu dem – von den Parteien gebilligten – Stichtag des 31. Dezember 1966 keinen Ertrag aufgewiesen und daß der Gesamtwert 1.878.000 DM und der Liquidationswert 2.187.000 DM betragen habe; da letzterer über dem Gesamtwert liege, sei es zutreffend, den Gesamtwert von 1.878.000 DM als Unternehmenswert anzusehen.

Demgemäß ist die Klägerin bei der Berechnung ihres Pflichtteils von einem Wert von 1.878.000 DM ausgegangen. Sie hat von der Hälfte dieser Summe einen bereits erhaltenen Betrag von 235.887 DM, die entrichtete Erbschaftssteuer von 64.663 DM und anteilige Gutachterkosten von 2.950 DM abgezogen. Mit der Klage verlangt sie von den Beklagten zu 1 und 2 die Zahlung der restlichen Summe von 635.500 DM und von dem Beklagten zu 3 insoweit die Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlaß.

Die Beklagten haben das Gutachten beanstandet, im besonderen in der Richtung, daß die Gutachter zu Unrecht die das Unternehmen belastenden Pensionsverpflichtungen bei Ermittlung des Liquidationswertes abgezogen hätten. Bei richtiger Berechnung ergebe sich ein Gesamtvermögenswert des Unternehmens von nur 569.588 DM. Sie haben sich dazu auf die von ihnen eingeholte gutachtliche Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers E. vom 11. Dezember 1967 wegen der Berechnung des Gesamtwerts des Unternehmens bezogen und auf die gutachtliche Stellungnahme von Dr. Dr. H. vom 19. November 1968 zur Berücksichtigung der Pensionsverpflichtungen.

Das vom Landgericht eingeholte Zusatzgutachten von Prof. Dr. Mi. und Dr. S. vom 6. November 1969 gelangt in Abweichung von dem Erstgutachten zu dem Ergebnis, der Gesamtwert des Unternehmens habe am Stichtag 1.303.000 DM und der Liquidationswert 1.775.000 DM betragen. Die Beklagten haben auch dieses Gutachten beanstandet unter Bezugnahme auf eine von ihnen vorgelegte Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers E. vom 15. Dezember 1969.

Mit Urteil vom 12. Februar 1970 hat das Landgericht als Unternehmenswert den von den Sachverständigen angenommenen Liquidationswert von 1.775.000 DM festgestellt und die Beklagten zu 1 und 2 unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 584.000 DM zu zahlen; den Beklagten zu 3 hat es verurteilt, wegen dieses Anspruchs die Zwangsvollstreckung in den Nachlaß zu dulden. Auf die nur von den Beklagten eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts geändert und den Zahlungsanspruch der Klägerin auf 430.112 DM bemessen.

Beide Parteien haben Revision eingelegt. Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen. Die Beklagten begehren die Abweisung der Klage in vollem Umfang.

 

Entscheidungsgründe

Unstreitig steht der Klägerin ein Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes der Firma M. zu. Der Berechnung des Pflichtteils sind nach § 2311 BGB Bestand und Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrundezulegen. Die Parteien sind damit einverstanden, daß als Bewertungsstichtag der 31. Dezember 1966 angenommen wird. Sie streiten über den Wert, den das von der Firma betriebene Unternehmen zu diesem Zeitpunkt hatte.

Die Bewertung von Handelsunternehmen in ihrer wirtschaftlichen Einheit bietet nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Es gibt für Handelsunternehmen wegen ihrer individuellen Verschiedenheit keinen Markt, auf dem sich ein Preis bilden könnte. Es besteht auch keine einhellig gebilligte Bewertungsmethode. Rechtlich ist eine solche nicht vorgeschrieben. In der Betriebswirtschaftslehre werden verschiedene Methoden vertreten. Vorherrschend ist ein Bewertungsverfahren, das sowohl den Substanzwert (Reproduktionswert) wie den Ertragswert berücksichtigt und den End- oder Gesamtwert des Unternehmens auf dem Wege einer Verbindung beider Werte oder der Berichtigung des Substanzwerts nach Maßgabe der Ertragsfähigkeit des Unternehmens ermittelt (vgl. zur Übersicht und Beurteilung der Bewertungsmethoden Jacob, Die Methoden zur Ermittlung des Gesamtwertes einer Unternehmung, in Zeitschrift für Betriebswirtschaft 1960, 131 ff, 209 ff; Jaensch, Wert und Preis der ganzen Unternehmung, 1966, 73 ff, der allerdings ein von den als „traditionell” bezeichneten Methoden abweichendes Bewertungsverfahren entwickelt hat; ferner die Richtlinien der UEC, dargestellt in der Schrift von Viel/Bredt/Renard, Die Bewertung von Unternehmungen und Unternehmungsanteilen, 2. Aufl. 1967 S. 20 ff und aus der Rechtsprechung u.a. den eingehend begründeten Beschluß des OLG Hamm vom 23. Januar 1963 – 8 AR 1/60 – als Spruchstelle nach den §§ 13, 30 UmwG, wiedergegeben bei Koppenberg, Bewertung von Unternehmen, 1964 S. 99 ff, 114 ff). Das vom Landgericht eingeholte Zusatzgutachten der Wirtschaftsprüfer Prof. Dr. Mi. und Dr. S. (Wirtschaftsprüfungsgesellschaft R.-W. „R.” T. AG) vom 6. November 1969, welches das von den Gutachtern vorprozessual erstattete Gutachten vom 8. September 1967 ergänzt und berichtigt, gründet methodisch auf einer solchen Verbindung von Substanz- und Ertragswert. Es ist daher in diesem Grundansatz der Bewertung, der sich im Rahmen anerkannter betriebswirtschaftlicher Bewertungspraxis hält, rechtlich nicht zu beanstanden.

Neben dem Gesamtwert des Unternehmens haben die Gutachter den Liquidationswert ermittelt als den Erlös, der bei einer Abwicklung des Unternehmens aus dem Verkauf der Vermögensgegenstände nach Begleichung der Schulden zu erwarten ist. Nach betriebswirtschaftlicher Bewertungspraxis wird der Liquidationswert bei ertraglosen Unternehmen ermittelt; er bildet dann die Wertuntergrenze (Viel/Bredt/Renard a.a.O. S. 15; Münstermann, Wert und Bewertung der Unternehmung, 3. Aufl. 1970 S. 102). Da die Firma M. zum Bewertungsstichtag in ihrer Gesamtheit keinen Ertrag abgeworfen hat, haben die Sachverständigen in ihrem Zusatzgutachten vom 6. November 1969 den Liquidationswert für maßgeblich erklärt, den sie mit 1.775.000 DM angenommen haben, und das Berufungsgericht hat den von ihm festgestellten „Verkaufswert” von 1.467.224 DM auf der Grundlage des Liquidationswertes von 1.775.000 DM errechnet.

Beide Parteien wenden sich in ihren Revisionen dagegen, daß in dieser Weise der Liquidationswert der Unternehmensbewertung zugrundegelegt worden ist. Die Klägerin meint, der Liquidationswert dürfe deshalb nicht als Unternehmenswert herangezogen werden, weil das Unternehmen nach dem Willen der Erblasserin fortgeführt werden sollte und tatsächlich auch fortgeführt worden sei. Die Beklagten meinen, es müsse von dem Verkehrs- oder Gesamtwert und nicht von einem höheren Liquidationswert ausgegangen werden. Die Sachverständigen hätten in ihrem Zusatzgutachten den Gesamtwert mit 1.303.000 DM festgestellt; er liege also unter dem Liquidationswert von 1.775.000 DM.

Ob die Beanstandungen der Parteien gerechtfertigt sind, hängt von der Bedeutung des betriebswirtschaftlichen Grundsatzes ab, daß bei ertraglosen Unternehmen der Liquidationswert die Vertuntergrenze bildet. Das Berufungsgericht hat diesen. Grundsatz unter Bezugnahme auf eine Formulierung im Zusatzgutachten vom 6. November 1969 (S. 5) offenbar so aufgefaßt, daß als Unternehmenswert der „unter dem Substanzwert liegende Liquidationswert” maßgebend sei. Es hat jedenfalls den Liquidationswert nicht mit dem Gesamtwert des Unternehmens, sondern mit dem reinen Substanzwert verglichen und den unteren Wert für maßgeblich gehalten. Gegen einen derartigen Wertvergleich bestehen Bedenken. Der reine Substanz- oder Reproduktionswert stellt nach der herrschenden betriebswirtschaftlichen Bewertungslehre, der sich auch die Sachverständigen angeschlossen haben, nicht einen Endwert dar, sondern einen, wenn auch sehr wesentlichen, Bewertungsfaktor, indem der Unternehmenswert aus Substanzwert und Ertragswert gebildet wird. Es ist daher für die Feststellung des Unternehmenswertes nicht sinnvoll, den Liquidationswert mit dem Substanzwert zu vergleichen statt mit dem wahren, die Ertragslage mit berücksichtigenden Gesamtwert des lebenden Unternehmens. Der Wertvergleich soll dem Unternehmer die Beurteilung ermöglichen, ob es für ihn günstiger ist, den Liquidationswert zu realisieren. Dazu muß aber die zukünftige Ertragserwartung mitermittelt und der Substanzwert bei Ertraglosigkeit des Unternehmens nach Maßgabe des negativen Ertrages berichtigt werden. Erst der Vergleich mit dem so ermittelten Gesamtwert des lebenden Unternehmens ermöglicht dem Unternehmer die Beurteilung, ob es zweckmäßig ist, die Liquidation durchzuführen. Liegt der Liquidationswert über dem Gesamtwert, dann wird er deshalb als Wertuntergrenze bezeichnet, weil er tatsächlich, eben durch Liquidation, zu erzielen ist.

Ob der Unternehmer den Liquidationswert realisieren will, obliegt seiner unternehmerischen Entscheidung. Führt er den Betrieb fort, obwohl der Gesamtwert unter den Liquidationswert abgesunken ist, dann wird die Liquidationsbewertung, da sie nur zur Bestimmung der Wertuntergrenze des Unternehmens herangezogen worden ist, nicht wirksam (Münstermann, Wert und Bewertung der Unternehmung, 3. Aufl. 1970 S. 102). Dann ist es aber, auch im Rahmen von Rechtsbeziehungen des Unternehmers zu Dritten grundsätzlich nicht gerechtfertigt, den Liquidationswert der Unternehmensbewertung zugrundezulegen. Das muß jedenfalls für die Unternehmensbewertung zum Zwecke der Berechnung des Pflichtteils nach § 2311 BGB gelten, wenn der Unternehmer dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber nicht zur Liquidation verpflichtet ist. Etwas anderes könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn ein unrentables, liquidationsreifes Unternehmen aus wirtschaftlich nicht vertretbaren Gründen weitergeführt wird und dadurch dem Pflichtteilsberechtigten der Anteil an der Differenz zwischen dem Gesamtwert und einem über ihm liegenden Liquidationswert entgeht. Liegt ein solcher Fall nicht vor, dann besteht kein rechtlich durchgreifender Grund, für die Unternehmensbewertung den Liquidationswert anzusetzen, obwohl eine Liquidation tatsächlich nicht stattfindet.

So kann es insbesondere dem Pflichtteilsberechtigten nicht zugutekommen, wenn der Umstand, daß der Liquidationswert über dem Gesamtwert liegt, darauf beruht, daß bestimmte Verpflichtungen, z.B. Pensionsverpflichtungen, für die Rückstellungen vorgenommen worden sind, mit der Liquidation entfallen. Denn diese Verpflichtungen müssen bei Weiterführung des Unternehmens erfüllt werden. Auch in einem Verkaufsfalle würde dann, wenn die Fortführung des Unternehmens beabsichtigt ist, der Preis sich nicht nach dem Liquidationswert ausrichten, wenn der wahre Wert des Unternehmens geringer ist. Umgekehrt können Verbindlichkeiten, die erst mit einer Veräußerung oder Liquidation entstehen, wie etwa die auf einen Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG entfallende Ertragssteuer (vgl. BGH NJW 1972, 1269), nicht zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten vom Unternehmenswert in Abzug gebracht werden, wenn eine Veräußerung oder Liquidation nicht stattfindet. Da hier das Unternehmen unstreitig fortgeführt werden sollte und fortgeführt worden ist, darf mithin nicht der Liquidationswert angesetzt werden. Vielmehr muß der Berechnung des Pflichtteils der nach allgemeinen Grundsätzen zu ermittelnde Gesamtwert des Unternehmens zugrundegelegt werden. Die nach § 2311 Abs. 2 Satz 1 BGB gebotene Schätzung des Unternehmenswerts ist rechtsfehlerhaft, wenn sie in einem solchen Falle den Liquidationswert zugrundelegt. Mit gutem Grund haben daher die Gutachter in ihrem vorprozessual erstatteten Gutachten vom 8. September 1967, in welchem sie zu dem Ergebnis gelangt sind, daß der Gesamtwert des Unternehmens 1.878.000 DM und der Liquidationswert 2.187.000 DM betragen habe, den Gesamtwert und nicht den darüber liegenden Liquidationswert für maßgeblich erklärt.

Die Ausführungen im Berufungsurteil sind danach rechtlich nicht haltbar, soweit das Berufungsgericht den von ihm angenommenen Unternehmenswert (Verkaufswert von 1.467.224 DM) auf der Grundlage des von den Sachverständigen ermittelten Liquidationswerts festgestellt hat. Zudem ist die Berechnung des Berufungsgerichts in sich nicht widerspruchsfrei. Das Berufungsgericht hat von dem Liquidationswert einige Abzüge gemacht (so 53.000 DM für Diskontierung der Darlehensforderungen und 254.537 DM für Pensionsanwartschaften) mit der Begründung, daß zwar der Liquidationswert maßgeblich sei, dieser jedoch nicht so zu berechnen sei, als werde das Unternehmen stillgelegt und das Betriebsvermögen verkauft. Wenn das Berufungsgericht meinte, wegen der Ertraglosigkeit des Unternehmens den Liquidationswert zugrundelegen zu müssen, dann hätte es diesen auch auf der Grundlage der Verhältnisse berechnen müssen, wie sie im Liquidationsfall eintreten; insbesondere hätte dann über die Frage des Fortbestehens der Pensionsverpflichtungen nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen auf der Grundlage der betrieblichen Versorgungsordnung vom 30. November 1959 entschieden werden müssen (vgl. dazu im besonderen die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 5. November 1965 in AP Nr. 104 zu § 242 BGB (Ruhegehalt), vom 10. Dezember 1971 in AP Nr. 154 zu § 242 BGB (Ruhegehalt) und vom 10. März 1972 – 3 AZR 278/71 in BB 1972, 1005 und aus dem Schrifttum u.a. Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, 1959, und Heissmann, Die betrieblichen Ruhegeldverpflichtungen, 6. Aufl. 1967). Ging es von der Fortführung des Unternehmens aus, dann durfte es den Unternehmenswert nicht auf der Grundlage des Liquidationswertes ermitteln. Damit entfallen alle Revisionsrügen der Parteien, soweit sie die Berechnung des Liquidationswerts im einzelnen betreffen, insbesondere der Streit über die Absetzung der kapitalisierten Pensionsverpflichtungen und die Bezüge des früheren Geschäftsführers sowie die Berücksichtigung von Verkaufsprovisionen.

Das Berufungsurteil mußte daher aufgehoben werden, damit das Berufungsgericht Gelegenheit erhält, den Gesamtwert des Unternehmens festzustellen und diesen der Berechnung des Pflichtteils zugrundezulegen.

Die Sachverständigen haben in ihrem Zusatzgutachten vom 6. November 1969 den Gesamtwert mit 1.303.000 DM angenommen. Sie haben dabei in Abweichung von ihrem Vorgutachten vom 8. September 1967 einen weiteren Abzug wegen des negativen Ertrags der Bergbaufertigung von 681.000 DM und einen Zuschlag für den positiven Ertrag der Abteilung Kupplungsbau von 106.000 DM gemacht. Während die Klägerin den ersten Posten als zu hoch bezeichnet, halten die Beklagten unter Bezugnahme auf die vorgelegte Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers E. vom 15. Dezember 1969 den zweiten Wert für übersetzt. Dazu ist zu bemerken, daß es sich bei der Ertragsbewertung um eine auf den Verhältnissen zum Bewertungszeitpunkt fußende Beurteilung der zukünftigen Ertragserwartung handelt, somit weitgehend um einen immateriellen Bewertungsfaktor, dessen Höhe naturgemäß sehr schwierig und jedenfalls nicht mathematisch genau zu bestimmen ist (Baldus, Die immateriellen Werte bei der Unternehmensbewertung, Betrieb 1964, 1381 ff). Er kommt im besonderen in der Bestimmung des Kapitalisierungszinsfußes zum Ausdruck (vgl. S. 13 des Zusatzgutachtens), aber auch schon in den Wertberichtigungen zu den einzelnen Bilanzposten, die in dem Vorgutachten für die Bestimmung des Gesamtwertes von 1.878.000 DM vorgenommen worden sind (S. 6 des Vorgutachtens). Können, wie das in der Betriebswirtschaftslehre angenommen wird, bei der Bewertung der Ertragserwartung auch die persönlichen Fähigkeiten und die Absichten der Unternehmensleitung (Betriebsumstellungen usw.) eine Rolle spielen, so kann auch der Umstand, daß das Unternehmen trotz negativen Ertrages nicht liquidiert, sondern fortgeführt worden ist, berücksichtigt werden und ein Anzeichen dafür sein, daß, wenn diese unternehmerische Entscheidung nicht wirtschaftlich unvernünftig ist, die Ertragserwartung in dem Zusatzgutachten zum Unterschied von dem ersten Gutachten zu negativ bewertet worden ist. Es fällt auf, daß die Gutachter bei Feststellung des Gesamtwerts im ersten Gutachten bereits den negativen Ertragswert mit 386.000 DM berücksichtigt (S. 6 dieses Gutachtens nebst S. 22 des Zusatzgutachtens), im Zusatzgutachten dann aber nochmals einen Abzug von 575.000 DM vorgenommen haben (S. 19 des Zusatzgutachtens). Es mag fraglich sein, ob dieser weitere Abzug gerechtfertigt oder zumindest in seiner Höhe nicht übersetzt ist. Liegen nur vorübergehende negative Umstände vor, so brauchen sich diese in der Feststellung des wahren Werts (Gesamtwerts) nicht niederzuschlagen (BGHZ 13, 45; BGH NJW 1965, 1589). Deshalb erscheint es auch nicht unzulässig und, um die Unsicherheit bei der Bewertung des Zukunftsertrages möglichst einzuschränken, sogar angebracht, auch noch die während des Bewertungszeitraums erkennbare Entwicklung des Unternehmens, wozu hier die behauptete Veräußerung einer Unternehmensabteilung gehören könnte, mit zu berücksichtigen, ohne daß dadurch der Grundsatz des § 2311 BGB verletzt wird, nach welchem der Unternehmenswert zur Zeit des Erbfalls zu schätzen ist und daher auch die Ertragsprognose auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden muß. Die Zulässigkeit, erkennbar gewordene Entwicklungen in dieser Weise mit in die Bewertung einzubeziehen, kann in dem Rechtsgedanken des § 2313 BGB eine Stütze finden. Dagegen müssen spätere Entwicklungen, deren Wurzeln in der Zeit nach dem Bewertungsstichtag liegen, außer Betracht bleiben (Knorr, Zur Bewertung von Unternehmungen und Unternehmungsanteilen in Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1967, 193 ff, 196).

Ob und inwieweit das Berufungsgericht bei der neuen Beurteilung aufgrund der vorstehend aufgezeigten Gesichtspunkte sich den Ergebnissen der vorliegenden Gutachten anschließt oder diese aufgrund einer etwa bestehenden eigenen Sachkunde korrigiert oder ein weiteres Gutachten über den Gesamtwert des Unternehmens zur Zeit des Erbfalls einholt, muß seiner tatrichterlichen Entscheidung überlassen bleiben.

Vorweg wird das Berufungsgericht aber vielleicht zu prüfen haben, ob nicht ein Einverständnis der Parteien mit der Bestimmung des Gesamtwerts durch die Gutachter vorliegt. Die Klägerin hat sich mit der Bestimmung des Gesamtwerts durch das außergerichtliche Gutachten auf 1.878.000 DM ausdrücklich einverstanden erklärt und ihren Pflichtteil nach dieser Summe berechnet. Die Beklagten haben erklärt, daß sie das Gutachten grundsätzlich als „Schiedsgutachten” gelten lassen wollten (Schriftsatz vom 19. Februar 1969 Seite 2, Bl. 50 d.A.). Sie haben allerdings eingewendet, die Gutachter hätten wegen der Ungewißheit in der Frage der Pensionsrückstellungen kein verbindliches Gutachten erstattet. Die Frage der Pensionsrückstellungen und die von den Gutachtern deswegen gemachten Vorbehalte betreffen aber nur den Liquidationswert. Ist nicht der Liquidationswert, sondern der Gesamtwert des Unternehmens maßgebend, dann könnte hinsichtlich dieser Bewertung möglicherweise ein Einverständnis im Sinne von § 317 BGB angenommen werden. Die Beklagten würden dann allerdings nicht zu einem höheren Betrag verurteilt werden können, als er in dem Urteil des Landgerichts festgesetzt worden ist, da die Klägerin gegen dieses Urteil keine Berufung eingelegt hat.

 

Unterschriften

Johannsen, Dr. Pfretzschner, Dr. Reinhardt, Dr. Bukow ist beurlaubt und ortsabwesend. Er ist somit verhindert zu unterschreiben. Johannsen, Dr. Buchholz

 

Fundstellen

Haufe-Index 1535266

NJW 1973, 509

Nachschlagewerk BGH

MDR 1973, 391

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