Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltcharakter des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters

 

Leitsatz (amtlich)

a) Eine Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB liegt unter Berücksichtigung des Ziels der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. EG Nr. L 200, 35) vor, wenn die Forderung auf die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht (Anschluss an BGH, Urt. v. 21.4.2010 - XII ZR 10/08). Einer synallagmatischen Verknüpfung zwischen der Leistung des Gläubigers und der Zahlung durch den Schuldner bedarf es nicht.

b) Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ist Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB.

 

Normenkette

BGB § 288 Abs. 2; HGB § 89b

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 27.08.2009; Aktenzeichen 23 U 52/09)

LG Berlin (Urteil vom 18.02.2009; Aktenzeichen 105 O 83/08)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 23. Zivilsenats des KG vom 27.8.2009 aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 105 des LG Berlin vom 18.2.2009 geändert, soweit für die Zeit ab dem 25.4.2008 hinsichtlich des Zinssatzes zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen i.H.v. weiteren drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.883,96 EUR seit dem 25.4.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger war aufgrund eines Tankstellenverwaltervertrages für die Beklagte als Handelsvertreter tätig. Nach Beendigung der Vertragsbeziehung verlangt er von der Beklagten die Zahlung eines weiteren Ausgleichs gem. § 89b HGB.

Rz. 2

Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.883,96 EUR nebst fünf Prozent Zinsen aus 6.273,14 EUR vom 1.12.2007 bis zum 24.4.2008 sowie Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.883,96 EUR seit dem 25.4.2008 zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.

Rz. 3

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zahlung von Zinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.883,96 EUR seit dem 25.4.2008 weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die Revision hat Erfolg.

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht (KG, Urt. v. 27.8.2009 - 23 U 52/09, juris) hat - soweit hier von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Rz. 6

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters stelle keinen Entgeltanspruch dar, so dass § 288 Abs. 2 BGB nicht anwendbar sei.

Rz. 7

Der in § 288 Abs. 2 und § 286 Abs. 3 BGB genannte Begriff der "Entgeltforderung" gehe zurück auf die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Rechtsverkehr. Diese Richtlinie sei, wie sich aus ihrem Erwägungsgrund 13 ergebe, auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte geleisteten Zahlungen beschränkt und betreffe nach ihrem Art. 1 alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr anzusehen seien. Als Geschäftsverkehr definiere Art. 2 der Richtlinie Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führten. Mit der Verwendung des Begriffes "Entgeltforderung" in § 288 Abs. 2 und § 286 Abs. 3 BGB habe der deutsche Gesetzgeber diese Richtlinie umsetzen und den Anwendungsbereich der Vorschriften auf Entgeltforderungen im Sinne der genannten Richtlinie beschränken wollen. Dementsprechend seien Entgeltforderungen i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB und des § 286 Abs. 3 BGB solche Forderungen, die auf Zahlung eines Entgelts für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet seien, wobei die zu beurteilende Forderung zu der Leistung des Gläubigers in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen müsse.

Rz. 8

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe komme dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters kein Entgeltcharakter zu. Zwar sei der Ausgleichsanspruch nicht - was einer Einordnung als Entgeltforderung entgegenstünde - als Entschädigungs-, sondern als Vergütungsregelung anzusehen. § 89b HGB habe zum Inhalt, dass der Handelsvertreter für einen auf seiner Tätigkeit beruhenden, ihm aber infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr vergüteten Vorteil, wie er in der Schaffung eines Kundenstammes liege, eine Gegenleistung erhalte. Ferner scheitere der Entgeltcharakter nicht an dem Umstand, dass der Ausgleichsanspruch kein reiner Vergütungsanspruch sei, sondern auch von Billigkeitsgesichtspunkten abhänge. Der Handelsvertreterausgleichsanspruch sei aber deshalb keine Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB, weil die Leistung des Handelsvertreters, die damit abgegolten werden solle, zu dem Zahlungsanspruch nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehe, es insoweit also an einer synallagmatischen Verknüpfung zwischen den Ansprüchen fehle. Gegenleistung und Entgelt für die nach § 86 HGB geschuldete Leistung des Handelsvertreters sei nicht der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB, sondern allein der Provisionsanspruch nach § 87 HGB. Der Handelsvertreter vermittle Geschäfte, um hierfür Provisionen zu erhalten, und nicht, um nach Beendigung des Vertrages einen Ausgleich nach § 89b HGB zu bekommen. Der Ausgleich gehe über die durch die Vermittlungstätigkeit verdienten Provisionen hinaus, ohne dass der Handelsvertreter hierfür eine zusätzliche Leistung zu erbringen habe.

II.

Rz. 9

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dem Kläger Verzugszinsen nur i.H.v. fünf und nicht i.H.v. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zugesprochen. Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ist als Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB zu qualifizieren.

Rz. 10

1. Der in §§ 288 Abs. 2 und 286 Abs. 3 BGB verwendete Begriff der Entgeltforderung geht, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, auf die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. EG Nr. L 200, 35) zurück. Diese Richtlinie ist nach ihrem Art. 1 auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden, wobei als Geschäftsverkehr in Art. 2 der Richtlinie die Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen definiert sind, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen. Ziel ist es ausweislich der Erwägungsgründe 7 und 16 sicherzustellen, dass die Folgen des Zahlungsverzugs von der Überschreitung der Zahlungsfristen abschrecken, und so der Gefahr der Insolvenz von Unternehmen und dem Verlust von Arbeitsplätzen entgegenzuwirken. Zu den Unternehmen gehören nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie auch Einzelpersonen, sofern diese eine unabhängige wirtschaftliche oder berufliche Tätigkeit ausüben. Nach Art. 3 Abs. 1d der Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Höhe der Verzugszinsen mindestens sieben Prozentpunkte über dem dort näher definierten Bezugszinssatz liegt.

Rz. 11

Der deutsche Gesetzgeber wollte bei der Umsetzung der Richtlinie den sich aus ihr ergebenden hohen Zinssatz nur für den Anwendungsbereich der Richtlinie und damit für Entgeltzahlungen vorsehen (Stellungnahme des Bundesrates zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6857, 14; aufgegriffen in der Gegenäußerung der Bundesregierung, a.a.O., S. 51 und der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 14/7052, 187).

Rz. 12

Eine Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB liegt nach diesen Ausführungen daher dann vor, wenn die Forderung auf die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.2010 - XII ZR 10/08, juris, Tz. 23; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 286 Rz. 27, § 288 Rz. 8; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB (2009), § 286 Rz. 95, § 288 Rz. 17; Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 286 Rz. 39, § 288 Rz. 5; Ernst in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 286 Rz. 75).

Rz. 13

2. Nicht gefolgt werden kann indessen der Ansicht des Berufungsgerichts, für die Qualifikation einer Forderung als Entgeltforderung sei über die dargestellten Voraussetzungen hinaus zu verlangen, dass zwischen der Leistung des Gläubigers und der Zahlung durch den Schuldner eine synallagmatische Verknüpfung bestehe (so aber auch Ernst in MünchKomm/BGB, a.a.O.). Der Begriff der Entgeltlichkeit ist nicht mit dem Begriff des Synallagmas gleichzusetzen. Entgeltlichkeit liegt nicht nur bei gegenseitig verpflichtenden Verträgen i.S.d. §§ 320 ff. BGB vor, sondern auch dann, wenn die Leistung des einen Teils Bedingung für die Entstehung der Verpflichtung des anderen Teils ist (sog. konditionelle Verknüpfung, vgl. BGH, Urt. v. 10.1.1951 - II ZR 18/50, NJW 1951, 268, unter I; v. 11.11.1981 - IVa ZR 182/80, NJW 1982, 436, unter I; Palandt/Grüneberg, a.a.O., Einf. v. § 320 Rz. 7; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., Vor § 320 Rz. 6; MünchKomm/BGB/Emmerich, a.a.O., Vor § 320 Rz. 10). Auch in den letztgenannten Fällen stellt sich die Zahlung wirtschaftlich als Entgelt für die Leistung dar (Soergel/Gsell, a.a.O.).

Rz. 14

3. Nach diesen Maßstäben ist der Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89b HGB als Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB zu qualifizieren (so auch OLG Hamm, Urt. v. 29.5.2008 - 18 U 164/07, juris, Tz. 91; OLG München, Urt. v. 17.12.2008 - 7 U 3114/08, juris, Tz. 37; OLG Hamburg, Urt. v. 12.2.2009 - 6 U 60/08, juris, Tz. 161; Staub/Emde, HGB, 5. Aufl., § 89b Rz. 337).

Rz. 15

a) Der BGH sieht in dem Ausgleichsanspruch in Übereinstimmung mit der im Schrifttum weit überwiegenden Auffassung einen Vergütungsanspruch, der dem Handelsvertreter die restliche, durch Provisionszahlungen bis zum Vertragsende noch nicht abgegoltene Gegenleistung für einen auf seiner Vermittlungstätigkeit beruhenden Vorteil verschaffen soll, der in der Schaffung des Kundenstamms besteht (st.Rspr.; BGHZ 24, 214, 220 ff.; 29, 275, 278 f.; 41, 129, 133; 45, 268, 270f.; 45, 385, 386; BGH, Urt. v. 10.5.1984 - I ZR 36/82, NJW 1985, 58, unter A II 2; v. 6.2.1985 - I ZR 175/82, NJW 1985, 3076, unter II 1; BGH, Urt. v. 6.8.1997 - VIII ZR 92/96, NJW 1998, 71 unter B I 1b; v. 10.7.2002 - VIII ZR 58/00, NJW-RR 2002, 1548, unter B I 1a, II 1; Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 89b Rz. 2; Staub/Emde, a.a.O., § 89b Rz. 14 ff.; v. Hoyningen-Huene in MünchKomm/HGB, 2. Aufl., § 89b Rz. 5; Roth in: Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Aufl., § 89b Rz. 1; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 89b Rz. 2; Oetker/Busche, HGB, § 89b Rz. 1; K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., § 27 V 2; Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., § 15 VII 1; Küstner, Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, 3. Aufl., S. 31 f.; Thume, BB 2009, 1026, 1028; Ball in: Saenger/Schulze, Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, 2000, S. 17 ff.; vgl. auch die amtliche Begründung zu § 89b HGB, BT-Drucks. I/3856, 33, 35). Ausgangspunkt dieses Verständnisses ist die Provisionsregelung des § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB, nach welcher dem Handelsvertreter für jeden von ihm vermittelten Einzelabschluss eine Provision zusteht. Die Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters führt jedoch über den Abschluss einzelner Geschäfte hinaus zum Aufbau eines Kundenstammes. Dieser Erfolg wird während der Dauer des Handelsvertretervertrages zum einen durch die bei Stammkunden häufig erleichterte Vermittlung von den Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 HGB begründenden Geschäftsabschlüssen und zum anderen durch den Provisionsanspruch für Folgegeschäfte nach § 87 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 HGB abgegolten. Soweit die durch den Handelsvertreter geschaffenen Kundenbeziehungen das Ende des Vertragsverhältnisses überdauern, hat - jenseits der engen Voraussetzungen des Provisionsanspruchs nach § 87 Abs. 3 HGB - aber allein der Unternehmer den Nutzen, für den er dem Handelsvertreter als Gegenleistung ein Entgelt zahlen muss (vgl. Staub/Emde, a.a.O., Rz. 14 ff.; Ball, a.a.O., S. 18).

Rz. 16

b) Der Ausgleichsanspruch ist allerdings kein reiner Vergütungsanspruch, weil sowohl die Entstehung als auch die Bemessung des Anspruchs weitgehend durch Aspekte der Billigkeit beeinflusst werden (st.Rspr.; BGHZ 24, 214, 222; 45, 268, 270 f.; 45, 385, 386; vgl. auch BVerfG NJW 1996, 381; Staub/Emde, a.a.O., Rz. 16 f.; v. Hoyningen-Huene in MünchKomm/HGB, a.a.O., Rz. 6; Baumbach/Hopt, a.a.O., Rz. 3; Schnabl, NJW 2009, 955). Dabei dürfen diese Billigkeitsaspekte nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (künftig Handelsvertreterrichtlinie; ABl. EG Nr. L 382, 17), der der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 89b Abs. 1 HGB mit Wirkung vom 5.8.2009 Rechnung getragen hat (Art. 6a des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31.7.2009, BGBl. I 2512), zwar nicht ausschließlich zu einer Anpassung des Ausgleichsanspruchs nach unten führen (EuGH, Urteil vom 26.3.2009 - Rs. C-348/07, EuZW 2009, 304, Rz. 23 - Turgay Semen/Deutsche Tamoil GmbH; Thume, BB 2009, 2490, 2493; Emde, DStR 2009, 1478, 1482 f.). Dennoch darf der Anspruch auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung nicht allein auf Billigkeitserwägungen gestützt werden (so zur Rechtslage vor Erlass des EuGH-Urteils: BGH, Urt. v. 11.12.1996 - VIII ZR 22/96, NJW 1997, 655, unter B I 1a bb m.w.N.; Ball, a.a.O., S. 19; zur neuen Rechtslage: Thume, a.a.O.; Emde, a.a.O., S. 1483; vgl. auch den Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Anwendung von Art. 17 der Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, KOM 96, 364 endg., S. 1 ff.). Denn sowohl Art. 17 Abs. 2a Spiegelstrich 1 der Handelsvertreterrichtlinie als auch § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 HGB knüpfen das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs an die Voraussetzung, dass der Handelsvertreter für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht.

Rz. 17

c) Der Umstand, dass es sich bei § 89b HGB um einen Mischtatbestand handelt, der aus einer Entgelt- und einer Billigkeitskomponente besteht, hindert seine Qualifikation als Entgeltforderung nicht (a.A. Schnabl, NJW 2009, 955 ff.). § 288 Abs. 2 BGB verfolgt in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2000/35/EG den Zweck sicherzustellen, dass die Folgen des Zahlungsverzugs von der Überschreitung der Zahlungsfristen im Geschäftsverkehr abschrecken, und so der Gefahr von Insolvenzen von Unternehmen und dem Verlust von Arbeitsplätzen vorzubeugen. Dieser Sinn erfordert die Einbeziehung einer Geldforderung entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung schon dann, wenn sie auch - wenn auch nicht ausschließlich - die Vergütung einer vom Gläubiger erbrachten oder zu erbringenden Gegenleistung darstellt. Dem steht nicht entgegen, dass der Handelsvertreter durch die Zahlung des Ausgleichsanspruchs bei Vertragsende ein Entgelt erhält, welches er im Falle der Vertragsfortsetzung nicht sofort, sondern erst in Form von Provisionen aus weiteren Geschäftsabschlüssen erhalten hätte. Diesem Vorteil wird bereits durch die vorzunehmende Abzinsung (vgl. Senatsurteil vom 6.8.1997, a.a.O., unter B I 4 m.w.N.) Rechnung getragen.

III.

Rz. 18

Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dem Kläger stehen gem. § 288 Abs. 2 BGB Verzugszinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu.

 

Fundstellen

DB 2010, 1641

NJW 2010, 3226

EWiR 2010, 731

IBR 2010, 488

WM 2010, 1760

ZIP 2010, 1700

MDR 2010, 939

VersR 2011, 363

GWR 2010, 378

ZGS 2010, 390

IHR 2011, 88

NRÜ 2010, 385

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