Leitsatz (amtlich)

Zur Abwägung des Verschuldens bei Mängeln der Ausschreibung und Verletzung der Hinweispflicht.

 

Normenkette

BGB § 254; VOB/B § 4 B Nr. 3, § 13 A Nr. 3

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 05.05.1989)

LG Köln (Teilurteil vom 06.05.1985)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Mai 1989 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung der Klägerin gegen das Grund- und Teilurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 6. Mai 1985 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Im Auftrag der Beklagten hat die Klägerin in den Jahren 1979 bis 1982 im Betriebs- und Verwaltungsgebäude für den … und die …, in K umfangreiche Anstrich- und Beschichtungsarbeiten durchgeführt. Ihren Vereinbarungen haben die Parteien die VOB/B zugrunde gelegt.

Wegen des Restwerklohns der Klägerin und wegen mängelbedingter Schadensersatzansprüche der Beklagten haben die Parteien mit Klage und Widerklage wechselseitig Ansprüche verfolgt. Ein erheblicher Teil dieses Streits ist inzwischen, u.a. durch einen Teilvergleich, erledigt worden. Die Parteien streiten jetzt nur noch um die mit der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzansprüche, die die Beklagte mit insgesamt 997.416,52 DM berechnet. Diese Ansprüche stützt die Beklagte darauf, daß die von der Klägerin erstellten Fußbodenbeschichtungen in den Basisgeschossen I und II, in den angrenzenden Treppenhäusern und im 32. Obergeschoß des Betriebsgebäudes nicht vertrags- und ordnungsgemäß ausgeführt worden sind.

Das Landgericht hatte diesen jetzt nur noch anhängigen Teil der Widerklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht unter Abweisung der Widerklage im übrigen ausgesprochen, daß die Klägerin dem Grunde nach nur verpflichtet sei, der Beklagten 1/3 dieses Schadens zu ersetzen.

Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihre Widerklage zu den genannten Schadensersatzansprüchen weiter mit dem Ziel, die Wiederherstellung des landgerichtlichen Grundurteils zu erreichen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die von der Klägerin erstellten Beschichtungen in den Basisgeschossen I und II, in den angrenzenden Treppenhäusern und im 32. Obergeschoß mangelbehaftet sind. Es will jedoch mit den Folgen dieser Mängel die Klägerin als Auftragnehmerin nur zu 1/3 belasten, während die Beklagte 2/3 selbst tragen soll. Zwar habe die Klägerin ihre Hinweispflicht verletzt und zudem weder fachgerecht grundiert, noch einen den ausgeschriebenen „C.”-Flüssigkunststoff gleichwertigen Werkstoff verwendet und die Farbe obendrein viel zu dünn aufgetragen; doch habe die Beklagte den Schaden durch technisch fehlerhafte Ausschreibung einer für den Bodenanstrich ungeeigneten Dispersionsfarbe überwiegend mitverschuldet.

II.

Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten mit Erfolg. Das Verhältnis von Prüfungspflicht und Planungsverschulden ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich anders zu sehen. Bei der hier gegebenen Sachlage kann Planungsverschulden überhaupt nicht mitberücksichtigt werden, weil die Planungs- und Ausführungsunterlagen für die Klägerin keine hinreichende Vertrauensgrundlage sein konnten.

1. Gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B hat der Auftragnehmer Planungen und sonstige Ausführungsunterlagen grundsätzlich „als Fachmann zu prüfen” und Bedenken mitzuteilen (Riedl in Heiermann/Riedl/Rusam/Schwaab, 5. Aufl., B § 4.3 Rdn. 28). Zu prüfen ist unter anderem, ob die Planung zur Verwirklichung des geschuldeten Leistungserfolgs geeignet ist (vgl. etwa Senatsurteil vom 10. Juli 1975 – VII ZR 243/73 = BauR 1975, 420). Für unterlassene Prüfung und Mitteilung ist der Auftragnehmer verantwortlich, wenn er Mängel mit den bei einem Fachmann seines Gebiets zu erwartenden Kenntnissen hätte erkennen können (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Januar 1989 – VII ZR 87/88 = BauR 1989, 467 = ZfBR 1989, 164).

2. a) Allerdings muß der Auftragnehmer, wenn er die gebotene Prüfung und Mitteilung unterläßt, für die daraus folgenden Schäden nicht allein verantwortlich sein. Vielmehr können Mängel der Planung und der sonstigen Ausführungsunterlagen ein Mitverschulden des Auftraggebers gemäß § 254 BGB begründen, wobei sich der Auftraggeber die Fehler seiner Architekten und Sonderfachleute als die seiner Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen muß (grundlegend hierzu Senatsurteile vom 15. Dezember 1969 – VII ZR 8/68 = BauR 70, 57, 59; vom 4. März 1971 – VII ZR 204/69 = BauR 1971, 265, 269, 270 und vom 1.2. Juli 1971 – VII ZR 239/69 = BauR 1972, 62, 64 = WM 1971, 1372; vgl. auch Urteil vom 19. Januar 1989 – VII ZR 87/88 = BauR 1989, 467, 469 = ZfBR 1989, 164).

b) Ein Mitverschulden des Auftraggebers und seiner Erfüllungsgehilfen kommt freilich überhaupt nur in Betracht, wenn der Auftragnehmer seine Prüfungs- und Hinweispflichten nur fahrlässig verletzt hat. Unterläßt der Auftragnehmer den Hinweis auf Mängel, die er erkannt hat, so ist er immer allein für den Schaden verantwortlich (Senatsurteile vom 18. Januar 1973 – VII ZR 88/70 = NJW 1973, 518 = BauR 1973, 190; vom 10. Juli 1975 – VII ZR 243/73 = BauR 1975, 420; vom 22. Mai 1975 – VII ZR 204/74 = BauR 1975, 421; vom 10. November 1977 – VII ZR 252/75 = BauR 1978, 139, 142; vgl. auch Urteil vom 9. Februar 1978 – VII ZR 122/77 = BauR 1978, 222, 224 = BB 1978, 577 = WM 1978, 750).

Darüber hinaus müssen erkannte Mängel den Auftragnehmer veranlassen, die Planungsunterlagen auf weitere Mängel besonders sorgfältig zu überprüfen (Senatsurteil vom 9. Februar 1978 – VII ZR 122/77 a.a.O.). Bei erkannten Mängeln darf er sich vor allem nicht mehr darauf verlassen, daß die Planungen von Architekten oder Sonderfachleuten stammen.

Danach ist Maßstab für die Abwägungen der jeweiligen Beiträge von Auftragnehmer und Auftraggeber zu den entstandenen Schäden der Gedanke des Vertrauensschutzes. Nur soweit der Auftragnehmer auf Planungen und Ausführungsunterlagen tatsächlich vertraut hat und auch vertrauen durfte, kann er entlastet werden (vgl. etwa Senatsurteil vom 30. Juni 1977 – VII ZR 325/74 = BauR 1977, 420, 421). Soweit die konkrete Situation zu gesteigertem Mißtrauen nötigt, ist er zu besonderer Sorgfalt verpflichtet (Senatsurteile vom 9. Februar 1978 – VII ZR 122/77 a.a.O. und vom 23. Oktober 1986 – VII ZR 48/85 = NJW 1987, 643 = BauR 1987, 79 = ZfBR 1987, 32).

c) Bei der Frage des Mitverschuldens kann schließlich folgendes nicht unberücksichtigt bleiben: Prüft ein Auftragnehmer die Vorgaben pflichtgemäß und gibt er entsprechende Hinweise, so ist das grundsätzlich geeignet und nach den Regelungen der VOB/B auch dazu bestimmt, die Folgen derjenigen Mängel von Planungen und Ausführungsunterlagen vollständig zu verhindern, die bei ordnungsgemäßer Prüfung entdeckt werden können. Soweit ein Auftragnehmer mit der gebotenen Prüfung die Mängel hätte verhindern können, setzt er die eigentlichen Ursachen für die weiteren Schäden. Es ist deshalb in der Regel auch veranlaßt, dem bei einer Verschuldensabwägung entscheidendes Gewicht zukommen zu lassen.

d) In dem damit vorgegebenen Rahmen kommt den Umständen des Einzelfalls wesentliche Bedeutung zu, zum Beispiel den zu erwartenden Fachkenntnissen des Auftragnehmers einerseits (Senatsurteil vom 22. Mai 1975 – VII ZR 204/74 a.a.O. und vom 23. Oktober 1986 – VII ZR 48/88 a.a.O.) und etwa besonders ausgefallenen technischen Anforderungen der geplanten Leistung andererseits.

3. Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt hier folgendes:

Die Klägerin hat erkannt, daß der Auftrag von 1.400 g Farbe pro Quadratmeter, wie ausgeschrieben, technisch zumindest problematisch (die Klägerin meint sogar „unsinnig”) war. Das ergibt sich schon aus ihrem eigenen Verhalten, nämlich dem nach ihrer Auffassung den tatsächlichen technischen Bedingungen entsprechenden Farbauftrag. Mit dieser technischen Beurteilung hatte sie weitgehend recht, wie aus den Bekundungen des Sachverständigen zu entnehmen ist. Diesen von ihr erkannten Mangel hatte die Klägerin mitzuteilen. Es ist durchaus möglich, daß bereits die insoweit begangene Pflichtverletzung allein den entstandenen Schaden verursacht hat. Denn es ist denkbar, daß sich die Beklagte den ihr pflichtgemäß mitgeteilten Bedenken nicht verschlossen hätte. Das kann aber letztlich dahinstehen.

Jedenfalls konnten die Planungsunterlagen, nachdem die Klägerin sie als teilweise mangelhaft erkannt hatte, für sie keine Vertrauensgrundlage mehr sein. Vielmehr hatte sie die Unterlagen besonders sorgfältig auf weitere technische Mängel zu überprüfen. Dabei hätte sie die sämtlich im Bereich der bei ihr zu erwartenden Fachkenntnisse liegenden Schwächen der Planung vermutlich erkannt, jedenfalls aber erkennen müssen. Handelt es sich doch nach den Ausführungen des Sachverständigen um „typische und in Fachkreisen bekannte” Schwächen der geplanten Ausführung für die konkrete bauliche Situation. Bei der hier gebotenen genaueren Prüfung auch der Vorleistungen hätte die Klägerin auch die unzureichende Festigkeit des Estrichs in vollem Umfang erkennen müssen.

Durfte sonach die Klägerin auf Planungen und Ausführungsunterlagen nicht mehr vertrauen, so hat sie hier die Folgen der pflichtwidrig unterlassenen Prüfung allein zu verantworten.

III.

Das Berufungsurteil kann somit nicht bestehen bleiben, es ist aufzuheben. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, ist unter Wiederherstellung des landgerichtlichen Grundurteils die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 749256

BB 1991, 24

Nachschlagewerk BGH

ZfBR 1998, 298

Englert / Grauvogl / Maurer 2004 2004, 923

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