Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Steuerberaters: Aufklärungspflichten wegen Vorsteuerabzug auf Bauleistungen für ein Ehegatten gemeinsam gehörendes Grundstück bei unentgeltlicher Überlassung des Grundstücks für den Gewerbebetrieb eines Ehegatten. Beginn der Verjährungsfrist nach Außenprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Pflicht eines Steuerberaters, über die Vorsteuerabzugsfähigkeit von Umsatzsteuerbeträgen auf Bauleistungen zu belehren, wenn auf einem Ehegatten gemeinsam gehörenden Grundstück ein Gebäude zu unentgeltlicher Nutzung für den Gewerbebetrieb eines der Ehegatten errichtet werden soll.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG beginnt nach einer Außenprüfung nicht vor dem Zugang des Änderungsbescheides.

 

Normenkette

StBerG §§ 33, 68; UStG 1973 § 15 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 94, 675, 946

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.01.1991; Aktenzeichen 13 U 166/89)

LG Darmstadt (Urteil vom 29.06.1989; Aktenzeichen 13 O 256/88)

 

Tatbestand

Der Kläger betreibt unter anderem einen Einzelhandel mit Musikinstrumenten. Im Jahre 1977 erwarben der Kläger und seine damalige Ehefrau jeweils zur ideellen Hälfte ein Grundstück. Die Eheleute ließen darauf ein Gebäude errichten, das der Kläger im Einvernehmen mit seiner Ehefrau von Anfang an in vollem Umfang unentgeltlich für seinen Gewerbebetrieb nutzte. Die Beklagte, die den Kläger bereits vor dem Erwerb des Grundstücks bis zum Jahre 1981 steuerlich beriet, machte die in den Baukostenrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer in den Umsatzsteuererklärungen des Klägers für die Jahre 1979 bis 1981 mit Erfolg als Vorsteuer geltend. Aufgrund einer von April bis August 1985 durchgeführten Außenprüfung wurden die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1979 bis 1981 geändert. Die auf die Gebäudeherstellungskosten entfallende Umsatzsteuer wurde nicht als vorsteuerabzugsfähig anerkannt, weil die Werklieferung nicht für das Unternehmen des Klägers, sondern für die Grundstücksgemeinschaft erbracht worden sei.

Der Kläger wirft der Beklagten vor, ihn falsch beraten und ihm dadurch einen Schaden in Höhe der Umsatzsteuernachforderungen von insgesamt 93.972,42 DM zugefügt zu haben. Diesen Betrag nebst Zinsen hat er mit der Klage geltend gemacht. Die Beklagte hat ihre Verantwortlichkeit in Abrede gestellt und sich auf Verjährung berufen. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat eine Pflichtverletzung der Beklagten bejaht, weil sie nicht klargestellt habe, ob der Kläger Alleineigentümer des Grundstücks und alleiniger Bauherr des Gebäudes gewesen sei, und weil sie die vom Kläger angeführten steuergünstigen Gestaltungsmöglichkeiten nicht mit ihm erörtert habe, nämlich: a) Erwerb des Grundstücks durch die Ehefrau als Alleineigentümerin und Errichtung des Gebäudes durch sie als alleinige Bauherrin oder b) Erwerb des Grundstücks und Errichtung des Gebäudes durch beide Eheleute sowie jeweils unter Option zur Umsatzsteuer Vermietung des Gebäudes an den Kläger für sein Unternehmen; c) Erwerb des Grundstücks und Errichtung des Gebäudes durch den Kläger allein. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Klage gleichwohl der Erfolg zu versagen, weil sie nach keiner der vorgetragenen drei Fallgestaltungen begründet sei. Denn der Kläger habe nicht rechtzeitig vorgetragen, daß seine Ehefrau mit diesen Möglichkeiten für einen Vorsteuerabzug einverstanden gewesen wäre. Sein dahin gehendes verspätetes Vorbringen sei nach § 528 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II.

Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers in der Klageschrift (GA 3), im Schriftsatz vom 24. August 1988 (GA 28) und in der Berufungsbegründung (GA 120) wurde die Beklagte anläßlich mehrerer Beratungsgespräche „unmittelbar vor bzw. während der Bauphase” darauf hingewiesen, daß der Kläger und seine Ehefrau jeweils zur ideellen Hälfte Eigentum an dem Grundstück erworben hätten und gemeinsam auf diesem Grundstück ein Gebäude errichteten, das nach dem übereinstimmenden Willen der Ehegatten ausschließlich für geschäftliche Zwecke des Klägers genutzt werden sollte. Das Berufungsgericht hat den angetretenen Beweis nicht erhoben. Deshalb ist in der Revisionsinstanz die Richtigkeit der Darstellung zu unterstellen.

Dann erscheint es möglich, daß der Generalunternehmervertrag über die Errichtung des Gebäudes bei entsprechender Beratung allein vom Kläger hätte abgeschlossen werden können. Auch davon ist mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts im folgenden auszugehen.

Unter diesen Voraussetzungen ist die Beklagte für den Nichtabzug der in den Baukostenrechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer verantwortlich, auch wenn mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen wird, die Ehefrau des Klägers hätte ihr Einverständnis zu den drei von ihm aufgezeigten Möglichkeiten für einen Vorsteuerabzug nicht erteilt.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 kann der Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Sind Eheleute Miteigentümer eines Grundstücks und wird auf dem Grundstück ein Gebäude errichtet, das nach dem Willen beider Ehegatten dem Unternehmen eines von ihnen unentgeltlich dienen soll, so wird die Werklieferung (§ 3 Abs. 4 UStG 1973) für dieses Unternehmen erbracht, wenn der unternehmerisch tätige Ehegatte die den Leistungen zugrundeliegenden Aufträge im eigenen Namen und für eigene Rechnung erteilt hat, mithin alleiniger Vertragspartner der Bauhandwerker geworden ist. Daß der andere Ehegatte gemäß §§ 946, 94 BGB Miteigentümer des Bauwerks wird, ändert daran nichts. Dies hat der Bundesfinanzhof bereits mit Urteil vom 26. Februar 1976 (V R 132/73, BFHE 118, 104 = BStBl II 1976, 309) entschieden. An dieser Rechtsprechung hat er in der Folgezeit festgehalten (vgl. BFHE 148, 361; 151, 479; auch Schreiben des Bundesministers der Finanzen v. 23. Juli 1986, BStBl I 1986, 432).

Die Beklagte mußte die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 26. Februar 1976 in den Jahren 1977, 1978 kennen. Sie hätte den Kläger entsprechend beraten, also insbesondere darauf hinweisen müssen, daß der Werkvertrag mit dem Generalunternehmer allein von ihm und auf seine Rechnung, nicht aber von beiden Eheleuten gemeinsam zu schließen sei. Dann hätte der Kläger die in den Baukostenrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen können. Daß der Kläger einem entsprechenden Rat der Beklagten gefolgt wäre, ist zu vermuten (vgl. BGH, Urt. v. 7. November 1991 – IX ZR 288/90, WM 1992, 238, 240; Urt. v. 7. Mai 1992 – IX ZR 151/91, z.V.b.). Auch die Ehefrau hätte sich einem solchen Rat der Beklagten – soweit erkennbar – nicht widersetzt. Er hätte ihr nur Vorteile gebracht. Im übrigen war auch sie nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung Mandantin der Beklagten, so daß auch für sie die Vermutung beratungskonformen Verhaltens gilt. Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (GA 90) vorgetragen, seine Ehefrau habe gar nicht bauen wollen. Dies hat die Beklagte nicht bestritten.

2. Das Berufungsgericht hätte die unter Nr. 1 erörterte Gestaltungsmöglichkeit bedenken müssen, auch wenn der Kläger auf sie nicht ausdrücklich abgestellt hat. Die Frage, welche Gestaltungsmöglichkeiten bestanden hätten und welche steuerrechtlichen Folgen mit ihnen verbunden gewesen wären, ist – soweit die tatsächlichen Vorgaben nicht betroffen sind – eine Rechtsfrage (BGH, Urt. v. 24. September 1986 – IVa ZR 236/84, WM 1986, 1477, 1479), der das Gericht auch ohne entsprechende Ausführungen von seiten der Parteien nachzugehen hat. Dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers zufolge war der in Rede stehende rechtliche Weg in Betracht zu ziehen.

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend.

Insbesondere greift die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede nicht ein. In den Fällen, in denen aufgrund einer Außenprüfung des Finanzamts höhere Steuern erhoben werden und die Mehrbeträge ohne den Fehler des Steuerberaters nicht festgesetzt worden wären, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG nicht vor dem Zugang des Änderungsbescheides (BGH, Urt. v. 2. Juli 1992 – IX ZR 268/91, z.V. in BGHZ bestimmt).

4. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht ist nach dem bisherigen Sachvortrag auch nicht davon auszugehen, daß für die 1979 angefallene Umsatzsteuer die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO) vor Beginn der Außenprüfung abgelaufen war. Die Umsatzsteuererklärung für 1979 wurde erst Ende 1981 abgegeben (GA 61, 63), so daß mit der ab April 1985 durchgeführten Außenprüfung vor Ablauf der Festsetzungsfrist begonnen und diese gehemmt wurde (§ 171 Abs. 4 AO).

III.

Die Sache ist sonach zur weiteren Aufklärung, auch über die Höhe des geltend gemachten Anspruchs, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dies wird gegebenenfalls zu prüfen haben, ob und in welchem Umfang der Kläger durch das schädigende Ereignis Steuern gespart und so einen auszugleichenden Vermögensvorteil erlangt hat (vgl. BGH, Urt. v. 31. Januar 1991 – IX ZR 124/90, WM 1991, 814; BFHE 136, 238).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2098721

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge