Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbsverbot der Gesellschafter einer OHG (§§ 112/13 HGB)

 

Leitsatz (amtlich)

a) Einer offenen Handelsgesellschaft steht ein Eintrittsrecht nach § 113 HGB auch dann zu, wenn einer ihrer Gesellschafter das Wettbewerbsverbot dadurch verletzt, daß er sich an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt.

b) Steht das Wettbewerbsverbot der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (§§ 112/13 HGB) in Widerspruch zu der zwingenden Vorschrift des § 1 GWB?

 

Normenkette

HGB §§ 112-113; GWB § 1

 

Verfahrensgang

KG Berlin

LG Berlin

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 25. November 1961 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den Kartellsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt … in B. … das Filmtheater „B. …”, in dem überwiegend sogenannte Aktionsfilme – Kriminal-, Gangster- und Sittenfilme – uraufgeführt werden. Gesellschafter der Klägerin sind der Beklagte und der Kaufmann E. … Z. …; dieser ist allein zur Geschäftsführung und Vertretung befugt. Der Beklagte ist seit längerer Zeit auch Inhaber (oder Mitinhaber) anderer Filmtheater in B. … Ferner ist er auch in anderen Städten an Filmunternehmen, so u.a. an der Firma Aktualitäten-Kino-Theater … OHG mittelbar beteiligt. Das war dem Kaufmann Z. … beim Abschluß des Gesellschaftsvertrages mit dem Beklagten im Jahre 1959 im wesentlichen auch bekannt.

Im Jahre 1960 übernahm die Firma Aktualitäten-Kino-Theater … OHG (Aki-OHG) das … in B. … gelegene T. …-Theater. Diese Gesellschaft hat zwei Gesellschafter, eine GmbH und Co. und eine andere offene Handelsgesellschaft, an der der Beklagte als persönlich haftender Gesellschafter ebenfalls beteiligt ist. Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis in der Aktualitäten-Kino-Theater OHG hat lediglich ihre eine Gesellschafterin, die GmbH und Co. Gleichwohl betätigte sich auch der Beklagte in dem Geschäftsbetrieb des T. …-Theaters, indem er dort die Programmgestaltung übernahm.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte mache ihr mit dem T. …-Theater unbefugt Konkurrenz. Es handle sich bei diesem Theater um ein Theater gleicher Art wie die „B. …”, weil es ebenfalls Aktionsfilme uraufführe. Dabei verstoße der Beklagte gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 112 HGB. Der Gesellschafter Z. hat daher gemäß § 113 HGB den Beschluß gefaßt, die Klägerin verlange, daß die vom Beklagten mit seiner Beteiligung am T. …-Kino für eigene und fremde Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung der Klägerin eingegangen zu gelten hätten.

Die Klägerin hat demzufolge mit ihrer Klage beantragt, den Beklagten zu verurteilen, über die von ihm für eigene oder fremde Rechnung in bzw. mit der Firma Aktualitäten-Kino-Theater OHG betriebenen Geschäfte, soweit es sich um das T. …-Kino handelt, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Weiterhin hat die Klägerin den Antrag gestellt, den Beklagten zu verurteilen, den sich auf Grund der Rechnungslegung ergebenden Geldbetrag an die Klägerin zu zahlen.

Der beklagte ist den Ausführungen der Klägerin entgegengetreten. Er hat in erster Linie den Standpunkt vertreten, nach dem Sinn des Gesellschaftsvertrages hätten beide Parteien keinem Wettbewerbsverbot unterliegen sollen. In zweiter Linie hat er geltend gemacht, seine Tätigkeit im T. …-Kino erfülle nicht den in § 112 HGB geregelten Wettbewerbstatbestand.

Das Landgericht hat durch Teilurteil dem Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihren Antrag auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung unter verschiedenen Gesichtspunkten noch näher spezifiziert und ihm noch entsprechende Hilfsanträge hinzugefügt. Das Kammergericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter, während der Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet. In der Revisionsinstanz ist dem Bundeskartellamt Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

 

Entscheidungsgründe

I. In seiner Hilfsbegründung hat das Berufungsgericht dargelegt, der Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung müsse schon deshalb zurückgewiesen werden, weil der Beklagte in einem ihm nachgelassenen Schriftsatz die von ihm verlangte Auskunft erteilt habe.

Diese Begründung ist nicht haltbar. Dem Beklagten war im Termin vom 18. Oktober 1961 auf seinen Antrag die Möglichkeit einer Erwiderung auf den Schriftsatz der Klägerin vom 13. Oktober 1961 gegeben und ihm zu diesem Zweck gemäß § 272a ZPO die Nachreichung eines Schriftsatzes gestattet worden. Der Inhalt dieses Schriftsatzes durfte bei der Entscheidung nur insoweit verwertet werden, als er eine Erwiderung auf das neue Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15. Oktober 1961 darstellte. Dagegen geht es nicht an, darüber hinaus eine in dem nachgereichten Schriftsatz angeblich enthaltene Auskunftserteilung des Beklagten als Begründung für die Entscheidung heranzuziehen. Das konnte, wie die Revision mit Recht rügt, nur geschehen, wenn die mündliche Verhandlung wieder eröffnet und der Klägerin Gelegenheit zur Gegenerklärung gegeben wurde.

Da die Hilfsbegründung somit bereits aus prozessualen Gründen nicht haltbar ist, erübrigt es sich, insoweit auch noch auf die sachlich-rechtliche Frage einzugehen, ob der vom Berufungsgericht angezogene Satz in dem nachgereichten Schriftsatz des Beklagten überhaupt eine Auskunftserteilung enthält, und des weiteren im einzelnen die Bedenken zu erörtern, die gegen eine solche Annahme sprechen können (vgl. dazu BGH NJW 1959, 1219; GRUR 1961, 288, 291).

II. In erster Linie ist das Berufungsgericht der Meinung, der von dem Gesellschafter Z. … gefaßte Beschluß (§ 113 Abs. 2 HGB rechtfertige die mit der Klage verfolgten Ansprüche nicht. Zunächst sei es schon unklar, was nach diesem Beschluß darunter verstanden werden solle, daß der Beklagte für eigene Rechnung „mit seiner Beteiligung am T. …-Kino” Geschäfte gemacht habe. Denn mit dem T. …-Kino habe er keine Geschäfte für eigene Rechnung gemacht, sondern insoweit seine Tätigkeit für die Aki-OHG entfaltet, an der er nur mittelbar beteiligt sei. Deshalb sei die erste Alternative des Beschlusses – die vom Beklagten mit seiner Beteiligung für eigene Rechnung gemachten Geschäfte – gegenstandslos. Aber auch die zweite Alternative des Beschlusses – die für fremde Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung der Klägerin eingegangen gelten zu lassen – vermöge die Klageansprüche nicht zu begründen. Denn bei der Führung fremder Geschäfte könne der Beklagte keine eigenen Ansprüche erwerben. Schließlich könne aus dem Beschluß auch nicht entnommen werden, daß der Beklagte die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herauszugeben oder den Anspruch auf eine solche Vergütung abzutreten habe.

1. Diese Auslegung ist rechtlich fehlerhaft. Das Berufungsgericht bleibt bei der Auslegung des Gesellschafterbeschlusses an dem reinen Wortlaut des Beschlusses haften und berücksichtigt nicht den Sinn und Zweck des Beschlusses. Nach § 113 HGB hat die Gesellschaft bei einer Verletzung des Wettbewerbsverbots durch einen ihrer Gesellschafter die Möglichkeit, entweder Schadensersatz zu fordern oder das ihr in § 113 HGB zugebilligte Eintrittsrecht auszuüben. Die übrigen Gesellschafter müssen dieses Wahlrecht durch einen Gesellschafterbeschluß ausüben. Bei dieser Rechtslage kann es sich daher nur fragen, ob der Gesellschafter Ziemann durch den von ihm gefaßten Beschluß dieses Wahlrecht der Gesellschaft ausgeübt hat und ob aus dem Beschluß ersichtlich ist, welchen der beiden zur Wahl gestellten Ansprüche die Gesellschaft geltend machen will. Die Beantwortung dieser Fragen kann nicht zweifelhaft sein. Mag die Formulierung des Beschlusses im einzelnen noch so ungeschickt und sprachlich unvollkommen sein, das eine ist jedenfalls klar, daß danach die Klägerin das ihr in § 113 Abs. 1 HGB eingeräumte Eintrittsrecht geltend machen und sich nicht mit dem Anspruch auf Schadensersatz begnügen wollte. Das genügt bereits, um den hier gefaßten Beschluß als eine nach § 113 Abs. 2 HGB ausreichende Grundlage für das mit der Klage geltend gemachte Eintrittsrecht der Klägerin zu betrachten.

2. Für die Beurteilung des Klagebegehrens stellt sich die weitere Frage, ob bei den hier gegebenen Verhältnissen der Klägerin überhaupt ein Eintrittsrecht zugebilligt werden oder ob sie im vorliegenden Fall von vornherein vom Beklagten nur Schadensersatz fordern kann.

Das Reichsgericht hat in zwei länger zurückliegenden Entscheidungen den Standpunkt vertreten, daß bei dem ähnlich gestalteten Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen (§§ 60/61 HUB) der Prinzipal ein Eintrittsrecht nicht ausüben, sondern nur Schadensersatzansprüche geltend machen könne, wenn der Handlungsgehilfe sich in unzulässiger Weise als persönlich haftender Gesellschafter an einer Handelsgesellschaft im Handelszweig seines Prinzipals beteiligt (RGZ 73, 423; JW 1911, 57; vgl. aber auch BAG BB 1962, 638). Das Reichsgericht hat diesen Standpunkt einmal damit begründet, daß schon der Wortlaut des § 61 HGB die Zubilligung eines Eintrittsrechts in diesem Fall ausschließe, weil die Gründung einer offenen Handelsgesellschaft nicht als ein „gemachtes Geschäft” im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden könne. Sodann hat das Reichsgericht zur Begründung seines Standpunkts darauf abgehoben, daß das Eintrittsrecht eine rechtliche Befugnis ganz außergewöhnlicher Art und von großer Härte gegen den Dienstverpflichteten sei, und daß der Ausnahmecharakter der Bestimmung und die darin gegen den wirtschaftlich Schwächeren enthaltene Härte zu einer vorsichtigen und einschränkenden, nicht über den Wortlaut hinausgehenden Anwendung zwinge. Das Schrifttum hat die Grundsätze dieser beiden Entscheidungen auch auf das Wettbewerbsverbot des persönlich haftenden Gesellschafters einer Handelsgesellschaft übertragen und demgemäß der Gesellschaft ein Eintrittsrecht versagt, wenn einer ihrer Gesellschafter sich an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt (Düringer/Hachenburg, § 113 Anm. 3; Weipert § 113 Anm. 8; Schlegelberger/Gessler § 113 Anm. 3; Hueck, Das Recht er offenen Handelsgesellschaft 2. Aufl. S. 126; anders wohl nur Ritter § 61 Anm. 3 HGB). Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

a) Die für das Reichsgericht maßgeblichen sozial-politischen Erwägungen gelten für das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern nicht; irgendwelche Schutzerwägungen zugunsten eines wirtschaftlich Schwächeren sind insoweit nicht am Platz. Des weiteren kann mit Rücksicht auf den gesetzgeberischen Grundgedanken, der für das Eintrittsrecht der Gesellschaft gemäß § 113 HGB maßgeblich ist, auch nicht davon gesprochen werden, daß dieses Recht eine Befugnis ganz außergewöhnlicher Art sei und daß die Bestimmung des § 113 HGB deshalb insoweit eine vorsichtige und einschränkende Anwendung erfordere. Durch das Eintrittsrecht sollen dem vertragsuntreuen Gesellschafter die wirtschaftlichen Vorteile einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot entzogen werden. Die Wahrung der gesellschaftlichen Treuepflicht, die für den Bestand und die Erhaltung einer jeden Personalhandelsgesellschaft von entscheidender Bedeutung ist, gebietet es, von vornherein jeden wirtschaftlichen Anreiz zu einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot zu beseitigen. Das kann in den zahlreichen Fällen, in denen die Gesellschaft den häufig sehr schwierigen Nachweis eines ihr zugefügten Schadens nicht zu führen vermag, nur durch die Anerkennung eines Eintrittsrechts geschehen; allein die Zubilligung eines solchen Rechts wird in den meisten Fällen die geeignete und wirtschaftlich sachgerechte Sanktion für das Wettbewerbsverbot des § 112 HGB darstellen. Dabei kann es unter Berücksichtigung dieses gesetzgeberischen Grundgedankens keinen Unterschied machen, ob der einzelne Gesellschafter das Wettbewerbsverbot durch den gelegentlichen Abschluß von Geschäften für eigene oder fremde Rechnung, durch Errichtung eines gleichartigen Handelsgeschäfts oder durch Teilnahme an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft verletzt. Vom Standpunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht aus sind sämtliche Verstöße gleich schwer zu bewerten und erfordern unter diesem Gesichtspunkt die gleiche Sanktion.

b) Nötigt somit der gesetzgeberische Grundgedanke der §§ 112/115 HGB auch dann zu einer Anerkennung des Eintrittsrechts der Gesellschaft, wenn einer ihrer Gesellschafter das Wettbewerbsverbot durch Teilnahme an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter verletzt, so kann etwas Gegenteiliges auch nicht aus dem Wortlaut des § 113 HGB hergeleitet werden. Geschäfte, die ein Gesellschafter für eigene oder fremde Rechnung „gemacht” hat, umfassen auch die Beteiligung an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft. Das ist bei der Auslegung des § 60 HGB, der die Beteiligung an einer gleichartigen Personalhandelsgesellschaft nicht besonders erwähnt, bisher auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. dazu BAG BB 1962, 638 m.w.N.). Auch die angeführten beiden Entscheidungen des Reichsgerichts haben in einer solchen Beteiligung einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot des § 60 HGB erblickt, obwohl diese Bestimmung nur den Betrieb eines Handelsgewerbes und den Abschluß von Geschäften für eigene oder fremde Rechnung anführt. Für die Auslegung des § 112 HGB und demgemäß auch des § 113 HGB kann insoweit nichts anderes gelten, da diese Bestimmungen nach den Worten der Denkschrift zum HGB (S. 90) „die tunlichste Übereinstimmung mit den die Handlungsgehilfen betreffenden Vorschriften herzustellen” bestimmt sind. Dem entspricht es, daß vor den angeführten beiden Entscheidungen des Reichsgerichts im Schrifttum auch nicht in Zweifel gezogen worden ist, daß der Gesellschaft auch dann ein Eintrittsrecht zusteht, wenn einer ihrer Gesellschafter sich an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt (vgl. Staub, Komm. HGB 6./7. Aufl. 1900 § 113 Anm. 4 und vorher unter der Geltung des ADHGB zu der in diesem Punkt gleichlautenden Bestimmung des Art. 97 Thöl, Das Handelsrecht 6. Aufl. S. 324).

c) Die Ausübung des Eintrittsrechts in diesem Fall der vorliegenden Art kann nicht dazu führen, daß die Gesellschaft das Recht zum Eintritt in die andere Gesellschaft anstelle ihres Gesellschafters oder das Recht zum Eintritt in die von dieser anderen Gesellschaft abgeschlossenen Geschäfte erhält. Diese Außenwirkung (Drittwirkung) hat das Eintrittsrecht in keinem Fall. Denn durch das Eintrittsrecht tritt die Gesellschaft nicht in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu Dritten, mit denen ihr Gesellschafter in unzulässiger Weise Geschäfte abgeschlossen hat (Weipert Anm. 5). In einem Fall dieser Art kann die Gesellschaft durch Ausübung des Eintrittsrechts vielmehr nur die Ergebnisse des Geschäftsbetriebs der anderen Gesellschaft an sich ziehen, soweit sie ihrem Gesellschafter zustehen.

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die Klägerin von dem Beklagten verlangen kann, daß dieser die Gewinne an sie abführen muß, die er durch die Beteiligung an der anderen Gesellschaft bei dem Betrieb des „T. …-Lichtspieltheaters erzielt hat. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Beklagte – wie auch in anderen Fällen bei Ausübung des Eintrittsrechts durch die Gesellschaft – Erstattung seiner Aufwendungen verlangen kann (vgl. dazu statt anderer Weipert a.a.O.).

Nach alldem muß der Klägerin nach den §§ 112/113 HGB ein Eintrittsrecht zugebilligt werden.

III. 1. Bei dieser Rechtslage ist es für die Beurteilung des Klagebegehrens entscheidend, ob das gesetzliche Wettbewerbsverbot der §§ 112/13 HGB mit der zwingenden Vorschrift des § 1 GWB in Einklang gebracht werden kann. Diese Frage ist nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Schrifttum vielfach erörtert worden. Dabei ist im allgemeinen zutreffend erkannt worden, daß die weitgefaßte Vorschrift des § 1 GWB nach ihrem reinen Wortlaut die wettbewerbliche Bindung der einzelnen Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft erfassen kann. Denn Grundlage dieser wettbewerblichen Bindung ist ein Gesellschaftsvertrag, wobei es für die Anwendung des § 1 GWB ohne Belang ist, ob der von den Gesellschaftern verfolgte gemeinsame Zweck auf eine Beeinflussung des Marktes gerichtet ist, wem nur der Inhalt des Vertrages, also die wettbewerbliche Bindung der Gesellschafter, objektiv geeignet ist, die Marktverhältnisse durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen (BGHZ 31, 105). Unbeschadet dieser allgemeinen Beurteilung geht die ganz überwiegende Meinung im Schrifttum dahin, daß § 1 GWB nicht auf das gesetzliche Wettbewerbsverbot im Rahmen einer offenen Handelsgesellschaft angewendet werden könne. Soweit sich dabei einzelne Vertreter auf § 109 Abs. 2 GWB berufen und ausführen, daß anderenfalls die Vorschriften der §§ 112/113 HGB unter den Vorschriften hätten aufgeführt werden müssen, die durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aufgehoben worden sind, kann ihnen freilich nicht gefolgt werden. Denn es ist aus Sachgründen durchaus verständlich, wenn der Gesetzgeber hier von einer generellen Regelung Abstand genommen und auch hier – wie auf anderen Rechtsgebieten bei einer Kollision von Gesellschaftsrecht mit zwingendem Recht, z.B. dem Erbrecht oder dem ehelichen Güterrecht – es der Beurteilung des jeweiligen Einzelfalles überlassen hat, ob nach Lage der Dinge dem mit § 1 GWB verfolgten Gesetzeszweck der Vorrang gegenüber gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen oder dispositiven Gesetzesvorschriften gebührt (richtig insoweit Klaue, WuW 1961, 325).

2. Die gesetzliche und die auch der Rechtswirklichkeit entsprechende Regelform der offenen Handelsgesellschaft ist der Zusammenschluß mehrerer Personen, bei dem diese ihre Arbeitskraft und die verfügbaren Teile ihres Vermögens einem gemeinsamen Unternehmen widmen und bei der durch die Geschäftsführungsbefugnis aller Gesellschafter die Leitung des Unternehmens bei diesen liegt, aber auch die volle Verantwortung für das Unternehmen durch ihre unbeschränkte persönliche Haftung. Im gesetzlichen Regelfall ist die offene Handelsgesellschaft eine Arbeits- und Haftungsgemeinschaft, bei ihr sind die Gesellschafter die selbstverantwortlichen Träger und Leiter eines selbständigen Unternehmens, das zu seiner wirtschaftlichen Erhaltung und Fortbildung auf die tätige, und zwar gesellschaftstreue Mitarbeit der einzelnen Gesellschafter angewiesen ist. Angesichts dieser Sachlage sind für den gesetzlichen Regelfall die Bemühungen im Schrifttum verständlich, den Anwendungsbereich des § 1 GWB zugunsten der gesetzlichen Wettbewerbsvorschriften der §§ 112, 113 HGB einzuschränken. Denn es ist nicht ohne weiteres die Gefahr von der Hand zu weisen, daß eine uneingeschränkte Anwendung des § 1 GWB auf das Verhältnis der offenen Handelsgesellschaft zu ihren Gesellschaftern die Grundlagen dieser volkswirtschaftlich besonders erwünschten Unternehmensform erschüttert, weil sie die tätige, und zwar gesellschaftstreue Mitarbeit der einzelnen Gesellschafter in Frage stellt. Bei dieser Sachlage ließe sich wohl die Ansicht vertreten, daß die gesetzliche Anerkennung der Unternehmensform der offenen Handelsgesellschaft, die durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gewiß nicht beseitigt oder auch nur in ihrem Bestand gefährdet werden sollte, es notwendig in sich schließt, daß im gesetzlichen Regelfall die einzelnen Gesellschafter ihre gesellschaftsvertraglich übernommene Verpflichtung zur tätigen Mitarbeit bei der Führung des Unternehmens gesellschaftstreu zu erfüllen und demgemäß ihre geschäftliche und unternehmerische Tätigkeit im Zweifel allein dem gemeinsamen Unternehmen zu widmen haben.

Der vorliegende Fall nötigt nicht dazu, zu den aufgeworfenen Fragen abschließend Stellung zu nehmen, er nötigt namentlich nicht dazu, die hier in Betracht kommenden Abgrenzungsprobleme näher zu kennzeichnen und im einzelnen festzulegen, wann und unter welchen Umständen hier unter Berücksichtigung des mit § 1 GWB verfolgten Gesetzeszwecks Ausnahmen geboten sind. Denn der vorliegende Sachverhalt ist durch eine Reihe ganz besonderer Umstände gekennzeichnet, die im Hinblick auf § 1 GWB eine besondere Beurteilung erfordern und auf die es für die Entscheidung des Rechtsstreits somit allein ankommt.

3. Beim Abschluß des Gesellschaftsvertrages war der Beklagte nach dem unstreitigen Sachverhalt als Inhaber und Mitinhaber von Filmtheatern unternehmerisch in vielerlei Hinsicht tätig. An dieser unternehmerischen Tätigkeit des Beklagten änderte sich durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrages und durch die Aufnahme des Beklagten in das Filmtheater B. … nichts. Seinem neuen Mitgesellschafter Z. … war diese anderweitige Tätigkeit des Beklagten in der gleichen Branche zum Teil bei Abschluß des Vertrages bekannt, und zum anderen Teil wurde sie ihm nach seinen Angaben später bekannt; in jedem Fall hat er sie – mit Ausnahme der Tätigkeit des Beklagten im T. …-Kino – hingenommen und geduldet. Der Beklagte hat offenbar gerade mit Rücksicht auf seine anderweitige Tätigkeit als Unternehmer anderer Kinobetriebe in dem Filmtheater B. … nicht die Verpflichtung zur tätigen Mitwirkung übernommen. Seine Beteiligung an diesem Theater erschöpft sich darin, daß er sich lediglich zur Leistung einer Geldeinlage verpflichtete und die persönliche Haftung für die Gesellschaftsschulden übernahm. Er wurde also nicht tätiger und leitender Mitunternehmer in dem gemeinsamen Kinobetrieb. Daraus wird deutlich, daß es sich bei der Gesellschaft des Beklagten und seines Mitgesellschafters Z. … nicht um den gesetzlichen Regelfall einer umfassenden Arbeits- und Haftungsgemeinschaft handelt. Die bisherige Stellung des Beklagten als Filmtheater-Unternehmer im Rahmen anderer gesellschaftlicher Zusammenschlüsse blieb durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrages mit dem Gesellschafter Z. … unberührt; die unternehmerische Tätigkeit des Beklagten auf dem Gebiet der Filmtheaterbranche ging nicht in dem Unternehmen der Klägerin auf, sie blieb vielmehr unabhängig von dem Unternehmen der Klägerin voll bestehen.

a) Die Parteien haben danach ihre Gesellschaft im Innenverhältnis im wesentlichen so gestaltet, wie das nach den gesetzlichen Dispositivvorschriften für die offene Handelsgesellschaft gerade nicht typisch ist. Die wesentlich kapitalistische Beteiligung des Beklagten an der Gesellschaft ähnelt vielmehr einer Gestaltung, wie sie für die Beteiligung eines Kommanditisten oder eines stillen Gesellschafters nach dem gesetzlichen Leitbild eigentümlich ist. Dabei ist es bemerkenswert, daß ein solcher, im wesentlichen nur kapitalistisch beteiligter Gesellschafter nach dem gesetzlichen Leitbild einem Wettbewerbsverbot zugunsten seiner Gesellschaft (oder bei der stillen Gesellschaft zugunsten des Geschäftsinhabers) nicht unterliegt. Das ist darüber hinaus auch in der Rechtswirklichkeit der Regelfall, zumindest dann, wenn der lediglich kapitalistisch beteiligte Gesellschafter, wie hier, außerhalb des Gesellschaftsunternehmens noch in der gleichen Branche selbständig tätig ist.

Bei Gesellschaften der vorliegenden Art ist im allgemeinen ein Wettbewerbsverbot gegenüber den kapitalistisch beteiligten Gesellschaftern für den Bestand und die Erhaltung des Gesellschaftsunternehmens nicht notwendig. Die gesellschaftliche Treue- und Förderungspflicht erfährt in diesen Fällen nach dem Willen der Gesellschafter eine wesentliche Einschränkung; sie erschöpft sich in der Erbringung vermögenswerter Leistungen und beläßt dem kapitalistisch beteiligten Gesellschafter die Freiheit eigener unternehmerischer Tätigkeit auch in dem Geschäftszweig des Gesellschaftsunternehmens. Daraus wird ersichtlich, daß bei den so ausgestalteten Gesellschaften das Wettbewerbsverbot der kapitalistisch beteiligten Gesellschafter nicht eine notwendige Voraussetzung für eine sachgerechte Führung des gemeinsamen Unternehmens ist; das Fehlen eines Wettbewerbsverbots birgt hier im Unterschied zum Regeltyp der offenen Handelsgesellschaft, der umfassenden Arbeits- und Haftungsgemeinschaft, nicht die Gefahr in sich, die Grundlage eines solchen Gesellschaftsunternehmens in Frage zu stellen. Bei im wesentlichen kapitalistisch organisierten Personalgesellschaften treten somit nicht die gewichtigen Bedenken auf, die im Schrifttum gegen den Fortfall des Wettbewerbsverbots bei einer offenen Handelsgesellschaft im allgemeinen gelten gemacht werden.

b) Auf der anderen Seite muß hervorgehoben werden, daß in einem Fall der vorliegenden Art, in dem ein Unternehmer sich mit einem anderen gesellschaftlich zusammenschließt, aber ungeachtet dieses gesellschaftlichen Zusammenschlusses außerhalb des gemeinsamen Unternehmens in der gleichen Branche unternehmerisch tätig bleibt, der gesetzgeberische Grundgedanke des § 1 GWB Beachtung verlangt. Wenn nach dem Will en der Vertragschließenden neben dem gemeinsamen Unternehmen das eigene Unternehmen des einen Gesellschafters bestehenbleiben soll und dieser Gesellschafter seine Arbeitskraft ausschließlich seinem eigenen Unternehmen widmen darf, dann kann seine unternehmerische Tätigkeit nicht durch ein Wettbewerbsverbot zugunsten des gemeinsamen Unternehmens gebunden und eingeschränkt werden. Die so nebeneinanderstehenden selbständigen Unternehmen müssen sich nach dem Grundgedanken des § 1 GWB dem freien Wettbewerb stellen; der freie Wettbewerb zwischen diesen Unternehmen kann nicht durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen ausgeschlossen werden. Eine dahingehende Dispositionsfreiheit steht den Gesellschaftern nicht zu; sie müssen insoweit die zwingenden Schranken des § 1 GWB beachten.

Gesellschaftsrechtliche Erwägungen können für einen solchen Fall den Anwendungsbereich des § 1 GWB nicht einengen. Entscheidend ist insoweit, daß durch eine Anwendung des § 1 GWB nicht etwa die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene, tätige, und zwar gesellschaftstreue Mitarbeit des betreffenden Gesellschafters im Rahmen des gemeinsamen Unternehmens in Frage gestellt, sondern nur der Umfang der Tätigkeit dieses Gesellschafters außerhalb des gemeinsamen Unternehmens bestimmt wird. Im vorliegenden Fall führt die Anwendung des § 1 GWB nicht wie im gesetzlichen Regelfall einer offenen Handelsgesellschaft dazu, daß der Beklagte eine gesellschaftsvertraglich übernommene Verpflichtung zur tätigen Mitarbeit bei der Führung des gemeinsamen Unternehmens nicht mehr gesellschaftstreu zu erfüllen braucht. Es werden bei einer solchen Fallgestaltung durch die Anwendung des § 1 GWB also auch nicht die Grundlagen der Gesellschaft, wie sie von den Gesellschaftern gewollt war, erschüttert.

c) Einer Anwendung des § 1 GWB kann auch nicht entgegengehalten werden, die Wettbewerbsbeschränkungen der §§ 112/13 HGB beruhten nicht auf dem Gesellschaftsvertrag, sondern beanspruchten allein auf Grund dispositiver Gesetzesvorschriften rechtliche Anerkennung, ihre Rechtsgrundlage sei also nicht eine vertragliche Vereinbarung, sondern eine gesetzliche Vorschrift. Ein solcher Einwand ist unrichtig. Denn mögen die gesetzlichen Wettbewerbsbeschränkungen auch in den dispositiven Vorschriften der §§ 112/13 HGB ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben, so können sie doch jeweils nur dann wirksam werden, wenn sie mit den gemeinsamen Vorstellungen der Gesellschafter übereinstimmen, also von dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter getragen werden. Daraus wird deutlich, daß es sich bei diesen Wettbewerbsbeschränkungen auch immer um ein vertragliches, nämlich auf dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter beruhendes Wettbewerbsverbot handelt, wie es im Tatbestand des § 1 GWB verlangt wird. Für die Anwendung des § 1 GWB kann es keinen Unterschied ausmachen, ob die Wettbewerbsbeschränkungen in einen Gesellschaftsvertrag ausdrücklich aufgenommen sind oder ob sie ohne besondere Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag mit Rücksicht auf die dahingehenden gemeinsamen Vorstellungen der Gesellschafter Geltung beanspruchen.

4. Nach alldem kann eine vor den Parteien etwa gewollte – das Berufungsgericht hat das lediglich unterstellt – wettbewerbliche Bindung des Beklagten bei der Führung seiner eigenen Unternehmen zugunsten des Unternehmens der Klägerin keinen rechtlichen Bestand haben, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 GWB gegeben sind.

Diese letzte Frage kann noch nicht abschließend beantwortet werden. Die eine Tatbestandsvoraussetzung des § 1 GWB, nämlich der Abschluß eines Vertrages zu einem gemeinsamen Zweck, ist nach dem unstreitigen Sachverhalt hier gegeben, da die wettbewerbliche Bindung des Beklagten, wenn sie vereinbart ist, auf einem Gesellschaftsvertrag beruht. Dagegen läßt sich nach den bisherigen Feststellungen noch nicht beurteilen, ob eine solche wettbewerbliche Bindung des Beklagten auch objektiv geeignet ist, die Marktverhältnisse zu beeinflussen. Für eine solche Beurteilung ist unter Berücksichtigung der vom erkennenden Senat ausgebildeten Rechtsgrundsätze (vgl. BGHZ 37, 400) die Feststellung geboten, ob eine wettbewerbliche Bindung des Beklagten, wie sie die Klägerin zu ihren Gunsten in Anspruch nimmt, nach allgemeiner wirtschaftlicher Erfahrung zu einer spürbaren Einwirkung auf das Verhalten der Marktbeteiligten führt. Dabei ist es geboten, daß auch eine Feststellung darüber getroffen wird, was hier als maßgebender Markt im Sinne des § 1 GWB tatsächlich in Betracht kommt.

Nach alledem kann das Berufungsurteil mit der von ihm gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden. Es muß aufgehoben und unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, und zwar an den Kartellsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen werden. Die Entscheidung über die Kosten der Revision wird dem Berufungsgericht ebenfalls übertragen.

 

Fundstellen

BGHZ, 306

DNotZ 1963, 691

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