Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung des Anspruchs auf Erstattung des Werts einer Gesellschaftersicherheit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Erstattung des Wertes einer Gesellschaftersicherheit nach den sog. Rechtsprechungsregeln verjährt gem. § 31 Abs. 5 GmbHG in fünf Jahren. Auf diesen Anspruch ist § 146 InsO auch dann nicht anwendbar, wenn zugleich der Tatbestand des § 32b GmbHG a.F. erfüllt ist.

 

Normenkette

GmbHG § 32b a.F., § 31 Abs. 5; InsO § 146

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 26.05.2010; Aktenzeichen 1 U 1065/09)

LG Koblenz (Entscheidung vom 11.08.2009; Aktenzeichen 4 HKO 191/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Koblenz vom 26.5.2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 157.071,32 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

Die Beschwerde ist begründet und führt gem. § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung der Überschuldung der M. Bauunternehmen GmbH & Co. KG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

Rz. 2

1. Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auf den Fall §§ 32a, 32b GmbHG a.F. und die sog. Rechtsprechungsregeln zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen zur Anwendung kommen, weil das Insolvenzverfahren vor dem 1.11.2008 eröffnet worden ist (BGH, Urt. v. 26.1.2009 - II ZR 260/07, BGHZ 179, 249 Rz. 9 ff. - Gut Buschow). Nach diesen Regeln wird eine Sicherheit für eine Gesellschaftsverbindlichkeit u.a. dann wie Eigenkapital behandelt, wenn der Gesellschafter diese Sicherheit außerhalb einer Krise bestellt hat und bei Eintritt der Krise weder entzieht, obwohl dies möglich ist, noch die Gesellschaft in die Liquidation führt. Eine Krise in diesem Sinne liegt vor, wenn die Gesellschaft insolvenzreif oder kreditunwürdig ist (BGH, Urt. v. 11.1.2011 - II ZR 157/09, ZIP 2011, 328 Rz. 21). Bei einer GmbH & Co. KG - wie hier - gilt gem. § 172a HGB dasselbe, wenn ein Gesellschafter der Komplementär-GmbH oder ein Kommanditist eine Sicherheit zugunsten der Kommanditgesellschaft bestellt (BGH, Urt. v. 27.9.1976 - II ZR 162/75, BGHZ 67, 171, 182 f.; Urt. v. 13.7.1981 - II ZR 256/79, BGHZ 81, 252, 255 ff.).

Rz. 3

2. Das Berufungsgericht hat jedoch jedenfalls bei seiner Annahme, eine Insolvenzreife in Form einer Überschuldung könne nicht festgestellt werden, Vortrag des Klägers außer Acht gelassen.

Rz. 4

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats trägt der Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast für den objektiven Tatbestand einer haftungsbegründenden Insolvenzverschleppung und damit auch für die Überschuldung der Gesellschaft. Für die Feststellung, dass die Gesellschaft insolvenzrechtlich überschuldet ist, bedarf es grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, in der die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind. Hingegen kommt einer Handelsbilanz für die Frage, ob die Gesellschaft überschuldet ist, lediglich indizielle Bedeutung zu. Legt der Anspruchsteller für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, nur eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz darauf zu überprüfen und zu erläutern, ob und ggf. in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind. Ist der Anspruchsteller diesen Anforderungen nachgekommen, ist es Sache des beklagten Gesellschafters, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind (BGH, Urt. v. 15.3.2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rz. 33 m.w.N. für den vergleichbaren Fall des Geschäftsführers).

Rz. 5

Danach reicht der Vortrag des Klägers hier aus, um eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne darzulegen. Der Kläger hat eine - von ihm gefertigte - Handelsbilanz zum 31.12.2003 vorgelegt. Weiter hat er sowohl in der Klageschrift als auch später behauptet, es seien bei der Insolvenzschuldnerin keine stillen Reserven vorhanden gewesen.

Rz. 6

Die vom Kläger erstellte Handelsbilanz weist allerdings die rechnerische Überschuldung nicht offen aus. Die Gesellschafterdarlehen i.H.v. rund 1,5 Mio. EUR sind unzutreffend auf der Aktivseite gebucht. Richtig müssen sie entweder auf der Passivseite aufgeführt werden oder - bei einem qualifizierten Rangrücktritt - bei der Feststellung der Überschuldung unberücksichtigt bleiben. In beiden Fällen ist das bereinigte Aktivvermögen aber geringer als die Summe der Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Es liegt also eine rechnerische Überschuldung vor.

Rz. 7

3. Der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ist auch entscheidungserheblich.

Rz. 8

a) Für die Annahme einer Überschuldung kommt es hier nicht darauf an, ob eine Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich war. Davon hängt nach § 19 Abs. 2 InsO in der bis zum 17.10.2008 geltenden und hier zur Anwendung kommenden Fassung nur ab, ob die rechnerische Überschuldung anhand der Fortführungs- oder der Liquidationswerte zu ermitteln ist. Der Kläger hat eine Handelsbilanz vorgelegt, also Fortführungswerte zugrunde gelegt. Da diese regelmäßig höher sind als die Liquidationswerte, ist damit die Überschuldung unabhängig von der Fortführungsprognose dargelegt.

Rz. 9

Im Übrigen obliegt dem in Anspruch genommenen Gesellschafter, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotz der rechnerischen Überschuldung fortzuführen (BGH, Urt. v. 15.3.2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rz. 31). Dieser Darlegungslast, deren Erfüllung eine umfassende Einschätzung der Unternehmenslage voraussetzt (vgl. zu den Substantiierungsanforderungen BGH, Urt. v. 18.10.2010 - II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rz. 13 - Fleischgroßhandel), ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Rz. 10

b) Dass die Beklagte als Mehrheitsgesellschafterin der Komplementär-GmbH die Insolvenzreife zumindest hätte erkennen können, ist ohne Weiteres anzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1995 - II ZR 128/94, ZIP 1996, 273, 275).

Rz. 11

c) Weiter müsste die Beklagte die Möglichkeit gehabt haben, in der Zeit zwischen dem 1.1.2004, als Insolvenzreife eintrat, und dem 20.2.2004, als der Insolvenzantrag gestellt wurde, die Grundschuld an ihrem Grundstück zu "kündigen" oder die Kommanditgesellschaft in die Liquidation zu führen. Eine Kündigungsmöglichkeit ist nicht festgestellt und erscheint auch fern liegend. Die Beklagte hätte aber durch Geltendmachen ihres Freistellungsanspruchs oder durch Anweisung an die GmbH-Geschäftsführer darauf dringen können, dass ein Insolvenzantrag gestellt wird. Dazu hatte sie auch eine ausreichend lange Überlegungszeit, nämlich mehr als die insoweit anzusetzenden höchstens drei Wochen (BGH, Urt. v. 11.12.1995 - II ZR 128/94, ZIP 1996, 273, 275).

Rz. 12

d) Der Erstattungsanspruch ist nicht verjährt.

Rz. 13

Dabei kann offen bleiben, ob die für den Anspruch aus § 32b GmbHG geltende zweijährige Verjährungsfrist gem. § 146 Abs. 1 InsO in der bis zum 14.12.2004 anzuwendenden Fassung i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GmbHG a.F. abgelaufen ist (für einen Verjährungsbeginn erst nach Insolvenzeröffnung bei - wie hier - Verwertung der Gesellschaftssicherheiten erst während des Insolvenzverfahrens: von Gerkan, Festschrift Ulmer, 2003, S. 1293, 1301 f.). Denn jedenfalls der parallele Anspruch nach den sog. Rechtsprechungsregeln verjährt in entsprechender Anwendung des § 31 Abs. 5 GmbHG in fünf Jahren. Insoweit findet § 146 InsO keine Anwendung (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., §§ 32a, 32b Rz. 84; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 32b a.F. Rz. 5 f.; ebenso für die Anfechtungsfrist des § 41 Abs. 1 KO: BGH, Urt. v. 20.9.1993 - II ZR 151/92, BGHZ 123, 289, 294; Beschl. v. 20.12.1993 - II ZR 94/93, ZIP 1994, 31).

Rz. 14

Die fünfjährige Verjährungsfrist hat mit dem Freiwerden des Grundstücks der Beklagten aufgrund der Verwertung der Gesellschaftssicherheiten in der Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.4.2004 begonnen und ist durch die Klageerhebung am 17.1.2009 gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2723649

BB 2011, 1857

BB 2011, 2130

DB 2011, 1685

DStR 2011, 1629

NJW 2011, 6

EBE/BGH 2011

GmbH-StB 2011, 271

NZG 2011, 1104

NZG 2011, 904

WM 2011, 1415

ZIP 2011, 1410

DZWir 2011, 427

MDR 2011, 1123

NZI 2011, 6

NZI 2011, 601

ZInsO 2011, 1470

GmbHR 2011, 933

ZBB 2011, 293

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