Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Freibetrag des § 68 Ziff. 6 a BewG in der Fassung des StändG vom 26. Juli 1957 (BGBl I S. 848) ist sowohl dem Ehemann als auch der Ehefrau zu gewähren, wenn beide im Veranlagungszeitpunkt entweder über 60 Jahre alt oder voraussichtlich für mindestens drei Jahre erwerbsunfähig sind und beiden ein gemeinsamer Rentenanspruch zusteht.

Ein gemeinsamer Rentenanspruch der Eheleute liegt nicht vor, wenn der Ehemann auf Lebzeiten eine Rente bezieht und die Ehefrau nur eine Rente erhält, wenn sie den Ehemann überlebt. In diesen Fällen ist zunächst nur der Rentenanspruch des Ehemannes anzusetzen. Der Rentenanspruch der Ehefrau ist aufschiebend bedingt und wird nach § 4 BewG nicht berücksichtigt. Der Freibetrag des § 68 Ziff. 6 a BewG kann dann nur dem Ehemann gewährt werden.

 

Normenkette

BewG § 68/6/a, § 111/9, §§ 4, 16 Abs. 2, § 14/2; StAnpG § 1 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Bf. verkaufte durch Vertrag vom September 1955 einen im Schiffsregister auf seinen Namen eingetragenen Schleppkahn an eine Reederei. Die Käuferin verpflichtete sich, dem Bf. als Entgelt eine lebenslängliche Rente von monatlich 600 DM zu zahlen. Im Kaufvertrag war außerdem vereinbart, daß die Reederei bzw. ihre Rechtsnachfolger an die Ehefrau des Bf. bis zu ihrem Lebensende eine monatliche Rente von 500 DM zahlen sollte, falls diese beim Tode des Bf. noch lebe. In der Anlage zur Vermögenserklärung auf den 1. Januar 1957 bemerkte der Bf. die Berechnung des Kapitalwertes der Rente entfalle nach § 68 Ziff. 6 a BewG, weil die beiden Berechtigten am 1. Januar 1967 über 60 Jahre alt gewesen seien. Das Finanzamt zog bei der Vermögensteuerveranlagung 1957 von dem Jahreswert der Renten in Höhe von 7.200 DM den Freibetrag nach § 68 Ziff. 6 a BewG in Höhe von 3.600 DM ab, vervielfältigte den verbleibenden Jahreswert von 3.600 DM mit dem nach § 16 Abs. 2 BewG für das Lebensalter der Ehefrau des Bf. maßgebenden Vervielfältiger 10 und setzte die Rente beim sonstigen Vermögen mit 36.000 DM an.

Mit dem Einspruch verlangte der Bf., auch seiner Ehefrau einen Freibetrag von 3.600 DM nach § 68 Ziff. 6 a BewG zu gewähren, weil auch ihr die Rente zustehe. Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als der Steuerausschuß bei der Berechnung des Kapitalwertes der Rente den Vervielfältiger 9 zugrunde legte, der nach § 16 Abs. 2 BewG für das Lebensalter des Bf. maßgebend ist.

Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen aus: Es könne dahingestellt bleiben, ob der Freibetrag des § 68 Ziff. 6 a BewG im Rahmen der Zusammenveranlagung überhaupt beiden Ehegatten gewährt werden könne. Selbst wenn man das bejahe, könne der Freibetrag nach der gegebenen Sachlage nicht für die Ehefrau des Bf. gewährt werden; denn sie sei nicht Berechtigte der angesetzten Rente. Nach dem Vertrage vom September 1955 seien allerdings zwei Renten begründet worden, und zwar eine von monatlich 600 DM für den Bf. selbst und eine von monatlich 500 DM für seine Ehefrau. Die Rente der Ehefrau sei aber aufschiebend bedingt und sei deshalb nach § 4 BewG zunächst nicht steuerpflichtig. Man könne auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Ehefrau kein eigenes Recht an der Rente des Bf. zubilligen. Der Vertrag sei so eindeutig gefaßt, daß er nicht in diesem Sinne ausgelegt werden könne. Es sei auch nicht entscheidend, ob nach der Behauptung des Bf. der Schleppkahn im Jahre 1934 aus gemeinsamen Ersparnissen erworben worden sei und zwischen den Eheleuten seit 1937 ein gegenseitiges Testament bestehe. Tatsache sei, daß das Schiff im Schiffsregister auf den Namen des Bf. eingetragen sei und daß dieser sich bei der Weiterveräußerung als alleiniger Eigentümer bezeichnet habe. Es sei auch von den Eheleuten kein entsprechender Güterrechtsvertrag abgeschlossen worden. Schließlich könne der Bf. auch aus der Tatsache, daß das Finanzamt bei der Vermögensteuerveranlagung 1956 und 1957 unrichtigerweise den Kapitalwert der Rente nach dem Lebensalter der Ehefrau berechnet habe, keine Rechte herleiten. Die Vermögensteuerveranlagung 1957 sei noch nicht rechtskräftig und könne deshalb im Rechtsmittelverfahren geändert werden. Die Vermögensteuerveranlagung 1956 bewirke keine fortlaufende Bindung des Finanzamts für die späteren Veranlagungen.

Mit der Rb. trägt der Bf. vor, die Auffassung des Finanzgerichts entspreche nicht den wirtschaftlichen Tatsachen. Das Finanzgericht halte sich lediglich an die damalige Vertragsgestaltung. Der Vertrag wäre aber anders gefaßt worden, wenn damals die Ehegatten-Besteuerung bereits akut gewesen wäre. Es wäre dann zuerst das Schiff auf den Namen der Eheleute umgeschrieben worden. Alsdann wäre eine gemeinsame Rente an die Eheleute vereinbart und nach dem Ableben des Bf. der Rentenanteil der Ehefrau auf 500 DM festgesetzt worden. Das sei der wirtschaftliche Kern, der nach dem StAnpG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung den festzustellenden Sachverhalt bilde. Durch die Rentenfestsetzung auch für die Ehefrau des Bf., die den Kaufvertrag mit unterschrieben habe, habe auch die Käuferin des Schiffes das Eigentum der Ehefrau an dem Schiff anerkannt. Sie hätte sonst das erhöhte Wagnis nicht übernommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Nach dem durch das Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften (StändG) vom 26. Juli 1957 (BGBl I S. 848) eingefügten § 68 Ziff. 6 a BewG gehören nicht zum sonstigen Vermögen Ansprüche auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen, soweit der Jahreswert der Nutzungen oder Leistungen insgesamt 3.600 DM nicht übersteigt, wenn der Berechtigte über 60 Jahre alt oder voraussichtlich für mindestens drei Jahre erwerbsunfähig ist. Der danach zu gewährende Freibetrag von 3.600 DM ist auf die Person des Berechtigten abgestellt. Nach Abschn. 70 Abs. 4 der Vermögensteuer-Richtlinien 1960 ist deshalb der Freibetrag zweimal zu gewähren, wenn einem Ehepaar eine gemeinsame Rente zusteht und jeder Ehegatte entweder über 60 Jahre alt oder für mindestens drei Jahre erwerbsunfähig ist. Der Senat trägt keine Bedenken, dieser Auffassung der Verwaltung zu folgen. Da der Bf. und seine Ehefrau am maßgebenden Stichtage beide über 60 Jahre alt waren, wäre also der Freibetrag von 3.600 DM beiden zu gewähren, wenn der streitige Rentenanspruch ihnen gemeinsam zustehen würde. Das ist jedoch nach den im Kaufvertrage vom September 1955 getroffenen Vereinbarungen nicht der Fall.

Das Finanzgericht hat zutreffend festgestellt, daß in diesem Kaufvertrage zwei Renten vereinbart worden sind, eine in Höhe von 600 DM monatlich für den Bf., eine zweite in Höhe von 500 DM monatlich für seine Ehefrau. Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, daß der Rentenanspruch der Ehefrau nur dann entsteht, wenn sie den Bf. überlebt. Stirbt sie vor dem Bf., so kommt ihr Rentenanspruch gar nicht zum Entstehen. Es handelt sich also bei diesem Rentenanspruch um ein Wirtschaftsgut, dessen Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt. Diese Wirtschaftsgüter werden nach § 4 BewG erst berücksichtigt, wenn die Bedingung eingetreten ist. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben sie außer Ansatz.

An dem Rentenanspruch des Bf. ist die Ehefrau des Bf. nach der Fassung des Kaufvertrages auch nicht mitberechtigt. Sie kann diesen Anspruch gegenüber der Reederei bürgerlich-rechtlich nicht geltend machen. Diese bürgerlich-rechtliche Gestaltung ist auch für die steuerrechtliche Beurteilung maßgebend. Es ist zwar richtig, daß die sogenannte wirtschaftliche Betrachtungsweise nach § 1 Abs. 3 StAnpG auch bei der Beurteilung des Sachverhalts zugrunde zu legen ist. Aber die wirtschaftliche Betrachtungsweise kann nicht dazu führen, eine vom Steuerpflichtigen gewählte bürgerlich-rechtliche Gestaltung durch eine andere zu ersetzen, die andere bürgerlich-rechtliche Wirkung hat. Das würde der Fall sein, wenn man den Kaufvertrag so auslegen würde, daß der Ehefrau des Bf. der Rentenanspruch des Bf. ebenfalls zusteht. Denn dann hätte auch sie sofort und nicht erst nach dem Tode des Bf. einen klagbaren Anspruch an die Reederei, was von den Vertragspartnern nach der eindeutigen Fassung des Vertrages nicht beabsichtigt war.

Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß es bei dieser Sachlage nicht entscheidend darauf ankommen kann, ob die Ehefrau des Bf. wirtschaftlich Miteigentümerin des verkauften Schiffes war. Auch wenn man diese Behauptung des Bf. als richtig unterstellt, folgt daraus noch nicht, daß ihr auch der Rentenanspruch des Bf. von Anfang an mit zustehen mußte. Sie konnte auch in der Form abgefunden werden, daß ihr nach dem Tode des Bf. ein eigener Rentenanspruch eingeräumt wurde. Es ist ferner unerheblich, ob sich die Vertragspartner über die steuerlichen Folgen der von ihnen gewählten bürgerlich-rechtlichen Gestaltung bei Vertragsabschluß im klaren waren. Es muß dabei beachtet werden, daß sie von der Auswirkung auf den Freibetrag des § 68 Ziff. 6 a BewG bei dem im Jahre 1955 vorgenommenen Vertragsabschluß noch gar nichts wissen konnten, weil diese Vorschrift erst durch das StändG 1957 in das BewG eingefügt wurde. Es kommt auch nicht darauf an, daß der Vertrag eine andere Fassung hätte erhalten können. Der steuerlichen Beurteilung kann der Vertrag nur in der Form zugrunde gelegt werden, in der er am Stichtag bestand. Eine nachträgliche änderung kann nur für die Zukunft, nicht aber rückwirkend steuerliche Wirkungen haben. Das Finanzgericht hat schließlich auch mit Recht eine Bindung des Finanzamts an die unrichtige Berechnung des Kapitalwertes der Rente bei der unanfechtbar gewordenen Vermögensteuerveranlagung 1956 verneint (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 221/57 U vom 19. September 1958, BStBl 1958 III S. 425, Slg. Bd. 67 S. 396).

 

Fundstellen

Haufe-Index 411128

BStBl III 1964, 179

BFHE 1964, 461

BFHE 78, 461

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