Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmungen in § 3 Abs. 1 und 3 SparPDV für den Fall einer völligen Unterbrechung der Einzahlungen auf Sparratenverträge und in § 10 Abs. 1 SparPDV über das Ende der Ausschlußfrist für die Anforderung der Prämie sowie der Zinsen und Zinseszinsen durch das Kreditinstitut sind rechtswirksam.

 

Normenkette

SparPDV vom 19. April 1960, BGBl I 1960, 236, BStBl I 1960, 230; SparPDV i.d.F. vom 30. Juli 1963, BGBl I 1963, 580, BStBl I 1963, 600: § 3 Abs. 1, 3, § 10 Abs. 1

 

Tatbestand

Der dem Rechtsstreit beigeladene Sparer hat am 2. Juni 1959 mit der Klägerin und Revisionsbeklagten (Bank) einen Sparvertrag mit festgelegten Sparraten über je 100 DM monatlich abgeschlossen. Am 4. Juni 1959 hat er die erste Monatsrate von 100 DM und am 15. Juni 1959 eine weitere Monatsrate, mit der er die Einzahlung für den Monat Mai 1959 nachholen wollte, geleistet. In der folgenden Zeit hat er die Monatsraten regelmäßig und pünktlich bis einschließlich April 1964 entrichtet. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat auf Antrag des Beigeladenen die Sparprämien für die einzelnen Jahre festgesetzt, und zwar für 1959 mit 140 DM, für 1960 bis 1963 mit je 240 DM und für 1964 mit 80 DM, insgesamt also mit 1 180 DM. Die Verfügung über die Gewährung der Sparprämie für 1964 ist am 11. November 1965 vom Sachbearbeiter gezeichnet worden.

Mit Schreiben vom 31. Dezember 1965 - beim FA am 14. Februar 1966 eingegangen - forderte die Bank die Sparprämien zuzüglich 192,33 DM Zinsen, insgesamt also 1 372,33 DM, beim FA an. Dieses lehnte die Überweisung mit der Begründung ab, die Frist für die Anforderung der Prämien und der Zinsen sei nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SparPG am 30. Juni 1965 (sechs Monate nach Ablauf der Festlegungsfrist am 31. Dezember 1964) abgelaufen. Den Einspruch der Bank, mit dem diese wegen der Fristversäumnis um Gewährung von Nachsicht nachgesucht hatte, wies das FA zurück.

Auf die von der Bank erhobene Klage trug das FA vor: Auch bei einem Sparratenvertrag ende die Ausschlußfrist für den Antrag auf Überweisung der Prämien und Zinsen nach § 10 Abs. 1 SparPDV frühestens sechs Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem über den Antrag auf Gewährung der Prämie entschieden worden sei. Da die Verfügung des Sachbearbeiters über die Prämie für 1964 am 11. November 1965 gezeichnet worden sei und davon ausgegangen werden müsse, daß die Mitteilung aufgrund der Verfügung zugleich oder wenige Tage danach abgesandt und der Bank zugegangen sei, ende die Ausschlußfrist frühestens am 30. Juni 1966. Der am 14. Februar 1966 eingegangene Antrag der Bank sei daher noch rechtzeitig. Jedoch sei der Sparratenvertrag unterbrochen worden, da für das Kalenderjahr 1964 nur vier Sparraten eingezahlt worden seien. Dies bedeute nach § 3 Abs. 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 SparPDV, daß die vor der Unterbrechung jeweils in einem Kalenderjahr eingezahlten Sparbeiträge - wie im Falle eines jeweiligen allgemeinen Sparvertrages - für die Dauer von fünf Jahren seit dem Gewinn des betreffenden Kalenderhalbjahres festgelegt sein müßten. Die Prämien und Zinsen dürften dann erst zum Ablauf der jeweiligen Festlegungsfrist angefordert und ausgezahlt werden.

Die Bank bestritt die Unterbrechung des Sparratenvertrages und machte geltend, lediglich mit Rücksicht auf die in 1959 noch für Mai 1959 nachgezahlte Monatsrate seien im Jahre 1964 nur vier Monatsraten entrichtet worden.

Das FG gab der Klage der Bank statt. Es hob den Bescheid des FA und die Einspruchsentscheidung auf und verurteilte das FA, Prämien einschließlich Zinsen in Höhe von insgesamt 1 372,33 DM an die Bank auf den Sparvertrag des Beigeladenen zu überweisen.

Das FG sah in der Klage eine Anfechtungsklage, verbunden mit einer Leistungsklage. Zur Sache führte es u. a. aus:

Es bestehe kein Grund für die Ablehnung des Überweisungsantrags. Der Beigeladene habe in insgesamt 60 aufeinanderfolgenden Monaten jeweils einen gleichbleibenden Sparbeitrag geleistet und sei dabei zu Unrecht davon ausgegangen, daß er im Juni 1959 noch eine Einzahlung für Mai 1959 nachholen könne. Nach dem Sinn des Gesetzes sei die Prämienbegünstigung daran geknüpft, daß die Beiträge auch wirklich in der laufenden Höhe für einen festgelegten Zeitraum von mindestens fünf Jahren gezahlt würden. Dieser Zweck sei im vorliegenden Fall jedenfalls erreicht worden. Der Irrtum über den Beginn und das Ende der maßgebenden Einzahlungszeit könne nicht mit dem Tatbestand einer Unterbrechung der Einzahlungen gleichgesetzt werden. Das gelte jedenfalls dann, wenn sich der Irrtum nur auf einen Monat, und zwar den letzten Monat der an sich nach dem Gesetz zu berechnenden Einzahlungsdauer bezieht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von Bundesrecht. Es wiederholt sein bereits im Klageverfahren vorgetragenes Vorbringen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist im Ergebnis nicht begründet.

1. Die nach dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 erhobene Klage der Bank war, wie das FG zutreffend angenommen hat, eine Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO). Die Entscheidung ist zu treffen nach den Vorschriften der FGO und den durch sie geänderten Vorschriften der AO (§ 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die nach § 3 Abs. 7 SparPG in der Fassung des § 167 FGO - zum Teil sinngemäß - anzuwenden sind. Die Prämienanforderung der Bank (§ 4 Abs. 1 SparPG) ist bei sinngemäßer Anwendung des § 229 AO den in Nr. 7 dieser Vorschrift angeführten Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen, die aus Rechtsgründen zugelassen sind, vergleichbar. Der Senat hat im Beschluß vom 10. Juli 1970 VI B 2/69 (BFHE 99, 350, BStBl II 1970, 686) entschieden daß ein unter § 229 Nr. 7 AO fallender Bescheid im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren, der sachlich über die gestellten Anträge entscheidet, ein Verwaltungsakt ist, der nur mit der Anfechtungsklage angefochten werden kann. Die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen lassen es geboten erscheinen, auch im Streitfall die Anfechtungsklage als gegeben anzusehen.

Die genannte Entscheidung ist zu der Frage ergangen, ob etwa statt der Anfechtungsklage die Verpflichtungsklage gegeben war. Im Streitfall hat das FG zwar nicht die Verpflichtungsklage als gegeben angesehen, wohl aber angenommen, daß neben der Anfechtungsklage eine Leistungsklage vorliege. Eine Leistungsklage kommt indessen neben der Anfechtungsklage schon deshalb nicht in Betracht, weil dafür ein Rechtsschutzbedürfnis nicht anerkannt werden könnte. Die Anfechtungsklage führt, falls sie Erfolg hat, nach § 100 Abs. 2 FGO dazu, daß das FG grundsätzlich den in Betracht kommenden Betrag an Sparprämien und Zinsen festsetzen muß. Ist aber eine solche Festsetzung rechtskräftig erfolgt, so muß davon ausgegangen werden, daß das FA den sich daraus ergebenden Folgerungen auch Folge leistet und die Überweisung der angeforderten Beträge vornimmt. Die Rechtslage ist nicht anders, als wenn im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren nur der Erstattungsbetrag festgesetzt (nicht aber dessen Auszahlung ausdrücklich angeordnet wird) oder wenn im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren nur der Freibetrag festgesetzt (aber nicht dessen Eintragung auf der Lohnsteuerkarte ausdrücklich angeordnet) wird. Nur wenn Tatsachen dafür sprächen, daß das FA einer gerichtlichen Festsetzung nicht Folge leisten würde oder nicht Folge geleistet hat, könnte ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage ausnahmsweise anerkannt werden.

2. Der Senat folgt nicht der Auffassung der Vorinstanz, die die Vorschriften des § 3 Abs. 1 SparPDV mangels einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung für nichtig hält. Zur Bemessung der Festlegungsfrist bei allgemeinen Sparverträgen hat der Senat im Urteil vom 12. Dezember 1969 VI R 66/68 (BFHE 97, 576, BStBl II 1970, 231) dargelegt, daß die Ermächtigungsvorschrift des § 1 Abs. 2 SparPG auch die Befugnis umfaßt, den Beginn der Festlegungsfrist in § 1 Abs. 2 SparPDV zu bestimmen. An dieser Auffassung wird festgehalten. Sie gilt auch für die in § 3 Abs. 1 und 3 SparPDV (vom 19. April 1960, BGBl I 1960, 236, BStBl I 1960, 230, und in der Fassung vom 30. Juli 1963 - SparPDV 1963 -, BGBl I 1963, 580, BStBl I 1963, 600) getroffene Regelung für den Fall einer völligen Unterbrechung der Einzahlungen auf Sparratenverträge. Der Senat berücksichtigt dabei, daß das Sparprämiengesetz zum Bereich der gewährenden Staatstätigkeit gehört und daß der Gesetzgeber hierbei größere Gestaltungsfreiheit hat als innerhalb der Eingriffsverwaltung (z. B. Bechluß eines Dreierausschusses des BVerfG vom 6. Mai 1968 1 BvR 143/68, DB 1968, 1004).

Eine Unterbrechung der Einzahlungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 SparPDV liegt aber im Streitfall nicht vor; denn entsprechend der Auffassung der Bank muß die im Jahre 1959 nachträglich für den Monat Mai geleistete Sparrate auf die im Jahre 1964 für den Monat Mai fällige Sparrate verrechnet werden. Die für Mai 1959 geleistete Sparrate konnte entsprechend den Grundsätzen des Urteils des Senats vom 18. August 1967 VI R 176/67 (BFHE 89, 554, BStBl III 1967, 737) nicht zur Gewährung einer Prämie führen, da sie mit Rückwirkung für einen Zeitraum, für den der Sparvertrag noch nicht abgeschlossen war, geleistet worden ist. Eine Prämie ist hierfür auch tatsächlich nicht gewährt worden. Deshalb handelte es sich bei dem eingezahlten Betrag um im Sinne des Sparprämiengesetzes frei verfügbares Geld des Sparers. Dieses Geld war auch im Jahre 1964 noch zur freien Verfügung des Sparers vorhanden. Der Betrag war schließlich auch zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Sparkonto, über das der prämienbegünstigte Sparvertrag abgewickelt wurde, gutgeschrieben. Eine Unterbrechung des Sparvertrages kann indessen, wie der eindeutige Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 1 SparPDV ergibt, nur durch eine nicht oder nicht rechtzeitig geleistete Sparrate bewirkt werden, nicht aber durch eine vorzeitig geleistete Sparrate. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, daß die Mai-Rate im Jahre 1964 bei der Festsetzung der Prämie für 1964 nicht berücksichtigt worden ist.

3. Die Bank hat danach die Prämien und Zinsen fristgerecht angefordert; denn nach § 10 Abs. 1 SparPDV endet die Ausschlußfrist für die Anforderung der Prämie sowie der Zinsen und Zinseszinsen durch das Kreditinstitut (§ 4 Abs. 1 des Gesetzes) frühestens sechs Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem über den Antrag auf Gewährung der Prämie entschieden worden ist. Die bei Sparratenverträgen maßgebliche letzte Entscheidung über die Gewährung der Prämie für 1964 ist gegen Ende des Jahres 1965 getroffen worden. Die am 14. Februar 1966 beim FA eingegangene Anforderung der Prämien und Zinsen durch die Bank war hiernach, wie auch das FA nunmehr zugesteht, rechtzeitig.

Gegen die Rechtsgültigkeit des § 10 Abs. 1 SparPDV erhebt der Senat keine Bedenken. Zwar schreibt das Sparprämiengesetz in § 4 Abs. 1 vor, daß das Kreditinstitut die Prämie frühestens sechs Monate vor und spätestens innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Ablauf der Festlegungsfrist anfordert. Diese Regelung ist jedoch - wie auch bei anderen Vorschriften des SparPG (vgl. oben unter 2.) - lediglich eine Grundsatzvorschrift, die der Ergänzung bedarf. Wäre eine solche Ergänzung nicht erfolgt, so würde bei Sparratenverträgen oft die Ausschlußfrist für die Anforderung der Prämien und Zinsen bereits abgelaufen sein, noch bevor die Prämien für das letzte Sparjahr festgesetzt sind, wie der Streitfall zeigt; denn im Streitfall endete die Festlegungsfrist am 31. Dezember 1964 und die Ausschlußfrist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SparPG würde deshalb am 30. Juni 1965, noch vor der Entscheidung über den Antrag auf Gewährung der Sparprämie für das Jahr 1964, enden. Die hiernach erforderliche Ergänzung des § 4 Abs. 1 Satz 1 SparPG findet sich in der Vorschrift des § 10 Abs. 1 SparPDV, nach der die Ausschlußfrist frühestens sechs Monate nach Ablauf des Kalenderjahres endet, in dem über den Antrag auf Gewährung der Prämie entschieden worden ist. Der Senat sieht die Vorschrift des § 6 Nr. 4 SparPG, nach der die Bundesregierung ermächtigt wurde, mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung des SparPG Rechtsverordnungen zu erlassen über das Verfahren nach §§ 3, 4 und 5, noch als ausreichende Ermächtigung an. Dabei berücksichtigt er insbesondere, daß die in § 10 Abs. 1 SparPDV getroffene Regelung auf die schutzwürdigen Interessen des Sparers und des von ihm betrauten Kreditinstituts Bedacht nimmt und diese wahrt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70780

BStBl II 1974, 224

BFHE 1974, 208

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge