Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Grundstück erworben, das sich im Zustand der Bebauung befindet, und entsprach der vom Veräußerer geplante Wohnungsbau nicht den Voraussetzungen des § 1 Ziff. 1 des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des soz. Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 in der Fassung des änderungsgesetzes vom 13. Juli 1953, so ist der Erwerb nicht nach § 1 Ziff. 1 bzw. Ziff. 3 a. a. O. von der Steuer befreit, auch wenn die Wohnungen, die der Erwerber erstellt, den Voraussetzungen des § 1 Ziff. 1 a. a. O. genügen.

 

Normenkette

GrEStWGND 1/1; GrEStWGND 1/3

 

Tatbestand

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 31. März 1955 kauften der Bf. und seine Ehefrau von dem Ingenieur X je zur Hälfte ein Grundstück. X hatte das Grundstück im Jahre 1953 erworben, um darauf ein Eigenheim zu errichten, das nicht den Voraussetzungen des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 entsprach. Das Gebäude war, als der Bf. und seine Ehefrau das Grundstück erwarben, im Rohbau erstellt. Die Erwerber haben das angefangene Gebäude als Mietwohnhaus fertiggestellt.

Streitig ist, ob die Befreiungsvorschrift des § 1 Ziff. 1 oder 3 des vorerwähnten Gesetzes auf den Vorgang anzuwenden ist, durch den der Bf. das Bruchteilseigentum an dem Grundstück erwarb. Das Finanzamt hat die Anwendbarkeit der vorbezeichneten Befreiungsvorschriften verneint und den Bf. zur Grunderwerbsteuer herangezogen.

Die ordnungsgemäß eingelegte Sprungberufung wurde als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rechtsbeschwerde ist ohne Erfolg.

Die Vorschriften des § 1 Ziff. 1 und 3 des angeführten Gesetzes vom 2. Juli 1952 (in der Fassung des änderungsgesetzes vom 13. Juli 1953) lauten wie folgt:

"Von der Besteuerung nach dem GrEStG sind ausgenommen

der Erwerb eines unbebauten oder völlig zerstörten Grundstücks zur Errichtung eines Gebäudes, das zu mehr als 80 v. H. Wohnungen oder Wohnräume enthält, die nach § 7 des Ersten Wohnungsbaugesetzes grundsteuerbegünstigt sind. Ein Gebäude gilt als zerstört, wenn oberhalb des Kellergeschosses auf die Dauer benutzbarer Raum nicht vorhanden ist;

...

der erste Erwerb eines Grundstücks, auf dem ein Gebäude der in Ziff. 1 bezeichneten Art errichtet worden ist, wenn zur Zeit des Erwerbs Wohnungen in dem Gebäude noch nicht oder höchstens seit 3 Jahren bezogen sind;

..." Die Vorschrift des § 1 Ziff. 1 kann - darin ist dem Finanzgericht im Ergebnis zuzustimmen - nicht zur Anwendung kommen, denn das erworbene Grundstück war im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs nicht "unbebaut". Vielmehr befand sich darauf bereits ein im Rohbau erstelltes Einfamilienhaus.

Die Befreiung des § 1 Ziff. 3 des angeführten Gesetzes ist, wie auch das Finanzgericht ausführt, schon deshalb nicht gegeben, weil der Bf. kein Grundstück erworben hat, auf dem ein Gebäude errichtet war, sondern ein Grundstück, auf dem sich lediglich ein Rohbau befand.

Das Finanzgericht führt auch zu Recht aus, daß im Bereich des niedersächsischen Gesetzes vom 2. Juli 1952 die Grundsätze gelten müssen, die der Senat im Urteil II 226/54 U vom 24. August 1955 (BStBl 1955 III S. 282, Slg. Bd. 61 S. 218) für das im Lande Nordrhein-Westfalen geltende Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1952 S. 33, BStBl 1952 II S. 46) entwickelt hat; danach ist in Fällen, in denen der Ersterwerber des Grundstücks die Steuervergünstigung verliert, weil er das Grundstück vor Fertigstellung des Gebäudes weiterveräußert, diese Vergünstigung dem Zweiterwerber, der den Bau vollendet, zuzubilligen, und zwar insoweit, als die Steuer auf die Gegenleistung für den Grund und Boden entfällt. Dieser Grundsatz kann aber, wie auch das Finanzgericht ausführt, im vorliegenden Falle nicht zur Anwendung kommen, weil der Ersterwerber X keinen sozialen Wohnungsbau errichten wollte, sein Erwerb also nicht steuerbegünstigt gewesen wäre.

Richtig ist andererseits, worauf der Bf. hinweist, daß in ähnlichen Gesetzen anderer Länder die Steuerbefreiung auch auf Fälle der vorliegenden Art ausgedehnt wurde. Siehe § 1 Ziff. 4 des bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau vom 11. Februar 1954 (Bayer. Gesetz- und Verordnungsblatt 1954 S. 38, BStBl 1954 II S. 39), § 1 Ziff. 3 des hessischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 14. Oktober 1954 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen 1954 S. 159, BStBl 1954 II S. 174) und § 1 Ziff. 4 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 19. Juni 1958 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1958 S. 282, BStBl 1958 II S. 105). Die bezeichneten Befreiungsvorschriften können jedoch nicht ohne weiteres auf das Land Niedersachsen ausgedehnt werden. Das Land Niedersachsen hat durch das Zweite Gesetz zur änderung des Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 25. März 1958 die Befreiungsvorschriften des obenerwähnten Gesetzes vom 2. Juli 1952 (in der Fassung des änderungsgesetzes vom 13. Juli 1953) geändert und ergänzt. Für den Erwerb von Grundstücken, die sich im Zustand der Bebauung befinden, ist entgegen anderen Landesgesetzen eine Befreiung nicht eingeführt worden, obwohl den mit der Gesetzesänderung befaßten Stellen im Lande Niedersachsen die in anderen Ländern getroffenen weitergehenden Regelungen fraglos bekannt waren. Daraus, daß der niedersächsische Landesgesetzgeber keine entsprechende Befreiung einführte, ist zu schließen, daß die Steuerbefreiung auf die in Betracht kommenden Fälle nicht ausgedehnt werden sollte.

Nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ist die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Es ist ihr nicht gestattet, sich an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen und Steuerbefreiungen zu gewähren, die im Gesetz keine Stütze finden.

Die Rechtsbeschwerde war somit als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1959, 470

BFHE 1960, 562

BFHE 69, 562

StRK, GrEStG:4/1/1 R 14

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge