Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Berücksichtigung von Zuwendungen der über den Gewinn des Geschäftsjahres beschließenden Generalversammlung an eine Unterstützungskasse, die erst nach dem Bilanzstichtag gegründet wird.

KStG 1950 § 4 Abs. 1 Ziff. 7; KStDV 1950 § 12; Gesetz vom 26. März 1952 über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom

 

Normenkette

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 7; KStDV § 12; EStG § 5; ZuwG §§ 2, 4

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin - Bfin. - (GmbH) hat für ihre Arbeitnehmer und deren Angehörige eine Unterstützungseinrichtung gegründet. Diese hat die Rechtsform eines eingetragenen Vereins des bürgerlichen Rechts und ist am 16. Februar 1952 in das Vereinsregister des Amtsgerichts eingetragen worden. Sie bezweckt nach § 1 Abs. 3, § 4 der Satzung, Arbeitnehmern und früheren Arbeitnehmern der Bfin. einschließlich ihrer Angehörigen in Fällen von Not, bei Alter, Krankheit und Unfällen, Arbeitsunfähigkeit und anderen Ereignissen laufende und einmalige Unterstützungen ohne Rechtsanspruch zu gewähren. Die Begünstigten sind nach § 4 Abs. 2 a. a. O. zu irgendwelchen Beiträgen nicht heranzuziehen. Das Vereinsvermögen wird durch freiwillige Zuschüsse der Bfin. und die anfallenden Zinsen aufgebracht.

Bei der Beschlußfassung der Hauptversammlung über die Jahresbilanz 1950 hat die Bfin. am 5. März 1952 beschlossen, der Unterstützungskasse 5.500 DM zuzuwenden, das sind etwas über 3 v. H. der durchschnittlichen Lohn- und Gehaltssumme (zusammen 525.477 DM) der letzten drei Geschäftsjahre. In der Abschlußbilanz auf den 31. Dezember 1950 hat die Bfin. eine Rückstellung von 5.500 DM für die Zuwendung an die Unterstützungskasse gebildet.

Das Finanzamt hat die Rückstellung bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1950 nicht anerkannt, weil die Unterstützungskasse am Bilanzstichtag noch nicht bestanden habe.

Die Berufung war ohne Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Es sei handelsrechtlich und steuerrechtlich nicht angängig, zu fingieren, daß der Zuwendungsempfänger, die betriebliche Pensions- und Unterstützungskasse, bereits am Bilanzstichtag bestanden habe. Die Zulässigkeit einer Rückstellung setze voraus, daß die Zuwendung, die nach Ablauf des betreffenden Wirtschaftsjahres bewirkt werde, wirtschaftlich das abgelaufene Geschäftsjahr betreffe. Das sei nicht der Fall, wenn der Zuwendungsempfänger am Stichtag der Jahresschlußbilanz noch nicht vorhanden und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, die Zuwendung zu empfangen und Leistungen an die Begünstigten zu bewirken. Bei den Gratifikationen, Tantiemen, Gewinnbeteiligungen usw., bei denen Gesetzgebung und Rechtsprechung die Rückbeziehung zugelassen haben, könne von einer Rückwirkung nur deswegen gesprochen werden, weil die bei der Feststellung des Jahresabschlusses beschlossene Aufwendung wirtschaftlich das abgelaufene Wirtschaftsjahr betreffe, da die Leistungsempfänger in diesem Jahr für das Unternehmen Dienste geleistet hätten, die die Veranlassung für die bei der Feststellung des Jahresergebnisses beschlossenen Aufwendungen bildeten. Eine Rückstellung könne begrifflich dann nicht gebildet werden, wenn die betriebliche Unterstützungskasse erst in der Zeit zwischen dem Bilanzstichtag des abgelaufenen Wirtschaftsjahres und der Feststellung des Jahresergebnisses ins Leben getreten sei und am Bilanzstichtag noch nicht festgestanden habe, ob eine solche überhaupt gegründet werde.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist im Gegensatz hierzu unter Bezug auf einen Aufsatz von van der Velde in der Wirtschaftsprüfung 1952 S. 328 und 352 der Auffassung, daß die Rückstellung zulässig sei. Nach diesem Aufsatz komme es darauf an, ob die Schuldverpflichtung bereits in der Wirtschaftsperiode verursacht sei. Dies sei bei ihr der Fall, da die Arbeitnehmer, für die die Unterstützungskasse gegründet worden sei, bereits Arbeitnehmer ihres Betriebes gewesen seien. Es sei auch nicht angängig, wenn das Finanzgericht die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Slg. Bd. 12 S. 231 und Slg. Bd. 17 S. 79, die die Rückbeziehung ausdrücklich zugelassen hätten, mit Rücksicht auf die Sonderbestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1920, 1922 nicht anwenden wolle. Es habe sich, wirtschaftlich betrachtet, seinerzeit um die gleiche Frage gehandelt; auch rechtlich sei kein Unterschied zu erkennen.

Der Senat hat den Bundesminister der Finanzen gebeten, den Beitritt zu dem Verfahren zu erwägen oder eine Stellungnahme abzugeben. Der Bundesminister der Finanzen hat lediglich Stellung genommen und hierbei im wesentlichen gleichartige Auffassungen vertreten, wie sie in der Entscheidung des Finanzgerichts enthalten sind. Beachtlich erscheinen folgende Ausführungen des Bundesministers der Finanzen:

"Es besteht auch kein Anlaß für eine Sonderbehandlung für Zuwendungen an solche betriebliche Unterstützungskassen, die erst nach dem Bilanzstichtag gegründet werden. Die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze stehen Neugründungen von Unterstützungskassen nicht entgegen. Steuerpflichtige, die eine betriebliche Unterstützungskasse gründen wollen, haben die Möglichkeit, sich vor Ablauf des Wirtschaftsjahres einen überblick über ihr Betriebsergebnis zu verschaffen und sich im Laufe des Wirtschaftsjahres zu entscheiden. Tun sie es nicht, so geht ihnen nichts verloren. Sie können dann vom Zeitpunkt der Gründung der Kasse ab mit betrieblicher Wirkung Zuwendungen an die Kasse vornehmen. Es tritt lediglich eine Verschiebung innerhalb der einzelnen Wirtschaftsperioden ein, die aber betriebswirtschaftlich richtig ist, weil Aufwand erst von dem Zeitpunkt ab vorliegt, in dem ihn der Steuerpflichtige durch den freiwillig gefaßten Beschluß veranlaßt hat. Das ist die Gründung der Unterstützungskasse, mit der der Unternehmer die sittliche Verpflichtung zur Bereitstellung von Mitteln für die Unterstützungskasse übernimmt".

Demgegenüber führt die Bfin. aus: "Die Feststellung des Herrn Bundesministers der Finanzen, daß sich Steuerpflichtige, die eine Unterstützungskasse gründen wollen, vor Abschluß des Geschäftsjahres einen überblick über das Betriebsergebnis verschaffen könnten, steht zu den Erfahrungen der Praxis im Widerspruch. Wie wir schon ausgeführt haben, ist es selbst bei einer bestorganisierten Buchhaltung oft erst Monate nach Schluß des Geschäftsjahres möglich, das Betriebsergebnis zuverlässig zu ermitteln. Auch die Behauptung, daß dem Steuerpflichtigen bei Zuweisung im folgenden Geschäftsjahr nichts verloren geht, entspricht oft nicht den Tatsachen. Im allgemeinen entschließen sich Unternehmen gerade im Anschluß an gute Geschäftsjahre zur Gründung einer Unterstützungskasse, da dann die erste kapitalmäßige Ausstattung der Kasse aus dem Ergebnis des vergangenen Geschäftsjahres am besten sichergestellt werden kann. Wollte man die Zuweisung zu Lasten dieses Geschäftsjahres steuerlich nicht anerkennen, würde man die Gründung von Unterstützungskassen beträchtlich erschweren".

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Nach der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 74/25 vom 14. Juli 1925, Slg. Bd. 17 S. 79, können die Voraussetzungen, unter denen Zuwendungen an Pensions- und dergleichen Kassen nach § 7 Ziff. 1 KStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen, bei der ersten Zuweisung für Pensionszwecke noch als erfüllt angesehen werden, wenn die über den Gewinn des Geschäftsjahres beschließende Generalversammlung zugleich mit der Zuwendung auch die Gründung der förmlichen Pensionskasse beschließt; die Gesellschaft muß nur sofort alle geeigneten Schritte tun, die Kasse zu bilden. Der erkennende Senat ist dieser Rechtsauffassung in der Entscheidung I 57/52 U vom 8. September 1953, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 344, für die Wirtschaftsjahre II/1948 und 1949 mit eingehender Begründung beigetreten. Im vorliegenden Falle ist das Wirtschaftsjahr 1950 in Streit befangen.

Wie in der Entscheidung I 57/52 U und auch in der Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen sowie der Bfin. zum Ausdruck kommt, ist die Entscheidung wirtschaftlich von beachtlicher Tragweite. Die Entscheidung I 57/52 U vertritt, wie die Bfin., die Auffassung, daß eine Ablehnung der Rückwirkung die Gründung der Pensions- und Unterstützungskassen wesentlich erschwert. Sie glaubt, gegenüber gewichtigen wirtschaftlichen Gesichtspunkten formal-rechtliche Bedenken zurückstellen zu sollen. Die Ausführungen der Rb. und des Bundesministers der Finanzen führen dazu, die rechtlichen Grundlagen einer Rückbeziehung nochmals zu überprüfen. Man wird die Rückbeziehung nur dann anerkennen können, wenn das geltende Steuerrecht unter Berücksichtigung der Grundsätze der dynamischen Bilanz über die Aufwandsverteilung eine entsprechende Rechtsauffassung möglich erscheinen läßt.

Die Unterstützungskassen dienen im Ergebnis der Altersversorgung der Betriebe, von denen sie gegründet werden. Sie nehmen den Betrieben eine zwar nicht vertraglich festgelegte, aber wirtschaftlich tatsächlich bestehende Last ab. Würde der Betrieb die Unterstützungskasse nicht gründen, so müßte er die Unterstützungen, die durch die Kasse bezahlt werden sollen, selbst tragen. Die Zahlungen an die Unterstützungskasse haben also ihre Veranlassung in einer am Bilanzstichtag bereits bestehenden Last des Betriebes, die auf die Kasse abgewälzt werden soll. Es handelt sich allerdings um freiwillige Leistungen, die ganz oder zum Teil möglicherweise erst in der Zukunft zu tätigen sind. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat in übereinstimmung mit dem erkennenden Senat in der Entscheidung IV 549/53 vom 31. Mai 1954, BStBl. III S. 222, die Möglichkeit einer Rückstellung für eine Pensionsverpflichtung anerkannt, bei der ein schriftlicher Vertrag noch nicht vorlag, sondern lediglich eine sittliche Verpflichtung, der sich der Unternehmer nicht entziehen zu können glaubte.

Die Last war somit für die Bfin. ihrem Grunde nach bereits am Bilanzstichtag gegeben. Siehe hierzu auch die Ausführungen in "Die Wirtschaftsprüfung" 1952 S. 498, wo gleichartige Auffassungen dargestellt werden. Es erscheint vertretbar, in dem umstrittenen Bilanzposten unter Anwendung der Grundsätze der Entscheidung IV 549/53 über das Ermessen des Kaufmannes bei wirtschaftlich unklaren Tatbeständen eine zulässige Rückstellung zu sehen, die dieser Last (Unterstützung der Arbeitnehmer) Rechnung trägt. Behauptet ein Kaufmann eine derartige Last für seinen Betrieb, so wird man allerdings an die Beweisführung einen strengen Maßstab stellen müssen. Für das Bestehen einer solchen Last wird es aber wie im vorliegenden Falle und im Falle der Entscheidung IV 549/53 sprechen, wenn in den anschließenden Wirtschaftsjahren die behauptete Verpflichtung tatsächlich erfüllt wird.

Des weiteren erscheinen auch folgende Erwägungen von Bedeutung.

Der Gesetzgeber hat in dem Gesetz vom 26. März 1952 (BStBl. 1952 I S. 227) die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag neu geregelt. Man wird davon ausgehen können, daß ihm die bisherige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und die Verwaltungsübung nicht unbekannt waren. Trotzdem hat der Gesetzgeber hieraus keine Folgerung gezogen. Das Gesetz bietet nach seiner Fassung keine Unterlage für eine änderung der alten Rechtsprechung.

Der Senat verbleibt auch bei erneuter Prüfung des Problems bei den in dem Urteil I 57/52 U vom 8. September 1953 ausgesprochenen Grundsätzen.

Im übrigen handelt es sich im Streitfall um eine Unterstützungskasse und um das Wirtschaftsjahr 1950. Nach § 4 des Gesetzes vom 26. März 1952 ist aber § 2 mit den Bestimmungen über die Zuwendungen an rechtsfähige Unterstützungskassen mit laufenden Leistungen ohne Rechtsanspruch der Leistungsempfänger oder mit Leistungen von Fall zu Fall erst für den Veranlagungszeitraum 1951 anzuwenden. Es wären also auch gleichartige Erwägungen beachtlich, wie sie hinsichtlich der Wirtschaftsjahre II/1948 und 1949 in der Entscheidung I 57/52 U ausgesprochen worden sind.

Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Würdigung unter Berücksichtigung der oben dargestellten Gesichtspunkte an das Finanzamt zurückgegeben.

 

Fundstellen

BStBl III 1954, 287

BFHE 1955, 203

BFHE 59, 203

DB 1954, 836

StRK, KStG:4/1/7 R 3

FR 1954, 567

NWB, F. 4 S.197 Nr. 23

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