Leitsatz (amtlich)

Bei der Anteilsbewertung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren zum 31. Dezember 1962 sind die Pensionsanwartschaften mit dem nach § 62a BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung ermittelten Wert anzusetzen.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 13 Abs. 2; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62a

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH mit einem voll eingezahlten Stammkapital. Das FA stellte durch Bescheid vom 30. Oktober 1964 den gemeinen Wert der GmbH-Anteile der Klägerin zum 31. Dezember 1962 nach dem sog. Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 ff. VStR 1963) auf 492 DM je 100 DM Stammkapital fest. Es legte der Ermittlung des Vermögenswerts den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1963 zugrunde. In diesem waren die Pensionsanwartschaften der beiden alleinigen Gesellschafter, die zugleich auch Geschäftsführer der Klägerin sind, nach § 62a Abs. 2 BewG mit 21 000 DM erfaßt.

Die Steuerpflichtige beantragte mit der Sprungklage, die Pensionsanwartschaften bei der Anteilsbewertung mit ihrem versicherungsmathematischen Gegenwartswert von 58 677 DM anzusetzen.

Das FG gab der Sprungklage statt und setzte den gemeinen Wert der Anteile auf 435 DM je 100 DM Stammkapital herab. Es führte in dem in den Entscheidungen der FG (EFG 1967, 112) veröffentlichten Urteil aus: Das Gesellschaftsvermögen sei bei der Anteilsbewertung nicht nach steuerlichen Vorschriften zu bewerten. Maßgebend sei vielmehr die Überlegung, wie ein Erwerber der Anteile das Vermögen der Steuerpflichtigen bewerten würde. Ein Erwerber der Anteile werde den Wert der Pensionsanwartschaften nicht nach § 62a BewG ermitteln, da diese vereinfachte Berechnung von dem nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelten Wert erheblich abweichen könne. Für ihn sei nur der versicherungsmathematische Wert von Interesse, da er dem Betrag entspreche, der zur Deckung der Verpflichtung am Stichtag erforderlich sei. Der Vermögenswert der Klägerin sei daher um den Unterschiedsbetrag des nach § 62a BewG ermittelten Werts von 21 000 DM zum versicherungsmathematischen Barwert von 37 677 DM zu kürzen.

Das FA begehrt mit der Revision die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Bei der Anteilsbewertung könne der echte Barwert der Pensionsanwartschaften, d. h. die abgezinste Verpflichtung aller nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit in Zukunft zu erwartenden Zahlungen, nicht berücksichtigt werden, da er nicht der Tatsache Rechnung trage, daß der Gegenwert, nämlich die Arbeitsleistung, künftig noch zu erbringen sei. Nach der Rechtsprechung des BFH sei der Anteilsbewertung nur der Barwert der Anwartschaften für die auf die abgelaufene Dienstzeit entfallenden Rentenanteile als Ausgangswert zugrunde zu legen; dieser Ausgangswert sei um bestimmte Abschläge zu mindern. Das habe der BFH erneut durch das Urteil III R 29/66 vom 20. Dezember 1968 (a. a. O.) bestätigt. Ausgangswert sei lediglich der Barwert der Anwartschaften für die auf die abgelaufene Dienstzeit entfallenden Rentenanteile. Die erdienten Rentenanteile betrügen im Streitfall 30 738 DM. Dieser Ausgangswert sei nach dem BFH-Urteil III 255/56 S vom 24. Januar 1958 (BFH 66, 376, BStBl III 1958, 146) wegen allgemeiner Unsicherheitsfaktoren zu kürzen. Da die Versorgungszusagen keine Vorbehalte enthielten und keine Fluktuation anzunehmen sei, sei der Abschlag auf 25 v. H. des Ausgangswerts zu bemessen. Die sich hiernach ergebende Belastung von rd. 23 000 DM weiche nur geringfügig von dem Wertansatz nach § 62a BewG von 21 000 DM ab und überschreite nicht die Korrekturgrenze in Abschn. 77 Abs. 2 VStR 1963. Der Gegenwartswert nach § 6a EStG könne zur Anteilsbewertung nicht herangezogen werden, da er nicht dem Teilwert entspreche.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie hält die Vorentscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet.

1. Der Senat hat bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens für Bewertungsstichtage vor dem 1. Januar 1960 Rückstellungen für Pensionsanwartschaften in Höhe des versicherungsmathematischen Barwerts für die bis zum Bewertungsstichtag erdienten Rentenanteile abzüglich eines Abschlags von 75 v. H. zum Abzug zugelassen. Der Abschlag von 75 v. H. sollte in Höhe von 25 v. H. den Unterschied zwischen dem bei Errechnung des Barwerts berücksichtigten Zinsfuß von 3,5 v. H. und dem für das Bewertungsrecht maßgebenden Zinsfuß von 5,5 v. H. ausgleichen und in Höhe von 50 v. H. den Unsicherheiten Rechnung tragen, die sich aus Vorbehalten in den Pensionszusagen, aus dem eigenkapitalähnlichen Charakter der Rückstellungsbeträge und aus dem Risiko der Entlassung von Arbeitnehmern wegen Abschwächung der Konjunktur, wegen Ausfuhrrückgangs oder aus sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben können (vgl. z. B. Urteile des Senats III 255/56 S, a. a. O., und III 209/65 vom 28. Juni 1968, BFH 93, 171, BStBl II 1968, 708, und die hierzu ergangenen Ländererlasse, wie z. B. Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. August 1960, BStBl II 1960, 164). Nach dem Urteil des Senats III R 18/67 vom 5. Juli 1968 (BFH 93, 178, BStBl II 1968, 710) war der Abschlag nur dann auf insgesamt 50 v. H. zu bemessen, wenn die Pensionszusagen keine Vorbehalte enthielten. Diese Grundsätze wurden für die Bewertungsstichtage zum 1. Januar 1960 und 1. Januar 1961 in die Verordnung über den Abzug von Rückstellungen für Pensionsanwartschaften bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens vom 15. August 1961 (BGBl I 1961, 1295, BStBl I 1961, 582) übernommen und auch auf Betriebe mit weniger als 100 Pensionszusagen ausgedehnt.

Für Stichtage ab dem 1. Januar 1962 sind Pensionsantwartschaften bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nach Maßgabe des § 62a BewG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift ist auf Vorschlag des Finanzausschusses (14. Ausschusses) des Deutschen Bundestages durch das Steueränderungsgesetz vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 444, 450) in das BewG eingeführt worden, um eine klare gesetzliche Regelung der Abzugsfähigkeit von Pensionsverpflichtungen zu schaffen. Die Vorschrift beruht auf den bisherigen Bewertungsgrundsätzen. Pensionsverpflichtungen dürfen bei der Einheitsbewertung nach § 62a Abs. 2 BewG bis zur Höhe des Betrages abgezogen werden, der sich nach der für das Alter des Pensionsanwärters am Bewertungsstichtag maßgebenden Vervielfältigung der Jahresrente ergibt, die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (Beginn der vorgesehenen Pensionszahlung) auf Grund des Versorgungsversprechens erworben werden kann. Der Vervielfältiger der Jahresrente ist nach dem Lebensalter des Anwärters am Bewertungsstichtag gestaffelt. Er gründet sich auf versicherungsmathematische Werte zur Errechnung des Barwerts der Anwartschaft auf Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 5,5 v. H., abgestellt auf ein planmäßiges Pensionsalter von 65 Jahren. Von ihnen wurde wurde für jedes bis zur Pensionierung noch ausstehende Dienstjahr bis zu einem Lebensalter von 60 Jahren ein Abschlag von 2,5 v. H. vorgenommen. Dieser Abschlag beruht auf der Erwägung, daß der Erwerber eines Betriebs die zu übernehmende Verpflichtung für künftige Pensionszahlungen stets danach beurteilen wird, wie hoch die eingegangene Verpflichtung ist und welche Zeitspanne noch bis zur Pensionszahlung besteht. Er wurde nach einem fiktiven Alter des Anwärters bei Eintritt in den Betrieb von 20 Jahren und einem fiktiven Pensionsalter von 60 Jahren berechnet, so daß auf jedes Dienstjahr durchschnittlich (60 Jahre - 20 Jahre = 40 Jahre: 100 : 40=) 2,5 v. H. der künftigen Jahresrente entfällt. Für jedes vom Stichtag aus gesehen noch abzuleistende Dienstjahr wird somit unabhängig vom tatsächlichen Eintrittsalter ein Abschlag von 2,5 v. H. gemacht. Durch diese Berechnung sind praktisch die noch zu erdienenden Rentenanteile mit dem jährlichen Durchschnittsertrag ausgeschieden. Nach Abzug einer weiteren Minderung wegen Fluktuation bei Lebensaltern von 20 bis 35 Jahren in Höhe von 13 bis O v. H. wurden die Vervielfältiger gemäß der nachstehenden Tabelle Spalten 1 und 2 in zwölf Altersgruppen durch Auf- und Abrundung vereinheitlicht. Sie wurden sodann unter Berücksichtigung des bisherigen 50 %igen Abschlags wegen der Unsicherheit in der Erfüllung der Pensionszusagen nochmals gekürzt, wobei jedoch der Abschlag mit zunehmendem Lebensalter geringer bemessen wurde, um einen gleitenden Übergang zu den mit Rentenbeginn einsetzenden Vervielfältigern des § 16 Abs. 2 BewG herzustellen (vgl. die nachstehenden Spalten 3 und 4):

Tabelle

Spalte 3 Spalte 4

Spalte 1 Spalte 2 Verviel- Korrigierte

Lebensalter Ursprüng- fältiger nach Verviel

von mehr licher Ver- Abschl. von fältiger nach

als ... bis vielfältiger 50 v. H § 62a BewG

30-38 1 0,5 0,5

38-43 2 1 1

43-47 3 1,5 1,5

47-50 4 2 2

50-53 5 2,5 3

53-56 6 3 4

56-58 7 3,5 5

58-60 8 4 6

60-62 9 4,5 7

62-63 10 5 8

63-64 10 5 9

64 11 5,5 10

(vgl. Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 62a BewG Anm. 11; Heubeck, BB 1961 S. 713, und Heissmann, DB 1961 S. 925).

2. Der bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens anzusetzende Wert der Pensionsverpflichtungen ist auch bei der Bewertung von GmbH-Anteilen nach dem sog. Stuttgarter Verfahren zugrunde zu legen. Das Stuttgarter Verfahren geht zur Ermittlung des Vermögenswerts der Gesellschaft vom Einheitswert des Betriebsvermögens aus (Abschn. 77 Abs. 1 VStR 1960 bis 1963). Die Wertansätze der im Einheitswert erfaßten Wirtschaftsgüter sind nach der Rechtsprechung des Senats nur dann zu korrigieren, wenn sie offensichtlich und in erheblichem Umfang von den Verkehrswerten der Wirtschaftsgüter abweichen. Das bedeutet, daß im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Vereinfachung des Schätzungsverfahrens die Ergebnisse der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens für die Anteilsbewertung übernommen werden, wenn die tatsächlichen Werte von Wirtschaftsgütern mit denen der Einheitsbewertung in etwa übereinstimmen (vgl. die Urteile des Senats III 359/61 vom 15. Oktober 1964, HFR 1965 S. 153; III R 122/67 vom 20. Dezember 1968, BFH 95, 280, BStBl II 1969, 373). Die Verwaltungsanweisung in Abschn. 77 Abs. 2 VStR 1960 bis 1963 sieht daher Korrekturen grundsätzlich nur vor, wenn diese insgesamt 10 v. H. des Gesamtvermögens der Gesellschaft ausmachen.

Mit diesen Grundsätzen hat der Senat in dem Urteil III R 29/66 vom 20. Dezember 1968 (a. a. O.) die nach der obigen Verordnung vom 15. August 1961 für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1960 maßgebende Berechnung der Pensionsverpflichtungen für die Anteilsbewertung zum 31. Dezember 1959 übernommen. Er hat der Ermittlung des Gesamtvermögens auch hier den versicherungsmathematischen Barwert der von den Pensionsanwärtern erdienten Rentenanteile zugrunde gelegt und diesen Wert um einen Abschlag von 50 v. H. gekürzt, weil die Unsicherheiten in den Pensionsvorbehalten, der eigenkapitalähnliche Charakter der Rückstellungsbeträge usw. bei der Anteilsbewertung in gleichem Umfang bestehen wie bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens. Die wirtschaftliche Belastung der Gesellschaft am Bewertungsstichtag wegen der künftigen Zahlungsverpflichtung läßt sich nur grob schätzen. Wie der Senat in dieser Entscheidung hervorgehoben hat, sind eingehende Untersuchungen über die Höhe des im Einzelfall angemessenen Risikoabschlags im Rahmen des Stuttgarter Verfahrens nicht möglich. An dieser Auffassung hält der Senat trotz der Einwendungen des FG fest.

Diese Erwägungen sind auch für den Abzug von Pensionsanwartschaften bei der Bewertung von GmbH-Anteilen zum 31. Dezember 1962 maßgebend. Der nach § 62a BewG ermittelte Wert der Pensionsverpflichtungen ist auch der Anteilsbewertung zugrunde zu legen, da er im wesentlichen auf den gleichen Grundsätzen beruht wie der Ansatz von Pensionsverpflichtungen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens und der Anteilsbewertung für frühere Stichtage. Der Gesetzgeber hat durch die positive Regelung in § 62a BewG eindeutig festgelegt, wie hoch der für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens maßgebende Teilwert der Pensionslasten im Sinne des § 12 BewG zu bemessen ist, d. h. wie hoch der Betrag ist, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Der Gesetzgeber hat sich also in § 62a BewG gegen den Wertansatz nach § 6a EStG und gegen die Berücksichtigung des vollen Barwerts der Pensionsanwartschaften ausgesprochen.

Der Senat hebt das angefochtene Urteil auf, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Anteilsbewertung des FA ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat weist deshalb die Klage ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69535

BStBl II 1971, 667

BFHE 1971, 537

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