Entscheidungsstichwort (Thema)

AfA-Abgrenzung zwischen Eigentümer und Nutzungsberechtigtem

 

Leitsatz (NV)

Schuldzinsen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG als Werbungskosten abziehbar, wenn der Zweck der Schuldaufnahme allein oder ganz überwiegend darin besteht, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen und die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet werden (Anschluß an BFH-Urteil vom 24. Januar 1989 IX R 111/84, BFHE 156, 131, BStBl II 1989, 706, m. w. N.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Schuldaufnahme der Finanzierung von Anschaffungskosten dient (Urteil vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, S. 511).

Der Eigentümer eines Objekts kann AfA und Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur in dem Umfang abziehen, in dem er den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht. Hinsichtlich einer vom Übergeber aufgrund des vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts genutzten Wohnung erfüllt nur dieser den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG. Insoweit sind Aufwendungen des Eigentümers vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen (Anschluß an BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628, m. w. N.).

 

Normenkette

EStG § 7b; EStDV §§ 11d, 10a

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 1980 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Der Klägerin wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29. Februar 1980 von ihrer Mutter ein Mietwohngrundstück unter folgenden Auflagen geschenkt: Die Mutter der Klägerin erhielt Zeit ihres Lebens ein unentgeltliches Wohnrecht an den von ihr bewohnten Räumen. Die Klägerin zahlte an ihren Bruder einen Abfindungsbetrag von . . . DM. Sie übernahm außerdem im Grundbuch eingetragene Belastungen in dinglicher und schuldrechtlicher Haftung. Im Grundbuch war eine Grundschuld von . . . DM eingetragen. Das Wohnrecht wurde zugunsten der Mutter der Klägerin mit einem Jahreswert von . . . DM bestellt und im Grundbuch eingetragen. Als Höchstbetrag des Wertersatzes im Falle des Erlöschens des Rechtes durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung wurden . . . DM eingetragen.

In ihrer Einkommensteuererklärung 1980 machten die Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin aus dem übertragenen Grundstück Absetzung für Abnutzung (AfA) unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von . . . DM und die Kosten für die Finanzierung des an den Bruder gezahlten Abfindungsbetrags geltend.

Das Finanzamt (FA) ging bei der Veranlagung zur Einkommensteuer von einem unentgeltlichen Erwerb des Grundstücks aus und gewährte AfA gemäß §§ 11 d, 10 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Den Abzug von Finanzierungskosten als Werbungskosten lehnte das FA ab. Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg.

Mit der Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Die Anschaffungskosten seien mit . . . DM festzustellen, dem geschätzten Verkehrswert des Grundstücks: . . . DM für die Übernahme der Grundschuld, . . . DM Zahlung an den Bruder der Klägerin, . . . DM für das Wohnrecht zuzüglich Nebenkosten des Erwerbes. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus, die Grundstücksübertragung sei eine Schenkung unter Auflagen. Bei der Bestellung des dinglichen Wohnrechts handele es sich nicht um eine Gegenleistung der Klägerin. Auch die übrigen von der Klägerin übernommenen Verpflichtungen seien lediglich eine Einschränkung der Schenkung. Wegen der Unentgeltlichkeit der Grundstücksübertragung seien die zur Finanzierung der Abfindung aufgewendeten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten berücksichtigungsfähig.

Dagegen richtet sich die Revision der Kläger. Sie rügen sinngemäß Verletzung der §§ 7 und 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Grundstücksübertragung sei in vollem Umfange entgeltlich erfolgt. Der Verkehrswert des Mietwohngrundstücks und die Summe der übernommenen bzw. auferlegten Lasten hätten in einem ausgewogenen Verhältnis gestanden. Selbst wenn man dies verneine, müsse zumindest ein teilweise entgeltlicher Erwerb angenommen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zu Unrecht hat das FG den Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin als voll unentgeltlichen Vorgang beurteilt. Es handelt sich hierbei um ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. Entgegen der Auffassung des FG ist es ohne Bedeutung, daß die von der Klägerin mit ihrer Mutter vereinbarte Schenkung unter Auflagen bürgerlich-rechtlich als voll unentgeltliches Rechtsgeschäft bewertet wird. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der vorweggenommenen Erbfolgeregelung nicht an die bürgerlich-rechtliche Wertung anzuknüpfen. Maßgebend ist vielmehr, ob der Übernehmer Aufwendungen für den Erwerb des Grundstücks zu erbringen hat. Sagt der Übernehmer Ausgleichszahlungen an Geschwister zu und übernimmt er Verbindlichkeiten, so ist die Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung einkommensteuerrechtlich ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. In Höhe der Gleichstellungsgelder und der übernommenen Verbindlichkeiten hat der Übernehmer Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Großen Senats im genannten Beschluß unter C II. 2. und 3.. Dagegen erwirbt der Übernehmer das Grundstück insoweit unentgeltlich, als sich der Übertragende an dem Vermögen ein Nutzungsrecht vorbehält. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Wie sich aus Abschn. C II. 1. Buchst. c der Gründe des Beschlusses des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 ergibt, wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten.

2. Rechtsfehlerhaft hat das FG auch den Abzug von Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin abgelehnt. Schuldzinsen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG als Werbungskosten abziehbar, wenn der Zweck der Schuldaufnahme allein oder ganz überwiegend darin besteht, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen und die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet werden (BFH-Urteil vom 24. Januar 1989 IX R 111/84, BFHE 156, 131, BStBl II 1989, 706, m. w. N.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Schuldaufnahme der Finanzierung von Anschaffungskosten dient (Urteil vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, S. 511).

3. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist aufzuheben. Der Klägerin sind für den Erwerb des Grundstücks in Höhe der an den Bruder gezahlten Abfindung und der übernommenen Verbindlichkeiten Anschaffungskosten entstanden. Anschaffungskosten sind auch die Notar- und Gerichtskosten; denn sie fallen an, um das Grundstück von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen. Soweit die Anschaffungskosten auf das Gebäude entfallen, bilden sie die Bemessungsgrundlage für die AfA (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 4 EStG). Außer der AfA auf eigene Anschaffungskosten kann die Klägerin auch die Aufwendungen für die Finanzierung der Abfindung als Werbungskosten absetzen.

4. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Das FG hat nicht festgestellt, in welcher Höhe die übernommene Grundschuld noch valutiert war. Außerdem hat es keine Feststellungen getroffen, die es ermöglichen, die Anschaffungskosten auf Grund und Boden und Gebäude aufzuteilen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61 BStBl II 1985, 252). Ebenso fehlen Feststellungen, um die der Klägerin für den unentgeltlich erworbenen Teil gemäß § 11 d EStDV zustehende AfA zu berechnen.

Im übrigen kann die Klägerin AfA und Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur in dem Umfang abziehen, in dem sie den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht. Hinsichtlich der von ihrer Mutter aufgrund des vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts genutzten Wohnung erfüllt nur diese den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG. Insoweit sind Aufwendungen der Klägerin vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628, m. w. N.). Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 522

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