Leitsatz (amtlich)

1. Aufwendungen für die Anschaffung eines Tonbandgeräts sind bei einem Richter auch dann Kosten der Lebensführung, wenn er das Tonbandgerät unter anderem für dienstliche Zwecke verwendet.

2. Eine Schreibmaschine, die ein Richter ganz überwiegend aus dienstlichen Gründen angeschafft und zu dienstlichen Zwecken benutzt, ist ein Arbeitsmittel. Die Absetzungen für Abnutzung gehören voll zu den Werbungskosten.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12 Nr. 1; LStDV § 20

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) ist im Jahr 1963 als Gerichtsassessor bei der Staatsanwaltschaft und beim Amtsgericht tätig gewesen. Er hat am 11. September 1963 ein Tonbandgerät zum Preis von rd. 860 DM und am 9. November 1962 eine Schreibmaschine zum Preis von rd. 890 DM angeschafft.

Beim Lohnsteuer-Jahresausgleich 1963 machte der Steuerpflichtige die Aufwendungen für das Tonbandgerät in vollem Umfang und von den Aufwendungen für die Schreibmaschine einen Teilbetrag von 150 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das FA ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu.

Im Klageverfahren beantragte der Steuerpflichtige, für das Tonbandgerät, das er zu etwa 20 v. H. privat nutze, 600 DM und für die Schreibmaschine 150 DM zum Abzug zuzulassen. Das FG erkannte für beide Geräte an, daß ihre Anschaffung der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung des Arbeitslohnes diene, nahm aber zugleich eine Nutzung für Zwecke der Lebensführung an. Was das Tonbandgerät angehe, so sei gerichtsbekannt, daß im Jahr 1963 noch nicht jeder Richter in B. mit einem Diktiergerät ausgerüstet gewesen sei. Was die Schreibmaschine angehe, so sei es für einen Richter oft schwierig, die anstehende Arbeit mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Gerichtskanzlei zu bewältigen. Häufig werde er sich nicht anders als durch den Erwerb einer eigenen Schreibmaschine helfen können, es sei denn, er entschließe sich, viele Voten und Urteile handschriftlich abzusetzen. Im Streitfall sei auch eine Trennung des beruflich genutzten Teils von der geringfügigen Privatnutzung im Hinblick auf die gerichtsbekannte Arbeitsbelastung eines im Probedienst stehenden Gerichtsassessors leicht möglich. Bei dem Tonbandgerät sei der private Nutzungsanteil auf 50 v. H. und bei der Schreibmaschine auf 10 v. H. zu schätzen. Die Nutzungsdauer des Tonbandgeräts sei mit vier Jahren, die Nutzungsdauer der Schreibmaschine mit fünf Jahren anzusetzen. Bei dem erst in der zweiten Hälfte des Streitjahres angeschafften Tonbandgerät seien demnach Werbungskosten von (860,90 DM abzüglich 50 v. H. Privatnutzung = 430,45 DM : 4 Jahre = 107,61 DM : 2 =) 53,80 DM zu berücksichtigen. Bei der Schreibmaschine kämen Werbungskosten von 160 DM in Betracht. Da der Steuerpflichtige aber nur 150 DM begehrt habe, sei auch nur dieser Betrag anzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Der Senat hat beschlossen, den Großen Senat des BFH anzurufen und ihm folgende Rechtsfragen zur Entscheidung nach § 11 Abs. 4 FGO vorzulegen:

1. Können Aufwendungen für Gegenstände der gehobenen Lebensführung Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch dann sein, wenn sich der berufliche Nutzungsanteil nicht leicht ermitteln läßt und/oder wenn er von untergeordneter Bedeutung ist?

2. Nach welchen Grundsätzen ist, wenn die Frage zu 1. bejaht wird, der anteilige berufliche Nutzungsanteil festzustellen?

Der Große Senat hat durch Beschluß Gr. S. 2/70 vom 19. Oktober 1970 (BFH 100, 309, BStBl II 1971, 17) wie folgt entschieden:

Wenn die Kosten der Anschaffung eines Wirtschaftsguts zu den in § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Aufwendungen für die Lebensführung gehören, ist eine Aufteilung in nicht abziehbare Aufwendungen für die Lebensführung und in Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur zulässig, wenn objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen, und wenn außerdem der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Wegen der Begründung wird auf den Beschluß Bezug genommen.

Die Prüfung der Revision unter Berücksichtigung der Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats führt zu folgendem Ergebnis:

1. Die Kosten für die Anschaffung des Tonbandgeräts gehören zu den Kosten der Lebenshaltung. Davon geht der Beschluß des Großen Senats aus. Das gleiche hat der erkennende Senat bereits für die Anschaffung eines Tonbandgeräts durch einen Lehrer in den Urteilen VI 183/57 U vom 6. Mai 1959 (BFH 69, 81, BStBl III 1959, 292) und VI 164/59 U vom 8. April 1960 (BFH 71, 70, BStBl III 1960, 274) angenommen. Der Senat hat zwar im Urteil VI 57/62 vom 24. August 1962 (HFR 1963, 57) ausgeführt, bei einem Musiklehrer könnten die Aufwendungen für die Anschaffung eines Tonbandgeräts voll als Werbungskosten berücksichtigt werden, da die berufliche Verwendung außer Frage stehe und die Benutzung für private Zwecke offenbar zurücktrete. Die Grundsätze dieses Urteils können aber auf den Streitfall nicht angewendet werden. Bei einem Musiklehrer gehört gerade die Aufnahme und Wiedergabe musikalischer Werke zu den Gegenständen seiner Berufsausübung. Zu diesem Zweck ist nur ein Tonbandgerät geeignet. Dieses ist bei ihm also ein Arbeitsmittel (vgl. dazu unter 2.). Anders liegt es jedoch, weil hier die eindeutige Beziehung zur beruflichen Tätigkeit fehlt, bei einem Richter. Bei ihm könnte wohl ein reines Diktiergerät, das für Musikaufnahmen nicht geeignet ist, als Arbeitsmittel angesehen werden, nicht aber ein Tonbandgerät, das in erster Linie für die Aufnahme und Wiedergabe von Musikwerken geeignet ist. Bei einem Richter ist ein solches Gerät ein Gegenstand, bei dem die Verwendung für Zwecke der Lebensführung im Vordergrund steht und auf dessen Anschaffungskosten § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG anzuwenden ist.

Der Senat nimmt mit dem FG an, daß der Steuerpflichtige das Tonbandgerät auch für dienstliche Zwecke genutzt hat. Trotzdem ist nach der Entscheidung des Großen Senats eine Aufteilung der Anschaffungskosten in nicht abziehbare Aufwendungen für die Lebensführung und in Werbungskosten nicht möglich, weil bei einem Tonbandgerät objektive Merkmale und Unterlagen für den dienstlichen und den privaten Nutzungsanteil nicht gegeben sind. Auch die Vorentscheidung läßt Anhaltspunkte für eine solche Aufteilung nicht erkennen. Sie hat den privaten Nutzungsanteil mit 50 v. H. angenommen, der Revisionsbeklagte hat ihn mit 20 v. H. angegeben. Es ist überhaupt nicht erkennbar, welche Gesichtspunkte für eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung, wie sie der Große Senat verlangt, herangezogen wurden oder herangezogen werden könnten. Die Aufteilung ist vielmehr eine reine griffweise Schätzung nach § 217 AO. Eine solche ist aber, wie in den Gründen des Beschlusses Gr. S. 2/70 dargelegt und im Rechtssatz der Sache Gr. S. 3/70 vom 19. Oktober 1970 (BFH 100, 317, BStBl II 1971, 21) nochmals ausdrücklich herausgestellt ist, keine geeignete Aufteilungsmethode. Da hiernach eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung des privaten und des dienstlichen Nutzungsanteils nicht möglich ist, muß eine Aufteilung der Anschaffungskosten unterbleiben; diese müssen in vollem Umfang zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung gerechnet werden.

2. Stehen bei der Anschaffung eines Gegenstandes, der auch privat genutzt wird, dienstliche oder berufliche Gründe stark im Vordergrund, so muß geprüft werden, ob die Anschaffungskosten überhaupt zu den Kosten der Lebensführung zu rechnen sind. Hierzu ist nach dem Beschluß des Großen Senats erforderlich, daß es sich funktionsmäßig um ein Wirtschaftsgut der Lebensführung handeln muß. Das ist zu verneinen, wenn es sich bei einem Gegenstand um ein Arbeitsmittel handelt. In Auslegung des Werbungskostenbegriffs des § 9 EStG ist in § 20 Abs. 2 Nr. 4 LStDV bestimmt, daß Aufwendungen für Arbeitsmittel zu den Werbungskosten gehören. Als Werbungskosten kommen allerdings nur die AfA in Betracht, wenn es sich um ein Wirtschaftsgut handelt, dessen Verwendung oder Nutzung durch den Arbeitnehmer zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt. Mit der Begründung, die berufliche Veranlassung der Aufwendungen stehe so entscheidend im Vordergrund, daß etwaige private Überlegungen für die steuerliche Beurteilung außer Betracht bleiben müßten, hat der erkennende Senat, wie unter 1. ausgeführt, im Urteil VI 57/62 vom 24. August 1962 (a. a. O.) ausgeführt, Aufwendungen für die Anschaffung eines Tonbandgeräts bei einem Musiklehrer könnten voll als Werbungskosten berücksichtigt werden, das Tonbandgerät also als Arbeitsmittel angesehen. Daß eine einem Arbeitnehmer gehörende Schreibmaschine, die dieser für dienstliche Zwecke verwendet, ein Arbeitsmittel sein kann, hat der erkennende Senat bereits im Urteil VI 6/61 U vom 9. April 1963 (BFH 76, 822, BStBl III 1963, 299) entschieden. Während hiernach ein Tonbandgerät nur ausnahmsweise und unter besonderen Umständen als Arbeitsmittel angesehen werden kann, wird dies bei einer Schreibmaschine weit häufiger möglich sein, da ihre funktionsmäßige Verwendung, selbst wenn der Eigentümer sie auch zur Erledigung der Privatpost benutzt, doch regelmäßig an den Betrieb oder den Beruf denken läßt und hiermit verknüpft ist. Etwas anderes würde allerdings dann gelten, wenn eine Schreibmaschine aus rein privaten Gründen angeschafft wurde und nur gelegentlich und im geringen Umfang zu dienstlichen Zwecken benutzt wird. Dann wäre ihre Eigenschaft als Arbeitsmittel zu verneinen und ein Wirtschaftsgut der Lebensführung anzunehmen, auf das § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG und die Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats anzuwenden wären.

Das FG hat im Streitfall ausgeführt, für einen Richter sei es oft schwierig, die anstehende Arbeit mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Gerichtskanzlei zu bewältigen. Häufig werde er sich nicht anders als durch den Erwerb einer eigenen Schreibmaschine helfen können. Gerichtsbekannt sei gerade auch die Arbeitsbelastung eines im Probedienst stehenden Gerichtsassessors. Bei dieser nicht zu beanstandenden und vom Revisionskläger auch nicht angegriffenen Würdigung kommt der erkennende Senat mit dem FG zu dem Ergebnis, daß es sich im Streitfall bei der Schreibmaschine um ein Arbeitsmittel handelt. Daß die Schreibmaschine in einem im einzelnen nicht feststellbaren, nach Lage der Sache aber offenbar untergeordneten Umfang auch zur Erledigung von Privatpost benutzt wird, hindert die Zuordnung zu den Arbeitsmitteln nicht, da bei der Anschaffung die dienstliche Veranlassung klar im Vordergrund stand und auch die laufende dienstliche Verwendung den Vorrang hat.

Bei dieser Sachlage besteht keine Veranlassung, wegen einer privaten Nutzung einen Teil der Anschaffungskosten von dem Abzug als Werbungskosten auszuschließen. Die Anschaffung ist als einheitlicher Vorgang zu beurteilen. Für eine Aufteilung fehlt es an einem Maßstab: sie liefe auf eine Schätzung ohne greifbare und prüfbare Anhaltspunkte und damit auf eine Lösung hinaus, die der Große Senat bei Gegenständen der Lebensführung durch einen Ausschluß der griffweisen Schätzung gerade vermeiden wollte.

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 327

BFHE 1971, 381

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