Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen eines Lehrers mit den Fächern Deutsch, Englisch und Politik/Gemeinschaftskunde für Bücher sind nicht schon deshalb Werbungskosten, weil er die Bücher auch für Zwecke des Unterrichts verwendet. Voraussetzung für die Berücksichtigung als Werbungskosten ist vielmehr, daß es sich um Arbeitsmittel handelt.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte unterrichtete im Streitjahr 1967 an einer kaufmännischen Berufs- und Berufsfachschule u. a. in den Fächern Deutsch, Englisch, Politik und Gemeinschaftskunde. Im Lohnsteuer-Jahresausgleich machte sie u. a. Aufwendungen für Bücher in Höhe von 1 001 DM geltend. Das FA erkannte nur Ausgaben für Fachliteratur in Höhe von 120 DM an. Mit der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage wurde die Berücksichtigung von Aufwendungen für Bücher in Höhe von 621 DM geltend gemacht.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG führte u. a. aus, die in der Anlage zur Klageschrift aufgeführten Bücher seien objektiv geeignet, der Vorbereitung des Unterrichts in den von der Revisionsbeklagten unterrichteten Fächern zu dienen. Bei den unter der Rubrik "Deutsch" aufgeführten Büchern handle es sich vorwiegend um moderne Literatur, wie sie für die Gestaltung eines Deutschunterrichts auch an einer Berufsschule benötigt werde. Die unter "Politik/Gemeinschaftskunde" aufgeführten Bücher beträfen ebenfalls Themen, die für eine Unterrichtung in diesem Fachbereich dienen könnten. Die damit vorhandene Beziehung zu der beruflichen Tätigkeit der Revisionsbeklagten genüge den Anforderungen, die gemeinhin an den Begriff der Werbungskosten als beruflich bedingte Aufwendungen gestellt würden. Die Beurteilung erfahre nicht schon dadurch eine Änderung, daß es sich um Bücher handle, die auch von zahlreichen anderen Steuerpflichtigen gekauft würden, die keine berufliche Verwendung dafür hätten. Denn es gebe keinen für das Steuerrecht gültigen Rechtssatz, wonach Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger für berufliche Zwecke tätige, deswegen nicht zu den Werbungskosten gerechnet werden könnten, weil andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen ohne berufliche Veranlassung machten. Aus dem Bereich der abzugsfähigen Werbungskosten könnten vielmehr nur solche Aufwendungen ausgeschieden werden, die in erster Linie die Lebensführung, die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen beträfen und nur in diesem Zusammenhang der Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienten (vgl. § 12 Nr. 1 EStG). Die somit erforderliche Abgrenzung zwischen Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG und Lebenshaltungskosten im Sinne des § 12 EStG werde naturgemäß in den Fällen schwierig sein, in denen die streitigen Anschaffungen auch von zahlreichen anderen Steuerpflichtigen getätigt würden, die dafür keine beruflichen Gründe hätten. In diesem Zusammenhang müsse auch dem Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung Rechnung getragen werden, der es verbiete, Ausgaben nur bei einem Teil der Steuerpflichtigen zu begünstigen, obwohl in nicht unerheblichem Umfang auch andere Steuerpflichtige solche Ausgaben hätten. Das FG vermöge sich der vom BFH u. a. im Urteil VI 39/56 U vom 5. Juli 1957 (BFH 65, 246, BStBl III 1957, 328) sowie vom FG Nürnberg im Urteil vom 25. Januar 1961 (EFG 1961, 394) vertretenen Auffassung nicht anzuschließen. Die genannten Entscheidungen gingen offenbar davon aus, daß in solchen Fällen nicht nachgewiesen werden könne, ob die Anschaffungen ausschließlich der Berufsausübung dienten. Denn es gehe nicht an, die Berücksichtigung von Werbungskosten lediglich deshalb zu versagen, weil im Einzelfall nicht auszuschließen sei, daß der Steuerpflichtige die Bücher auch verwende, um seinen persönlichen Neigungen nachzugehen. Es sei bereits sehr zweifelhaft, ob eine solche Trennung zwischen beruflicher Tätigkeit und persönlichen Neigungen in derartigen Fällen überhaupt vorgenommen werden könne. Denn einmal bringe es die Unterrichtung in Fächern wie Deutsch und Politik/Gemeinschaftskunde nun einmal mit sich, daß der Lehrer alle Bücher, die er über solche Themen lese, sogleich auf ihre Verwendbarkeit für Unterrichtszwecke prüfen werde. Abgesehen davon sei kaum anzunehmen, daß ein Lehrer, der aus beruflichen Gründen in erheblichem Umfange solche Literatur lesen müsse, darüber hinaus noch Zeit und Neigung habe, in nennenswertem Ausmaß Bücher aus diesen Gebieten zu lesen, bei denen von vornherein feststehe, daß sie für Unterrichtszwecke nicht verwendet werden könnten.

Mit der Revision beantragt der Revisionskläger (FA), das Urteil aufzuheben und die Lohnsteuer 1967 auf 1 975 DM festzusetzen. Das FG stelle sich zu Unrecht gegen die ständige Rechtsprechung des BFH. Seine Auffassung führe zu einer nicht mehr abgrenzbaren Ausweitung des Begriffs der Werbungskosten. Der Ausnahmefall, daß nämlich das völlige Abzugsverbot nicht gelte, wenn sich der Umfang der beruflichen Nutzung leicht und einwandfrei nach objektiven Merkmalen ermitteln lasse, liege im Streitfall nicht vor. Es sei für den Streitfall davon auszugehen, daß geistig rege Menschen sich auch dann mit Literatur beschäftigten, wenn von vornherein feststehe, daß diese nicht für den Beruf geeignet sei. Der Auffassung des FG, es sei anzunehmen, daß ein Lehrer, der aus beruflichen Gründen in erheblichem Umfang schöngeistige und zeitgeschichtliche Literatur lesen müsse, darüber hinaus weder Zeit noch Neigung habe, in nennenswertem Umfang Bücher aus diesen Gebieten zu lesen, könne nicht gefolgt werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Prüfung der Revision ergibt folgendes.

Der Große Senat des BFH hat im Beschluß Gr. S. 2/70 vom 19. Oktober 1970 (BFH 100, 309, BStBl II 1971, 17) entschieden, daß dann, wenn die Kosten der Anschaffung eines Wirtschaftsguts zu den in § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Aufwendungen für die Lebensführung gehören, eine Aufteilung in nichtabziehbare Aufwendungen für die Lebensführung und in Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur zulässig ist, wenn objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende, leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen, und wenn außerdem der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Nach der Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den nichtabzugsfähigen Lebenshaltungskosten auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Der Große Senat des BFH hat ausgeführt, von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG könnten nur solche Aufwendungen betroffen werden, die der privaten Lebensführung dienen, aber auch den Beruf fördern. Es bestehe deshalb weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum ein Zweifel darüber, daß die Bedeutung des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG in der steuerlichen Behandlung dieser gemischten Aufwendungen bestehe und der Gesetzgeber für diese Aufwendungen ein Aufteilungsverbot vorschreibe. Der Große Senat des BFH hat ferner darauf hingewiesen, daß das Aufteilungsverbot die Aufwendungen für solche Wirtschaftsgüter nicht betrifft, die Arbeitsmittel sind und bei denen deshalb die Voraussetzung des Aufteilungsverbots, daß es sich funktionsmäßig um ein Wirtschaftsgut der Lebensführung handelt, nicht vorliegt.

Andererseits können nach den Ausführungen des Großen Senats des BFH zu den Werbungskosten oder Betriebsausgaben auch Aufwendungen für solche Gegenstände gehören, die einwandfrei ausschließlich oder doch weitaus überwiegend beruflichen oder betrieblichen Zwecken dienen, auch wenn das nicht die für die Mehrzahl der Fälle in Betracht kommende Verwendungsart ist. Als Beispiele führte der Große Senat in dem Beschluß Gr. S. 2/70 (a. a. O.) den Föhn, den der Architekt im Büro zum Trocknen der Tusche benutzt, das Tonbandgerät im Fernsehstudio, das Konversationslexikon in einer gewerblichen Leihbücherei und das Segelboot, das nur den Arbeitnehmern des Betriebes zur Verfügung steht, an.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt folgendes:

Anders als in den bisher vom BFH entschiedenen Fällen handelt es sich im Streitfall nicht um Aufwendungen für einzelne Wirtschaftsgüter (vgl. BFH-Urteile VI 39/56 U vom 5. Juli 1957, a. a. O., betreffend ein Konversationslexikon "Der Große Brockhaus"; IV 127/60 U vom 5. April 1962, BFH 75, 279, BStBl III 1962, 368, betreffend eine Tageszeitung und einen "Großen Brockhaus", und VI R 31/68 vom 29. Januar 1971, BFH 101, 381, BStBl II 1971, 327, betreffend Tonbandgerät und Schreibmaschine bei einem Richter) oder um andere Aufwendungen einer bestimmten Art (Aufwendungen einer Musiklehrerin für Konzertbesuche im Urteil des Senats VI R 76/68 vom 8. Februar 1971, BFH 101, 393, BStBl II 1971, 368), sondern um Aufwendungen für eine Vielzahl einzelner Wirtschaftsgüter - nämlich Bücher -, die je für sich darauf untersucht werden müssen, wie sie nach den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats zu beurteilen sind. Denn es kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, daß alle angeschafften Bücher, die einen verschiedenen Inhalt haben und verschiedenen Gebieten angehören, in gleicher Weise zu beurteilen sind. Das FG hat allerdings für die Gesamtheit der angeschafften Bücher festgestellt, es handle sich um Bücher, die auch von zahlreichen Steuerpflichtigen gekauft werden, die keine berufliche Verwendung dafür haben. Diese pauschale Feststellung genügt aber nicht, um für das einzelne Buch eine den Grundsätzen des angeführten Beschlusses des Großen Senats des BFH gerecht werdende Eingruppierung vorzunehmen

Eine solche Einzeluntersuchung brauchte das FG von seinem Standpunkt aus nicht durchzuführen. Diesen Standpunkt vermag der Senat aber nicht zu teilen, weil er den vom Großen Senat des BFH entwickelten Grundsätzen nicht gerecht wird. Daß die angeschafften Bücher objektiv geeignet sind, der Vorbereitung des Unterrichts in den von der Revisionsbeklagten unterrichteten Fächern zu dienen, genügt nicht, um die Anschaffungskosten zu den Werbungskosten zu rechnen. Vor allem bei den unter der Rubrik "Deutsch" aufgeführten Büchern handelt es sich nicht um reine Fachbücher, sondern um solche Bücher, die - auch nach der Feststellung des FG - auch von zahlreichen anderen Personen als Lehrern gekauft und gelesen werden. Solche Bücher werden nicht dadurch zu Arbeitsmitteln, daß der Lehrer sie zur Vervollkommnung seiner Allgemeinbildung anschafft, die er seinen Schülern zu vermitteln hat. Eine solche Auffassung widerspricht den Grundsätzen über Inhalt und Bedeutung des § 12 Nr. 1 EStG, wie sie vom Großen Senat des BFH entwickelt wurden. Der Gesetzgeber geht, wie der Große Senat ausgeführt hat, davon aus, daß, wenn einmal eine der Lebensführung dienende Aufwendung vorliegt, die gleichzeitige Förderung des Berufs nicht beachtet wird.

Bei den unter der Rubrik "Politik/Gemeinschaftskunde" aufgeführten Büchern ist diese Beurteilung nicht in allen Fällen so klar. Das gleiche gilt für die unter der Rubrik "Englisch" aufgeführten Bücher. Es mögen sich darunter solche befinden, die nach den Grundsätzen des angeführten Beschlusses des Großen Senats des BFH als Arbeitsmittel anzusehen sind.

Das FG hat ausgeführt, es verkenne nicht, daß bei seinem Standpunkt für Lehrer mit den Fächern Deutsch, Politik und Gemeinschaftskunde insofern eine gewisse Besserstellung gegenüber anderen Steuerpflichtigen eintreten könne, als hier Aufwendungen zum Abzug zugelassen würden, die die große Zahl der anderen Steuerpflichtigen nicht absetzen dürfe. Solche Erscheinungen seien jedoch auch bei anderen Berufen zu beobachten. Sie rechtfertigten es nicht, den Werbungskostenbegriff in einer besonderen Weise für solche Berufe einzuschränken. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Im Gegenteil soll, wie der Große Senat des BFH im Beschluß Gr. S. 2/70 (a. a. O.) ausgeführt hat, durch § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG und das sich hieraus ergebende Aufteilungsverbot gerade verhütet werden, daß Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewußt herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für ihre Lebensführung nur deshalb zum Teil in einen einkommensteuerlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen entsprechenden Beruf haben, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssen. Aus diesen Überlegungen hat der Senat u. a. im Urteil VI R 76/68 vom 8. Februar 1971 (a. a. O.) entschieden, daß Aufwendungen einer Musiklehrerin für Konzertbesuche nichtabzugsfähige Aufwendungen für die Lebensführung sind, weil ihnen, obwohl sie dem Beruf der Steuerpflichtigen förderlich sind, der eindeutig berufliche Charakter fehlt. Die Auffassung des FG würde zu einer mit dem Gesetz nicht zu vereinbarenden Ausweitung des Werbungskosten- und Betriebsausgabenbegriffs führen.

Das Urteil des FG, das, von einem unrichtigen Ausgangspunkt ausgehend, die Aufwendungen für alle streitigen Bücker zu den Werbungskosten gerechnet hat, kann hiernach keinen Bestand haben. Ebensowenig können aber diese Aufwendungen ohne weiteres in vollem Umfang zu den Lebenshaltungskosten gerechnet werden. Es muß vielmehr für die einzelnen Bücher untersucht werden, ob es sich um Gegenstände der Lebensführung oder um Arbeitsmittel handelt. Dabei kommt es auf die Anwendung gerade im Streitfall an. So kann ein Buch der Rubrik "Deutsch", das seiner Art nach zur schöngeistigen Literatur oder zur gehobenen Unterhaltungsliteratur zu rechnen ist, etwa durch den Nachweis der Steuerpflichtigen, daß sie das gleiche Buch zweimal besitzt, einmal für Unterrichtszwecke und einmal zur privaten Lektüre, durchaus zum Arbeitsmittel werden.

Für das einzelne Buch ist aber eine Aufteilung der Anschaffungskosten in Lebenshaltungskosten und Werbungskosten nicht möglich, weil es an objektiven Merkmalen und Unterlagen für eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung fehlt. Eine Aufteilung im Wege der griffweisen Schätzung ist aber, wie der Große Senat im Beschluß Gr. S. 2/70 (a. a. O.) sowie im Beschluß Gr. S. 3/70 vom 19. Oktober 1970 (BFH 100, 317, BStBl II 1971, 21) ausdrücklich festgestellt hat, nicht zulässig, weil das zu einer weitgehenden allgemeinen Nichtanwendbarkeit des gesetzlichen Aufteilungs- und Abzugsverbots führen würde.

Die Sache war an das FG zurückzuverweisen, das die angeführten Einzelfeststellungen zu treffen haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413237

BStBl II 1972, 723

BFHE 1972, 59

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