Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Verpflichtet sich der Veräußerer eines mit einer HGA belasteten Grundstücks gegenüber dem Erwerber zur Entrichtung der nach dem Eigentumsübergang fälligen Zins- und Tilgungsleistungen und beantragt der Veräußerer erst nach vollzogener übereignung einen Erlaß dieser Abgabeleistungen nach § 131 AO, so ist der Erlaß wegen Fehlens der öffentlich-rechtlichen Schuldnereigenschaft des Veräußerers unzulässig.

 

Normenkette

LAG § 111 Abs. 1, 3, § 123 Abs. 2; AO §§ 131, 252, 239

 

Tatbestand

Der Bf., der geschäftsführender Gesellschafter einer OHG war, hat im Jahre 1936 ein Grundstück gekauft, das unter anderem mit einem Wohnhaus und einer Arbeitshalle bebaut war. Die Arbeitshalle ließ der Bf. für die Zwecke der OHG umbauen. Zur Deckung dieser Kosten nahm der Bf. bei der Mutter und Schwester seiner Frau Darlehen auf, die durch Grundschulden gesichert wurden. Der Einheitswert wurde nach Umbau der Arbeitshalle fortgeschrieben. Die Darlehen der Schwiegermutter und Schwägerin des Bf. wurden in der Bilanz der OHG als Schuldposten ausgewiesen. In der Vermögensaufstellung der OHG auf den 1. Januar 1946 sind die Darlehen angegeben worden.

Das Grundstück grenzte an der Westseite mit einer Länge von 50 m an eine Werft. Die Werft plante im Jahre 1939 eine Erweiterung ihrer Anlagen, in die das Grundstück des Bf. und das angrenzende Grundstück seines Bruders einbezogen werden sollten. Nach Ausbruch des Krieges wurde der beabsichtigte Kauf der beiden Grundstücke auf die Zeit nach dem Kriege verschoben, auf ihrem eigenen Gelände aber begann die Werft mit der Durchführung ihres Bauvorhabens. Sie ließ in einem geringen Abstand von dem Grundstück des Bf. eine 5 m tiefe Baugrube ausheben, was zur Folge hatte, daß das Wohnhaus und die Arbeitshalle ihre Standfestigkeit verloren und baufällig wurden. Auf Anordnung der Baupolizei mußte das Wohnhaus im Jahre 1941 abgerissen werden. Die Arbeitshalle wurde behelfsmäßig instand gesetzt, damit in dieser vorläufig weitergearbeitet werden konnte. Nach diesen Veränderungen wurde der Einheitswert des Wohnhauses auf den 1. Januar 1942 fortgeschrieben und die ganze Fläche des Grundstücks als Bauland bewertet. Die Arbeitshalle wurde als "Gebäude ohne Grund und Boden" fortgeschrieben. In den Jahren 1944 und 1945 wurden die auf dem Grundstück noch vorhandenen Gebäude und die maschinellen Einrichtungen des Betriebs durch Bombenangriffe vollständig zerstört. Zum 21. Juni 1948 ist der Einheitswert des Grundstücks auf 6.000 DM fortgeschrieben und der Einheitswert für die Arbeitshalle auf 0 DM festgestellt worden.

Nach Ausscheiden von zwei Gesellschaftern aus der OHG wurde diese ohne Auflösung zwischen dem Bf. und seinem Bruder fortgesetzt. Die Firma wurde nach Mitteilung des Amtsgerichts nicht geändert. Am 15. Juni 1948 ist auf einem gepachteten Grundstück ein Wäschereibetrieb durch die OHG eröffnet worden. Die OHG reichte dem Finanzamt eine auf den Eröffnungsstichtag aufgestellte RM-Bilanz ein, die gleichzeitig als RM-Schlußbilanz (RMSB) auf den 19. (20.) Juni 1948 gelten sollte, da nach Angaben der OHG zwischen den beiden Stichtagen keine Geschäftsvorfälle vorgekommen seien. Gleichzeitig legte die OHG eine DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) auf den 21. Juni 1948 vor. In der RMSB wurden die bisher in voller Höhe als Betriebsschulden behandelten Darlehen der Schwiegermutter und Schwägerin des Bf. nur noch in Höhe von 9.000 RM und in der DMEB mit dem umgestellten Betrag von 900 DM als Schuldposten ausgewiesen. Die gesamte Restdarlehnsschuld gegenüber der Schwiegermutter und der Schwägerin ist in den Vermögensteuererklärungen auf den 1. Januar 1949 weder von dem Bf. noch von seinem Bruder mit dem 1/10-Betrag als Schuld angegeben worden. Dazu erklärte die OHG in einem Schreiben vom Februar 1953, daß infolge der Totalzerstörung des Betriebs eine Rückzahlung der Darlehen nicht stattgefunden habe. Um aber die Schwiegermutter und Schwägerin zu entschädigen, seien sie zu stillen Gesellschaftern, die am Gewinn mit je 5 % beteiligt seien, gemacht worden. Die OHG gab den ihr übersandten Vordruck für die Erklärung und Feststellung der KGA unausgefüllt mit dem Bemerken zurück, sie habe keinen Kreditgewinn gehabt.

Durch Urteil des Finanzgerichts vom Oktober 1960 sind die Abgabeschulden des Bf. gegenüber der Veranlagung niedriger festgesetzt worden. Dabei wurden die Grundschulden teilweise als Privatschulden behandelt. Bei der Berechnung des Kriegsschadens wurde von den zusammengerechneten Einheitswerten vor dem Schadensfall ausgegangen und dieser Wert dem Einheitswert vom 21. Juni 1948 in Höhe von 6.000 DM gegenübergestellt. Dies ergab eine gegenüber der bisherigen höhere Schadensquote. Das Urteil des Finanzgerichts ist unanfechtbar geworden.

über das Vermögen der OHG ist im August 1957 das Konkursverfahren eröffnet und die Firma nach Durchführung des Verfahrens im November 1958 im Handelsregister gelöscht worden. Im Mai 1959 verkaufte der Bf. das mit der HGA belastete Grundstück zusammen mit dem von seinem Bruder geerbten Nachbargrundstück zu einem Gesamtpreis von 30.000 DM. Nach § 2 des Kaufvertrags erfolgte die übereignung frei von etwa entstandenen öffentlichen Lasten nach dem LAG - HGA -. In § 5 des Kaufvertrags wurde dazu vereinbart, daß der Erwerber keine Verbindlichkeit, die sich aus dem LAG ergeben würde, übernehme und Verbindlichkeiten dieser Art von dem Bf. zu erfüllen seien. Als Tag der übergabe des Grundstücks wurde der 15. Juni 1959 vereinbart (ß 3 Abs. 1 des Kaufvertrags). Die Umschreibung auf den Erwerber im Grundbuch ist im August 1959 vorgenommen worden.

Dem Bf. sind alle Zins- und Tilgungsleistungen, die bis Ende des Jahres 1958 fällig wurden, in vollem Umfang erlassen worden. über den Erlaß der Zins- und Tilgungsleistungen vom 1. Januar 1959 bis zum übergang des Grundstücks auf den Erwerber (15. Juni 1959) solle nach einer Mitteilung des Finanzamts entschieden werden, wenn die Verwaltungsanordnung für den Erlaßzeitraum 1959 bis 1961 ergangen sei. Im Dezember 1960 beantragte der Bf., ihm den dann noch verbleibenden Restbetrag der Abgabeschulden, deren Zins- und Tilgungsleistungen nach dem übergang des Grundstücks auf den Erwerber fällig würden und die nach dem Kaufvertrag von ihm weiter zu entrichten seien, wegen Totalverlustes seines Vermögens zu erlassen. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab.

Im Beschwerde- und Berufungsverfahren machte der Bf. geltend, er erhalte entgegen rechtsstaatlichen Grundsätzen keine Entschädigung nach den Vorschriften des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG). Mit Rücksicht darauf ging es nicht an, seinen vollständigen Vermögensverlust dadurch zu erhöhen, daß er mit einer HGA belastet werde. Es stelle auch eine Härte dar, wenn dem Einheitswert vom 21. Juni 1948 als Vergleichswert ein Wert gegenübergestellt werde, der das abgerissene Wohnhaus nicht enthalte. Die Berechnung des Hypothekengewinns und die Berechnung des Schadens müßten von gleichen Voraussetzungen ausgehen. Bei der Berechnung des Hypothekengewinns werde von der Belastung des Grundstücks am 20. Juni 1948 ausgegangen. Die Belastung sei aber zu einer Zeit vorgenommen worden, als das Wohnhaus noch vorhanden gewesen sei und der Sicherung der damals eingegangenen Verbindlichkeiten gedient habe. Es müsse deshalb auch bei der Berechnung des Schadens dem Einheitswert vom 21. Juni 1948 derjenige Einheitswert gegenübergestellt werden, der bei der Vornahme der Grundstücksbelastung bestanden habe, das sei der um den Einheitswert des Wohnhauses erhöhte Wert, so daß sich ein höherer Vergleichswert ergeben würde. Wenn auch die Hinzurechnung des Einheitswerts des zerstörten Wohnhauses im LAG nicht ausdrücklich vorgesehen sei, so müsse sie aus dem Sinn der gesetzlichen Regelung hergeleitet werden. Der Abbruch des Wohnhauses, der durch die Baumaßnahmen der Werft erforderlich geworden sei und für den es nach den Vorschriften des AKG keine Entschädigung geben würde, sei mit einem Kriegssachschaden im Sinne des LAG wesensgleich. Mit Rücksicht auf diese Gleichsetzung rechtfertige sich eine Einbeziehung des Einheitswerts des Wohnhauses in den vor Eintritt des Schadensfalles maßgebenden Einheitswert mit der Folge, daß sich die Schadensquote erhöhe.

Beschwerde und Berufung blieben erfolglos. Die Vorinstanz führte aus:

Dem Antrag des Bf., die Schadensquote höher festzustellen, könne nicht gefolgt werden, da das HGA-Verfahren unanfechtbar abgeschlossen sei. Die Aufbringung der nach dem Verkauf des Grundstücks fällig werdenden Abgabeleistungen bis zur endgültigen Tilgung der Abgabeschuld sei Sache des Erwerbers, weil die HGA als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhe und mitübergegangen sei. Es sei ohne Bedeutung, wenn beim Verkauf eines mit HGA belasteten Grundstücks eine von dem übergang der öffentlichen Last auf den Erwerber abweichende Vereinbarung getroffen werde. Durch Ablehnung des Erlaßantrags sei daher kein Ermessensverstoß begangen worden.

Mit der Rb. wiederholt der Bf. im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Bf. hat das mit der HGA belastete Grundstück im Mai 1959 verkauft. Als Tag der übergabe gilt der 15. Juni 1959. Die Umschreibung auf den Erwerber im Grundbuch ist im August 1959 erfolgt. Der Bf. hat den Antrag auf Erlaß der Abgabeschuld erst im Dezember 1960, demnach lange nach Verkauf des Grundstücks, gestellt. Selbst wenn man seine Eingabe an den Bundesminister der Finanzen vom September 1959 als Erlaßantrag ansieht, so ist auch dieser nach übereignung des mit HGA belasteten Grundstücks gestellt worden. Ein Erlaß nichtrückständiger HGA ist nur möglich, wenn der Antragsteller im Zeitpunkt der Stellung seines Antrags noch Abgabeschuldner für die künftig fälligen Zins- und Tilgungsleistungen ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die HGA ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück, und der Eigentümer haftet persönlich nur für die während der Dauer seines Eigentums fälligen Leistungen (ß 111 Abs. 1 und 3 LAG). Die noch nicht getilgte HGA-Schuld bleibt auf Grund ihres dinglichen Charakters auch nach einer Eigentumsübertragung an dem belasteten Grundstück bestehen. Die öffentlich-rechtliche persönliche Haftung des bisherigen Eigentümers endet mit Ausnahme der rückständigen Abgabeleistungen im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs und beginnt von da ab für den Erwerber hinsichtlich der nach der übereignung des Grundstücks während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Leistungen. Dem HGA-Gläubiger steht von diesem Zeitpunkt ab gegenüber dem Veräußerer kein auf die Entrichtung der nach der übereignung fälligen Zins- und Tilgungsleistungen gerichteter öffentlich-rechtlicher Anspruch zu. Er ist deshalb ihm gegenüber auch nicht in der Lage, ihm diese Leistungen zu erlassen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der im Gegensatz zu § 436 BGB getroffenen Vorschrift des § 123 Abs. 2 LAG. Danach haftet der Verkäufer des Grundstücks für die Freiheit des Grundstücks von der in § 111 Abs. 1 LAG bezeichneten öffentlichen Last. Jedoch bleibt die Wirkung abweichender Vereinbarungen über die Haftung unberührt (ß 123 Abs. 3 LAG). Diese Vorschrift regelt abweichend von der Regelung des BGB das bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Grundstücks, und zwar nicht im Hinblick auf das dingliche Erfüllungsgeschäft, sondern auf die Gewährleistungsansprüche aus dem schuldrechtlichen Kaufvertrag. Die Privatrechtliche Vereinbarung des Bf. in dem Kaufvertrag, die die nach dem Eigentumsübergang fällig werdenden Abgabeleistungen betrifft, hat weder einen Einfluß auf die Beendigung der öffentlich-rechtlichen Haftung nach § 111 Abs. 3 LAG im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs noch auf die Entstehung dieser Haftung in der Person des Erwerbers für die während der Dauer seines Eigentums fälligen Leistungen. Allein diesem gegenüber kann der HGA-Gläubiger die während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Abgabeleistungen geltend machen, nicht aber dem Bf. gegenüber. Ein Erlaß dieser HGA-Leistungen ist somit nach dem Eigentumsübergang nur noch dem Erwerber gegenüber möglich, wenn in dessen Person die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Mangels eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses ist dies dem Bf. gegenüber nicht möglich. Auch der Umstand, daß das Rechtsmittelverfahren, das die Heranziehung des Bf. zur HGA zum Gegenstand hatte, erst im Oktober 1960, also nach Verkauf des belasteten Grundstücks, zum Abschluß gekommen ist, kann zu keiner anderen Entscheidung führen. Ein Abgabeschuldner ist berechtigt, gleichzeitig ein Rechtsmittel in der Sache selbst einzulegen und Erlaß zu begehren (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V z 166/56 U vom 20. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 118, Slg. Bd. 66 S. 308). Der Bf. hätte demnach die Möglichkeit gehabt, noch rechtzeitig vor Verkauf des Grundstücks im Mai 1959 einen Erlaßantrag zu stellen, über den in einem gesonderten Verfahren sachlich hätte entschieden werden können, wobei dahingestellt bleibt, ob dem Erlaßantrag hätte gefolgt werden können. Ein Eingehen auf die Einwendungen des Bf. ist aber in diesem Verfahren mit Rücksicht darauf nicht möglich, weil der auf die künftig fälligen Abgabeleistungen gerichtete Erlaßantrag zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, zu dem das Eigentum an dem Grundstück bereits auf den Erwerber übergegangen war. Da eine Beschwer im Sinn einer öffentlich-rechtlichen Haftung für die nach dem Eigentumsübergang fälligen Zins- und Tilgungsleistungen nicht vorliegt, hätte die Oberfinanzdirektion die Beschwerde als unzulässig verwerfen müssen. Die Rb. mußte unter diesen Umständen als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411830

BStBl III 1966, 60

BFHE 1966, 166

BFHE 84, 166

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