Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

 

Leitsatz (NV)

Zahlungen an einen Mitgesellschafter, durch die es dem zahlenden Gesellschafter ermöglicht wird, seine Gesellschafterrechte wahrzunehmen, können Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sein.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 20

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erbte 1977 von seiner Mutter einen Geschäftsanteil von nominal 2 Mio. DM an der ...-GmbH (GmbH). Die GmbH hatte damals ein Stammkapital von 4,2 Mio. DM.

Zum Ausgleich des gegen ihn von seiner Schwester, Frau M, geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs trat der Kläger ihr einen Geschäftsanteil im Nennwert von 300000 DM ab.

Für den Fall der Erbfolge sah der Gesellschaftsvertrag vor, daß mehrere Erben, Vermächtnisnehmer oder Nachfolgeberechtigte der drei vorhandenen Stämme - ein Stamm bestand aus dem Kläger und Frau M - einen gemeinsamen Bevollmächtigten zu bestellen hätten. Bis zur Bestellung des Bevollmächtigten ruhen alle Rechte der Rechtsnachfolger des verstorbenen Gesellschafters, mit Ausnahme des Gewinnbezugsrechts. Für die Gesellschafterversammlungen im Januar 1984 und 1985 sowie im März 1986 konnten sich der Kläger und seine Schwester über eine Stimmrechtsübertragung oder eine gemeinsame Bevollmächtigung nicht einigen, so daß ihre Stimmrechte ruhten.

Am 29. Juli 1986 schloß der Kläger mit seiner Schwester einen Vertrag, wonach Frau M ihrem Bruder sämtliche Rechte - ausgenommen das Gewinnbezugsrecht - aus ihren Anteilen für die Dauer von fünf Jahren, beginnend mit dem 1. Juli 1986, zur treuhänderischen Wahrnehmung übertrug. Gleichzeitig garantierte der Kläger seiner Schwester für diesen Zeitraum einen - an den Lebenshaltungskostenindex gekoppelten - Kaufpreis von 500000 DM für deren Geschäftsanteile und verpflichtete sich zu ihrer Übernahme. Ferner wurde vereinbart:

Für den Zeitraum von fünf Jahren garantiert Herr X Frau M eine sechsprozentige Verzinsung auf den Kaufpreis von 500000 DM (= 10% von nominal 300000 DM Geschäftsanteile). Die seitens der Gesellschaft ausgezahlte Dividende wird hierauf in Anrechnung gebracht. Sollte die Dividende den gemäß dieser Vereinbarung fälligen Zinsbetrag übersteigen, verbleibt der überschießende Betrag Frau M ....

1987 hatte der Kläger infolgedessen an seine Schwester, Frau M, 18000 DM zu zahlen, die vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers berücksichtigt wurden. Im Streitjahr 1988 zahlte der Kläger Frau M einen Betrag von 30000 DM, den das FA im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigte. Nach vergeblichem Einspruch erhob der Kläger Klage, die er u.a. wie folgt begründete:

Die Ausgleichszahlung stelle eine Gegenleistung für die übertragenen Rechte dar. Die Zahlung sei ausschließlich deshalb erfolgt, um die Sicherung der Stimmrechte und damit die Einwirkung auf einen Gewinnverwendungsbeschluß herzustellen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1992, 181). Zur Begründung führt das FG im wesentlichen aus:

Die streitige Zahlung des Klägers an seine Schwester für die Übertragung der Rechte aus ihren Anteilen an der GmbH sei in erster Linie dazu bestimmt gewesen, das bisherige satzungsmäßige Ruhen der Stimmrechte zu beenden und auf die Geschäftspolitik der GmbH aktiv Einfluß ausüben zu können. Entsprechend der Bedeutung des Stimmrechts habe die Zahlung damit der Beeinflussung des Ausschüttungsverhaltens der Gesellschaft, aber auch der Sicherung und Erhaltung der in der Beteiligung bestehenden Vermögenssubstanz gedient. Letztlich zielte die Zahlung des Klägers darauf ab, seine gesellschaftsrechtliche Stellung in der GmbH auszubauen und dort durch entsprechende Stimmrechtsausübung größeren Einfluß zu nehmen.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Recht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen (§§ 9 Abs. 1, 20 EStG) berücksichtigt.

Aufwendungen sind Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn sie durch die Erzielung von Einnahmen im Rahmen des § 20 EStG veranlaßt sind (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Mai 1993 VIII R 7/91, BFHE 171, 495, BStBl II 1993, 832; vgl. ferner BFH-Urteile vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, 116, BStBl II 1982, 37, und vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934); es muß erkennbar ein Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und den Erträgen bestehen, die durch die Überlassung von Kapital zur Nutzung erzielt werden sollen.

Dabei geht es hier entgegen der Ansicht des FA nicht um den Zusammenhang zwischen den streitigen Aufwendungen und Erträgen aus den Geschäftsanteilen, die der Kläger seiner Schwester - Frau M - übertragen hat. Aus dem Vertrag vom 29. Juli 1986 ergibt sich zwar, daß der Kläger diese Anteile zurückerwerben wollte. Mit den Anteilen wären die Erträge daraus verbunden. Das genügt aber nicht, die streitigen Zahlungen im Zusammenhang mit zukünftigen Erträgen aus diesen Anteilen zu sehen (zu den Voraussetzungen vorab entstandener Werbungskosten vgl. BFH-Urteil in BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37; Giloy, Betriebs-Berater 199, 1708). Das FG hat keinerlei Anzeichen dafür festgestellt, daß Frau M ihren Geschäftsanteil ihrem Bruder - dem Kläger - verkaufen wollte.

Der Zusammenhang der streitigen Aufwendungen mit den Erträgen des Klägers aus seinem eigenen Geschäftsanteil an der GmbH reicht unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalles aus, eine Veranlassung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu bejahen. Der Kläger wurde durch die Zahlungen an seine Schwester in die Lage versetzt, seine Gesellschafterrechte wahrzunehmen und damit auf die Geschäftsführung und das Ausschüttungsverhalten der GmbH Einfluß zu nehmen sowie zur Sicherung und Erhaltung der Beteiligung beizutragen. Von diesen Feststellungen des FG geht der Senat aus; sie sind von der Revision nicht in zulässiger und begründeter Weise angegriffen worden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Die Aufwendungen haben nicht den Charakter von (nachträglichen) Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung. Bejahendenfalls wären sie allerdings vom Abzug als Werbungskosten im Rahmen des § 20 EStG ausgeschlossen (BFH-Urteile vom 19. Mai 1992 VIII R 16/88, BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902, zu 2.: in BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934 m.w.N.). Eine gewisse Ähnlichkeit mit Anschaffungskosten mag zwar insofern zu sehen sein, als die Aufwendungen es dem Kläger erst ermöglichen, seine Gesellschafterrechte auszuüben. Die Gesellschafterrechte sind grundsätzlich mit dem Geschäftsanteil verbunden. Sieht man sie als Bestandteil des Geschäftsanteils und die Aufwendungen somit als auf den Geschäftsanteil geleistet, dann wären sie keine Werbungskosten. Im Streitfall führt die besondere gesellschaftsrechtliche Gestaltung jedoch dazu, die Reaktivierung der ruhenden Gesellschaftsrechte von dem Geschäftsanteil im übrigen getrennt zu beurteilen. Das gilt entsprechend für die zu diesem Zweck gemachten Aufwendungen.

Diese Aufwendungen gleichen laufenden Verwaltungskosten. Sie haben ihren Grund letztlich in der Regelung des Gesellschaftsvertrags, wonach die Gesellschafter eines Stammes sich auf einen Bevollmächtigten einigen müssen, damit jeder Stamm auch nach einer Aufsplitterung der Anteile infolge einer Erbfolge weiter einheitlich auftritt. Die Gesellschafter eines Stammes sind mithin für die Dauer ihrer Beteiligung genötigt, die Bevollmächtigung zu regeln. Diese Situation stellt sich für sie laufend oder wiederholt, je nachdem, für welchen Zeitraum die Bevollmächtigung erteilt wurde. Dabei sind wechselnde unterschiedliche Interessen auszugleichen. Im Streitfall z.B. veranlaßte dies den Kläger, seiner Schwester einen bestimmten Ertrag zu garantieren. Denkbar ist aber auch, daß ein Gesellschafter laufende Zahlungen an den Bevollmächtigten für die Vertretung leistet.

Ging es daher bei den streitigen Aufwendungen um laufende Aufwendungen zur Wahrnehmung der Gesellschaftsrechte, so ist ihre Berücksichtigung als Werbungskosten nicht dadurch gehindert, daß die Gesellschafterrechte selbst nicht nur den Zweck haben, auf den Gewinn und die Ausschüttungen der GmbH Einfluß zu nehmen, sondern sich auch auf den Erhalt und den Bestand des Geschäftsanteils selbst beziehen (vgl. z.B. §§ 26, 46, 53, 60 Abs. 1 Nr. 2,66 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Der BFH hat es bei den Verwaltungskosten eines Wertpapierdepots nicht als dem Werbungskostenabzug hinderlich angesehen, wenn Ziel der Verwaltung auch die Sicherung und Erhaltung des Kapitalstammes selbst ist (vgl. Urteile vom 4. Mai 1993 in BFHE 171, 495, BStBl II 1993, 832, und VIII R 89/90, BFH/NV 1994, 225).

Das FA ist unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 16. April 1991 VIII R 100/87 (BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234) zwar der Ansicht, daß die streitigen Aufwendungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt seien und deshalb nicht zu Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen führen könnten. Eine allgemeine Aussage dieser Art enthält die Senatsentscheidung jedoch nicht. Es ging darin einmal um die Berücksichtigung des Verlustes der Kapitalforderung selbst als Werbungskosten im Rahmen des § 20 EStG. Das war abzulehnen, weil der Verlust die private Vermögenssphäre betraf. Zum anderen ging es um die Berücksichtigung des Verlustes im Rahmen des § 17 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung. Das Kriterium der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung bei der Hingabe des Darlehens bezog sich dabei auf den Einsatz des Darlehensbetrags selbst. Es diente nicht der Abgrenzung zur Veranlassung durch die Erzielung von Kapitaleinkünften (§ 20 EStG), sondern als Voraussetzung für den Zusammenhang mit der Einkunftsart des § 17 EStG. Dieser war zu bejahen, wenn ein Nichtgesellschafter das Risiko des Darlehensverlustes nicht eingegangen wäre. In diesem Sinne sind die hier streitigen Aufwendungen nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt. Sie bezwecken allerdings zunächst die Wahrnehmung der Gesellschaftsrechte und dies zudem durch einen Gesellschafter der GmbH. Entscheidend ist aber der dahinterstehende Zweck, auf die Geschäftsführung und damit die Gewinnerzielung bei der GmbH und auf ihr Ausschüttungsverhalten im eigenen Interesse Einfluß zu nehmen. Davon muß der Senat nach den Feststellungen des FG ausgehen (§ 118 Abs. 2 FGO).

Das FA meint, eine Veranlassung der streitigen Aufwendungen durch die Einnahmen aus der Beteiligung scheide auch deswegen aus, weil gerade das Gewinnbezugsrecht des Klägers vom Ruhen der Gesellschaftsrechte ausgenommen war. Dadurch mangelt es jedoch allenfalls an einem unmittelbaren Bezug zu den Erträgen aus der GmbH. Indessen können auch mittelbare durch die Einnahmen veranlaßte Aufwendungen Werbungskosten sein (BFH-Urteil vom 4. Juli 1986 VI R 227/83, BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771).

Das FA ist ferner der Auffassung, das FG habe unberücksichtigt gelassen, daß den Aufwendungen nicht entsprechende Mehr-Ausschüttungen gegenüberstanden, mithin die Überschußerzielungsabsicht gefehlt habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Für den Kläger ging es entscheidend nicht um die Erträge aus der Beteiligung seiner Schwester, sondern um die aus seinem eigenen Geschäftsanteil. Der Kläger durfte zwar auch die Gesellschaftsrechte der Frau M wahrnehmen. Jedoch war das Gewinnbezugsrecht der Frau M davon ausgeschlossen; außerdem durfte der Kläger diese Rechte nur treuhänderisch, d.h. vornehmlich im Interesse der Frau M und nicht in seinem Eigeninteresse, ausüben (vgl. dazu allgemein Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 39 der Abgabenordnung - AO 1977 - Rdnr. 16). Es ist schließlich auch nicht einzusehen, daß den Aufwendungen nur evtl. Mehrerträge gegenüberzustellen sein sollen. Die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte hatte in gleicher Weise die Sicherung der bisherigen Gewinnausschüttungen zum Ziel.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 618

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