Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die notwendige Einzelbewertung der Waren läßt, abgesehen von im wesentlichen gleichartigen Waren, keinen Pauschalabzug zur Ermittlung des Teilwertes zu.

Der Ansatz des Teilwertes ist eine Frage der Beweiswürdigung und der tatsächlichen Feststellungen.

 

Normenkette

BewG § § 12, 66 Abs. 1, 4, §§ 10, 109/1, § 109/4

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1953, 1954 und 1955 die betragsmäßige Bewertung des Warenlagers, von dessen bereits durch Einzelabschläge geminderten Gesamtwert der Bf. jeweils 10 % abziehen will, um auf diese Weise den Teilwert für das Betriebsvermögen zu ermitteln.

Der Bf. hat ein Einzelhandelsgeschäft für Berufs- und Arbeitskleidung, Sportkleidung und andere Textilien. Er hatte seine Waren zum 31. Dezember 1952 teilweise mit den Einkaufspreisen und teilweise mit den niedrigeren Teilwerten bewertet. Die Herabsetzung machte bei dem Warenlager mit 97.431 DM Einkaufspreisen 2.938 DM aus. Von dem so ermittelten Werte zog er 10 % ab. In den Inventuren zum 31. Dezember 1953 und 1954 sind die zum niedrigeren Teilwert bewerteten Waren lediglich gekennzeichnet, der Einkaufspreis ist nur aus der Lagerkartei zu ermitteln. Eine Begründung für die Bewertung mit dem niedrigeren Teilwerte fehlt. Von dem Gesamtwert zog der Bf. 10 % ab und setzte den verbleibenden Betrag als endgültigen Teilwert der Waren an.

Dem Finanzamt wurde dieser Tatbestand durch eine Betriebsprüfung bekannt. Es erkannte den Abzug von 10 % des Gesamtwertes nicht an. Nach seiner Auffassung seien die Herabsetzung der einzelnen Gegenstände auf den niedrigeren Teilwert ausreichend, zumal die Waren nur geringen modischen Einflüssen unterlägen. Ein allgemeiner Abschlag vom Warenlager sei nicht zulässig. Der Abschlag von 2.938 DM zum 1. Januar 1953 (etwa 3 %) sei als angemessen zugelassen worden. In den beiden folgenden Inventuren dürften entsprechende Abschläge vorgenommen und als ausreichend anzusehen sein. Das Finanzamt erhöhte daher den Warenwert zu den drei streitigen Stichtagen um 9.449 DM, 9.304 DM und 6.061 DM und stellte die Einheitswerte des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1953 auf 44.000 DM, zum 1. Januar 1954 auf 23.000 DM und zum 1. Januar 1955 auf 14.000 DM fest.

Demgegenüber hielt der Bf. pauschale Abschläge bei der Warenbewertung für zulässig. Er verwies auf das Abgleiten der Preise nach der Saison und auf die Wertminderung durch Lagerung.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Im Berufungsverfahren begehrte der Bf. nur noch den Pauschalbetrag von 10 % des Einkaufspreises, nachdem er zunächst beantragt hatte, die Einheitswerte des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1953 auf 37.000 DM, zum 1. Januar 1954 auf 14.000 DM und zum 1. Januar 1955 auf 9.000 DM festzustellen (also zweifacher Abschlag).

Das Finanzgericht hat ein Gutachten der Industrie- und Handelskammer über die Bewertung der Waren im Betriebe des Bf. jeweils auf den 1. Januar eingeholt. Im Gutachten wird ausgeführt, bei einem Warenlager an Berufs- und Arbeitskleidung und - zum kleineren Teil - an sonstigen Textilien widerspreche ein pauschaler Abschlag der erforderlichen Einzelbewertung. Das Warenlager des Bf. sei nicht als gleichartig zu betrachten. Diesen Standpunkt vertrete auch die Berufsvertretung des Textileinzelhandels. Die Unzulässigkeit eines pauschalen Bewertungsabschlages bedeute aber nicht die völlige Verweigerung einer Teilwertbewertung. Für die hier streitigen Stichtage sei eine Einzelbewertung nicht mehr möglich, da die dazu erforderlichen Vermerke fehlten. Es sei also Schätzung erforderlich. Zum 31. Dezember 1957 habe die Einzelbewertung nach den Angaben des Bf. zu einem Abschlage von 9,3 % (des Warenlagers nach Einkaufspreisen) geführt.

Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht führte aus: Waren seien regelmäßig mit dem Wiederbeschaffungspreis am Stichtage anzusetzen, der unter Umständen bis zum Materialwert absinken könne. Diesen Grundsätzen sei der Bf. nur in der Inventur zum 31. Dezember 1952 durch ersichtliche Einzelabschläge gefolgt. Die beiden folgenden Inventuren enthielten lediglich eine Kennzeichnung der Waren, bei denen ein niedrigerer Teilwert gerechtfertigt sei, ohne überzeugenden Nachweis dafür, daß tatsächlich die höheren Einkaufspreise angesetzt seien. Eine Ermittlung des Teilwertes der Waren durch einen allgemeinen Abschlag vom Gesamtwerte widerspreche der notwendigen Einzelbewertung. Die vom Bf. in den drei Inventuren vorgenommenen Einzelbewertungen mit dem Teilwert ohne Pauschalabzug dürften die Wertverhältnisse richtig wiedergeben.

Mit der Rb. wiederholt der Bf. seinen ersten Berufungsantrag, den er dann wieder einschränkt. Er weist darauf hin, auch in der Vergangenheit bei den Inventuren 10 % des Einkaufspreises unbeanstandet abgesetzt zu haben. Er habe davon ausgehen können, daß seine Wareninventuren den Anforderungen der Steuerverwaltung genügten. Ein Pauschalabzug von 10 % entspreche der Summe der Einzelabschläge von 9,3 % bei der Inventur 1957.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Rechtlicher Ausgangspunkt für die Warenbewertung ist § 66 Abs. 1 BewG. Danach sind Waren mit dem Teilwert anzusetzen, dessen Begriffsbestimmung sich wiederum aus § 12 BewG ergibt (Hinweis auf den Erlaß des Reichsministers der Finanzen S 3300 - 670 III vom 25. Juni 1936, RStBl 1936 S. 721). Der Teilwert richtet sich in der Regel nach dem Wiederbeschaffungspreise am Bewertungsstichtage (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 74/39 vom 4. Juni 1940, RStBl 1940 S. 1067). Bei schwer verkäuflichen und minderwertig gewordenen Waren liegt der Teilwert unter den Beschaffungskosten. Für die Bewertung der Aktiven und der Passiven eines Betriebsvermögens gilt nach § 66 Abs. 4 BewG der Grundsatz der Einzelbewertung (Urteile des Bundesfinanzhofs III 161/54 S vom 26. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 314, Slg. Bd. 65 S. 206, und III 345/57 S vom 8. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 83, Slg. Bd. 70 S. 222). Daraus folgt, von welcher Seite aus man den Abschlag vom Einkaufspreise auch betrachten mag, die Unzulässigkeit eines einheitlichen Pauschalabzuges für alle Waren; die Inventur muß den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen (vgl. Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 1883 - 1885/34 vom 1. Februar 1933, RStBl 1933 S. 1062). Bei der Bewertung können im wesentlichen gleichartige Waren zusammengefaßt werden (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 1756/32 vom 5. Juli 1933, RStBl 1933 S. 763); alsdann ist auch ein Pauschalabzug vom Einkaufspreis zur Errechnung des Teilwertes möglich. In einer solchen Zusammenfassung liegt kein unzulässiger Verstoß gegen die Einzelbewertung, die grundsätzlich Rechtsprechung und auch das vom Finanzgericht eingeholte Gutachten der Industrie- und Handelskammer bejahen. Hier handelt es sich aber nicht um gleichartige, sondern um verschiedenartige Waren, von denen der Bf. einen Pauschalabzug vornahm. Das vom Bf. im Einspruchsverfahren angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs I 42/39 vom 10. Oktober 1939 (RStBl 1940 S. 577) paßt nicht auf den vorliegenden Fall. Der dortige Pauschalabzug hatte den Zweck, das Risiko der Lagerhaltung eines Großglashandelsunternehmers auszugleichen, nicht aber die Anschaffungspreise der gesamten Warenvorräte auf einen niedrigeren Teilwert herabzusetzen.

Die Schätzung des Teilwertes ist eine Frage der freien Beweiswürdigung und der tatsächlichen Feststellung (vgl. Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 128 - 129/35 vom 6. Mai 1936, RStBl 1936 S. 849). Wenn das Finanzgericht in übereinstimmung mit der Betriebsprüfung zu dem Ergebnis kam, daß die von dem Bf. in den drei fraglichen Inventuren vorgenommenen Bewertungen ohne Berücksichtigung des Pauschalabschlags den Teilwert richtig wiedergeben, so lassen diese Ausführungen keine Ermessensverletzung erkennen. Zum 31. Dezember 1952 bestehen insoweit überhaupt keine Bedenken, nachdem der Bf. selbst eine individuelle Teilwertabschreibung vorgenommen hat. In welchem Umfange Einzelteilwertabschreibungen zu den beiden nachfolgenden Stichtagen erfolgten, läßt sich infolge der mangelhaften Aufzeichnungen des Bf. nicht mehr nachweisen. Zu einer zusätzlichen Schätzung entsprechend dem Inventurergebnis zum 31. Dezember 1957 besteht keine Veranlassung. Denn

ist diese vom Bf. vorgenommene Einzelbewertung zum 31. Dezember 1957 steuerlich nicht nachgeprüft worden,

ist nicht dargetan, daß die Verhältnisse 1957 denen der hier streitigen Stichtage entsprechend, und

dürften zum 31. Dezember 1953 und 31. Dezember 1954 bereits Einzelabschreibungen vorgenommen worden sein; zum 31. Dezember 1952 ist dies unstreitig.

Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz zur überzeugung gekommen ist, daß die vom Bf. beantragten Pauschalabschläge in den tatsächlichen Verhältnissen nicht begründet sind. Eine weitere Prüfung der Höhe des Teilwertes ist dem Bundesfinanzhof nach § 288 AO untersagt (vgl. Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 128 - 129/35 a. a. O.).

Wenn sich der Bf. schließlich darauf beruft, das Finanzamt habe in übereinstimmung mit früheren Betriebsprüfungen in der Vergangenheit einen 10 - prozentigen Pauschalabschlag vom Einkaufspreise zugelassen und sei daher nach Treu und Glauben daran gebunden, so kann dem nicht zugestimmt werden. Der Bf. hat selbst zum 31. Dezember 1952 diese Methode verlassen, indem er 2.938 DM Einzelabschläge vornahm, und wohl entsprechend in den nachfolgenden Inventuren verfuhr. Es ist auch aus den Akten nicht ersichtlich, wie in den vergangenen Jahren die Inventurwerte ermittelt wurden. Die Finanzverwaltung hatte sich jedoch keinesfalls derart festgelegt, daß sie verpflichtet wäre, weiterhin eine unrichtige Bewertung zuzulassen. Der Rechtsgedanke des Urteils des Reichsfinanzhofs VI 374/38 vom 10. August 1938 (RStBl 1938 S. 888), auf das sich der Bf. beruft, greift daher nicht durch, wobei die Frage dahingestellt bleiben kann, in welchem Umfange bewußte Nichtbeanstandungen in vergangenen Steuerabschnitten die Finanzverwaltung für später binden. Schließlich mußte der Bf. selbst wissen, daß in seiner Branche für Waren eine Einzelbewertung erforderlich ist, wie sich aus dem Gutachten der Industrie- und Handelskammer, zu dem die Berufsvertretung des Textileinzelhandels gehört wurde, ergibt. Eine Anfrage bei seiner Fachvertretung hätte ihm jederzeit Klarheit über die Notwendigkeit einer Einzelbewertung verschafft.

 

Fundstellen

BStBl III 1962, 510

BFHE 1963, 664

BFHE 75, 664

StRK, BewG:12 R 15

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