Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird die Teilwertabschreibung auf Waren damit begründet, daß die Wiederbeschaffungskosten unter den Anschaffungskosten liegen, so sind an den Nachweis dann strenge Anforderungen zu stellen, wenn der allgemeine, für diese Waren maßgebende Preisspiegel nicht nachhaltig gesunken ist; die Preise für einzelne Sonderangebote nach Ablauf der Saison oder für Ausverkaufsware bleiben außer Betracht.

2. Wertminderungen, z. B. durch Unmodernwerden, lange Lagerung, Beschädigung oder Verstauben, rechtfertigen jedenfalls bei branchenüblich sortiertem Warenlager eine Teilwertabschreibung in der Regel nur insoweit, als die am Bilanzstichtag erzielbaren Verkaufspreise die Selbstkosten (Anschaffungskosten zuzüglich der Verwaltungs- und Vertriebskosten = kalkulatorischer Unkostenaufschlag) nicht erreichen.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6/1/2

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewertung des Warenlagers eines Textileinzelhandelsunternehmens an den Bilanzstichtagen vom 31. Dezember 1951, 31. Dezember 1952, 31. Dezember 1953 und 31. Dezember 1954.

Der Steuerpflichtige (Stpfl.), der den Gewinn nach § 5 EStG ermittelt, betreibt ein gutgehendes Einzelhandelsunternehmen für Damen- und Herrenoberbekleidungsstoffe mit einem vorbildlich sortierten Warenlager. Das Warenlager besteht aus einer großen Anzahl nach Farbe, Muster oder Gewebe verschiedener Stoffe. Wegen der Entwertung der Warenarten durch modisches Risiko, Verschnitt, lange Lagerung und Beschädigung sowie wegen niedrigerer Wiederbeschaffungskosten nahm der Stpfl. von den Anschaffungskosten der einzelnen Stoffe Teilwertabschreibungen in Höhe von 54,1 % für 1951, 55,2 % für 1952, 64,1 % für 1953 und 38,7 % für 1954 vor. Das Finanzamt setzte den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend in den Berichtigungsveranlagungen der Streitjahre (ß 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO) die Steuerbilanzwerte für das Warenlager mit Beträgen an, die durchschnittlichen Pauschalabschlägen auf die der Höhe nach unbestrittenen Anschaffungskosten von 30 % für die Jahre 1951 bis 1953 und 20 % für 1954 entsprachen. In der Berufung räumte das Finanzamt ein, daß auch für 1954 ein Teilwertabschlag von 30 % gerechtfertigt sei.

Das Finanzamt hielt die Abschläge des Stpfl. für überhöht, weil, wenn seine Bewertung richtig wäre, die an den Bilanzstichtagen vorhandenen Waren, die etwa ein Viertel des jährlichen Wareneinsatzes ausmachten, weit unter des Einstandspreisen hätten verkauft sein müssen. Zahlreiche Stichproben hätten aber ergeben, daß der Stpfl. den Einstandspreis nur bei einzelnen Stoffen nicht erreicht habe, dagegen der größte Teil der Waren ohne nennenswerte Umsatzverluste veräußert worden sei. Der Stpfl. habe bei Ermittlung der Wiederbeschaffungskosten zu Unrecht die reguläre Lagerware mit Waren verglichen, die für Schlußverkäufe bezogen worden seien. Ein Teil dieser für Schlußverkäufe bestimmten Artikel sei in den Rechnungen ausdrücklich als II. Wahl unter Ausschluß des Rechts auf Mängelrügen angeboten worden. Ein anderer Teil habe nach Auflage der Hersteller als II. Wahl verkauft werden müssen. Eine überprüfung von Hunderten von Angeboten habe ergeben, daß die angebotenen Stoffe in Mustern und Farben nicht mit den Lagerbeständen übereinstimmten. Abschläge seien deshalb nur bei den Waren gerechtfertigt, die wegen änderung der Mode oder aus sonstigen Gründen besonders billig hätten verkauft werden müssen.

Der Stpfl. ist der Auffassung, daß seine Bewertung des Warenlagers den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen kaufmännischen Einzelbewertung, die alle wertmindernden Umstände berücksichtigen müsse, entspreche. Bei dem Umfang des Warenlagers könnten etwa 10 v. H. der Waren nicht oder nicht zu regulären Preisen verkauft werden. Die Teilwertabschläge seien nach den an den Bilanzstichtagen geltenden niedrigeren Wiederbeschaffungskosten, die meist nur ein Drittel der regulären Preise betragen hätten, gerechtfertigt. Entscheidend sei nicht die Bezeichnung der Waren durch die Lieferanten, sondern ausschließlich die tatsächliche Beschaffenheit. Bei den als II. Wahl bezeichneten Stoffen habe es sich stets um Stoffe I. Wahl gehandelt. Der Prüfer des Finanzamts hätte eine Einzelbewertung vornehmen müssen und nicht pauschal bewerten dürfen. Wenn die Abschläge schon pauschal ermittelt worden seien, so würde den tatsächlichen Verhältnissen ein Abschlag von wenigstens 50 % gerecht. Für 1954 verlange er wie in der Handelsbilanz einen Abschlag von 38,7 %.

Die Sprungberufung des Stpfl. hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht bestätigte im wesentlichen die Schätzung der Teilwertabschreibungen des Finanzamts. Es ging davon aus, daß bei dem überwiegenden Teil der Waren die Anschaffungskosten nicht angesetzt werden könnten, weil modische Einflüsse und andere wertmindernde Umstände bei der Eigenart des Betriebes des Stpfl. eine große Bedeutung hätten. Der Stpfl. führe aber auch Waren, die modischen Einflüssen entzogen seien und bei der heutigen Preisentwicklung Preissteigerungen unterlägen. Das Finanzgericht hielt eine Bewertung mit den vom Stpfl. als Wiederbeschaffungspreise angesehenen Beträgen nicht für gerechtfertigt. Das Finanzamt habe mit Recht die Teilwerte der Waren geschätzt. Der Umstand, daß der Stpfl. für die Schlußverkäufe Stoffe besonders preiswert bezogen habe, könne nicht den Teilwert seines ganzen Warenlagers beeinflussen; denn es habe sich hierbei nicht um Marktpreise, sondern um Vorzugspreise gehandelt. Das Finanzamt sei auch berechtigt gewesen, Pauschalabschläge zu machen. Die Höhe der Schätzung des Finanzamts könne nur insoweit beanstandet werden, als es die haltlose Annahme, der Wert des Warenbestandes sei durch Absprachen von Mischpreisen zwischen dem Stpfl. und seinen Lieferanten manipuliert worden, zum Nachteil des Stpfl. verwertet habe. Das Gericht halte unter Ausschaltung dieser nicht zutreffenden Erwägungen und unter Würdigung aller Umstände einen durchschnittlichen Teilwertabschlag von 35 % für gerechtfertigt.

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts legten der Vorsteher des Finanzamts Rb., der Stpfl. Anschlußbeschwerde ein. Der Vorsteher des Finanzamts rügt, das Finanzgericht habe zu Unrecht den Teilwertabschlag um 5 % auf 35 % erhöht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht sei klar zum Ausdruck gebracht worden, daß die Behauptung der Vereinbarung von Mischpreisen nicht aufrechterhalten werde und bei der Schätzung auch nicht berücksichtigt worden sei. Die Auffassung des Finanzgerichts, die Mischpreise hätten bei der Schätzung eine Rolle gespielt, widerspreche dem Akteninhalt.

Der Stpfl. rügt Verkennung des Begriffs des Marktpreises. Er widerspricht auch dem vom Finanzgericht vorgenommenen äußeren Betriebsvergleich. Sein Betrieb nehme nach Größe und Art eine Sonderstellung ein und könne nicht mit anderen Betrieben verglichen werden. Sein Bewertungsabschlag zum 31. Dezember 1954 von 38,7 % weiche von dem Abschlag des Finanzgerichts von 35 % nur so wenig ab, daß seiner Schätzung hätte gefolgt werden müssen. Im übrigen halte er an einem Teilwertabschlag von 50 % fest.

über die Rb. und die Anschlußbeschwerde wurde mündlich verhandelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die Anschlußbeschwerde des Stpfl. ist, soweit sie sich auf die Jahre 1951 bis 1953 bezieht, unbegründet. Sie ist unzulässig, soweit sie das Jahr 1954 betrifft.

Wirtschaftsgüter des Umlaufsvermögens sind mit den Anschaffungskosten zu bewerten (§§ 5, 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG). Ist der Teilwert von Waren niedriger, so müssen ihm Vollkaufleute auf Grund des Niederstwertprinzips (ß 40 HGB) ansetzen (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 302/50 S vom 1. Dezember 1950, BStBl 1951 III S. 10, Slg. Bd. 55 S. 22). Eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert kann bei der Bewertung des Warenlagers auf folgenden Sachverhalt gestützt werden.

1. Teilwertabschreibung bei Sinken DER Einkaufspreise (Wiederbeschaffungskosten

Kann der Kaufmann eine auf seinem Lager befindliche Ware gleicher Art und Güte am Bilanzstichtag zu einem niedrigeren Einkaufspreis als im Zeitpunkt der Anschaffung erwerben und weist er nach, daß diese niedrigeren Wiederbeschaffungskosten auf einem Sinken der Einkaufspreise beruhen, so deckt sich in der Regel der Teilwert mit den Wiederbeschaffungskosten am Bilanzstichtag. Der Teilwert entspricht also im allgemeinen dem niedrigeren Börsen- oder Marktpreis am Bilanzstichtag (Urteil des Reichsfinanzhofs I A 254/30 vom 22. Oktober 1931, RStBl 1932 S. 22). Der Börsen- und Marktpreis ist ein Unterbegriff des Wiederbeschaffungswertes. Die Wiederbeschaffungskosten stellen zugleich die obere Grenze für den Teilwert dar (Urteil des Reichsfinanzhofs III 74/39 vom 4. Juni 1940, RStBl 1940 S. 1067; Urteil des Bundesfinanzhofs III 372/59 U vom 28. September 1962, BStBl 1962 III S. 510, Slg. Bd. 75 S. 664). Die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert ist in diesem Falle auch dann zulässig, wenn mit einem entsprechenden Rückgang der Verkaufspreise nicht gerechnet zu werden braucht (Urteil des Bundesfinanzhofs I 86/57 U vom 8. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 442, Slg. Bd. 65 S. 541).

Niedrigere Wiederbeschaffungskosten rechtfertigen aber im allgemeinen nur dann eine entsprechende Teilwertabschreibung, wenn die Einkaufspreise am Markt nachhaltig gesunken sind und die Ursache im Rückgang des allgemeinen Preisniveaus für diese Waren liegt. Sind Börsen- oder Marktpreise am Bilanzstichtag vorhanden, so bereitet diese Feststellungen keine Schwierigkeiten. Ist das wie bei Textilien im allgemeinen nicht der Fall, so ist ein wichtiges Indiz für die Nachhaltigkeit des Sinkens der für den Teilwert maßgebenden Wiederbeschaffungskosten, daß entweder das allgemeine Preisniveau für Waren dieser Art gesunken ist oder wenigstens die Preise für einzelne wichtige Bestandteile des für diese Waren maßgebenden Preisspiegels, z. B. besonders bei Herstellungskosten die Löhne oder die Rohstoffe, gefallen sind. Andernfalls besteht eine Vermutung dafür, daß es sich um vorübergehende Wertschwankungen oder um durch außergewöhnliche Umstände beeinflußte Preise handelt, die für die Ermittlung des Teilwerts nicht maßgebend sind. Auch augenblickliche Wertschwankungen, bei denen der Kaufmann nach Lage der Verhältnisse damit rechnen kann, daß sie sich in kurzer Zeit durch entsprechende Wertsteigerungen wieder ausgleichen, rechtfertigen in der Regel keine Teilwertabschläge (Urteil des Reichsfinanzhofs I 72/39 vom 14. März 1939, RStBl 1939 S. 746). Bei Waren, deren Preise kurz vor oder nach dem Bilanzstichtag wesentlich niedriger liegen als am Stichtag und bei denen deshalb die Vermutung gerechtfertigt ist, daß der Stichtagspreis ungewöhnlich oder ein Zufallspreis ist, oder bei Waren mit ständig fallender Preistendenz, deren Ursache bereits in den Verhältnisses am Stichtag begründet ist, besonders bei Importwaren, können Teilwertabschläge vom Stichtagswert in Betracht kommen. Bei solchen Waren mit stark schwankenden Preisen ist die Preisentwicklung an den Märkten in den letzten vier bis sechs Wochen vor und nach dem Bilanzstichtag zu berücksichtigen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 292/55 U vom 17. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 379, Slg. Bd. 63 S. 476, und die dort angegebene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und Reichsfinanzhofs).

2. Teilwertabschreibung bei Sinken DER Verkaufspreise und bei Minderwert DER Ware

Sind nach den oben entwickelten Grundsätzen maßgebliche niedrigere Wiederbeschaffungskosten nicht nachweisbar, so ist damit eine Teilwertabschreibung von den Anschaffungskosten noch nicht ausgeschlossen, weil der der Ware am Bilanzstichtag beizulegende Wert auch aus anderen Gründen als der Veränderung des Preisspiegels gesunken sein kann, z. B. durch Unmodernwerden, durch Verschmutzung oder durch Sinken der Verkaufspreise. Für die Prüfung, ob in diesen Fällen der Ware am Bilanzstichtag beizumessende Wert unter den Anschaffungskosten liegt, kann im allgemeinen von den nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag voraussichtlich erzielbaren Verkaufspreisen ausgegangen werden, wobei der Kaufmann seine bis zur Aufstellung der Bilanz erlangte Kenntnis der Verhältnisse berücksichtigen muß (Urteil des Bundesfinanzhofs I 137/59 U vom 29. November 1960, BStBl 1961 III S. 154, Slg. Bd. 72 S. 416). In der Regel bestehen deshalb keine Bedenken, daß die nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag erzielbaren Verkaufspreise nach den später tatsächlich erzielten Erlösen bemessen werden, wenn nicht besondere Verhältnisse diese Gleichstellung ungerechtfertigt erscheinen lassen.

Bei der Entscheidung darüber, ob die so für den Bilanzstichtag ermittelten maßgeblichen Verkaufspreise eine Abschreibung auf einen unter den tatsächlichen Anschaffungskosten liegenden Teilwert rechtfertigen, muß davon ausgegangen werden, was der Veräußerer des ganzen Betriebs für diese Ware fordern und der Erwerber voraussichtlich zugestehen würden. Bei der Beantwortung dieser entscheidenden Frage geht der Senat jedenfalls in den Fällen, in denen es sich um einen gut geführten und rentablen Betrieb mit einem branchenüblich sortierten Warenlager handelt, in der Regel davon aus, daß der Erwerber für die hier zu bewertenden einzelnen Partien des Warenlagers zwar auf die Erzielung eines Gewinns weitgehend zu verzichten, nicht aber zusätzliche Verluste in Kauf zu nehmen bereit wäre. Diese Bemessung des anteiligen Kaufpreises, der bei der Einzelveräußerung der zu bewertenden Partie wahrscheinlich nicht erreicht werden würde, rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß sich das gesamte Warenlager aus zahlreichen einzelnen Partien zusammensetzt, deren Verkaufspreise besonders bei modischen Artikeln mit sehr unterschiedlichen Rohgewinnaufschlägen kalkuliert sind und besonders niedrige voraussichtlich erzielbare Reingewinne in überdurchschnittlich hohen Reingewinnen bei anderen Partien ihren Ausgleich finden. Der Erwerber des ganzen Betriebes wird deshalb auf Verlangen des Veräußerers in der Regel bereit sein, bei einigen Warenpartien sich mit einem sehr geringen Reingewinn und bei wenigen Partien auch mit einem Verzicht auf einen Reingewinn einverstanden zu erklären, wenn er Waren zusammen mit dem Erwerb des rentablen Unternehmens übernehmen kann, deren Veräußerung mit besonders hohen Rohgewinnaufschlägen einen überdurchschnittlichen Reingewinn zu erzielen erlaubt. Es handelt sich bei dieser Betrachtung nicht um eine im allgemeinen unzulässige Gesamtbewertung, sondern um die Berücksichtigung von Erwägungen, die der Erwerber des ganzen Betriebes bei der Einzelbewertung der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens anstellen wird und die sich aus dem Begriff des Teilwerts im Gegensatz zum Einzelveräußerungspreis ergeben.

Aus dieser überlegung folgt, daß Wertminderungen in der Regel bei einem normal sortierten Warenlager nur dann einen gegenüber den Anschaffungskosten niedrigeren Teilwert rechtfertigen, wenn der erzielbare Verkaufspreis nicht mehr die Selbstkosten deckt, die sich aus den Anschaffungskosten und den anteiligen Verwaltungs- und Vertriebskosten (Verkaufsspesen) ergeben. Wenn auch mit Rücksicht auf die Erwerberfiktion viel dafür sprechen könnte, dabei nur die nach dem Bilanzstichtag bis zum Verkauf entstehenden anteiligen Verkaufsspesen zu berücksichtigen, weil der Kaufmann in der Regel die in einem Wirtschaftsjahr anfallenden Verkaufsspesen durch die in diesem Wirtschaftsjahr tatsächlich erzielten Verkaufserlöse deckt und deshalb der Erwerber die auf die übernommene Ware bis zum Verkauf etwa verrechneten Verkaufsspesen nicht erstattet, so trägt der Senat auch wegen der Nichtberücksichtigung eines Gewinnanteils und aus Vereinfachungsgründen keine Bedenken, bei den Verkaufsspesen von dem kalkulatorischen Unkostenaufschlag des Kaufmanns auszugehen.

Der Senat schließt sich also den Grundsätzen der Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 74/39 an (vgl. auch das Urteil des Bundesfinanzhofs I 279/61 U vom 19. November 1963, BStBl 1964 III S. 358). Die bezeichnete Entscheidung des Reichsfinanzhofs betraf zwar einen Herstellungsbetrieb. Ihre grundsätzlichen Ausführungen gelten aber auch für Handelsbetriebe. Zur Ermittlung des kalkulatorischen Unkostenzuschlags ist von dem im Betrieb üblichen Rohgewinnaufschlag auszugehen, aus dem der Unternehmergewinn ausgeschieden wird. Ergibt sich bei Prüfung der Verhältnisse des Betriebs, daß der Kaufmann nicht nur mit unterschiedlichen Gewinnaufschlägen, sondern auch mit unterschiedlichen Unkostenaufschlägen kalkuliert, weil z. B. leicht absetzbare oder modische Ware einen höheren Anteil an den Verkaufskosten zu tragen in der Lage ist, so ist der für die zu bewertende Ware übliche oder vergleichbare Unkostenzuschlag maßgebend. Das wird, soweit es sich um unmoderne, überlagerte, verstaubte oder beschädigte Ware handelt, in der Regel der niedrigste, im Betrieb vorkommende Unkostenzuschlag sein. Soweit in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs zur Ermittlung des Teilwerts von Waren ausgesprochen ist, daß der im regelmäßigen Geschäftsverkehr erzielbare Verkaufspreis abzüglich der Verkaufsspesen angesetzt werden dürfe, wenn er niedriger als der Anschaffungspreis sei, und der Kaufmann nicht damit rechnen könne, bei der Veräußerung den Anschaffungspreis zuzüglich der Verkaufsspesen zu erhalten, so versteht der erkennende Senat die Bezeichnung "Verkaufsspesen" in dem von ihm erläuterten Sinn (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 335/37 vom 21. Juli 1937, RStBl 1937 S. 997, und I 42/39 vom 10. Oktober 1939, RStBl 1940 S. 577, und die dort angegebene Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, und Urteil des Bundesfinanzhofs IV 302/50 S).

Nach diesen Grundsätzen ist der Teilwert zu ermitteln, wenn die auf dem Lager befindliche Ware Wertminderungen durch Unmodernwerden (Einfluß der Mode), Verschmutzung, langer Lagerung und andere wertmindernde Einflüsse erlitten hat. Soweit der Kaufmann nicht nachweisen kann, daß die im Wert geminderte Ware auf dem allgemeinen Markt in gleicher Beschaffenheit gehandelt wird, was nur für Ausnahmefälle denkbar ist, kommt eine Bewertung nach niedrigeren Wiederbeschaffungskosten nicht in Betracht. Denn es muß in der Regel davon ausgegangen werden, daß Waren dieser Art, vom Gebrauchtwarenmarkt abgesehen, auf dem allgemeinen Markt nicht gehandelt werden und deshalb für die Teilwertermittlung maßgebende Wiederbeschaffungskosten nicht vorhanden sind. Gegenüber den regulären Marktpreisen herabgesetzte Preise für Waren, die der Kaufmann nach Ablauf der Saison von seinen Lieferanten anläßlich der Räumung der Läger oder für Ausverkaufszwecke erwerben kann, stellen keine echten Marktpreise und damit keine maßgeblichen Wiederbeschaffungskosten dar. Von diesen Grundsätzen geht offenbar auch das handelsrechtliche Schrifttum aus. So führen Adler-Düring-Schmaltz (Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, Handkommentar für die Bilanzierungs- und Prüfungspraxis nach dem Aktiengesetz unter Berücksichtigung der sonstigen handelsrechtlichen Vorschriften, 3. Auflage, § 133 des Aktiengesetzes - AktG -, Tz. 171 und 174 in Verbindung mit Tz. 101) aus, daß bei Waren, die im Verlauf der Saison nicht verkauft werden können und in der nächsten Saison aus Gründen der Mode und Geschmacksveränderung ihre ursprüngliche Absatzfähigkeit eingebüßt haben (ungängige Ware), für die Bewertung weder vom Anschaffungs- noch Wiederbeschaffungswert, sondern vom zukünftigen, den Marktverhältnissen entsprechenden Verkaufswert auszugehen sei. Godin-Wilhelmi (Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, § 133 AktG, Anm. 10) nehmen gleichfalls bei Waren, für die ein Börsen- oder Marktpreis nicht besteht, den erzielbaren Verkaufspreis zum Ausgangspunkt. Soweit Adler-Düring-Schmaltz beim Handel vom Verkaufswert den Bruttoaufschlag absetzen und Godin-Wilhelmi außer den von ihnen angeführten Unkostenposten noch einen zusätzlichen Betrag für das Risiko der Unverkäuflichkeit berücksichtigen wollen, kann dem für die Ermittlung des Teilwerts nur insoweit gefolgt werden, als der Gewinnaufschlag ausgeschieden werden muß und es sich um Ware handelt, die bis zur Bilanzaufstellung nicht verkauft werden konnte und deren Verkaufsmöglichkeiten schwer zu übersehen sind.

Da das Gesetz davon ausgeht, daß Waren mit den Anschaffungskosten anzusetzen sind, muß der Kaufmann, wenn er einen niedrigeren Teilwert behauptet, aus den Verhältnissen seines Betriebes gewonnene Unterlagen vorlegen, die eine sachgemäße Schätzung ermöglichen. Dazu wird es in der Regel erforderlich sein, die tatsächlich erzielten Verkaufspreise in einer so großen Anzahl von Fällen nachzuweisen, daß sie als ein repräsentativer Querschnitt für die zu bewertende Warenart angesehen werden können und allgemeine Schlußfolgerungen erlauben. Auch die Erfahrungen der Vergangenheit bilden für die Frage, welche Verkaufspreise am Bilanzstichtag erzielbar gewesen wären, einen wesentlichen Anhalt, solange die Verhältnisse unverändert sind. Die betrieblichen Erfahrungen der Vergangenheit muß deshalb der Unternehmer in angemessener Form nachweisen (Urteile des Bundesfinanzhofs I 137/59 U, a. a. O., und IV 214/61 U vom 3. Oktober 1963, BStBl 1964 III S. 7). Das oben bezeichnete Urteil I 137/59 U setzt sich im einzelnen mit dem hier behandelten Problem nicht auseinander. In übereinstimmung mit dem I. Senat wird an den Grundsätzen dieses Urteils nicht mehr festgehalten.

3. Anwendung dieser Grundsätze im Streitfall

Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ist dem Finanzgericht darin zuzustimmen, daß die vom Stpfl. zum Vergleich herangezogenen Preise für die nach Ablauf der jeweiligen Saison angebotenen oder eingekauften Stoffe keine echten Marktpreise, sondern Vorzugspreise waren. Wenn der Stpfl. meint, auf die Bezeichnung der Ware als Ausverkaufsware komme es nicht an, so ist das nicht zutreffend. Vom Lieferanten erheblich herabgesetzte Preise für Waren, die der Stpfl. nach Ablauf der Saison zum Zwecke des Schlußverkaufs von seinem Lieferanten gesondert bezog, ohne die sonst übliche Auswahlmöglichkeit zu haben, stellen Preise für Waren aus einem nicht sortierten Warenlager dar und sind keine für die Teilwertermittlung maßgebenden Wiederbeschaffungskosten, sondern Vorzugs- oder Sonderpreise. Da das Finanzgericht zutreffend eine Bewertung nach Wiederbeschaffungskosten ablehnte, brauchte es den Einkäufer des Stpfl. zur Frage der Wiederbeschaffungskosten und der Qualität der Ware nicht zu hören.

Die Vorinstanzen kamen mit Recht zu dem Ergebnis, daß eine zutreffende Bewertung an Hand des vom Stpfl. verwendeten Bewertungsschemas nicht möglich war und die zulässigen Teilwertabschläge nur geschätzt werden konnten. Die Schätzung des Teilwerts ist eine Frage der freien Beweiswürdigung und der tatsächlichen Feststellungen (Urteil des Bundesfinanzhofs III 372/59 U). Die tatsächlichen Feststellungen müssen aber objektiv nachprüfbar sein und erkennen lassen, auf Grund welcher Nachweise durch den Stpfl. die Höhe von Pauschalabschlägen geschätzt wurde. Das gilt besonders dann, wenn es sich um so hohe Abschläge handelt und von den Anschaffungskosten allgemein 35 v. H. abgesetzt werden sollen. Die allgemein gehaltene Feststellung des Finanzgerichts, es bestehe Einigkeit darüber, daß bei dem überwiegenden Teil der Waren die Anschaffungskosten nicht angesetzt werden könnten, weil der modische Einfluß und weitere wertmindernde Umstände auf den Betrieb des Stpfl. einwirkten, reicht nicht aus. Auch der vom Finanzgericht gezogene Vergleich mit Erfahrungskennzahlen aus äußeren Betriebsvergleichen kann das Ausmaß der zuerkannten Teilwertabschläge nicht rechtfertigen. Grundsätzlich kommt es entscheidend auf die aus den innerbetrieblichen Verhältnissen gewonnenen Erfahrungen an. Tatsächliche Feststellungen waren um so notwendiger, als die Vorinstanz ausführte, daß im Betrieb des Stpfl. Ladenhüter so gut wie kaum vorkämen und das modische Risiko durch die Umschlaghäufigkeit des Lagers weitgehend eingeschränkt sei. Hinzu kommt, daß der Betriebsprüfungsbericht zur Frage, unter welchen Gesichtspunkten die Teilwertabschläge in Höhe von durchschnittlich 30 % (20 % für 1954) der Anschaffungskosten bemessen wurden, keine eindeutigen Feststellungen enthält.

Es bestand für das Finanzgericht kein Anlaß, die vom Finanzamt bereits zugebilligte und in der Berufung eingeräumte Teilwertabschreibung noch um weitere 5 % zu erhöhen. Es ist dem Vorsteher des Finanzamts zuzustimmen, daß keinerlei Anhaltspunkte für die Bewertung der Warenbestände nach Mischpreisen vorlagen. Der Betriebsprüfungsbericht enthält hierüber keine Feststellungen. Lediglich in einer Stellungnahme des Prüfers an das Finanzgericht wurde ausgeführt, daß im Zusammenhang mit Angaben des Stpfl. über die zugekaufte Ausverkaufsware einheitliche Preisvereinbarungen zwischen dem Stpfl. und seinen Lieferanten mit der Folge angenommen werden könnten, daß die an den Bilanzstichtagen vorhandene Standardware mit durchschnittlichen Einkaufspreisen (Mischpreisen) anzusetzen wäre. Es wurde aber vom Finanzamt nicht behauptet, daß das in den Streitjahren geschehen sei.

Da die Vorentscheidung den vom Senat entwickelten Grundsätzen über die Ermittlung des Teilwerts des Warenlagers nicht entspricht und das Finanzgericht zudem bei den Gewinnermittlungen für die Veranlagungszeiträume 1952 bis 1954 die Auswirkungen der Teilwertabschreibungen an den einzelnen Bilanzstichtagen im Rahmen des Bilanzzusammenhanges falsch berechnete, worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, muß die Vorentscheidung aufgehoben werden. Da der Stpfl. für diese vergangenen Zeiträume die zum Nachweis der von ihm behaupteten Wertminderungen erforderlichen Unterlagen nicht mehr beschaffen kann und die Beteiligten bei einer erneuten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht vermutlich nur dieselben Ausführungen wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat machen könnten, wird davon abgesehen, die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Der Senat entscheidet deshalb abgesehen von der Steuerberechnung selbst, zumal er keine Veranlassung hat, den Ausführungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung keinen Glauben zu schenken. Mangels der erforderlichen Unterlagen über das Verhältnis der tatsächlichen Verkaufspreise der an den Bilanzstichtagen vorhandenen Waren zu ihren Anschaffungskosten ist der Senat auf eine rohe Schätzung angewiesen. Bei dieser Schätzung geht er entsprechend dem Vortrag der Beteiligten von folgenden tatsächlichen Feststellungen und überlegungen aus.

Der Warenbestand an den Bilanzstichtagen setzte sich im wesentlichen aus dem Rest der erst im Herbst und Winter desselben Wirtschaftsjahres angeschafften Waren zusammen, die bis zu den Bilanzstichtagen zu etwa 75 v. H. verkauft worden waren. Sommer- und Vorjahreswaren waren nur in unbedeutendem Umfang an den Bilanzstichtagen noch vorhanden. Je nach den Beschaffungsmöglichkeiten von geeigneten Waren für den Winterschlußverkauf übernahm der Stpfl. aus dem an den Bilanzstichtagen vorhandenen Lager reguläre Ware bis zu etwa einem Viertel des Gesamtbestandes für die Zwecke des Winterschlußverkaufs. Die eigentliche, für den Winterschlußverkauf besonders angeschaffte und bestimmte Ware traf im allgemeinen erst Anfang des folgenden Jahres ein. Da diese Ware mit einem durchschnittlichen Rohaufschlag von nur etwa 20 v. H. verkauft wurde, mußten die Verkaufspreise der aus dem Bestand an den Bilanzstichtagen zum Ausverkauf entnommenen regulären Ware zur Angleichung an das Preisniveau der eigentlichen Ausverkaufsware stark herabgesetzt werden. Diese Herabsetzung war so hoch, daß die Verkaufspreise nur etwa ein Drittel der tatsächlichen Anschaffungskosten betrugen. Auch bei anderen, nicht dem Ausverkauf zugewiesenen Waren ließ sich in einer Reihe von Fällen feststellen, daß der Stpfl. die ursprünglich ausgezeichneten Verkaufspreise später herabsetzte.

Geht man auf Grund dieser Feststellungen davon aus, daß die an den Bilanzstichtagen vorhandene, nicht dem Ausverkauf zugewiesene Ware im allgemeinen nicht unter den um die Verkaufsspesen erhöhten Anschaffungskosten veräußert wurde und daß der Stpfl. etwa ein Viertel des Bestandes nur zu einem Drittel der Anschaffungskosten veräußern konnte, so ergeben sich auf den Gesamtbestand des Warenlagers bezogene Abschläge in Höhe von etwa 15 bis 18 v. H. der Anschaffungskosten. Diese Abschläge können sich noch geringfügig erhöhen, weil die Bestände an den Bilanzstichtagen, wenn auch in geringem Umfange, Sommerware und Vorjahresware umfaßten. Da sich das Finanzamt in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich mit einem Pauschalabschlag von 30 v. H. einverstanden erklärte, will es der Senat bei dieser Schätzung belassen, weil sie bei großzügiger Beurteilung noch im Rahmen des Möglichen liegt. Es muß aber hervorgehoben werden, daß in Zukunft ein so hoher Abschlag nur dann vertretbar erscheint, wenn ihn der Stpfl. durch eindeutige Unterlagen über das Verhältnis der Verkaufspreise zu den Anschaffungskosten der am Bilanzstichtag vorhandenen Ware glaubhaft machen kann.

Die Sache wird auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts zur Steuerberechnung an das Finanzamt zurückverwiesen, das die in der Rb. nicht mehr angegriffene erhöhte Absetzung für Abnutzung auf das Betriebsgebäude berücksichtigen, die Gewerbesteuerrückstellungen neu berechnen und die Grundsätze des Bilanzzusammenhangs beachten wird. Die Anschlußbeschwerde des Stpfl. ist, soweit sie die Veranlagungszeiträume 1951 bis 1953 betrifft, unbegründet und für den Veranlagungszeitraum 1954 unzulässig, weil das Finanzgericht den Stpfl. insoweit von der Einkommensteuer freistellte und deshalb keine Beschwerde vorlag.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411193

BStBl III 1964, 426

BFHE 1964, 529

BFHE 79, 529

BB 1964, 874

DB 1964, 1139

DStR 1964, 460

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