Leitsatz (amtlich)

Die von privater Seite betriebene Eheanbahnung und Ehevermittlung ist nach heutiger allgemeiner Anschauung eine typisch gewerbliche Tätigkeit, die unter keinem Gesichtspunkt als eine Förderung der Allgemeinheit und damit als gemeinnützig angesehen werden kann.

 

Normenkette

GewStG § 3 Nr. 6; StAnpG § 17

 

Tatbestand

Streitig ist für den Erhebungszeitraum II. Kalendervierteljahr 1964, ob die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach § 3 Nr. 6 GewStG von der Lohnsummensteuer befreit ist.

Die Steuerpflichtige ist eine GmbH. Ihr Zweck ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages in der seit dem 28. Januar 1964 geltenden Fassung „die Eheanbahnung und Ehevermittlung für alle heiratsfähigen Personen ohne Rücksicht auf Nationalität, Rasse, Konfession oder soziale Verhältnisse”. Das Unternehmen ist – ebenfalls nach § 2 des Gesellschaftsvertrages – ausschließlich und unmittelbar auf die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV) vom 24. Dezember 1953 gerichtet. Diese Zielsetzung wird durch § 2a des Gesellschaftsvertrages wie folgt erläutert:

„Die Dienste der Gesellschaft stehen allen Menschen offen. Die Gesellschaft beabsichtigt, keine Gewinne zu erzielen. Die Kosten werden durch Unkostenbeiträge im Umlegeverfahren gedeckt, die von den Dienstleistungsempfängern unter Rücksichtnahme auf soziale Verhältnisse entrichtet werden sollen. Außerdem kann die Gesellschaft ohne Erhebung von Unkostenbeiträgen Dienste leisten an solche Menschen, die für eine Vermittlung besonders geeignet sind. Die Einnahmen der Gesellschaft dienen unmittelbar und ausschließlich dem Zwecke der Gesellschaft. Mit gewerblichen Unternehmen der Ehevermittlung tritt die Gesellschaft nicht in Konkurrenz, weil keine Gewinnerzielung, sondern nur Kostendeckung beabsichtigt ist. Falls wider Erwarten doch Überschüsse anfallen sollten, sind diese dem Zweck der Gesellschaft zur Leistungsverbesserung oder Senkung der Unkostenbeiträge zuzuführen. Zur weiteren Förderung des Gesellschaftszweckes ist vorgesehen, dem Deutschen Roten Kreuz als Mitglied beizutreten. Die Geschäftsführung der Gesellschaft ist durch diese Grundsätze unmittelbar gebunden.”

Etwa gleichwohl erzielte Gewinne dürfen nach § 13 des Gesellschaftsvertrages nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Gesellschafter der Steuerpflichtigen sind Eheleute, der Ehemann geschäftsführender Gesellschafter; sie erhalten keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft, abgesehen von der Rückzahlung der von ihnen eingezahlten Kapitaleinlagen und des gemeinen Wertes ihrer Sacheinlagen im Falle ihres Ausscheidens oder bei Auflösung der Gesellschaft. Nach § 17 des Vertrages darf auch niemand durch Verwaltungsausgaben, die den Zwecken der Steuerpflichtigen fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden. Schließlich enthält § 19 des Vertrages eine Vermögensbindung nach § 4 Abs. 2 Nr. 4, § 13 GemV.

Die Steuerpflichtige ist korporatives Mitglied des Deutschen Roten Kreuzes.

Mit Bescheid vom 23. Juli 1964 zog der Revisionsbeklagte (das FA) die Steuerpflichtige zur Lohnsummensteuer heran. Die gegen diesen Bescheid eingelegte Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das FG, das den geschäftsführenden Gesellschafter der Steuerpflichtigen in der mündlichen Verhandlung gehört hat, führte aus:

Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 6 GewStG, §§ 17 bis 19 StAnpG in Verbindung mit den Bestimmungen der GemV seien – ohne Prüfung des Vorliegens der übrigen Voraussetzungen – von der Steuerpflichtigen nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung bereits insoweit nicht erfüllt, als sie nicht ausschließlich gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verfolge. Nach § 17 Abs. 5 StAnpG liege Gemeinnützigkeit nicht vor, wenn eine Tätigkeit nur den Belangen bestimmter Personen oder eines engen Kreises von Personen dient oder in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke (wie gewerbliche oder sonstige Erwerbszwecke) verfolgt. Deshalb könne Selbstlosigkeit schon dann nicht mehr als gegeben anerkannt werden, wenn bei der Gründung oder bei der Art der tatsächlichen Geschäftsführung der Körperschaft der Anfall eigenwirtschaftlicher Vorteile für die Beteiligten mitentscheidend und von nicht ganz untergeordneter Bedeutung sei. Das gelte vor allem bezüglich der tatsächlichen Geschäftsführung von Handelsgesellschaften, bei denen eine Vermutung dafür spreche, daß sie nicht aus Selbstlosigkeit, sondern zu persönlichem Nutzen ihrer Gesellschafter betrieben würden.

Die Gesellschafter der Steuerpflichtigen hätten bereits vor der Errichtung der Gesellschaft ein Ehevermittlungsinstitut in der Rechtsform einer KG betrieben. Sie hätten von vornherein die Absicht gehabt, den Betrieb der KG auf die Steuerpflichtige zu übertragen. In Durchführung dieser Absicht sei nach Eintragung der Steuerpflichtigen in das Handelsregister der ursprüngliche Gesellschaftszweck (Betrieb von Verlagsgeschäften aller Art) geändert worden. Das Gericht sei auf Grund der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, daß die Gesellschafter der Steuerpflichtigen mit der Änderung des Gesellschaftszwecks und mit der Übertragung des weitaus überwiegenden Teils der Geschäfte der KG auf die Steuerpflichtige zur Fortführung dieser Geschäfte durch sie vorwiegend eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt hätten. Die Gesellschafter der Steuerpflichtigen seien miteinander verheiratet; ihre wirtschaftlichen Interessen, zu deren gemeinsamer Verfolgung sie sich bereits vor Gründung der Steuerpflichtigen in der KG zusammengeschlossen hätten, seien die gleichen. Es liege bei ihnen, die Höhe ihrer Bezüge als Geschäftsführer der Steuerpflichtigen zu bestimmen. Sie hätten noch im Schriftsatz vom 30. Dezember 1964 vorgetragen, daß sie die Auszahlung ihrer Bezüge unter der Voraussetzung auf 10 v. H. begrenzt hätten, daß die Steuerpflichtige als gemeinnützig anerkannt werde; andernfalls würden sie auf Auszahlung in voller Höhe bestehen. In der mündlichen Verhandlung vom 25. August 1965 hätten sie dagegen vorgetragen, daß sie bei Aufstellung der Bilanz zum 31. Dezember 1963 (am 23. Februar 1965) beschlossen hätten, endgültig auf die 90 v. H. ihrer Bezüge (zum 31. Dezember 1962 mit 48 600 DM zurückgestellt) zu verzichten.

Der volle Umfang der von den Gesellschaftern der Steuerpflichtigen im Rahmen der Gesellschaft verfolgten eigenwirtschaftlichen Interessen habe sich in der mündlichen Verhandlung gezeigt. Die Steuerpflichtige habe allein im Jahre 1962 an die KG 102 060 DM für die Auswertung des ihr von dieser überlassenen Adressenmaterials gezahlt. Die bei Übernahme der Ehevermittlungsgeschäfte der KG durch die Steuerpflichtige vorhandenen ausstehenden Forderungen der KG hätten im Hinblick auf ihre Nichteinklagbarkeit (§ 656 BGB) – ebenso wie die laufenden „Mitgliedschaften” – nicht aktiviert werden können. Sie seien nach ihrer Realisierung durch die Steuerpflichtige an die KG abgeführt worden. Auch die Höhe der Mietzahlungen der KG und der Pachtzinsen für die Überlassung des Inventars lasse erkennen, daß die Gesellschafter der Steuerpflichtigen als Gesellschafter der KG ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Aufrechterhaltung enger geschäftlicher Beziehungen zu der aus der KG ausgegliederten, in der Steuerpflichtigen rechtlich verselbständigten Ehevermittlung hätten. Dies werde dadurch unterstrichen, daß der geschäftsführende Gesellschafter über die Einschaltung seiner Annoncenexpedition durch Provisionseinnahmen erheblichen Gewinn aus seinen Beziehungen zur Steuerpflichtigen habe ziehen können.

Bei dieser engen Verflechtung der wirtschaftlichen Interessen der Steuerpflichtigen, wie sie die geschäftlichen Beziehungen zwischen der Steuerpflichtigen und der KG aufzeigten, habe es sowohl bei der Gründung als auch bei der Art der tatsächlichen Geschäftsführung der Steuerpflichtigen an der Ausschließlichkeit ihrer gesellschaftsvertraglichen Zielsetzung gefehlt.

Hiergegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde der Steuerpflichtigen, zu deren Begründung sie vortragen läßt:

Im Gegensatz zur Auffassung des FG nehme die Steuerpflichtige durch die festgestellten Umstände keine eigenwirtschaftlichen Interessen wahr. Die den Gesellschaftern für ihre Geschäftsführertätigkeit gezahlten Bezüge (monatlich 300 bzw. 150 DM) hätten den Charakter einer reinen Aufwandsentschädigung. Die der KG gezahlte Vergütung für die Auswertung des der Steuerpflichtigen überlassenen Adressenmaterials stelle den gemeinen Wert der erbrachten Leistung der KG dar und sei lediglich der Ausgleich für frühere Aufwendungen der KG; die Zahlung liege als Kostenerstattung damit im Rahmen der steuerunschädlichen Vermögensverwaltung. Dasselbe gelte für die Zahlung von Miet- und Pachtzinsen an die KG. Die an die Annoncenexpedition des Gesellschafters gezahlten Provisionen hätten von der Steuerpflichtigen in jedem Falle entrichtet werden müssen, da sie sich – auch bei Zusammenarbeit mit einem anderen Werbemittler – für die geleisteten Arbeiten immer eines Dritten hätte bedienen müssen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die Beteiligten haben ihrem Rechtsstreit über die Frage nach der Gemeinnützigkeit der Steuerpflichtigen die Verhältnisse des Jahres 1962 zugrunde gelegt. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit bedarf indes als ein deklaratorischer Akt für jeden Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum der erneuten Prüfung (Urteil des BFH III 91/53 vom 11. August 1961, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Steueranpassungsgesetz, § 17, Rechtsspruch 11). Es wäre deshalb anhand der Verhältnisse im streitigen Erhebungszeitraum II. Kalendervierteljahr 1964 zu prüfen gewesen, ob die Tätigkeit der Steuerpflichtigen nach Gesellschaftsvertrag und tatsächlicher Geschäftsführung als gemeinnützig angesehen werden kann.

Die Frage, ob eine Körperschaft unter den von den Beteiligten erörterten Umständen eigenwirtschaftliche Interessen verfolgt, ist indes erst zu stellen, wenn der Zweck der Körperschaft grundsätzlich als gemeinnützig anerkannt werden kann. Das ist hier nicht der Fall.

2. Gemeinnützig sind nach § 17 StAnpG solche Zwecke, durch deren Erfüllung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wird, d. h. dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet gedient wird. Der Gesellschaftszweck der Steuerpflichtigen läßt sich unter keine der Zielsetzungen einordnen, die das Gesetz (§ 17 Abs. 3 StAnpG) oder die Länderanordnungen (vgl. im einzelnen Anlage 7 der EStR) hierzu gegeben haben.

Der Umstand, daß das Deutsche Rote Kreuz die Steuerpflichtige als korporatives Mitglied aufgenommen hat, bedeutet nicht, daß damit auch der Gesellschaftszweck der Steuerpflichtigen als ein karitativer Zweck anzuerkennen sei. Es bedarf vielmehr im Einzelfall der Feststellung, daß die Betätigung der Steuerpflichtigen der Wohlfahrtspflege dient, wie sie in § 8 Abs. 2 GemV definiert ist (BFH-Urteile V 286/55 U vom 11. Juli 1956, BFH 63, 161, BStBl III 1956, 258; V 90/53 U vom 26. Juli 1956, BFH 63, 169, BStBl III 1956, 261). Der Umstand, daß die Steuerpflichtige in einer Reihe von Fällen von ihren „Mitgliedern” keine Unkostenbeiträge (Aufnahmegebühr und/oder monatliche Unkostenpauschale) erhoben hat, reicht dazu nicht aus. Denn schon vom Grundsatz her ist die von privater Seite betriebene Eheanbahnung und Ehevermittlung – ebenso wie die Hinwirkung auf die Enthaltung von Alkohol (Urteil des RFH I A 42/34 vom 10. Juli 1934, RStBl 1935, 324) oder die Förderung der Hebung des Sparsinns (RFH-Urteil I A 213/35 vom 17. November 1936, RStBl 1936, 1206) und anders als die Führung eines Erholungsheims auf christlicher Grundlage (BFH-Urteil III 134/56 U vom 28. Oktober 1960, BFH 72, 292, BStBl III 1961, 109) – unter keinem Gesichtspunkt als eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege anzusehen.

Nach heutiger allgemeiner Auffassung handelt es sich vielmehr um eine typische gewerbliche Tätigkeit. In ihr wird eine Dienstleistung gesehen, die wie jede andere Dienstleistung nicht ohne Entgelt erwartet werden kann. Daß sie die Allgemeinheit fördere und nicht zugleich auch auf den eigenen wirtschaftlichen Nutzen dessen angelegt sei, der diese Dienstleistung erbringt, wird nicht angenommen. Damit fehlt es der Steuerpflichtigen angesichts ihres Gesellschaftszwecks an der für die Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit erforderlichen Förderung der Allgemeinheit.

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 145

BFHE 1969, 257

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