Leitsatz (amtlich)

Eine mißbräuchliche Umgehung der Nachversteuerung des nichtentnommenen Gewinns liegt nicht vor, wenn sich der Steuerpflichtige von einem Mitgesellschafter zu Lasten von dessen Kapitalkonto ein privates Darleben mit der Abrede gewähren läßt, das Darlehen erst nach der dreijährigen Festlegungszeit (§ 10 a Abs. 2 EStG) aus seinem Kapitalkonto zurückzuzahlen.

 

Normenkette

StAnpG § 6; EStG § 10a

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1967 (Streitjahr), ob eine mißbräuchliche Umgehung der Vorschriften über die Nachversteuerung nichtentnommener Gewinne vorliegt (§ 10 a des Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 6 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -).

Der Kläger und Revisionsbeklagte zu 1. (Kläger) betrieb zusammen mit seinem Bruder, dem Beigeladenen, ein Unternehmen in der Rechtsform einer OHG (Klägerin und Revisionsbeklagte zu 2.). Der Kläger gehört zu dem begünstigten Personenkreis i. S. des § 10 a Abs. 1 EStG. In dem gegen den Kläger ergangenen Einkommensteuerbescheid 1966 war ein gemäß § 10 a Abs. 2 EStG besonders festgestellter Betrag in Höhe von 20 000 DM enthalten. In dieser Höhe war im Jahre 1964 die Steuerbegünstigung des nichtentnommenen Gewinns in Anspruch genommen worden.

Im Jahre 1967 war die Ertragslage des Unternehmens rückläufig. Andererseits war der Kläger zu hohen Privatausgaben - Tilgung von Steuerschulden - genötigt. Um eine Nachversteuerung des nichtentnommenen Gewinns zu vermeiden, schloß der Kläger mit dem Beigeladenen am 26. April 1967 einen privaten Darlehensvertrag, aufgrund dessen der Beigeladene die privaten Steuern des Klägers (in Höhe von 140 627 DM) bezahlte. Die Zahlungen wurden mit betrieblichen Mitteln zu Lasten des Kapitalkontos (Privatkonto) des Beigeladenen geleistet. Nach Ablaui der Sperrzeit des § 10 a Abs. 2 EStG wurde zu Lasten des Kapitalkontos des Klägers eine Entnahme gebucht, mittels derer der Kläger seine Darlehensschuld tilgte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm eine mißbräuchliche Umgehung des § 10 a EStG an. Das FA erhöhte deshalb die Entnahmen des Klägers um die zu Lasten des Kapitalkontos des Beigeladenen geleisteten Zahlungen und verminderte entsprechend die Entnahmen des Beigeladenen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, daß eine mißbräuchliche Steuerumgehung gem. § 6 StAnpG nicht vorliege. Die Vorschrift des § 10 a Abs. 2 EStG stelle auf einen Zeitraum von drei Jahren ab, währenddessen dem Betriebsvermögen durch eine Entnahmehandlung nicht mehr Mittel entzogen werden dürften, als im laufenden Jahr Gewinn entstanden sei. Daran habe sich der Kläger gehalten. Der Kläger sei nicht gehindert gewesen, während der Sperrzeit sein Privatvermögen durch eine Kreditaufnahme zu belasten und das steuerlich geförderte Betriebskapital nach Ablauf der Sperrzeit zu vermindern. Fälle der vorliegenden Art kämen in abgewandelter Form häufig vor. Die Vorschrift des § 10 a EStG stelle nur auf die Verhältnisse der begünstigten Einzelperson ab.

In seiner Revision beantragt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Es rügt Verletzung des § 6 StAnpG i. V. m. § 10 a EStG. Das FA führt aus, daß durch die Darlehensaufnahme dem Betriebe keine Mittel zugeflossen seien. Ebensowenig seien bei der Tilgung der Darlehensschuld (31. Januar 1968) dem Betrieb Mittel entzogen worden. Der Zweck dieser Sachbehandlung habe nur darin bestanden, buchtechnisch die Entnahme des Klägers in nicht mehr steuerschädlicher Weise in den folgenden Veranlagungszeitraum zu verlagern. Eine echte Darlehensaufnahme und -rückzahlung, wie sie unter Fremden üblich sei, habe nicht stattgefunden. Es habe sich um Buchungsvorgänge gehandelt, die ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund nur zum Zweck der Steuerersparnis vorgenommen worden seien (§ 6 StAnpG; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. November 1973 VIII R 12/71, BFHE 110, 552, BStBl II 1974, 67).

Die Kläger und der Beigeladene beantragen Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß für die Ermittlung einer Mehrentnahme im Sinn der Nachversteuerungsvorschrift des § 10 a Abs. 2 Satz 1 EStG auf den Gewinnanteil und die Höhe der Entnahmen des einzelnen Gesellschafters abzustellen ist (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 27 zu § 10 a EStG). Für die Auslegung des Entnahmebegriffs in § 10 a EStG sind die zur Beurteilung von Entnahmen nach § 4 Abs. 1 EStG geltenden Grundsätze heranzuziehen (vgl. BFH-Urteile vom 30. Mai 1972 VIII R 111/69, BFHE 106, 198, BStBl II 1972, 760; vom 19. Juni 1975 VIII R 13/74, BFHE 116, 478, BStBl II 1975, 811). Dabei muß der Zweck der Steuerbegünstigung des nichtentnommenen Gewinns berücksichtigt werden, welcher darin besteht, zu einer nachhaltigen Verstärkung des Betriebskapitals anzuregen (vgl. BFH-Urteile vom 24. Juni 1969 I R 174/66, BFHE 97, 415, BStBl II 1970, 205; VIII R 12/71; siehe auch Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 70 zu § 10 a EStG, S. E 29). Betriebskapital in diesem Sinn ist indes bei einer Mitunternehmerschaft nicht das Betriebsvermögen des Gesamtunternehmens, sondern nur das Betriebsvermögen, welches dem einzelnen Mitunternehmer, der die Steuerbegünstigung des nichtentnommenen Gewinns in Anspruch nimmt, steuerlich zuzurechnen ist.

2. Der Kläger hat mit seinem Bruder als Mitgesellschafter den Darlehensvertrag zwar zur Vermeidung einer Nachversteuerung nach § 10 a Abs. 2 EStG geschlossen. Darin lag indes keine mißbräuchliche Steuerumgehung gemäß § 6 StAnpG (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

a) Eine Mehrentnahme im Sinn des § 10 a Abs. 2 Satz 1 EStG lag im Streitjahr nicht vor. Der Kläger hat nicht nur buchmäßig (formal), sondern auch sachlich die gesetzliche Voraussetzung der dreijährigen Festlegung des nichtentnommenen Gewinns erfüllt. Denn das Betriebsvermögen (Kapitalkonto) des Klägers ist während des Festlegungszeitraumes nicht in steuerschädlicher Weise geschmälert worden.

Dagegen könnte nicht eingewendet werden, daß der Kläger aufgrund des Darlehensvertrages und der mit diesem zusammenhängenden buchtechnischen Gestaltung sein Kapitalkonto wirtschaftlich bereits im Streitjahr belastet habe. Eine solche "interne" Belastung läge beispielsweise auch dann vor, wenn sich der Kläger zur Überbrückung ein Darlehen von anderer Seite mit der Verpflichtung verschafft hätte, die Darlehenssumme nach Ablauf der dreijährigen Festlegungszeit aus seinen betrieblichen Mitteln zurückzuzahlen. Eine solche Gestaltung wäre nicht steuerschädlich gewesen. Der Umstand, daß der Kläger zur Darlehensaufnahme wirtschaftlich nicht genötigt war, weil er über ein ausreichendes Kapitalkonto verfügte, aus welchem er die zur Bestreitung von Privatausgaben erforderlichen Entnahmen hätte tätigen können, muß unberücksichtigt bleiben. Entscheidend ist, daß der Kläger im Streitjahr, dem letzten Jahre des Festlegungszeitraumes, Mehrentnahmen nicht getätigt hat. Unerheblich ist, daß der Kläger das Darlehen nicht von dritter Seite, sondern von einem Mitunternehmer erhalten hat, der die Darlehenssumme seinem Betriebsvermögen entnommen hatte. Denn es kommt, wie bemerkt, für die Nachversteuerung des nichtentnommenen Gewinns nicht auf die Schmälerung des Betriebsvermögens des Unternehmens im ganzen, sondern auf die des Eigenkapitals des Mitunternehmers an, der die Steuervergünstigung in Anspruch genommen hat.

b) Die Ansicht des FA, ein echtes Darlehensverhältnis habe nicht bestanden, es hätten nur Buchungsvorgänge stattgefunden, ist mit dem vom FG festgestellten Sachverhalt nicht vereinbar. Denn danach steht fest, daß der Bruder des Klägers die privaten Steuerschulden des Klägers aus seinem Vermögen bezahlt und damit den Kläger von einer Schuld befreit hat, sowie daß der Kläger sich verpflichtet hat, diese Summe im Folgejahr zurückzuzahlen. Der vom FA vermißte Zufluß der Darlehensmittel hat außerhalb des Betriebsvermögens in der Privatsphäre des Klägers stattgefunden. Ihm stand, dem Wesen eines Darlehensvertrages entsprechend, die Begründung einer Verpflichtung zur Rückzahlung gegenüber. Der Darlehensvertrag ist der Privatsphäre des Klägers zuzurechnen, weil er die Abwicklung von privaten Schulden bezweckte. Ernsthaftigkeit und tatsächliche Durchführung des Vertrages können nicht deshalb in Abrede gestellt werden, weil die Mittel nicht dem Betriebe zugeflossen sind.

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 669

BFHE 1979, 542

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