Leitsatz (amtlich)

1. Eine in Verbindung mit einer Anfechtungsklage erhobene Verpflichtungsklage ist ohne vorangegangenes außergerichtliches Vorverfahren selbst dann nicht zulässig, wenn die den Verwaltungsakt erlassende Behörde der Sprungklage zugestimmt hat.

2. Die in § 132 Abs. 3 LAG erteilte Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung ist im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG rechtsgültig.

2. Die Vorschriften in den §§ 19, 20 der 17. AbgabenDV-LA überschreiten die Grenzen der durch § 132 Abs. 3 LAG erteilten Ermächtigung nicht.

 

Normenkette

FGO § 45; LAG § 132; 17. AbgabenDV-LA §§ 19-20

 

Tatbestand

I. Sachverhalt und Entscheidung des FG

1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte und das als ihr Arbeitszweig gegründete Stift verfolgen unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke. Ihr Verbandszweck ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet.

Die Klägerin ist Eigentümerin des in X belegenen Grundstücks.

Auf dem Grundstück der Klägerin ruht als öffentliche Last HGA.

Nachdem für die Erlaßzeiträume von 1952 bis 1961 der volle Erlaß der in diesen Erlaßzeiträumen fällig gewordenen HGA-Leistungen gewährt worden war, beantragte die Klägerin am 7. Oktober 1965 erneut den Erlaß der im 5. Erlaßzeitraum (1. Januar 1962 bis 31. Dezember 1964) fällig gewordenen HGA-Leistungen.

Diesem auf § 132 LAG gestützten Antrag der Klägerin entsprach das FA nur teilweise, indem es unter Auswertung der Grundsteuerakten den begünstigten Zwecken dienenden Teil des Grundstücks mit nur 88 % annahm und nur den entsprechenden Teil der Abgabeleistungen erließ.

Gegen den Erlaßbescheid wurde mit Zustimmung des Vorstehers des FA Sprungklage erhoben, mit der erneut der Vollerlaß der im 5. Erlaßzeitraum fällig gewordenen HGA-Leistungen begehrt wurde.

2. Das FG gab der Klage statt. Es hat in seinem Urteil die Zulässigkeit der sowohl als Anfechtungs- wie auch als Verpflichtungsklage erhobenen Klage bejaht. Sachlich hat das FG den angefochtenen Verwaltungsakt als rechtswidrig angesehen, soweit das FA den Erlaß der im 5. Erlaßzeitraum fällig gewordenen HGA-Leistungen teilweise versagt hat.

Die Tatsache, daß das Grundstück auch anderen, nicht begünstigten Zwecken diene, und daß sich auf ihm auch Wohnräume für das Pflegepersonal und wirtschaftliche Geschäftsbetriebe befänden, sei für die streitige Frage der Gewährung eines Vollerlasses der HGA-Leistungen ohne Belang. Dies sei für den Umfang der Grundsteuerbefreiung von Bedeutung. Einschränkungen wie im GrStG fänden sich aber in § 132 LAG nicht. Daraus müsse gefolgert werden, daß der Gesetzgeber für den Erlaß der HGA bei Grundstücken, die unmittelbar mildtätigen Zwecken dienten oder für Zwecke der in § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG genannten Anstalten benutzt würden, ganz bewußt auf derartige Einschränkungen verzichtet habe, sofern die persönlichen Erlaßvoraussetzungen des § 132 Abs. 1 Nr. 1 LAG gegeben seien. Die Vorschriften der §§ 19 Abs. 3 und 20 Abs. 1, 2 der Siebzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 3. November 1955 (17. AbgabenDV-LA), mit denen die Beteiligten ihre gegensätzlichen Auffassungen zu begründen suchten, seien nichtig, weil sie auf Grund einer Ermächtigung erlassen seien, die nur eine Rahmenbestimmung darstelle, die mangels eines festen Programms mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu vereinbaren sei. Aber selbst wenn man die Ermächtigungsvorschrift als solche als noch mit dem GG vereinbar ansehen sollte, weil sie sich verfassungskonform auslegen lasse, so wären gleichwohl die §§ 19 Abs. 3 Satz 2 und 20 Abs. 1 und 2 der 17. AbgabenDV-LA nichtig, weil der Verordnungsgeber sich nicht darauf beschränkt habe, die Vorschriften des Gesetzes zu konkretisieren. Da der Gesetzgeber bewußt keine Erlaßbeschränkungen in den Gesetzestext aufgenommen oder wenigstens im Gesetzestext angedeutet habe, reiche es für einen Vollerlaß der HGA-Leistungen aus, wenn abgesehen von der Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen des § 132 Abs. 1 Nr. 1 LAG das mit HGA belastete Grundstück überhaupt in irgendeiner Weise unmittelbar mildtätigen Zwecken diene oder für Zwecke von Kranken- oder Bewahrungsanstalten benutzt werde, die in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung dienten.

II. Revision des FA und Stellungnahme des BMWF

1. Gegen das Urteil des FG hat das beklagte FA Revision eingelegt mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit eine höhere Erlaßquote als 88 v. H. begehrt werde, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzung der Vorschriften des § 132 LAG sowie der §§ 19, 20 der 17. AbgabenDV-LA. Er wendet sich zunächst dagegen, daß das FG die in § 132 Abs. 3 Satz 1 LAG erteilte Ermächtigung als ungültig behandelt habe. Entgegen der Ansicht des FG genüge es, daß der bestimmte Raum und die Richtung, in denen der Verordnungsgeber vorzugehen habe, sich aus den einzelnen Befreiungs- und Ermächtigungsvorschriften des Gesetzes selbst ergeben.

Daß die in der 17. AbgabenDV-LA getroffenen Regelung dem Zweck und der Zielrichtung, wie sie dem Gesetzgeber selbst vorgeschwebt hätten, durchaus entspreche, ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte des § 132 LAG. Jedenfalls sei es nach Entstehungsgeschichte und Wortlaut des § 132 LAG voraussehbar gewesen, daß in der Rechtsverordnung im wesentlichen einschränkende Anordnungen über die Anwendung der Erlaßvorschrift enthalten sein würden. Die Regelung in der 17. AbgabenDV-LA habe somit lediglich eine der Absicht des Gesetzgebers entsprechende Handhabung der Erlaßvorschrift gesichert. Daß auch der BFH keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigung gehabt habe, ließen zwei Urteile des BFH (III 276/62 vom 30. September 1966, BFH 87, 397, BStBl III 1967, 146 und III R 26/66 vom 22. November 1968, BFH 94, 414, BStBl II 1969, 205) erkennen, die zu § 132 LAG und zur 17. AbgabenDV-LA ergangen seien.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte hält die Ausführungen des FG in dem angefochtenen Urteil für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie beruft sich erneut darauf, daß ihr für die ersten vier Erlaßzeiträume Vollerlaß der HGA-Leistungen gewährt worden sei und daß deshalb bei unveränderter Sach- und Rechtslage über den Erlaßantrag im 5. Erlaßzeitraum nicht anders entschieden werden könne. Im übrigen sei eine Trennung der den begünstigten Zwecken dienenden und jedenfalls weit überwiegenden Grundstücksteile von den übrigen, anderen Zwecken dienenden Grundstücksteilen gar nicht möglich.

2. Der BMWF hat gemäß § 122 Abs. 2 FGO seinen Beitritt zum Verfahren erklärt. Er hat sich den Ausführungen der Revisionsbegründung angeschlossen und diese insbesondere durch einen Hinweis auf den Beschluß des BVerfG 2 BvR 424/63 vom 11. Januar 1966 (BVerfGE 19, 354 ff.) ergänzt. Es komme der Entstehungsgeschichte des § 132 LAG besondere Bedeutung zu. Der "Entwurf eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich" habe zunächst eine der Vorschrift des § 132 LAG entsprechende Regelung nicht vorgesehen, die erst später im Laufe der parlamentarischen Beratungen in den Entwurf als § 166 eingefügt worden sei. In der damaligen Fassung des § 166 sei eine Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung nicht enthalten gewesen. Erst auf Grund eines Änderungsantrages während der dritten Lesung des Gesetzes sei ohne Begründung und Aussprache die bisherige Fassung des § 166 durch den Wortlaut ersetzt worden, der dem heutigen § 132 LAG entspreche. Trotz dieser Änderung habe aber der Gesetzgeber wohl nie daran gedacht, ein nur zu einem geringen Teil begünstigten Zwecken dienendes Grundstück in vollem Umfang in den Genuß des § 132 LAG kommen zu lassen. Im gesamten LAG gäbe es keine Bestimmung, die eine volle Befreiung oder Vergünstigung vorsehe, wenn die Voraussetzungen dafür nur teilweise und in abgrenzbarem Umfang erfüllt seien. Gerade der Umstand, daß der Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift ohne jegliche Aussprache ausgewechselt worden sei, lasse darauf schließen, daß der Gesetzgeber mit der Neufassung kein von der Urfassung abweichendes materiell-rechtliches Ergebnis habe herbeiführen wollen, daß er vielmehr, um sich nicht während der Dritten Lesung des Gesetzes noch mit Einzelheiten befassen zu müssen, die Regelung der Detailfragen dem Verordnungsgeber übertragen habe.

Da nach den allgemeinen Grundsätzen des LAG in Fällen der vorliegenden Art keine andere als eine partielle Begünstigung denkbar sei, habe auch die Ermächtigung in § 132 LAG nur eine diesem Grundsatz entsprechende Lösung zugelassen.

Unter diesen Gesichtspunkten lägen weder die Ermächtigung in § 132 Abs. 3 LAG noch deren Ausfüllung durch die §§ 19 und 20 der 17. AbgabenDV-LA außerhalb des gesetzlichen Rahmens.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

1. Gegen das Urteil des FG bestehen schon insofern Bedenken, als das FG die Klage, soweit sie in der Gestalt einer Verpflichtungsklage erhoben worden ist, ungeachtet des fehlenden außergerichtlichen Vorverfahrens für zulässig erachtet und dementsprechend in der Urteilsformel eine Verpflichtung des FA zum Erlaß der HGA im begehrten Umfang ausgesprochen hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist eine solche Entscheidung nicht angängig; denn nach § 45 FGO ist die Zulässigkeit einer Klage ohne vorangegangenes Vorverfahren auf Fälle der Anfechtungsklage beschränkt. Da weder angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber das sich aus der gesetzlichen Regelung ergebende Rechtsproblem übersehen oder nicht richtig erkannt hat, noch auch festgestellt werden kann, daß die vom Gesetzgeber angeordnete Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Anfechtungsklagen widersinnig und unverständlich wäre, ist eine Auslegung der Vorschrift gegen ihren Wortlaut nicht möglich (vgl. hierzu Schall, in DStR 1968, 341 ff.). Die Anwendung des § 45 FGO muß auf den Bereich der Anfechtungsklagen beschränkt bleiben und kann auch nicht im Wege der Analogie auf Verpflichtungsklagen übertragen werden (vgl. hierzu Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Tz. 2 zu § 45 FGO; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Tz. 3 zu § 45 FGO; FG Düsseldorf in EFG 1968, 578; Schall, a. a. O.; a. M. Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, Tz. 2a zu § 45 FGO). Die Entscheidung des FG war aus diesem Grunde aufzuheben und die Verpflichtungsklage abzu eisen.

2. Die Vorentscheidung unterliegt aber auch insoweit der Aufhebung, als sie der gemäß § 45 FGO als Sprungklage zulässigen Anfechtungsklage dadurch entsprochen hat, daß sie mit dem Ausspruch der Verpflichtung des FA zum Vollerlaß der HGA im fünften Erlaßzeitraum auch den angefochtenen Verwaltungsakt im Sinne der Klage abgeändert hat.

Zwar haben bei der Klägerin unstreitig die persönlichen Voraussetzungen für einen HGA-Erlaß gemäß § 132 LAG in diesem Erlaßzeitraum vorgelegen. Dies allein reicht aber für den Erlaß der HGA nicht aus. Vielmehr muß darüber hinaus das mit HGA belastete Grundstück selbst entweder unmittelbar für mildtätige Zwecke oder für die Zwecke einer solchen Krankenanstalt oder Bewahrungsanstalt benutzt werden, die in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung dient. Das FG hat das FA zum Vollerlaß der HGA für den fünften Erlaßzeitraum verpflichtet und dies damit begründet, daß es nach § 132 LAG genüge, wenn - abgesehen von der Erfüllung der persönlichen Erlaßvoraussetzungen im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 - auch nur Teile des belasteten Grundstücks den begünstigten Zwecken im Sinne des § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG dienten. Dieser Rechtsansicht schließt sich der erkennende Senat nicht an.

Es trifft zwar zu, daß § 132 LAG in seiner endgültigen Fassung eine ausdrückliche Beschränkung des Erlaßumfangs, wie sie hinsichtlich der Grundsteuerbefreiungen den Abs. 2 und 3 des § 6 GrStG entsprechen würde, nicht enthält. Damit ist jedoch eine inhaltliche Begrenzung des Erlaßbereichs nicht ausgeschlossen, wie sie sich schon rein begrifflich aus der Beschränkung des Erlasses auf mildtätigen Zwecken oder Zwecken bestimmter Arten von Kranken- und Bewahrungsanstalten dienende Grundstücke ergibt. Die Revision hat jedenfalls zutreffend darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber durch die Verwendung der Begriffe der "Unmittelbarkeit" und der "Mildtätigkeit" im § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG den Willen zur sachlichen Begrenzung dieser Abgabenvergünstigung bekundet hat. Denn die Begriffe der Unmittelbarkeit und Mildtätigkeit bedeuten, daß weder eine mittelbare Nutzung noch eine Nutzung für andere als mildtätige Zwecke - seien dies auch gemeinnützige oder kirchliche Zwecke - für die Gewährung des Erlasses ausreichen kann. Die Annahme des FG, das Gesetz lasse eine objektbezogene Beschränkung der Erlaßvorschrift nicht einmal andeutungsweise erkennen, trifft deshalb in dieser Form nicht zu.

Die Ermächtigungsvorschrift des § 132 Abs. 3 Satz 1 LAG entspricht auch den in Art. 80 GG gestellten Anforderungen. Nach Art. 80 Abs. 1 GG können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen jedoch Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz selbst bestimmt werden. Eine derartige Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung enthält der für den Streitfall bedeutsame § 132 Abs. 3 Satz 1 LAG, dessen Inhalt sich allerdings darauf beschränkt, daß das Nähere durch Rechtsverordnung bestimmt wird. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist Art. 80 Abs. 1 GG nicht dahin zu verstehen, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Text des Gesetzes ausdrücklich bestimmt sein müssen. Vielmehr sind auch Ermächtigungsnormen der Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen zugänglich (BVerfGE 28, 85). Es genügt, wenn Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigungsvorschrift nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus ihrem Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften des Gesetzes und aus dem von der gesetzlichen Regelung insgesamt verfolgten Ziel unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ermittelt werden können (BVerfGE 26, 16 [27]; in gleichem Sinne BVerfGE 8, 274 [307]; 10, 20 [51]; 19, 354 [362]; 24, 1 [15]).

Es darf weder übersehen werden, daß schon der enge Zusammenhang, der zwischen der Ermächtigungsvorschrift des § 132 Abs. 3 und der grundsätzlichen Erlaßregelung in Abs. 1 des § 132 LAG besteht, auf eine Ausgestaltung der bereits aus § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG ersichtlichen Erlaßgrenzen hindeutet. Noch darf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 132 LAG außer acht gelassen werden, aus der sich jedenfalls soviel ergibt, daß die Ermächtigung in § 132 Abs. 3 des geltenden Gesetzes an die Stelle von Vorschriften eines vorangegangenen Gesetzentwurfs zum LAG (damals § 166) getreten ist, in denen entsprechend den Vorschriften des GrStG eine Einschränkung des HGA-Erlasses im Falle einer nur teilweisen Nutzung des belasteten Grundstücks für die begünstigten Zwecke vorgesehen war.

Einzelheiten über die Gründe, weshalb diese ins einzelne gehende Regelung der objektbezogenen Grenzen der Erlaßvorschrift entsprechend einem parlamentarischen Änderungsantrag aus dem Zwischentext des Gesetzes gestrichen und weshalb an ihrer Stelle eine in der zunächst vorgesehenen Fassung des § 166 (jetzt § 132 LAG) nicht enthaltene Ermächtigung zum Erlaß einer das Nähere regelnden Rechtsverordnung in das Gesetz aufgenommen worden ist, sind weder aus den Sitzungsprotokollen des Bundestages noch aus dem sonstigen Inhalt der Gesetzesmaterialien ersichtlich. Immerhin läßt der enge sachliche Zusammenhang, in dem die Ermächtigung in Abs. 3 zu dem sonstigen Inhalt des § 132 LAG steht, ebenso wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift erkennen, daß die Ermächtigung zur näheren Regelung des HGA-Erlasses im Wege einer Rechtsverordnung allein dazu dienen sollte, den Inhalt des im Gesetz selbst verankerten Erlasses spezieller auszugestalten. Hierzu genügt die Ermächtigung des § 132 Abs. 3 LAG den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, so daß die auf Grund dieser Ermächtigung erlassenen Bestimmungen der 17. AbgabenDV-LA insoweit der Rechtsgrundlage nicht entbehren.

Dem FG ist allerdings darin beizupflichten, daß der Verordnungsgeber sich darauf beschränken muß, den Gesetzesinhalt zu konkretisieren, und daß es ihm nicht gestattet ist, diesen zu verändern oder abzuwandeln (vgl. BVerfGE 7, 267 [274]).

Von einer unzulässigen Einschränkung des Gesetzesinhalts könnte aber nur dann die Rede sein, wenn angenommen werden müßte, daß der Gesetzgeber auch bei einer nur teilweisen Benutzung des belasteten Grundstücks für die begünstigten Zwecke den vollen Erlaß der HGA habe gewähren wollen. Das ist jedoch nicht der Fall. Die endgültige Fassung der Gesetzesnorm beruhte mangels anderer Anhaltspunkte offenbar darauf, daß der Gesetzgeber die Regelung nicht selbst treffen, sondern ihre Gestaltung im einzelnen dem Verordnungsgeber überlassen wollte. Anderenfalls wäre es unverständlich, daß der Gesetzgeber, wenn er ungeachtet der sich aus dem Gesetz ergebenden Beschränkung des Erlasses auf den mildtätigen Zwecken dienenden Grundbesitz den Vollerlaß auch bei nur partieller Nutzung für die begünstigten Zwecke hätte gewähren wollen, dies nicht ausdrücklich im Gesetz selbst zum Ausdruck gebracht haben sollte, zumal es sich bei einer derartigen Ausdehnung des Erlaßumfangs zumindest im Rahmen der Lastenausgleichsgesetzgebung um einen singulären Vorgang handeln würde. Das LAG enthält nämlich eine ganze Anzahl von Vorschriften, auf Grund deren für Vermögen, das bestimmten begünstigten Zwecken dient, Vergünstigungen gewährt werden. In Betracht kommen vor allem die für das Gebiet der Vermögensabgabe ergangenen Vorschriften der §§ 18 Abs. 1 Nr. 7 bis 11; 24 Nr. 3; 25 und 27 LAG. Allen diesen gesetzlichen Regelungen liegt aber das Prinzip zugrunde, daß nur dasjenige Vermögen bzw. diejenigen Vermögensteile begünstigt sind, die dem jeweils vom Gesetzgeber begünstigten Zweck dienen. Der Grundsatz, daß bei einer nur partiellen Verwendung des in Betracht kommenden Vermögens für die begünstigten Zwecke auch nur teilweise Abgabenbefreiung bzw. ein teilweiser Abgabenerlaß gewährt werden kann, ist in § 25 LAG ausdrücklich geregelt. Auch bei den übrigen hier in Betracht kommenden Vorschriften ist dieser Grundsatz schon deshalb zu beachten, weil im Hinblick auf die allein begünstigte Zweckwidmung des jeweils in Betracht kommenden Vermögensgegenstandes anderen Zwecken dienende Vermögensteile schon begrifflich von der Vergünstigung ausgeschlossen sind. Es ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb gerade die Regelung des HGA-Erlaßverfahrens nach § 132 LAG hiervon eine Ausnahme bilden sollte. Hiernach muß die in den §§ 19, 20 der 17. AbgabenDV-LA getroffene Lösung als sachgemäße Interpretation des Gesetzinhalts angesehen werden.

Dies hat auch der erkennende Senat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, wenn er insbesondere die in § 132 LAG in Verbindung mit § 20 der 17. AbgabenDV-LA getroffene Regelung auch im Hinblick auf ihre Anlehnung an die grundsteuerlichen Vorschriften als sachgerecht und zweckentsprechend anerkannt hat (z. B. die Entscheidungen III 90/62 S vom 23. Juli 1965, BFH 84, 118, BStBl III 1966, 43; III R 64/67 vom 11. November 1970, BFH 101, 408, BStBl II 1971, 372). An dieser Rechtsansicht hält der Senat aus den oben dargelegten Gründen auch weiterhin fest.

Ein Erlaß der HGA kann, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, auch nicht im Hinblick darauf gewährt werden, daß in vorangegangenen Erlaßzeiträumen ein solcher gewährt worden ist.

Das angefochtene Urteil war daher auch insoweit aufzuheben, als das FG der Anfechtungsklage stattgegeben hat. Die Anfechtungsklage ist jedoch nicht entscheidungsreif, da die Klägerin die Nutzung des belasteten Grndstücks für nicht durch § 132 LAG begünstigte Zwecke bestritten, das FG aber zu diesem Streitpunkt noch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Die Sache wird deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen, das die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen darüber zu treffen haben wird, in welchem Umfang das Grundstück auch anderen als den begünstigten Zwecken dient und ob eine räumliche Abgrenzung der begünstigten Zwecken dienenden Grundstücksteile von den anderen Zwecken dienenden Grundstücksteilen durchgeführt werden kann. Sollte dies nicht möglich sein, so wäre bei Überwiegen der begünstigten Zwecken dienenden Grundstücksteile der Anfechtungsklage stattzugeben und die angefochtene Erlaßverfügung des FA aufzuheben.

 

Fundstellen

BStBl II 1972, 711

BFHE 1972, 116

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