Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Vorsteuerabzug bei einer Publikumsgesellschaft (Immobilienfonds)

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Publikumsgesellschaft, an der die Kapitalanleger nicht unmittelbar als Kommanditisten, sondern mittelbar über einen Treuhandkommanditisten beteiligt sind, bewirkt den Anlegern gegenüber durch die Beteiligung steuerfreie und deshalb vorsteuerabzugsschädliche Umsätze von Gesellschaftsanteilen, wenn die Anleger wie Kommanditisten in das Gesellschaftsverhältnis einbezogen werden.

2. Dahinstehen kann, ob diese Umsätze auch gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, wenn die Publikumsgesellschaft einen Immobilienfonds aufgelegt hat.

 

Normenkette

UStG 1980 § 4 Nr. 8 Buchst. f., Nr. 9 Buchst. a, § 15 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) sind Kommanditgesellschaften, die mit einem Zeichnungsvolumen von insgesamt . . . DM je einen Immobilienfonds zur Errichtung von ... Wohnanlagen auflegten. Die Klägerin zu 2 wurde gegrün

det, nachdem bis zum 31. Dezember 1980 noch nicht genügend Kapitalanleger geworben worden waren. Kommanditistin der Klägerinnen ist die X-GmbH, die die Kommanditanteile treuhänderisch für die sog. Unterkommanditisten (im folgenden: Anleger) hielt. Von dem vorgesehenen Kommanditkapital brachten die Klägerin zu 1 ... % und die Klägerin zu 2 ... % auf. Das von dem einzelnen Anleger gezeichnete Kommanditkapital (sog. Kommanditanteil) entsprach den Kosten der Eigentumswohnung, für die der Anleger optiert hatte.

Gemäß § 5 Abs. 4 des Kommanditgesellschaftsvertrags ,, verpflichtete" sich die Kommanditgesellschaft, dem Anleger als Dauerfinanzierung eine Refinanzierung seines Kommanditanteils in Höhe von ... % zuzüglich Damnum zu besorgen oder besorgen zu lassen.

Unter Bezugnahme auf diese ,, Verpflichtung" schlossen die Klägerinnen mit der Y-KG einen Vertrag, nach dessen Inhalt die Y-KG beauftragt wurde, ,,die Vermittlung der erforderlichen Finanzierungen" (Eigenkapital-Vorfinanzierung von ... % des KG- Kapitals; Zwischenfinanzierung von ... % des KG-Kapitals; Dauerfinanzierung von ... % des KG-Kapitals) ,,zu besorgen". Über die Vergütung heißt es in dem Vertrag der Klägerin zu 1 mit der Y-KG:

,,Der Auftragnehmer berechnet für seine Leistungen

a) Vermittlung der Eigenkapital- Vorfinanzierung und Zwischenfinanzierung

... % von DM ... = ... DM

b) Vermittlung der Dauerfinanzierung

... % von DM ... = ... DM

Die Vergütung enthält die gesetzliche Umsatzsteuer in Höhe von ... DM. Erhöht sich die Umsatzsteuer, so ist sie zusätzlich zu vergüten.

Die Vergütung ist am Tage der erstmaligen Kreditanspruchnahme in einer Summe fällig."

Die Kredite wurden den Anlegern von der Z-Bank aufgrund besonderer Darlehensverträge gewährt.

Die Y-KG stellte den Klägerinnen entsprechend dem gezeichneten Kommanditkapital folgende Beträge in Rechnung:

der Klägerin zu 1

für die Vermittlung der Eigenkapital-Vorfinanzierung und Zwischenfinanzierung

... DM einschließlich ... DM Umsatzsteuer,

für die Vermittlung der Dauerfinanzierung

... DM einschließlich ... DM Umsatzsteuer;

der Klägerin zu 2

für die Vermittlung der Eigenkapital-Vorfinanzierung und Zwischenfinanzierung

... DM einschließlich ... DM Umsatzsteuer,

für die Vermittlung der Dauerfinanzierung

... DM einschließlich... DM Umsatzsteuer.

Bei den Veranlagungen der Klägerinnen zur Umsatzsteuer ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die ihnen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug zu (nach 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 - geänderte Umsatzsteuerbescheide, nämlich vom 22. Oktober 1985 für 1980 gegen die Klägerin zu 1 und vom 9. Oktoher 1985 für 1981 gegen die Klägerin zu 2).

Die Einsprüche und die anschließenden Klagen hatten in diesem Punkt keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG), das die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, hielt die Klagen in dem genannten Punkt für unbegründet; die Klägerinnen hätten die ihnen erbrachten Vermittlungsleistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwandt - nämlich zur nach § 4 Nr. 8 Buchst. f des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 steuerfreien Ausgabe von Kommanditanteilen. Der Vorsteuerabzug sei demnach nach § 15 Abs. 2 UStG 1980 ausgeschlossen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerinnen. Sie wenden sich gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), daß bei Publikumsgesellschaften in der Ausgabe von Kommanditanteilen ein steuerfreier Umsatz zu sehen sei. Sie meinen, die Vermittlungsleistungen seien nicht im Zusammenhang mit der Ausgabe der Kommanditanteile zu sehen, sondern mit der Errichtung des Bauobjekts. Vor der Errichtung des Gebäudes hätten die Kommanditanteile wohl noch nicht einen Wert von . . . DM gehabt. Auch deshalb könnten die Vermittlungsleistungen nicht ausschließlich der Ausgabe der Kommanditanteile zugeordnet werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen i. S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 ist die Steuer für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

Der Senat läßt dahingestellt, ob die Y-KG für die Unternehmen der Klägerinnen sonstige Leistungen i. S. der genannten Bestimmungen ausgeführt hat und worin sie gegebenenfalls im Einzelfall bestanden. Selbst wenn die Y-KG im Zusammenhang mit den Darlehen Vermittlungsleistungen, Besorgungsleistungen oder ähnliche Leistungen an die Klägerinnen für deren Unternehmen erbracht hat, ist der Vorsteuerabzug wegen der steuerfreien Umsätze der Klägerinnen nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 ausgeschlossen.

a) Die Klägerin hat den Anlegern gegenüber steuerbare, aber nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 steuerfreie Umsätze bewirkt, die den Vorsteuerabzug ausschließen.

Die Klägerinnen sind Publikums-Kommanditgesellschaften, an denen über einen Treuhand-Kommanditisten eine Vielzahl von Anlegern beteiligt sind. Derartige Publikumsgesellschaften verschaffen den Anlegern ihre Treuhandrechte, wenn diese wie Kommanditisten in das Gesellschaftsverhältnis einbezogen sind. Es liegt dann ein steuerfreier Umsatz von Anteilen an einer Gesellschaft vor (BFH-Urteil vom 21. November 1991 V R 99/87, BFHE 167, 462, BStBl II 1992, 637). So war es auch im Streitfall; in den vom FG in Bezug genommenen Gesellschaftsverträgen werden die Anleger als Kommanditisten bezeichnet und ihre Rechte und Pflichten im einzelnen geregelt. Die Anleger haben deshalb ihre Rechte von den Klägerinnen als leistenden Unternehmerinnen erhalten.

Wenn die Klägerinnen demgegenüber geltend machen, daß die Kommanditisten ihre Gesellschafterstellung durch Abschluß des Gesellschaftsvertrags als Gründungsakt und demzufolge nicht von der in Gründung befindlichen KG erlangen, so trifft dieser Einwand im Streitfall gerade nicht zu, da hier die Anleger keine (Gründungs-)Gesellschafter der Klägerinnen waren, ihre Treuhandrechte vielmehr von den Gesellschaften erst nach ihrer Gründung erhielten.

b) Nicht zu entscheiden braucht der Senat, ob die Einräumung der Treuhandrechte auch nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 von der Umsatzsteuer befreit war. Nach dieser Vorschrift sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) fallen, steuerfrei. Die Einräumung der Treuhandrechte fiel unter das GrEStG, wenn die Rechte der Anleger derart mit einem Anrecht auf eine bestimmte Wohnung verbunden waren, daß die Einräumung der Treuhandrechte im Ergebnis der Übertragung von Wohnungseigentum gleichkam (vgl. BFH-Urteil vom 27. März 1991 II R 82/87, BFHE 164, 473, BStBl II 1991, 731). Ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorlagen, kann dem vom FG festgestellten Sachverhalt nicht entnommen werden.

c) Hat die Y-KG im Zusammenhang mit den den Anlegern gewährten Darlehen umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die Klägerinnen für deren Unternehmen erbracht, haben die Klägerinnen diese zur Ausführung der vorgenannten steuerfreien Umsätze verwendet. Denn die Darlehen dienten den Anlegern zur Finanzierung ihrer Beteiligungen, die die Klägerinnen ihnen steuerfrei verschafft hatten. Die Vorbezüge der Klägerinnen sind nicht im Zusammenhang mit den von ihnen errichteten Bauten zu sehen, sondern im Zusammenhang mit den von ihnen getätigten Umsätzen. Wie sich aus der Vorschrift des § 15 Abs. 2 UStG 1980 ergibt, ist für den Vorsteuerabzug entscheidend, ob der Unternehmer seine steuerbelasteten Vorbezüge zur Ausführung der dort genannten vorsteuerabzugschädlichen Umsätze verwendet oder zur Ausführung nicht vorsteuerabzugschädlicher Umsätze. Ob er sie zur Schaffung von Betriebsvermögen verwendet, hat für den Vorsteuerabzug keine unmittelbare Bedeutung. Es ist deshalb auch ohne Bedeutung, ob die Beteiligungen der Anleger bereits im Zeitpunkt ihres Erwerbs ihren Preis wert waren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418997

BFH/NV 1993, 569

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