Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung für Neueröffnung eines Betriebs im Beitrittsgebiet - Revisibilität von § 9 Abs 1. DBStÄndG - Anwendbarkeit des EStG DDR und KöStG DDR bis zum 31.12.1990

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR gilt auch für Kapitalgesellschaften.

2. Die Eröffnung einer Betriebstätte ist grundsätzlich keine Neueröffnung eines Betriebes i.S. des § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR.

3. Betrieb i.S. des § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR kann aber ein Teilbetrieb sein.

 

Orientierungssatz

1. § 9 Abs. 1 DBStÄndG ist als partielles Bundesrecht revisibel.

2. Das KöStG DDR und das EStG DDR war im Beitrittsgebiet bis zum 31.12.1990 anzuwenden.

 

Normenkette

StRVÄndGDBest § 9 Abs. 1; KöStG § 2 Nr. 1; EStG DDR § 49 Nr. 2; EinigVtr Art. 3, 8; EinigVtr Anlage I Kap IV B II Nr. 14; EinigVtr Anlage I Kap IV B

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine in den alten Bundesländern ansässige Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH, unterhält seit dem 1. Juli 1990 eine Zweigniederlassung im Beitrittsgebiet, die im Handelsregister eingetragen wurde. In der Steuererklärung für 1990 für die Zweigniederlassung beantragte die Klägerin die Gewährung einer Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 der Durchführungsbestimmung zum Steueränderungsgesetz vom 16. März 1990 --DB-StÄndG-- (Gesetz- und Verordnungsblatt der DDR --GBl DDR-- I, 195). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte dies unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 22. Juli 1991 IV B 3 - S 2259 C - 14/91 (BStBl I 1991, 737) mit der Begründung ab, daß die Gründung einer Zweigniederlassung den Tatbestand der Neueröffnung eines Gewerbebetriebes nicht erfülle. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Die Klägerin beantragt mit ihrer Revision sinngemäß, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils den Bescheid 1990 für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Beitrittsgebiet vom 17. September 1992 dahingehend zu ändern, daß die zusammengefaßte Steuer mit 10 891 DM festgesetzt werde.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Finanzgericht --FG-- (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Klägerin ist im Streitjahr 1990 mit ihren Einkünften aus der Zweigniederlassung im Beitrittsgebiet auf dem Gebiet der ehemaligen DDR beschränkt steuerpflichtig. Dies ergibt sich aus § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes der DDR (KöStG) i.d.F. vom 18. September 1970 (GBl DDR Sonderdruck Nr. 671), geändert durch das Gesetz zur Änderung der Rechtsvorschriften über die Einkommen-, Körperschaft- und Vermögenssteuer --StÄndG-DDR-- vom 6. März 1990 (GBl DDR I, 136) und das Gesetz zur Änderung und Ergänzung steuerlicher Rechtsvorschriften bei Einführung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland vom 22. Juni 1990 (GBl DDR Sonderdruck Nr. 1427) i.v.m. § 49 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes DDR (EStG DDR) vom 18. September 1970 (GBl DDR Sonderdruck Nr. 670) i.d.F. der oben bezeichneten Änderungsgesetze und § 12 der Abgabenordnung DDR (AO DDR vom 22. Juni 1990; GBl DDR Sonderdruck Nr. 1428).

Diese Vorschriften des Beitrittsgebiets gemäß Art. 3 des Einigungsvertrages (EinigVtr) galten noch bis zum 31. Dezember 1990. Gemäß Art. 8 EinigVtr trat grundsätzlich zwar mit dem Wirksamwerden des Beitritts, d.h. am 3. Oktober 1990 (Art. 1 EinigVtr) im Gebiet der ehemaligen DDR Bundesrecht in Kraft. Hiervon abweichend gilt jedoch gemäß Art. 8 i.V.m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 EinigVtr u.a. das Recht der Besitz- und Verkehrsteuern der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ab 1. Januar 1991. Zu den Besitzsteuern gehören auch die Steuern auf Einkommen und Ertrag (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 2 AO 1977 Tz.42; Scholtz in Koch, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 3 Rdnr.34) und damit auch die Einkommen- und Körperschaftsteuer (vgl. Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 54a Rdnr.1; Dötsch, Der Betrieb, DDR-Report 1990, 3126). Für die Zeit ab 3. Oktober 1990 bis zum Inkrafttreten der Vorschriften der Bundesrepublik am 1. Januar 1991 war nach Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Satz 2 EinigVtr das in der damaligen DDR geltende Recht weiter anzuwenden.

2. Gemäß § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR wird bei Neueröffnung eines Handwerks-, Handels- oder Gewerbebetriebes dem Inhaber eine einmalige Steuerbefreiung für zwei Jahre höchstens bis zu 10 000 DM gewährt. Auch diese Vorschrift, auf die die Klägerin ihre Revision stützt, ist gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO revisibel. Mit der gesetzlichen Bestimmung in Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Satz 2 EinigVtr, wonach für das Streitjahr 1990 das in der damaligen DDR geltende Recht weiter anzuwenden ist, hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) die steuerrechtlichen Bestimmungen der ehemaligen DDR als partielles Bundesrecht übernommen (vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Mai 1993 II R 29/93, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630; vom 22. Dezember 1993 I R 75/93, BFHE 174, 122, BStBl II 1994, 578).

3. § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR gilt auch für (beschränkt steuerpflichtige) Kapitalgesellschaften (ebenso Schreiben des BMF in BStBl I 1991, 737). Nach § 2 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes der DDR (GewStG DDR) vom 18. September 1970 (GBl DDR I, Sonderdruck Nr. 672) gilt die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb und erfüllt insoweit das Merkmal des Gewerbebetriebes i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR. Der Verordnungsgeber ging ferner erkennbar davon aus, daß auch Körperschaftsteuersubjekte in den Genuß der Steuervergünstigung aufgrund des StÄndG DDR gelangen sollten. Dies gilt jedenfalls für die genossenschaftlichen Handwerksbetriebe, deren steuerliche Begünstigungen durch die Vergünstigungen nach dem StÄndG DDR ersetzt werden sollten (vgl. § 9 Abs. 3 DB-StÄndG DDR). Sollte daher einerseits § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR auch Körperschaften zugute kommen und wurden andererseits die Kapitalgesellschaften vom Anwendungsbereich nicht ausgeschlossen, so muß grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß die Steuervergünstigung auch Kapitalgesellschaften erfassen sollte. Im übrigen war es dem DDR-Recht nicht fremd, Vergünstigungen für Gewerbebetriebe ausdrücklich nur natürlichen Personen und Personengesellschaften (vgl. z.B. § 2 der Verordnung zur Änderung der Besteuerung der privaten Wirtschaft vom 3. September 1954, GBl DDR 1954, 775) oder "Bürgern" (vgl. Direktiven des Ministerrats der DDR und des Ministeriums der Finanzen zur Förderung der Leistungen des Handwerks und der Kleingewerbetreibenden u.a. vom 9. April 1976, 29. März 1984) zu gewähren. Das Auslegungsergebnis entspricht auch dem seinerzeit im Zuge der Vorbereitung der Wiedervereinigung verfolgten Zweck, in der ehemaligen DDR den Übergang zur Marktwirtschaft zu erleichtern und die private Initiative zur Entfaltung des Unternehmertums zu fördern (vgl. z.B. Präambel zum Gesetz über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen vom 7. März 1990, GBl DDR I, 141). Hierzu gehört auch die Förderung der Tätigkeit von Kapitalgesellschaften.

4. § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR setzt die Neueröffnung eines Betriebes voraus. Die Eröffnung einer Betriebsstätte, die nicht die Merkmale eines Betriebes hat, genügt nicht. Dies entnimmt der Senat dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄnd DDR. Im Zuge der Wiedervereinigung mußten im Rahmen kurzer zeitlicher Vorgaben eine Vielzahl von Rechtsvorschriften erlassen werden, deren Sinn und Zweck im Einzelfall kaum dokumentiert wurde und deren Ziel ganz allgemein in der Vereinheitlichung zweier Rechts- und Wirtschaftssysteme lag. Da der Zweck dieser Normen im Einzelfall kaum faßbar ist, kommt dem Wortlaut der Bestimmung besonderes Gewicht zu.

§ 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR spricht von einer "Neueröffnung eines Handwerks-, Handels- oder Gewerbebetriebes" und nicht von der Erweiterung eines bestehenden Betriebes um eine Betriebsstätte. Zweigniederlassungen galten nach § 73b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AO DDR vom 18. September 1970 (GBl DDR Sonderdruck Nr. 681; vgl. auch § 12 AO DDR vom 22. Juni 1990, GBl DDR Sonderdruck Nr. 1428) als Betriebsstätte, erfüllten aber als solche nicht notwendigerweise die Merkmale eines Betriebes. Wenn in § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR ausdrücklich von einem Betrieb, und nicht von einer --gesetzlich-- definierten Betriebsstätte die Rede ist, so läßt dies nur den Schluß zu, daß die Eröffnung einer Betriebsstätte nicht begünstigt werden sollte. Auch wird im allgemeinen Sprachgebrauch eine Betriebsstätte eröffnet und nicht neueröffnet. Diesem Auslegungsergebnis entspricht auch, daß die Steuervergünstigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR an die Stelle bisheriger Steuervergünstigungen zur Förderung der Reparatur-, Dienst- und Versorgungsleistungen des genossenschaftlichen und privaten Handwerks sowie anderer Gewerbebetriebe gegenüber der Bevölkerung trat, die nur die Eröffnung oder Übernahme eines Geschäftes in vergleichbarer Weise wie § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR begünstigte (vgl. hierzu insbesondere die Direktiven vom 29. März 1984 und 9. April 1986; DATEV-Steuerrechtssammlung 1990, lfd. Nrn.94 bis 97).

Für die Eröffnung einer Betriebsstätte kann der Steuerabzugsbetrag auch nicht nach dem vom III.Senat des BFH zum Investitionszulagerecht entwickelten Grundsatz der Meistbegünstigung gewährt werden (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1988 III R 27/86, BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 242; BFH-Beschluß vom 10. Januar 1992 III R 223/90, BFHE 167, 261, BStBl II 1992, 427). Zwar ist nicht zu verkennen, daß § 9 DB-StÄndG DDR in einem Teilaspekt wohl auch die Förderung von Investitionen durch Gewährung des Steuerabzugsbetrages bezweckt und insoweit eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Investitionszulage besteht. Die Grundsätze der Meistbegünstigung können aber auch nach der Rechtsprechung des III.Senats nur Anwendung finden, wenn sich der Inhalt eines Gesetzes im Wege der Gesetzesauslegung nicht eindeutig erschließen läßt. Nicht jede schwierige Gesetzesinterpretation führt zur Anwendung der Grundsätze der Meistbegünstigung, wie die Klägerin vorträgt. Vorrang vor Anwendung dieser Grundsätze hat die Gesetzesauslegung. Da der Begriff "Betrieb" auch im Beitrittsgebiet eine andere Bedeutung als der Begriff "Betriebsstätte" hat, besteht zumindest für das Streitjahr 1990, in dem § 58 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) noch nicht galt, kein unlösbarer Widerspruch. Insbesondere führt § 58 Abs. 3 EStG zu keiner rückwirkenden Erweiterung des § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR. Dies bestätigen zum einen die Erläuterungen zu den Anlagen zum Einigungsvertrag, wonach die Überleitungsvorschrift sicherstellen sollte, daß Steuerpflichtige nach § 1 EStG den Steuerabzugsbetrag auch nach dem Beitritt erhalten, wenn sie vor dem 1. Januar 1991 die Voraussetzungen dafür geschaffen haben und ihre Tätigkeit mindestens zwei Jahre ausüben (vgl. BTDrucks 11, 7817 S.110). Damit ist klargestellt, daß die Voraussetzungen für den Steuerabzugsbetrag sich nach der Rechtslage vor dem 1. Januar 1991 richten sollten. Gegen eine rückwirkende Erweiterung des § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR spricht auch die Zielsetzung des § 58 Abs. 3 EStG, so wie sie in der amtlichen Überschrift zu § 58 ("weitere Anwendung von Rechtsvorschriften, die vor Herstellung der Einheit Deutschlands in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet gegolten haben"; vgl. Art. 8 i.V.m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 16 K EinigVtr, BGBl II 1990, 885, 975) ihren Niederschlag gefunden hat.

5. Eine Zweigniederlassung kann allerdings die Merkmale eines Teilbetriebes und damit die eines neueröffneten "Betriebes im Sinne des § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR" aufweisen. Hierzu fehlen die notwendigen tatsächlichen Feststellungen, so daß die Sache an das FG zurückzuverweisen ist.

a) Betrieb im Sinne der steuerlichen Vorschriften des DDR- Rechts kann auch ein Teilbetrieb sein. Dies läßt sich nicht nur der Vorschrift über die Betriebsveräußerung nach § 16 Nr. 1 EStG DDR entnehmen, die Betrieb und Teilbetrieb in der Rechtsfolge grundsätzlich gleichstellt. Auch z.B. § 8 Nr. 1 GewStG DDR definiert den Betrieb durch Klammerzusatz im Sinne eines Teilbetriebes. Gleichermaßen sah § 116 Abs. 1 AO DDR eine Betriebsübernahmehaftung auch für die Übereignung eines in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes vor (vgl. auch § 75 Abs. 1 AO DDR vom 22. Juni 1990). Eine Gleichstellung von Betrieb und Teilbetrieb entspricht auch dem von § 9 Abs. 1 Satz 1 DB-StÄndG DDR zu entnehmenden Zweck, die Eröffnung von Betrieben steuerlich zu begünstigen. Unter diesem Aspekt erscheint die formal-rechtliche Selbständigkeit eines Betriebes kein geeignetes Abgrenzungskriterium.

Ein Teilbetrieb erfüllt aber nur dann die Merkmale eines Betriebes, wenn er mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet und organisatorisch ein geschlossener Teil des Gesamtbetriebes ist, der für sich allein lebensfähig ist (so ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. hierzu Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 16 Anm. 15 m.w.N.). Ein bloßer unselbständiger Betriebsteil liegt hingegen vor, wenn ein Unternehmen nur organisatorisch nach örtlichen oder fachlichen Gesichtspunkten aufgeteilt ist (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 1988 X R 1/86, BFHE 155, 521, BStBl II 1989, 376 m.w.N.) Auch ist nicht jede Filiale ein Teilbetrieb (vgl. BFH-Urteil vom 12. September 1979 I R 146/76, BFHE 129, 62, BStBl II 1980, 51). Zur Selbständigkeit eines Betriebes, der der Art nach freiberufliche Leistungen anbietet, gehört insbesondere auch, daß der Teilbetrieb einen eigenen Mandantenstamm hat (vgl. BFH-Urteile vom 22. Dezember 1993 I R 62/93, BFHE 173, 163, BStBl II 1994, 352; vom 29. Oktober 1992 IV R 16/91, BFHE 169, 352, BStBl II 1993, 182 m.w.N.). Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse.

b) Die Eröffnung eines Teilbetriebes kann dann eine Neueröffnung eines "Betriebes im Sinne des § 9 Abs. 1 DB-StÄndG DDR" sein, wenn der Betriebsinhaber auf dem Gebiet der ehemaligen DDR noch keinen Betrieb hatte. Für das Wirtschaftsjahr 1990 gilt in dem in Art. 3 EinigVtr genannten Gebiet das dort geltende Recht fort. In der ehemaligen DDR bestand daher 1990 eine selbständige Steuerhoheit, die der ausländischer Staaten ähnelte. Aus steuerlicher Sicht war daher 1990 ein in der Bundesrepublik ansässiger Betrieb kein in der DDR ansässiger und umgekehrt. Eröffnete daher ein in der Bundesrepublik ansässiger Betrieb 1990 in der DDR erstmals einen (Teil-)Betrieb, so stellte sich dieser aus der Sicht des DDR-Steuerrechts als Neueröffnung eines Betriebes auf dem Gebiet der DDR dar.

c) Das Urteil des FG ist aufzuheben, obgleich es die Voraussetzungen für die Bejahung eines selbständigen Betriebes ausdrücklich verneint hat. Eine Bindung an diese Feststellung tritt jedoch gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht ein, weil das FG nicht von den oben bezeichneten Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Insbesondere genügen zur Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse nicht die Feststellungen, wonach Haupt- und Zweigniederlassung nur einen einheitlichen Briefkopf verwendeten und die Gesellschafter-Geschäftsführer in beiden Niederlassungen Einfluß nehmen konnten. Zur Beurteilung der Gesamtverhältnisse bedarf es noch weiterer Feststellungen insbesondere dazu, ob die Zweigniederlassung von einem mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteten Leiter geleitet wurde, eigene Mandanten betreute, d.h. die Verträge über die Betreuung von Mandanten in der ehemaligen DDR mit der Zweigniederlassung bzw. dessen Leiter abgeschlossen wurden, die Angestellten ihre Verträge mit dem (selbständigen) Zweigniederlassungsleiter abgeschlossen wurden, die laufenden Unkosten der Zweigniederlassung aus eigenen Einnahmen beglichen wurden u.ä. und ob diese Voraussetzungen bereits im Streitjahr 1990 vorlagen. Mit der Zurückverweisung erhält die Klägerin auch Gelegenheit ggf. nachzuweisen, daß die Zweigniederlassung bereits 1990 unter einem eigenen Briefkopf nach außen auftrat, d.h. Verträge abschloß und Rechnungen erstellte und eine eigene Buchführung hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64932

BFH/NV 1995, 45

BStBl II 1995, 403

BFHE 176, 529

BFHE 1995, 529

BB 1995, 1335

BB 1995, 1335-1337 (LT)

DB 1995, 1006-1008 (LT)

DStR 1995, 842-844 (KT)

DStZ 1995, 477-478 (KT)

HFR 1995, 408-409 (LT)

StE 1995, 291-292 (K)

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