Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob einem Reklame-Fonds (Konto mit Rückstellungscharakter) zugeführte Beträge als vereinnahmt anzusehen sind.

 

Normenkette

UStG § 1/1/1, § 5 Abs. 1; UStDB § 10; UStG § 10/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin B. (Bfin.), hatte durch Vertrag vom ... mit Wirkung von 1. Januar 1955 den Alleinverkauf ihrer Erzeugnisse der Firma A- Vertriebsgesellschaft mbH in X. (im folgenden VG) übertragen. Nach dem Vertrage waren die Preise der Bfin. "auf Lieferung an den Großhandel franco abzustellen" und mußten "konkurrenzfähig" sein. Die Großhandelspreise der VG wurden von der Bfin. vorgeschrieben. Für den Vertrieb der Erzeugnisse erhielt die VG eine als "Provision" bezeichnete Handelsspanne (Verkaufsrabatt), die bei ... 12 1/2 v. H., bei ... und anderen Halbfabrikaten 2 3/4 v. H. betrug. Der Großhandelspreis für 1 kg ... betrug im Jahre 1955 7 DM. Auf Grund eines in den Monaten Dezember 1955 und Januar 1956 geführten Schriftwechsels vereinbarten die Vertragspartner, daß ... je kg verpackte Ware (100 g- Packungen) bei unverändertem Großhandelspreis (Verkaufspreis der VG) von 7 DM der VG ab 1. Januar 1956 mit 6,50 DM abzüglich 12 1/2 v. H. berechnet werden sollte. Der Unterschiedsbetrag von 0,50 DM abzüglich 0,04 DM unverändert bestehender Mehraufwendungen der VG an Vertreterprovision, Umsatzsteuer usw., also 0,46 DM, sollten einem "Reklame-Fonds" gutgebracht werden, der in erster Linie den Zweck hatte, für eine übergangszeit Preisunterschiede bei Herabsetzung des Großhandelspreises der VG aufzufangen; übrigbleibende Beträge sollten ausschließlich zur Werbung für B.-Erzeugnisse verwendet werden. Es war vereinbart, für Werbezwecke im Jahre 1956 einen Betrag von 140.000 DM auszugeben, der je zur Hälfte von der Bfin. und von der VG getragen werden sollte. In einem Schreiben des Direktors E. (Geschäftsführer der Bfin.) an die VG vom 9. Januar 1956 heißt es u. a.: "Der Reklame-Fonds wird von der A.- Vertriebsgesellschaft verwaltet, und werden nur Beträge daraus entnommen, die von B. (Bfin.) genehmigt worden sind. Sollte, nach Zahlung aller obenaufgeführten Ausgaben, noch ein Betrag übrig bleiben, so wird hiervon die Firma B. 95 %, und die Firma A.- Vertriebsgesellschaft in X. 5 % ausgezahlt bekommen." Bis zum 31. Juli 1956 wurden dem Reklame-Fonds 141.932 DM zugeführt. Da somit der für 1956 vereinbarte Werbeetat von 140.000 DM überschritten war, galten vom 1. August bis 31. Dezember 1956 wieder die ursprünglichen Abmachungen. Die VG hatte für die Einkäufe von 1 kg ... wieder 7 DM abzüglich 12,5 v. H. "Provision" zu zahlen. überweisungen auf den Reklame-Fonds fanden 1956 nicht mehr statt. Da Preiseinbrüche, die eine Herabsetzung des Großhandelspreises der VG notwendig gemacht hätten, nicht eintraten, wurde der dem Reklame-Fonds überwiesene Betrag mit 137.738,40 DM für Werbung und mit 4.193,60 DM für Umsatzsteuererstattung verausgabt.

Die Bfin. legte ihrer Umsatzsteuererklärung 1956 für ihre Lieferungen von ... an die VG jeweils der VG in Rechnung gestellten Betrag zugrunde. Das Finanzamt dagegen sah anläßlich einer bei der Bfin. durchgeführten Betriebsprüfung die dem Reklame-Fonds zugeführten Beträge von insgesamt 141.932 DM ebenfalls als Entgelt an und rechnete sie bei einer Berichtigungsveranlagung gemäß § 222 AO dem Umsatz der Bfin. für 1956 hinzu.

Die hiergegen von der Bfin. eingelegte Sprungberufung blieb erfolglos. In der Vorentscheidung wird im wesentlichen ausgeführt: Zu den von der Bfin. vereinnahmten Entgelten (ß 5 Abs. 1 Satz 1 UStG) gehörten auch die auf dem Reklame-Fonds gutgeschriebenen Beträge (0,46 DM je kg ...). Die VG habe auch sie aufwenden müssen, um die Lieferungen von der Bfin. zu erhalten (ß 10 Satz 1 UStDB). Die Aufwendungen der VG hierfür seien die gleichen geblieben wie vor der Einrichtung des Reklame-Fonds. Die diesem Fonds zugeführten Beträge seien der Bfin. zugeflossen; denn sie seien nicht der VG selbst, sondern dem Reklame-Fonds gutgeschrieben worden, über den die VG nur mit Genehmigung der Bfin. habe verfügen dürfen. Die vorgesehene Verteilung etwaiger auf dem Fonds verbleibender Restbeträge (95 v. H. an die Bfin., 5 v. H. an die VG) zeige, daß die Bfin. die ersparten Gelder im wesentlichen sich selbst zugerechnet habe. Auch als Werbungszuschuß, der von der Rechtsprechung als Preisnachlaß beurteilt werde, könnten die Gutschriften auf dem Reklame-Fonds nicht angesehen werden, weil die für Werbezwecke gemachten Aufwendungen die an die Bfin. gezahlten Entgelte nicht unmittelbar, sondern nur auf dem Umwege über den hauptsächlich für Zwecke des Preisausgleichs gebildeten Fonds gemindert hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat zum Teil Erfolg.

Die Annahme des Finanzgerichts, die dem Reklame-Fonds zugeführten Beträge (0,46 DM je kg ...) seien von der Bfin. vereinnahmt worden (ihr "zugeflossen"), trifft nicht zu. Der Reklame-Fonds war nicht ein Konto der Bfin., sondern ein Konto der VG. Die Unterscheidung, die in der Vorentscheidung zwischen einer Gutschrift an die VG und einer Gutschrift auf den Reklame-Fonds gemacht wird, geht daher fehl. Der Ausdruck "Gutschrift" verleitet in diesem Zusammenhang zu einer Fehlbeurteilung. Der Betrag von 0,46 DM je kg ... hat von vornherein den Herrschaftsbereich der VG nicht verlassen, sondern ist bei ihr lediglich auf einem besonderen Konto angesammelt worden. Es handelt sich hierbei nicht etwa um ein Kontokorrent (Verrechungs) konto, bei dem unter bestimmten Voraussetzungen die Vereinnahmung durch den Verrechnungspartner mit der Gutschrift eintritt. Der sog. "Reklame-Fonds" war ein bei der VG eingerichtetes Konto mit Rückstellungscharakter, das die Besonderheit aufwies, daß Zahlungen aus ihm der "Genehmigung" der Bfin. bedurften. Nach der schon in den Vorinstanzen vorgetragenen, unwidersprochen gebliebenen Behauptung der Bfin. gab das Wort "Genehmigung" in dem Schreiben des Direktors E. vom 9. Januar 1956 den Willen der Vertragspartner nur ungenau wieder. Wie die Bfin. darlegt, sei lediglich beabsichtigt gewesen, ihr bei der Gestaltung der Werbung für ihre Erzeugnisse ein Mitspracherecht einzuräumen. Aber selbst wenn man dies unberücksichtigt ließe, konnte eine Genehmigung der Werbeausgaben aus dem Reklame-Fonds durch die Bfin. die Verfügungsmacht der VG über dieses Konto zwar einschränken, nicht aber aufheben. Keinesfalls ging dadurch die Verfügungsmacht über dieses Konto von der VG auf die Bfin. über. Die Bfin. hatte nicht das Recht, Zahlungen für Werbezwecke oder für andere Zwecke aus dem Reklame-Fonds von sich aus vorzunehmen. Erst ein etwa verbleibender Restbetrag auf dem Reklamekonto sollte zu 95 v. H. der Bfin. zufallen. (Ein im Jahre 1957 verbliebener überschuß von 79.021,89 DM ist dann auch zu 95 v. H. an die Bfin. überwiesen und von dieser der Umsatzsteuer für 1957 unterworfen worden.)

Hat somit die Bfin. in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1956 über den der VG in Rechnung gestellten Preis (6,50 DM ./. 12 1/2 v. H.) hinaus für die Lieferungen keine weiteren Geldbeträge vereinnahmt, so hat sie doch Werbeausgaben, die vereinbarungsgemäß von ihr hätten aufgewendet werden müssen, eingespart. Denn nach dem oben angeführten Schreiben des Direktors E. vom 9. Januar 1956 sollte der Reklameaufwand für 1956 von 140.000 DM je zur Hälfte von der Bfin. und von der VG getragen werden. Dadurch, daß sie die Werbung im eigenen Namen und für eigene Rechnung durchführte und die dadurch entstandenen Aufwendungen aus dem Reklame-Fonds bezahlte, hat die VG der Bfin. gegenüber Leistungen bewirkt, die sich in Höhe der Hälfte der Werbeausgaben als Teilgegenleistungen zu den Lieferungen von ... durch die Bfin. darstellen (sog. tauschähnlicher Umsatz).

Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. ...

 

Fundstellen

Haufe-Index 411455

BStBl III 1965, 184

BFHE 1965, 512

BFHE 81, 512

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