Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Da in § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes ein Ersatz der als Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung verlangten ordnungsmäßigen Lehrzeit im steuerberatenden, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf mit abschließender Gehilfenprüfung oder des viersemestrigen Besuchs einer als geeignet anerkannten Verwaltungsakademie oder einer gleichwertigen Lehranstalt nicht vorgesehen ist, kann ein einjähriger Besuch von Finanzschulen und eine zweijährige Tätigkeit in der Finanzverwaltung nicht als Erfüllung der in dieser Bestimmung geforderten Voraussetzung angesehen werden.

Fehlt es auch nur an einer der drei in § 6 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes nebeneinander geforderten Voraussetzungen für eine Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung, ist die Zulassung abzulehnen.

 

Normenkette

StBerG § 6

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Zulassungsausschuß bei der Oberfinanzdirektion die Zulassung des Bg. zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zu Recht abgelehnt hat.

Der Bg. hat nach dem Besuch der Volksschule eine Wirtschaftsschule besucht, die er 1942 mit der Gesamtbeurteilung "gut" verließ. Anschließend besuchte er nach kurzer praktischer Einarbeitung als Jungmann zwei Reichsfinanzschulen. Am 1. Oktober 1943 wurde er als Finanzanwärter in die Reichsfinanzverwaltung eingestellt. Vom 3. Oktober 1943 an war er beim Arbeitsdienst und wurde anschließend zur Wehrmacht einberufen. Nach seiner Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft nahm er am 15. Januar 1946 seinen Dienst bei einem Finanzamt in der Sowjetzone wieder auf. Wegen hervorragender Leistungen wurde er zum 1. November 1947 zum a. p. Steuerinspektor ernannt. Im Jahre 1948 schied er aus dem öffentlichen Dienst aus und trat bei einer OHG in der Sowjetzone ein, bei der er bis Ende 1952 als Buchhaltungsleiter und Steuersachbearbeiter tätig war. Seitdem ist er kaufmännischer Angestellter bei einem gewerblichen Unternehmen im Bundesgebiet.

Seinen Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung vom 6. Juli 1962 lehnte der Zulassungsausschuß bei der zuständigen Oberfinanzdirektion am 10. Dezember 1962 ab; die Entscheidung wurde dem Bg. durch Schreiben vom 11. Dezember 1962 mitgeteilt. Auf die Berufung des Bg. hob die Vorinstanz diese Entscheidung auf und ließ den Bg. zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zu.

Mit ihrer Rb. macht die Oberfinanzdirektion folgendes geltend: Die Vorentscheidung verletze § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Steuerberatungsgesetz) vom 16. August 1961 (BGBl 1961 I S. 1301). Die Ausbildung des Bg. in der Reichsfinanzverwaltung und seine Tätigkeit in der sowjetzonalen Finanzverwaltung könne nicht als viersemestriger Besuch einer der Verwaltungsakademie gleichwertigen Lehranstalt angesehen werden. Funktion und Aufgabenkreis eines Sachbearbeiters in der Finanzverwaltung und eines Steuerbevollmächtigten seien nicht gleichartig. Die fachliche Spezialausbildung des Nachwuchses dieser Verwaltung könne aber auch wegen ihres enger begrenzten Zieles der umfassenden wirtschaftswissenschaftlichen Wissensbildung, die durch eine Verwaltungsakademie vermittelt werde, nicht gleichgesetzt werden. Irreführend sei die Feststellung der Vorinstanz, daß seitens der Oberfinanzdirektion in der mündlichen Verhandlung die Gleichwertigkeit nicht mehr bestritten worden sei. Falls die Vorinstanz aber diesen Punkt für wichtig gehalten habe, hätte sie das aufklären müssen. Der Bg. erfülle auch die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Steuerberatungsgesetzes nicht. Es könne nicht zweifelhaft sein, daß eine in der Bundesrepublik geschaffene Berufsordnung grundsätzlich nur an die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten gedacht haben könne, wie sie die wirtschaftlichen und insbesondere steuerrechtlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik erfordern. Der Zulassungsausschuß bei der Oberfinanzdirektion sei an die gesetzlichen Vorschriften gebunden und habe vom Gesetzgeber keine Ermächtigung erhalten, bei vermeintlichen Härtefällen einen Bewerber zur Prüfung zuzulassen, der die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Deshalb könnten die diesbezüglichen Erwägungen des Finanzgerichts dessen Entscheidung nicht tragen.

Der Bg. erwidert darauf im wesentlichen folgendes: Das Steuerberatungsgesetz gewähre in § 6 Abs. 2 Nr. 2 Beamten und Angestellten der Finanzverwaltung Befreiung von den Vorbildungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 und in § 8 Abs. 2 Befreiung von der Sachkundeprüfung. Daher sei die Ausbildung zum Steuerinspektor mit Reichsfinanzschulbesuch und abgelegter Steuerinspektorenprüfung als Erfüllung der Voraussetzung zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes anzusehen. Nr. 2 stelle mehrere Möglichkeiten zur Wahl. Kaufmännische Berufsausbildung mit Gehilfenprüfung genüge. Die Nichtanerkennung der Voraussetzungen im Sinne dieser Ziffer für einen ehemaligen Angehörigen der Finanzverwaltung wäre eine ungleiche Behandlung gleichgelagerter Fälle, die nach dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) bedenklich wäre. Seine Tätigkeit in der Sowjetzone könne nicht einer Tätigkeit im Ausland gleichgesetzt werden. Die steuerrechtlichen Grundlagen seien in beiden Teilen Deutschlands in der in Rede stehenden Zeit mit Abänderungen durch den Kontrollrat übernommen worden. Schließlich seien §§ 69 und 81 des Bundesvertriebenengesetzes zu beachten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Mit Recht hat die Vorinstanz beim Bg. die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes geforderte Voraussetzung für eine Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung als vorliegend angesehen, da der Besuch der Wirtschaftsschule als dem Besuch einer staatlich anerkannten Handelsschule gleichwertig zu erachten ist.

Dagegen kann der Vorinstanz insoweit nicht beigetreten werden, als sie beim Bg. auch die Erfüllung der nach Nr. 2 a. a. O. außerdem erforderlichen Voraussetzung annimmt. Diese Bestimmung verlangt nämlich eine ordnungsmäßige Lehrzeit im steuerberatenden, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf, die mit der Ablegung der Gehilfenprüfung abgeschlossen ist. Eine solche hat der Bg. unstreitig nicht aufzuweisen. An ihre Stelle kann nach dem Gesetz der viersemestrige Besuch einer als geeignet anerkannten Verwaltungsakademie oder einer gleichwertigen Lehranstalt treten. Auch an dem Besuch einer derartigen Lehranstalt fehlt es aber beim Bg.

Einen Ersatz der Lehrzeit mit Gehilfenprüfung oder des viersemestrigen Besuchs einer Lehranstalt der genannten Art sieht das Gesetz nicht vor. Daher kann der etwa einjährige Besuch von Reichsfinanzschulen in den Jahren 1942/43 und die etwa zweijährige Tätigkeit des Bg. in der Finanzverwaltung (1946 bis 1948) nicht als Erfüllung der in Nr. 2 genannten Voraussetzung angesehen werden.

Dies ist - entgegen den Ausführungen des Bg. - auch nicht im Hinblick auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes möglich. Denn nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 entfallen die Voraussetzungen des Abs. 1 bei ehemaligen Beamten und Angestellten der Finanzverwaltung nur, wenn sie während der letzten zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Dienst mindestens fünf Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachbearbeiter oder in mindestens gleichwertiger Stellung tätig gewesen sind. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß etwa der einjährige Besuch von Reichsfinanzschulen und eine etwa zweijährige Tätigkeit in der Finanzverwaltung jedenfalls als Erfüllung der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 enthaltenen Voraussetzung angesehen werden müßten, obwohl das Gesetz derartiges nicht vorsieht. Ebensowenig kann ein solcher Schluß aus dem unter gleichen Bedingungen wie § 6 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes eine Befreiung von der Prüfung gewährenden § 8 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes gezogen werden.

Auch kann, wenn § 6 Abs. 1 Nr. 2 für alle Bewerber ohne Unterschied eine Lehrzeit mit Abschluß oder einen viersemestrigen Besuch einer Verwaltungsakademie oder einer gleichwertigen Lehranstalt verlangt, ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht darin liegen, daß nicht abweichend von der allgemeinen Forderung für ehemalige Angehörige der Finanzverwaltung - also eine bestimmte Gruppe von Bewerbern - eine Finanzschulzeit von etwa einem Jahr und eine zweijährige Tätigkeit in der Verwaltung als Erfüllung der geforderten Voraussetzung anerkannt wird.

Nach Nr. 3 a. a. O. muß der Bewerber, um die Zulassung zur Prüfung zu erhalten, nach Erfüllung der Voraussetzung zu Nr. 2 vier Jahre hauptberuflich auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig gewesen sein. Demnach kommt es, wenn es - wie nach dem Vorstehenden beim Bg. - schon an der Erfüllung der Voraussetzung der Nr. 2 a. a. O. fehlt, nicht mehr darauf an, ob diese vierjährige hauptberufliche Tätigkeit vorliegt. Denn auch wenn das zu bejahen wäre, könnte sie nicht sowohl die Voraussetzung der Nr. 3 erfüllen, als auch zugleich als Erfüllung der in Nr. 2 verlangten Voraussetzung angesehen werden.

Für die steuergerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Ablehnung der Zulassung ist es ohne Bedeutung, ob der Zulassungsausschuß sich auf das Fehlen der einen oder anderen Voraussetzung gestützt hat und welche Erklärungen dazu von den Verfahrensbeteiligten im Rechtsmittelverfahren abgegeben worden sind. Ergibt sich, daß auch nur eine der drei nebeneinander geforderten Voraussetzungen für eine Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung fehlt, ist die ablehnende Entscheidung des Prüfungsausschusses als rechtmäßig anzusehen. Da es im Streitfall, wie oben dargelegt, schon an der Erfüllung der Voraussetzung nach Nr. 2 a. a. O. fehlt, entspricht die ablehnende Entscheidung des Prüfungsausschusses dem Gesetz.

Auch aus den vom Bg. angeführten §§ 69 und 81 des Bundesvertriebenengesetzes vom 19. Mai 1953 (BGBl I S. 201) ist für die Entscheidung des Streitfalles nichts anderes herzuleiten. Nach § 69 Abs. 1 sind, wenn für die Ausübung eines Berufes oder Gewerbes eine Zulassung oder Erlaubnis erforderlich ist, deren Erteilung von der Feststellung eines Bedürfnisses oder ähnlicher Voraussetzungen abhängt, Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge, die vor der Vertreibung in einem solchen oder ähnlichen Beruf tätig waren, bevorzugt zu berücksichtigen, sofern die persönlichen Voraussetzungen für die Zulassung oder die Erteilung der Erlaubnis gegeben sind. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da die Zulassung zum Beruf des Steuerbevollmächtigten nicht von der Feststellung eines Bedürfnisses oder ähnlicher Voraussetzungen abhängt, im übrigen aber im Streitfalle gerade die persönlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung oder zum Beruf des Steuerbevollmächtigten - unter anderem ein bestimmter Ausbildungsgang - nicht erfüllt sind, wovon aber das Gesetz nicht befreit. Auch § 81 des Gesetzes findet keine Anwendung. Nach dessen Abs. 1 finden Vorschriften, nach denen die Ausübung eines Rechtes oder die Erlangung einer Berufsstellung von einer besonderen Beziehung zu einem Lande oder einer Gemeinde (z. B. Geburt, Wohnsitzdauer, Ausbildung) abhängig gemacht ist, auf Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge keine Anwendung, wenn sie dort im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes ihren ständigen Aufenthalt haben oder nach diesem Zeitpunkt dorthin behördlich zugewiesen oder umgesiedelt werden. Im Streitfall scheitert die Zulassung des Bg. zur Prüfung daran, daß er die in § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes vorgesehene Lehrzeit oder einen viersemestrigen Besuch einer dort vorgesehenen Lehranstalt nicht aufweisen kann, so daß es auf die Beziehung zu einem Lande oder einer Gemeinde nicht ankommt.

Da die Vorinstanz aus den vorstehenden Gründen zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und, da die Sache spruchreif ist, die Berufung des Bg. gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1964, 23

BFHE 1964, 64

BFHE 78, 64

StRK, StBG:6 R 1

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