Leitsatz (amtlich)

Der Zwischenerwerb eines Grundstücks zur Errichtung von Eigentumswohnungen ist gemäß Art. 1 GrESWG Bayern 1958 insoweit grunderwerbsteuerbegünstigt, als Eigentumswohnungen geschaffen werden, die ihrerseits grundsteuerbegünstigt sind.

 

Normenkette

GrESWG (Bayern) 1958 Art. 1 Nr. 1 Buchst. a, c, Nr. 3 Buchst. d

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb 1961 zwei insgesamt 1 250 qm große Grundstücke für 178 000 DM. Er beantragte Befreiung von der Grunderwerbsteuer, weil er die Grundstücke mit grundsteuerbegünstigten Eigentumswohnungen zu bebauen beabsichtigte. Die beiden Grundstücke wurden zusammen mit einem ebenfalls erworbenen 1 110 qm großen Nachbargrundstück zu einem einzigen Grundstück zusammengelegt. Es wurden in einem Zuge Bauten errichtet, die die Hausnummern 11, 13 und 15 erhielten.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) unterwarf entsprechend den Erklärungen des Klägers 8,47 v. H. der Gegenleistung der Grunderwerbsteuer und stellte die Erwerbe im übrigen von der Grunderwerbsteuer frei.

Das FA setzte mit Bescheid vom 30. Oktober 1964 weitere Grunderwerbsteuer fest, als ihm auf Grund des Bescheids über die Anerkennung der Wohnungen als steuerbegünstigte Wohnungen vom 27. August 1964 bekannt wurde, daß 1 466,59 qm steuerbegünstigte Wohnräume und 317,19 qm nichtsteuerbegünstigte Räume geschaffen worden seien. 1968 wurde der Anerkennungsbescheid vom 27. August 1964 widerrufen und im Bescheid vom 23. September 1968 nunmehr 1 162,50 qm als steuerbegünstigt und 633,08 qm als nichtsteuerbegünstigt anerkannt.

Der Bescheid der Stadt wurde bestandskräftig.

Daraufhin unterwarf das FA die gesamte Gegenleistung für den Erwerb der Grunderwerbsteuer, weil mehr als 20 v. H. - nämlich 32 v. H. - der geschaffenen Räume nicht grundsteuerbegünstigt seien.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG erachtete die Klage zum überwiegenden Teil für begründet und setzte die Grunderwerbsteuer entsprechend herab. Der Erwerb sei insoweit grunderwerbsteuerfrei, als der Kläger grundsteuerbegünstigte Eigentumswohnungen geschaffen habe. Das FG unterwarf nur den Anteil an der Gegenleistung der Grunderwerbsteuer - nämlich 32,4 v. H. der Gegenleistung -, der nicht grundsteuerbegünstigte Sondereigentumseinheiten betraf.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Als einschlägige Vorschriften für die Steuerbefreiung des Grundstückserwerbs durch den Kläger kamen Art. 1 Nr. 1 Buchst. a und c sowie Art. 1 Nr. 3 Buchst. d des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG Bayern 1958) in Betracht. Der Erwerb des Klägers erfüllt dem Wortlaut nach den Tatbestand keiner dieser Befreiungsvorschriften.

Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG Bayern 1958 nahm von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz u. a. den Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung eines Gebäudes durch den Erwerber aus, dessen Wohnungen und Wohnräume nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz vom 27. Juni 1956 (II. WoBauG) grundsteuerbegünstigt waren, vorausgesetzt, daß mindestens 80 v. H. der anrechenbaren Grundfläche aller Räume (Wohn- und Nutzfläche) auf Wohnungen und Wohnräume entfielen, die nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz grundsteuerbegünstigt waren (im folgenden 80 v. H.-Grenze). Die 80 v. H.-Grenze konnte entfallen, wenn der Erwerber Eigenheime, Kleinsiedlungen oder Kaufeigenheime errichtete. Eigenheime, Kleinsiedlungen oder Kaufeigenheime hat der Kläger nicht gebaut. Nach den Ausführungen des FG entfielen nicht mindestens 80 v. H. der anrechenbaren Grundfläche aller Räume auf Wohnungen und Wohnräume, die nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz grundsteuerbegünstigt waren.

Durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. c GrESWG Bayern 1958 sollte u. a. der Erwerb von Miteigentumsanteilen an einem unbebauten Grundstück zur Errichtung einer nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz grundsteuerbegünstigten Eigentumswohnung im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes vom 15. März 1951 durch den Erwerber begünstigt werden, also der Fall, daß die künftigen Eigentümer von Eigentumswohnungen entweder selbst die Eigentumswohnanlage errichteten oder errichten ließen. In der Begründung zum GrESWG Bayern 1958 (Verhandlungen des Bayerischen Landtags III. Wahlperiode 1954/58, Beilagen-Band VI, Beilagen 3538-4083, dort Beilage 3896 S. 6 unter 3.), heißt es: "Beim Bau von Eigentumswohnungen kommt es vor, daß die Bauinteressenten das in eigener Regie zu bebauende Grundstück in Miteigentümergemeinschaft erwerben und aus finanzierungs- und haftungsrechtlichen Gründen Wohnungseigentum durch vertragliche Einräumung von Sondereigentum nach § 3 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes bereits vor Errichtung der Eigentumswohnungen begründen. Dieser Erwerbsvorgang ist nach Nr. 1 Buchst. a nicht begünstigt, weil die Errichtung einer Eigentumswohnung nicht die Errichtung eines Gebäudes i. S. dieser Befreiungsvorschrift darstellt. Es erweist sich deshalb als erforderlich, einen eigenen Befreiungstatbestand für diese Fälle zu schaffen."

In diesem Fall ist für die Gesamtanlage keine 80 v. H.-Grenze vorgesehen. Die Steuerfreiheit des Erwerbs des Miteigentumsanteils hängt davon ab, ob die jeweilige Eigentumswohnung die Voraussetzungen der Grundsteuerbegünstigung erfüllt.

Dem Wortlaut nach hatte die Begünstigungsvorschrift nicht den Erwerber eines ganzen Grundstücks im Auge.

Art. 1 Nr. 3 Buchst. d GrESWG Bayern 1958 nahm von der Besteuerung nach dem GrEStG u. a. den Erwerb eines unbebauten Grundstücks durch einen Erwerber aus, der das Grundstück zur Errichtung eines Gebäudes der in Art. 1 Nr. 1 Buchst. a Halbsatz 2 bezeichneten Art binnen fünf Jahren in Miteigentumsanteile nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufteilte und die Miteigentumsanteile an die künftigen Wohnungseigentümer übertrug, sofern der Erwerber bei der Durchführung des Bauvorhabens als Betreuer (Bauträger) tätig wurde.

Durch die Bezugnahme auf Art. 1 Nr. 1 Buchst. a Halbsatz 2 GrESWG Bayern 1958 gehörte zu den Voraussetzungen für die Steuerfreiheit, daß auf dem unbebauten Grundstück ein Gebäude mit nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz grundsteuerbegünstigten Wohnungen errichtet werden mußte, bei dem mindestens 80 v. H. der anrechenbaren Grundfläche aller Räume auf nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz grundsteuerbegünstigte Wohnungen und Wohnräume entfielen; denn ein Fall, daß der Kläger Eigenheime, Kleinsiedlungen oder Kaufeigenheime errichtet hatte und deshalb die 80 v. H.-Grenze nicht eingegriffen hätte, liegt nicht vor.

Aus dem Zusammenhang der Vorschriften folgt jedoch, daß nach ihrem Sinn und Zweck der Zwischenerwerb im Hinblick auf den späteren begünstigten Erwerb und in seinem Rahmen begünstigt werden sollte.

Die Vorschrift des Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG Bayern 1958 begünstigt nach den Vorstellungen, die im Gesetzgebungsverfahren anläßlich der Einfügung des späteren Art. 1 Nr. 3 Buchst. d GrESWG Bayern 1958 zum Ausdruck gekommen sind, den Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung eines Gebäudes durch den Erwerber, dessen Wohnungen und Wohnräume nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz grundsteuerbegünstigt sind, nicht nur dann, wenn die Wohnungen vom Eigentümer vermietet werden - vorausgesetzt, daß in diesem Fall die 80 v. H.-Grenze bei der anrechenbaren Grundfläche aller Räume eingehalten wurde -, sondern auch dann, wenn Grundstück und Gebäude in Miteigentumsanteile nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgelöst werden (vgl. Verhandlungen des Bayerischen Landtags, a. a. O., S. 6 zu Ziff. 1 Buchst. d Satz 3 Halbsatz 2: Eine begünstigte Gestaltung der Grundstücksgeschäfte würde voraussetzen, "daß der Bauträger ein baureifes Grundstück für sich erwirbt, darauf ein Bauvorhaben i. S. des Art. 1 Ziff. 1 des Gesetzes in eigener Regie errichtet und das Gebäude während oder nach seiner Fertigstellung an die einzelnen Interessenten im Wege des Wohnungseigentums aufteilt".). Der Wortlaut des Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG Bayern 1958 scheint es nahezulegen, daß die 80 v. H.-Grenze unabhängig davon eingehalten sein muß, ob die Wohnungen in dem zu errichtenden Gebäude vermietet werden oder ob das Gebäude in eine "Wohnungseigentumsanlage" aufgelöst wird. Zweifel, ob eine solche Auslegung dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerecht wird, ergeben sich indes, wenn die weiteren Vorschriften des Gesetzes in die Beurteilung einbezogen werden. Entgegen den Erwartungen gibt die Begriffsbestimmung für "Gebäude" in § 1 der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau vom 21. Dezember 1959 - II. GrESWDB Bayern - (GVBl, 325) keine Auslegungsregel dafür ab, ob als Gebäude im Sinne des GrESWG Bayern 1958 bei Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage die gesamte Wohnungseigentumsanlage, bei getrennt stehenden Häuserblöcken oder voneinander abgesetzten Häusern der einzelne Häuserblock oder die rechtlich verselbständigte Eigentumswohnung verstanden werden soll. Der Aufbau des § 1 dieser Durchführungsbestimmungen zeigt zwar, daß das Wort "Gebäude" von der baulichen Gestaltung her beschrieben und bestimmt werden sollte, aber auch, daß dabei an einen aus Eigentumswohnungen bestehenden Bau nicht gedacht worden ist. Mit anderen Worten, auch und gerade unter Berücksichtigung von § 1 der Durchführungsbestimmungen kann Art. 1 Nr. 1 Buchst. a Halbsatz 2 GrESWG Bayern 1958 nicht entnommen werden, ob das Wort "Gebäude" auf die gesamte Wohnungseigentumsanlage, den einzelnen Häuserblock oder die einzelne Eigentumswohnung bezogen werden muß oder ob die Vorschrift insoweit keine Aussage enthält.

Art. 1 Nr. 1 Buchst. c GrESWG Bayern 1958 gibt zu folgenden Erwägungen Anlaß:

Erwirbt ein Bauherr die Anteile sämtlicher Miteigentümer an einem unbebauten Grundstück und errichtet er darauf Eigentumswohnungen, deren Größenverhältnis den Miteigentumsanteilen am Grundstück entspricht, wäre ein solcher Fall durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. c GrESWG Bayern 1958 begünstigt. Für jede Eigentumswohnung, die dieser Voraussetzung entspricht, träte die Begünstigung ein, soweit sie die Voraussetzungen für die Grunderwerbsteuerbegünstigung erfüllt; darauf, ob die Wohnungseigentumsanlage insgesamt mehr als 80 v. H. grundsteuerbegünstigte Wohnfläche enthielte, käme es aber nicht an. Die Begünstigung gemäß Art. 1 Nr. 1 Buchst. c GrESWG Bayern 1958 setzt allgemein nicht voraus, daß die Eigentumswohnungen eigengenutzt werden; deshalb träte die Vergünstigung unabhängig davon ein, ob der Erwerber der Miteigentumsanteile die danach errichteten Eigentumswohnungen vermietet oder verkauft.

Zwischen diesem Fall und dem, daß der Erwerber eines unbebauten Grundstücks das Grundstück nach dem Erwerb in Miteigentum und Sondereigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufteilt - sei es, daß dies vor der Errichtung des Gebäudes, sei es, daß dies erst danach geschieht -, besteht von dem Gedanken der Förderung des sozialen Wohnungsbaus her gesehen kein Unterschied.

Art. 1 Nr. 3 Buchst. d GrESWG Bayern 1958 veranlaßt zu den gleichen Erwägungen, die zu Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG Bayern 1958 angestellt worden sind. Die Begründung, die für diese Vorschrift gegeben wurde, zeigt aber darüber hinaus, daß die Schaffung von Wohnungseigentum in möglichst weitem Umfange begünstigt werden sollte. Die Regelung der Begünstigung des Zwischenerwerbs hatte sich danach für die Praxis als zu eng erwiesen. Die Einfügung der Vorschrift des Buchst. d diente der Ausweitung der Begünstigung (vgl. Verhandlungen des Bayerischen Landtags, a. a. O., S. 6:

"In der Bauwirtschaft ist es jedoch zwecks Verminderung des erheblichen Unternehmerrisikos, das mit der Errichtung eines in eigener Regie errichteten Wohngebäudes als Vorratsgebäude verbunden ist und zur leichteren Durchführung der Finanzierung, insbesondere zur Ermöglichung der Absicherung der Baukredite durch Einzelhypotheken an den einzelnen Miteigentumsanteilen üblich geworden, daß Bauträger bereits vor der Ausführung des Bauvorhabens eine Aufteilung des Erwerbsgrundstücks in Miteigentumsanteils i. S. des § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes vornehmen und diese an die künftigen Wohnungseigentümer übertragen. In diesen Fällen werden die Eigentumswohnungen nicht von den Ersterwerbern, sondern von den Wohnungseigentümern selbst geschaffen, die sich dazu allerdings in der Regel auf Grund eines Baubetreuungs- und Werkvertrages treuhänderisch des Ersterwerbers als Bauträger bedienen. Dies hat zur Folge, daß nur der Erwerb der Miteigentumsanteile durch die künftigen Wohnungseigentümer, nicht aber der Erwerb des Grundstücks durch den Ersterwerber von der GrESt freigestellt werden kann.

Der Entwurf soll dieser bauwirtschaftlich notwendigen Rechtsgestaltung bei Wohnungseigentums-Bauvorhaben im sozialen Wohnungsbau Rechnung tragen und begünstigt deshalb in der Neufassung des Art. 1 Nr. 3 Buchst. c GrESWG Bayern 1958 auch den Erwerb durch den Zwischenerwerber, sofern das Grundstück bereits vor der Bebauung in Miteigentumsanteile nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt wird und der Zwischenerwerber bei der Durchführung des Bauvorhabens als Betreuer tätig wird.").

Aus all dem ergibt sich, daß die Befreiungsvorschriften bezwecken, die Errichtung von Eigentumswohnungen zu begünstigen, und daß es daher sachgerecht ist, die Frage, inwieweit der Erwerber des Grund und Bodens begünstigt sein soll, von der Zweckerreichung, also der Errichtung der einzelnen Eigentumswohnung her zu bestimmen. Entscheidend ist demnach bei der Auslegung darauf abzustellen, ob die einzelne Eigentumswohnung eine nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz begünstigte Wohnung ist. Ist dies der Fall, ist auch die Begünstigung des Erwerbs des Grund und Bodens gerechtfertigt.

Die Vorentscheidung stimmt im Ergebnis mit der vorstehenden Auslegung überein. Die Revision des FA erweist sich sonach als unbegründet.

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 726

BFHE 1977, 504

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