Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

überläßt der Veranstalter einer Ausstellung Unternehmern gegen Entgelt Freiflächen oder Stände in Hallen oder anderen Bauten zur Schaustellung gewerblicher Erzeugnisse im Rahmen der Ausstellung unter besonderen Auflagen, so liegt keine Vermietung von Grundstücksteilen vor, sondern - in der Regel - ein Rechtsverhältnis besonderer Art. Die vom Veranstalter der Ausstellung für die überlassung vereinnahmten Entgelte sind deshalb nicht nach § 4 Ziff. 10 UStG von der Umsatzsteuer ausgenommen.

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 10, § 4/12/a

 

Tatbestand

Der Verein X. (Beschwerdegegner - Bg. -) hat im Jahre 1951 seinem in der Satzung festgelegten Hauptzweck entsprechend die "... Gartenschau" vorbereitet und durchgeführt. Der Gartenschau hat er eine "Industrie- und Gewerbeschau" (IG) angegliedert, die auf einem Randgebiete des Geländes der Gartenschau untergebracht war. Den Unternehmern, die sich an der IG zu beteiligen wünschten, hat der Bg. auf Grund ihrer schriftlichen Anmeldungen zur Zulassung Flächen in einem Freigelände oder in den von ihm für die Dauer der Gartenschau errichteten Hallen, ferner Stände in einer ebenfalls nur für die Dauer der Gartenschau errichteten Ladenstraße zur Schaustellung und zum Verkauf industrieller und gewerblicher Erzeugnisse zugeteilt. Die Rechte und Pflichten der Vertragschließenden bestimmten sich nach den allgemeinen Ausstellungsbedingungen für die Gartenschau und nach den besonderen Bedingungen für die IG. Für die überlassung der Stände und Plätze hat der Bg. "Stand- und Platzmieten" erhoben, die nach der Zahl der Quadratmeter und nach der Dauer der Benutzung bemessen waren; sie haben im ersten Halbjahr 1951 ... DM, im zweiten Halbjahr 1951 ... DM betragen.

Streitig ist, ob diese Beträge als Einnahmen aus Vermietung steuerfrei nach § 4 Ziff. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1951 sind. Das Finanzamt hat die Steuerfreiheit versagt. Auf Sprungberufung hat das Finanzgericht die Anwendbarkeit des § 4 Ziff. 10 auf die streitigen Umsätze grundsätzlich anerkannt, von der Steuerbefreiung aber den Teil der Entgelte ausgenommen, mit dem nach seiner Auffassung die überlassung der vom Bg. im Gelände der IG errichteten Bauten (überdachte Hallen, Verkaufsstände in der Ladenstraße) abgegolten wurde. Zur Frage der Anwendbarkeit des § 4 Ziff. 10 hat die Vorinstanz ausgeführt, die zwischen dem Bg. und den Ausstellern unter Bezugnahme auf die Ausstellungsbedingungen abgeschlossenen Verträge seien nach dem insoweit maßgebenden bürgerlichen Recht weder gemischte Verträge besonderer Art, sondern typische reine Mietverträge im Sinne des § 535 BGB, durch die Grundstücksteile und bewegliche Sachen vermietet worden seien. Weder in den Verträgen selbst noch in den einen Bestandteil der Verträge bildenden Ausstellungsbedingungen seien Abmachungen enthalten, die über den Rahmen eines reinen Mietvertrags hinausgingen.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts (Beschwerdeführer - Bf. -) sieht dementgegen den wesentlichen Gegenstand der Verträge nicht in der überlassung des Grund und Bodens und der vom Bg. darauf errichteten Bauten zum Gebrauch, sondern in der "Einräumung der besonders günstigen Verkaufs- und Werbemöglichkeiten, die sich aus dem Zusammenströmen der Publikumsmasse auf der gesamten Gartenschau ergeben". Von dieser Auffassung aus gelangt die Rb. zur Annahme, daß nicht Vermietung vorliege, sondern ein Rechtsverhältnis besonderer Art, auf das die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 10 UStG nicht anwendbar sei. Der Bf. beantragt demgemäß Aufhebung der Vorentscheidung und Wiederherstellung des Steuerbescheids des Finanzamts.

Der Bg. beantragt, im wesentlichen aus den von der Vorinstanz dargelegten Gründen, die Zurückweisung der Rb. als unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist von Erfolg.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat (Urteil V 4/51 U vom 19. Dezember 1952, Bundessteuerblatt 1953 III S. 98), ist nach bürgerlichem Recht zu beurteilen, was im Sinne des § 4 Ziff. 10 UStG als Vermietung oder Verpachtung anzusehen ist. Für die Frage, ob ein Rechtsverhältnis, auf Grund dessen Grundstücke oder Grundstücksteile zum Gebrauche gegen Entgelt überlassen werden, als reine Miete, als gemischter Vertrag mit Elementen der Miete oder als Vertrag besonderer Art anzusehen ist, kommt es nach bürgerlichem Recht nicht darauf an, ob der abgeschlossene Vertrag nach seinem Wortlaut wesentlich auf die Begriffsmerkmale der Miete (ß 535 BGB) abgestellt ist oder nicht. Entscheidend für die rechtliche Natur eines solchen Vertrags ist vielmehr die Gesamtheit der Vertragsbestimmungen nach ihrem objektiven Inhalt (Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 82 S. 340, 342; Staudinger, BGB 10. Aufl. Bd. II Teil 2 S. 550). Von diesen Grundsätzen geht auch die Vorinstanz an sich zutreffend aus. Jedoch beruht das Ergebnis, zu dem sie bei deren Anwendung gelangt ist, nach Auffassung des Senats auf einer Verkennung der rechtlichen Natur der hier in Frage stehenden Rechtsbeziehungen. Schon die von den Vertragschließenden gewählte Gestaltung der Vereinbarungen spricht gegen die Annahme von Mietverträgen. Es ist zwar in den einen Bestandteil der Verträge bildenden Ausstellungsbedingungen mehrfach von Standmiete die Rede.

Die als Vertragsangebot zu wertende Anmeldung der Aussteller aber lautet nicht auf die überlassung von Grundstücken oder Grundstücksteilen zum Gebrauche gegen Entgelt, sondern sie lautet auf Zulassung zur Ausstellung. Eine so gestaltete Anmeldung enthält nicht ein Angebot auf Abschluß eines Mietvertrages, sondern bezweckt etwas anderes. Das wird deutlich, wenn man berücksichtigt, daß entsprechend dem in der Gestaltung des Anmeldungsvordrucks bekundeten Verlangen des Bg. mit den Anmeldungen regelmäßig ins einzelne gehende Angaben über die Gegenstände, die der Aussteller zur Schau zu stellen beabsichtigte, verbunden waren, daß nach den besonderen Bedingungen für die IG nur die ausdrücklich angemeldeten Gegenstände ausgestellt werden durften und schließlich, daß sich der Bf. in den Ausstellungsbedingungen eine Einflußnahme auf die Art der Gestaltung der Ausstellungsstände sowie das Recht vorbehalten hatte, auch noch nach Zulassung des Ausstellers Ausstellungsgegenstände zurückzuweisen, wenn sie aus irgendwelchen Gründen nicht in den Rahmen der Gartenschau und der mit ihr verbundenen IG paßten. All dies zeigt, daß es jedenfalls dem Bg. als Veranstalter der Ausstellung nicht entscheidend darauf angekommen ist, Plätze oder Stände zu vermieten, sondern darauf, durch eine zweckmäßig und ansprechend gegliederte Schau der für das Gebiet des Gartenbaues wesentlichen gewerblichen Erzeugnisse die Anziehungskraft der Gartenschau zu erhöhen und für diesen Zweck Aussteller zur Mitwirkung im Rahmen der Gesamtorganisation der Ausstellung zu gewinnen. Der Senat verweist hierzu auf gleichartige Gedankengänge in dem Urteil des Reichsgerichts vom 18. Februar 1916 (Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 88 S. 108) und im Abschn. 2 des Urteils des Reichsfinanzhofs V 174/39 S vom 8. November 1940 (Slg. Bd. 49 S. 310, Reichssteuerblatt 1941 S. 95). Aber auch von der Seite der Aussteller her gesehen spricht nichts Entscheidendes für das Vorliegen reiner Mietverträge. Vielmehr rechtfertigen nach überzeugung des Senats sowohl das auf "Zulassung zur Ausstellung" gerichtete Begehren der Aussteller als auch die kaufmännisches Denkweise die Annahme, daß es den Ausstellern hauptsächlich auf die Einräumung des Rechts angekommen ist, unter Ausnutzung der durch die Organisation der Ausstellung geschaffenen besonders günstigen Bedingungen für ihre Erzeugnisse zu werben, und daß sich die Bereitschaft der Aussteller zur Aufwendung erheblicher Entgelte wesentlich nur aus dem Gesichtspunkt einer Abgeltung der zur Schaffung der günstigen Werbemöglichkeiten vom Bg. geleisteten Arbeiten organisatorischer Art heraus erklärt, während die überlassung der Plätze und Stände hierbei von untergeordneter Bedeutung war. Diese Auffassung findet eine weitere gewisse Stütze in einer positiven Regelung auf dem Gebiet des Gewerberechts, die allerdings nicht Ausstellungen, sondern Messen betrifft (wegen der Begriffe "Messe" und "Ausstellung" zu vgl. die vom Senat für zutreffend erachtete Abgrenzung dieser Begriffe in dem Schreiben des Zentralausschusses der Werbewirtschaft vom 10. März 1951, abgedruckt in "Der Betriebsberater" 1951 S. 233, ferner Landmann-Rohmer, Kommentar zur Gewerbeordnung 10. Aufl. § 64 Anm. 2). Nach § 68 Abs. 2 der Gewerbeordnung (GO) nämlich darf der Veranstalter einer Messe für die im Interesse der Beteiligten geleistete Werbe- und Verwaltungstätigkeit Beiträge fordern. Die Vorschrift beruht offensichtlich auf dem Gedanken, daß die organisatorische Arbeit des Messeveranstalters eine besondere Abgeltung von seiten der Messeaussteller erfordert und rechtfertigt. Dieser Gedanke trifft zweifellos auch für Ausstellungen zu. Wenn er insoweit in der GO keinen Niederschlag gefunden hat, so beruht das darauf, daß - im Gegensatz zu Messen - Ausstellungen auch dann, wenn ein Verkauf der ausgestellten Gegenstände zugelassen ist, keinen Marktcharakter haben (vgl. das oben angeführte Schreiben des Zentralausschusses der Werbewirtschaft) und deshalb einer Regelung im Rahmen der den Marktverkehr regelnden Vorschriften der GO (§§ 64 - 71) entzogen sind. Immerhin kann hier der dem § 68 Abs. 2 GO zugrunde liegende gesetzgeberische Gedanke für die Würdigung der Natur der im Streitfalle von den Ausstellern an den Bg. gezahlten Entgelte mit herangezogen werden. Auch die Würdigung von diesem Gesichtspunkt aus bestätigt die nach den eingangs gemachten Ausführungen schon rechtlich begründete Annahme, daß die streitigen Entgelte im wesentlichen für die vom Bg. geleistete organisatorische Tätigkeit und für die Einräumung des Rechts, die durch diese Tätigkeit geschaffenen Werbemöglichkeiten auszunutzen, gezahlt worden sind, und daß der überlassung der Ausstellungsflächen und Ausstellungsstände hierbei nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Damit gelangt der Senat zu dem Ergebnis, daß die Vereinbarungen zwischen dem Bg. und den Ausstellern weder reine Mietverträge noch gemischte Verträge, sondern Verträge besonderer Art darstellen. Es entfällt daher die Möglichkeit, für die auf Grund dieser Verträge vom Bg. vereinnahmten Entgelte Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 10 UStG in Anspruch zu nehmen.

Die Vorinstanz hatte dies verkannt; die Vorentscheidung ist deshalb wegen Rechtsirrtums aufzuheben, und es ist unter Zurückweisung der Berufung als unbegründet der Umsatzsteuerbescheid des Finanzamts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

BStBl III 1953, 335

BFHE 1954, 116

BFHE 58, 116

StRK, UStG:4/10 R 3

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