Leitsatz (amtlich)

Die Schiedsrichtertätigkeit eines freiberuflich tätigen Rechtsanwalts ist von seiner Berufstätigkeit nicht abgrenzbar im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 4 Nr. 2

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 10.04.1975; Aktenzeichen 1 BvR 302/74)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit bezieht, Einkünfte aus schiedsrichterlicher Tätigkeit als Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit nach § 34 Abs. 4 EStG begünstigt versteuern kann.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) und das FG lehnten die beantragte Vergünstigung mit der Begründung ab, die Einkünfte aus der Tätigkeit als Schiedsrichter seien von den Einkünften aus der Berufstätigkeit als Rechtsanwalt nicht abgrenzbar (§ 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG). Das FG bezog sich auf das Urteil des BFH vom 17. November 1960 IV 135/58 U (BFHE 72, 161, BStBl III 1961, 60), mit dem entschieden worden sei, daß die Übernahme eines Schiedsrichteramtes in Rechtsstreitigkeiten in den Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts falle. Der von dem Rechtsanwalt abzugebende Schiedsspruch gleiche der Erstattung eines Rechtsgutachtens, die nach dem BFH-Urteil vom 5. November 1953 IV 263/53 U (BFHE 58, 209, BStBl III 1953, 371) ebenfalls einen Teil der Anwaltstätigkeit bilde. Außerdem werde in § 1 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) eine Reihe von Tätigkeiten aufgezählt, die zwar zu den üblichen Tätigkeiten eines Rechtsanwalts gehörten, für die aber die BRAGebO nicht gelten solle, darunter die des Vormundes, Pflegers, Testamentsvollstreckers, Konkursverwalters, Treuhänders und Schiedsrichters. Dafür sei auch den Rechtsanwälten die vom Deutschen Anwaltsverein und dem Deutschen Richterbund getroffene "Vereinbarung über die Vergütung der Schiedsrichter" zum Abschluß mit den Parteien des Schiedsgerichts empfohlen worden (vgl. Gerold/Schmidt, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte 1970, § 1, Rdnr. 25 Abs. 8 und S. 1213).

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 34 Abs. 4 EStG) und Verfahrensmängel. Er ist nach wie vor der Ansicht, daß die schiedsrichterliche Tätigkeit ihrem Wesen nach nicht nur nicht untrennbar zur Berufstätigkeit des Rechtsanwalts gehöre, sondern ihr wesensfremd und entgegengesetzt sei. Im Gegensatz zum Rechtsanwalt, der der gesetzlich berufene Berater und Vertreter einer Partei in allen Rechtsangelegenheiten sei und somit auf Seite einer Partei stehe, übe ein Schiedsrichter rechtsprechende Gewalt auf der Grundlage der §§ 1025 ff. ZPO aus und müsse (als Richter) dem Wesen des Richterberufs entsprechend völlig unparteiisch über den Parteien und ihren anwaltlichen Vertretern stehen. Die Meinung, eine Schiedsrichtertätigkeit sei typisch für Rechtsanwälte, sei nicht haltbar, weil die weit überwiegende Mehrheit aller Rechtsanwälte während ihres ganzen Berufslebens nicht in ein Schiedsrichteramt berufen werde. Vergleichbar seien die Fälle, in denen die Rechtsprechung bei Rechtsanwälten eine Nebentätigkeit nach § 34 Abs. 4 EStG angenommen habe, nämlich als Fachschriftsteller, als Schriftsteller einer Fachzeitschrift, als Prüfer in juristischen Staatsprüfungen, als Unterrichtender zur Vorbereitung auf Prüfungen, z. B. für Steuerbevollmächtigte. Werde in diesen Fällen ein Rechtsanwalt aufgrund bestimmter Kriterien - wie Vorbildung, Ruf und Ansehen - tätig, so könne also eine Abgrenzbarkeit nicht verneint werden, abgesehen davon, daß die genannten Kriterien gegenüber der Wesensfremdheit zwischen Schiedsrichtertätigkeit und Anwaltsberuf zurücktreten müßten. - Daß schiedsrichterliche Tätigkeit einer Gutachtertätigkeit entspreche, treffe nicht zu. Als Schiedsrichter übe ein Rechtsanwalt weder eine Gutachtertätigkeit noch eine Tätigkeit im Auftrage oder im Interesse eines Auftraggebers aus, sondern werde im Gegenteil völlig unabhängig als Richter tätig. - Auch wenn der Rechtsanwalt als Vertreter einer Partei an einem Vergleich mitwirke, bleibe er Vertreter dieser Partei. Er dürfe die Interessen der anderen Partei nicht vertreten. - Die im FG-Verfahren angebotenen Gutachten der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltsvereins habe das FG nicht eingeholt mit der Begründung, es könne die Frage "aus eigener Sachkenntnis" beurteilen. Das FG habe aber nicht dargelegt, worauf seine Sachkunde beruhe. Dieser Verfahrensverstoß sei zu rügen. Bei Einholung der Gutachten würde das FG möglicherweise anders entschieden haben. Als Verfahrensmangel werde auch die Unterlassung des FG gerügt, mit den Parteien nicht die Erwähnung der Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Schiedsrichter in § 1 Abs. 2 BRAGebO erörtert zu haben. Sonst wäre durch Gutachten der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins unter Beweis gestellt worden: Die Tätigkeit als Schiedsrichter gehöre nicht zu den "üblichen Tätigkeiten" eines Rechtsanwalts; es sei vielmehr durch die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte klargestellt, daß der Rechtsanwalt als Schiedsrichter gerade keine Berufstätigkeit ausübe; gerade weil die Schiedsrichtertätigkeit nicht "mit der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts zusammen hänge", sondern ihr wesensfremd sei, werde eine Schiedsrichtertätigkeit gebührenrechtlich nicht geregelt. Das Anwaltsgebührenrecht regele nicht selbst die anwaltschaftliche Berufstätigkeit, sondern setze diese voraus und knüpfe an diese an. - Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) behandele an keiner Stelle die schiedsrichterlicher Tätigkeit eines Rechtsanwalts. Das führe zu dem Schluß, daß der Gesetzgeber die Schiedsrichtertätigkeit nicht als Berufstätigkeit des Rechtsanwalts angesehen habe. Ebenso enthielten die Richtlinien gemäß § 177 Abs. 2 Satz 2 BRA-GebO keine Regelung für das Verhalten des Rechtsanwalts als Schiedsrichter. Auch das "Anwaltsbrevier" von Meisner enthalte mit keinem Wort die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Schiedsrichter. Auch der Kommentar von A. und M. Friedländer zur Rechtsanwaltsordnung (3. Aufl., 1930) führe aus, daß die Tätigkeit als Schiedsrichter nicht zur Berufstätigkeit des Anwalts gehöre. - Schiedsrichtertätigkeit eines Rechtsanwalts sei die als Streitentscheidung typische richterliche Tätigkeit und der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts als des Beraters und Vertreters einer Partei wesensfremd, so daß die Abgrenzbarkeit der Einkünfte aus der Nebentätigkeit als Schiedsrichter von den Einkünften aus der Berufstätigkeit als Rechtsanwalt zu bejahen sei. - Die Einkünfte aus der Schiedsrichtertätigkeit von den Einkünften des Rechtsanwalts als Freiberufler aus der Berufstätigkeit für nichtabgrenzbar zu halten, führe zu dem kuriosen Ergebnis, daß der im Schiedsgericht tätige Richter am Oberlandesgericht die Einnahmen daraus als steuerbegünstigte Nebeneinkünfte nur zum ermäßigten Steuersatz zu versteuern brauche, der dem Schiedsgericht angehörende Rechtsanwalt dagegen die Einnahmen daraus nach der Einkommensteuertabelle versteuern müsse, obwohl die Schiedsrichtertätigkeit des Richters am Oberlandesgericht in gleicher Weise zu dessen beruflicher Tätigkeit gerechnet werden könne. Das führe zu einer eklatanten Ungleichbehandlung zwischen Angestellten, Beamten und Richtern einerseits und den freiberuflich Tätigen andererseits. Eine Ursache dafür sei, daß der BFH statt nach dem Wortlaut des Gesetzes auf die Abgrenzbarkeit der Einkünfte auf die Abgrenzbarkeit der Nebentätigkeit von der Haupttätigkeit abstelle. Bei Arbeitnehmern solle die Abgrenzung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu denen aus selbständiger Arbeit genügen, was sich schon deutlich aus dem Gesetz ergebe, so das BFH-Urteil vom 14. Dezember 1961/24. Mai 1962 IV 74/61 U, BFHE 75, 400, BStBl III 1962, 414; Sinn und Zweck des Gesetzes verlangten eine annähernde Gleichbehandlung der Freiberufler mit den Arbeitnehmern. - Es sei auch zweifelhaft, ob die Berufung zum Amt eines Schiedsrichters nur aufgrund seiner besonderen Sachkenntnisse geschehe (so BFH-Urteil IV 135/58 U). Ein Schiedsgericht werde in aller Regel nicht wegen der größeren Sachkenntnis der Schiedsrichter, sondern wegen der größeren Schnelligkeit der Entscheidung und vor allem wegen der Berücksichtigung auch der Billigkeitsgesichtspunkte angerufen. Vom Schiedsrichter werde eine der Billigkeit entsprechende rasche Entscheidung erwartet, die keineswegs immer dem Recht entsprechen müsse. - Die Behauptung, daß der Rechtsanwalt die schiedsrichterliche Tätigkeit auf Grund seiner Stellung als berufener und unabhängiger Berater auf dem Gebiete des Rechts ausübe, sei falsch. Wäre dies richtig, müßten viel mehr Anwälte eine schiedsrichterliche Tätigkeit ausüben als tatsächlich der Fall sei. - In Ausübung seines Rechts, vor Gericht, vor Schiedsgerichten und vor Behörden aufzutreten (§ 3 Abs. 2 BRAO), sei der Anwalt Organ der Rechtspflege. Werde er aber als Schiedsrichter tätig, so sei er nicht als Rechtsanwalt, sondern nur als Schiedsrichter Organ der Rechtspflege. Dieser Unterschied, als Schiedsrichter nicht "Hand" oder "Fuß" der Rechtspflege, sondern "Kopf" der Rechtspflege zu sein, nicht zu beraten, sondern zu entscheiden, sei so groß, daß er auch steuerrechtlich berücksichtigt werden müsse. - Wenn der BFH ausführe, daß man bei der Schiedsrichtertätigkeit nicht von einer der übrigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts wesensfremden Tätigkeit sprechen könne (BFH-Urteil IV 135/58 U), führe er damit zuungunsten der Steuerpflichtigen als neues Kriterium ein, daß die Nebentätigkeit gegenüber der Haupttätigkeit "wesensfremd" sein müsse. Das sei völlig unhaltbar. Werde auf den sachlichen Zusammenhang der Schiedsrichtertätigkeit mit der Berufstätigkeit des Rechtsanwalts abgestellt, so müsse entsprechendes auch für den Richter am Oberlandesgericht als Schiedsrichter gelten. Dann stünden auch die Nebeneinkünfte eines Rechtsanwalts als literarischer Tätigkeit auf seinem Fachgebiet im sachlichen Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit, so daß es eine steuerbegünstigte Nebentätigkeit, die mit Rechtsfragen zu tun habe, überhaupt nicht mehr geben könne.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und für seine Einkünfte aus schiedsrichterlicher Tätigkeit den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 4 EStG zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es verweist darauf, daß auch im Schrifttum die Rechtsprechung des BFH, wonach die schiedsrichterliche Tätigkeit in Rechtsstreitigkeiten der Berufstätigkeit als Rechtsanwalt zuzurechnen sei, bejaht werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Vorinstanz hat mit Recht die Abgrenzbarkeit der Einkünfte aus schiedsrichterlicher Tätigkeit gegenüber den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit als Rechtsanwalt im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG verneint.

Die Ansicht des Klägers, es führe zu einer "eklatanten Ungleichbehandlung", Einkünfte aus Schiedsrichtertätigkeit bei einem Rechtsanwalt voll zu versteuern, bei einem Richter, z. B. am Oberlandesgericht, dagegen als steuerbegünstigte Einkünfte anzuerkennen, kann der Senat nicht teilen. Für die Abgrenzbarkeit der Nebeneinkünfte gegenüber den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darf nicht übersehen werden, daß die Unterscheidung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit von denen aus nichtselbständiger Arbeit durch die Festlegung der verschiedenen Einkunftsarten im Einkommensteuergesetz bedingt ist. Seit dem Einkommensteuergesetz 1925 ist nicht eine Quellentheorie oder eine Reinvermögenszugangstheorie Grundlage der Systematik des Einkommensteuerrechts, sondern ein Einkommensbegriff, der auf der Fixierung der sieben Einkunftsarten basiert. Die Unterschiedlichkeit der einzelnen genau abgegrenzten und abgrenzbaren Einkunftsarten rechtfertigt allein die teilweise unterschiedliche Besteuerung. Ein äußerlich gleichartiges Tätigwerden verschiedener Steuerpflichtiger, z. B. als Schauspieler, Unterrichtender, Architekt, Arzt oder Richter, kann nur dann steuerrechtlich gleich behandelt werden, wenn auch die Frage der steuerrechtlich maßgeblichen Art der Tätigkeit, nämlich ob selbständig oder nichtselbständig ausgeübt, gleich zu beantworten ist. Ist sonach eine nichtselbständige Tätigkeit stets von einer selbständigen Tätigkeit abzugrenzen und abgrenzbar, so ist auch bei ein und demselben Steuerpflichtigen die Abgrenzbarkeit einer nichtselbständigen von einer selbständigen Tätigkeit gegeben, selbst wenn es sich in beiden Fällen um ein äußerlich gleichartiges Tätigwerden handelt.

Zur weiteren Begründung dieses Ergebnisses ist auf folgendes hinzuweisen. Der erkennende Senat hatte sich bereits in seinem Urteil vom 14. Dezember 1972 IV R 12/68 (BFHE 107, 524, BStBl II 1973, 159) mit der - dort von dem am Verfahren beteiligten Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) vertretenen - Auffassung auseinandergesetzt, die davon ausgeht, daß für einen auf demselben künstlerischen Gebiet sowohl nichtselbständig als auch selbständig tätigen Künstler die gleiche steuerliche Behandlung sinnvoll sei wie für einen im Angestelltenverhältnis und zugleich selbständig tätigen Architekten, Arzt oder Journalisten. Der Senat hatte diese Auffassung in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung wegen der Abgrenzbarkeit durch die im Gesetz festgelegte Verschiedenartigkeit der Einkunftsarten und vor allem auch deshalb abgelehnt, weil die "Einheitstheorie" zu dem Ergebnis führt, daß allen wissenschaftlich, künstlerisch oder schriftstellerisch tätigen Angestellten die Vergünstigung für ihre selbständig erzielten Nebeneinkünfte versagt würde, und weil sich weitere erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben würden. Angesichts der derzeitigen - wie der Kläger meint - "sicherlich nicht glücklich" gefaßten Vorschrift des § 34 Abs. 4 EStG, deren Wortlaut offenbar auch nach dem jüngsten Steuerreformvorschlag nicht geändert werden soll (vgl. Bundestagsdrucksache VII/1470 S. 57 und S. 284), kann nur durch Auslegung versucht werden, möglichst klare und möglichst zufriedenstellende Ergebnisse zu gewinnen. An der Abgrenzbarkeit durch Unterscheidung der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsarten ist daher festzuhalten.

Somit ist für die Feststellung einer Ungleichbehandlung der Schiedsrichtertätigkeit eines Richters am Oberlandesgericht gegenüber der eines Rechtsanwalts kein Raum. Während bei einem Richter am Oberlandesgericht die Abgrenzbarkeit seiner Schiedsrichtertätigkeit von seiner übrigen - nichtselbständigen - Berufstätigkeit aus der Verschiedenheit der Einkunftsarten des Gesetzes folgt und Überlegungen, daß die Schiedsrichtertätigkeit im Grunde auch zu seiner richterlichen Haupttätigkeit gehöre, nicht entscheidend sind, bedarf es bei einem freiberuflich tätigen Rechtsanwalt wegen der Gleichartigkeit der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsart besonderer Abgrenzungsmerkmale, deren Vorliegen das FG zutreffend verneint hat.

Der Senat hatte sich bereits in dem Urteil IV 135/58 U, auf das sich das FG mit Recht stützt, auf sein Urteil vom 16. April/5. November 1959 IV 308/56 U (BFHE 70, 8, BStBl III 1960, 4) bezogen. Dort hatte er ausgesprochen, daß die Übernahme eines Schiedsrichteramtes in Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Bilanz- und Buchführungswesens in den Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe fällt, weil eine Berufung zu dem Amt eines Schiedsrichters nur aufgrund seiner besonderen Sachkenntnisse auf dem Gebiet des Bilanz- und Buchführungswesens geschieht. In dem Urteil IV 135/58 U stellte der Senat heraus, daß auch bei einem Rechtsanwalt die schiedsrichterliche Tätigkeit aufs Engste mit seiner freiberuflichen Tätigkeit zusammenhängt, da der Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege der berufene und unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist, und daß der umfassenden und bedeutungsvollen Stellung des Rechtsanwalts im Rechtsleben des Staates die Auffassung nicht gerecht wird, die ureigenste Tätigkeit eines Rechtsanwalts bestehe in der einseitigen Vertretung der Interessen einer Partei und er diene dem Recht nicht schlechthin um des Rechts willen und auch nicht unparteiisch. Der Senat führte in dem Urteil IV 135/58 U weiter aus, daß das was für die Erstattung von Rechtsgutachten gilt, auch für die Übernahme eines Schiedsrichteramtes auf allen Rechtsgebieten gelten muß. Denn der Rechtsanwalt übt die schiedsrichterliche Tätigkeit aufgrund seiner Stellung als berufener und unabhängiger Berater auf dem Gebiete des Rechtes aus. Es trifft zwar zu, daß der Rechtsanwalt im allgemeinen nur einer Partei dient; das braucht aber durchaus nicht immer der Fall zu sein. Der Anwalt kann auch mehreren Parteien, die ihn gemeinsam um Rat bitten, Auskunft erteilen. Er kann auch die widerstrebenden Interessen mehrerer Parteien durch einen Vergleich aufeinander abstimmen, wenn diese bestrebt sind, ihre Unstimmigkeiten aus der Welt zu schaffen. Aus den gleichen Erwägungen wird ein Rechtsanwalt als Schiedsrichter durch vertragliche Vereinbarung bestellt, um etwaige Unstimmigkeiten, die sich aus der Vollziehung eines Vertrages ergeben könnten, später außergerichtlich zu beseitigen. Die Parteien wählen gerade deshalb einen Rechtsanwalt zum Schiedsrichter, weil er aufgrund seiner wissenschaftlichen Vorbildung und aufgrund seiner beruflichen Erfahrung in der Lage ist, Rechtsprobleme nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu lösen. Daß der Schiedsspruch die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils besitzt und daß er nach einem gesetzlich geregelten Verfahren zustande zu kommen hat, ist nicht von so entscheidender Bedeutung, daß man hier von einer der übrigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts "wesensverschiedenen" Tätigkeit, wie die Vorinstanz in dem Fall des BFH-Urteils IV 135/58 U angenommen hatte, sprechen könnte. An dieser Entscheidung des Senats ist im Ergebnis festzuhalten.

Das Vorbringen des Klägers, als Rechtsanwalt sei seine Aufgabe, vor Gericht, vor Schiedsgerichten und vor Behörden aufzutreten, als Schiedsrichter dagegen sei er selbst Richter, der nicht zu beraten, sondern zu entscheiden habe, hält der erkennende Senat nicht für durchschlagend. Wird ein Rechtsanwalt als Schiedsrichter benannt, so in erster Linie zweifellos deshalb, weil er ein erfahrener Jurist ist, also aus dem gleichen Grund, aus dem auch der Richter am Oberlandesgericht als Schiedsrichter benannt werden wird. Daß darüber hinaus von einem Schiedsrichter noch andere Eigenschaften erwartet werden, vor allem die, rasche, den Erfordernissen der Billigkeit entsprechende Entscheidungen treffen zu können, mag den Kreis der als Schiedsrichter in Frage kommenden Personen sehr weit einengen und sogar in Einzelfällen dazu führen, einen mit Rechtsfragen vertrauten erfahrenen Kaufmann als Schiedsrichter geeignet erscheinen zu lassen. Dies rechtfertigt aber nicht den Schluß, daß die Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts, zu der auch die Abgabe von Gutachten in Rechtsfragen gerechnet werden muß (vgl. BFH-Urteil IV 263/53 U), als von der Schiedsrichtertätigkeit so "wesensverschieden" angesehen werden müßte, daß eine Abgrenzbarkeit im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG zu bejahen wäre.

Hieran ändert auch nichts der Einwand des Klägers, die Entscheidung des Schiedsrichters müsse "keineswegs immer dem Recht entsprechen". Auszugehen ist jedenfalls vom Inhalt des Schiedsvertrages, der den Schiedsrichtern die Entscheidung der Frage überträgt, "wer im Recht ist" (Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 31. Aufl., 1973, § 1025 Anm. 2 zu A). Wenn eine Partei einen Rechtsanwalt als Schiedsrichter wählt, dann ist davon auszugehen, daß sie gerade auf dessen berufsbedingte Kenntnisse und Fähigkeiten, wie z. B. sein juristisches Wissen, sein Verhandlungsgeschick, seine Fähigkeit, Sachverhalte subsumieren und auch wirtschaftliche Vorgänge erfassen zu können, besonderen Wert legt. Auch diese Überlegungen führen dazu, den sachlichen Zusammenhang einer Schiedsrichtertätigkeit mit der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts zu bestätigen.

Die Auffassung des Klägers, der Unterschied zwischen "beraten" - als Rechtsanwalt - und "entscheiden" - als Schiedsrichter - sei so schwerwiegend, daß sich daraus für die steuerrechtliche Behandlung die Abgrenzbarkeit ergeben müsse, kann nicht geteilt werden. Auch der Rechtsanwalt, wenn er als Vormund, Pfleger, Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter oder Treuhänder tätig wird, hat nicht nur zu beraten, sondern zu entscheiden. Andererseits kann der Umstand, daß auch ein Nichtrechtsanwalt zum Vormund, Pfleger oder Konkursverwalter und zum Schiedsrichter bestellt werden kann, nicht ausreichen, diese Tätigkeit von der übrigen Anwaltstätigkeit abzugrenzen. Mit Recht hat sich das FG daher auch als Indiz für seine Entscheidung auf § 1 Abs. 2 BRAGebO bezogen, wo die Schiedsrichtertätigkeit in gleicher Weise wie die anderen oben genannten Tätigkeiten eines Rechtsanwalts angeführt ist.

Der Umstand, daß nach Darlegung des Klägers nur wenige Anwälte je in ein Schiedsrichteramt berufen werden, kann nicht entscheidend sein, ebensowenig wie der, daß viele Anwälte während ihres ganzen Berufslebens nie als Vormund, Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter oder Treuhänder tätig geworden sein mögen, oder etwa nie zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen (§ 107a Abs. 2 Nr. 2 AO) herangezogen werden. Maßgebend ist der sachliche Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Rechtsanwalts, nicht der Grad der Häufigkeit des Tätigwerdens im Einzelfall.

Zu Unrecht meint der Kläger, mit der Feststellung, die Schiedsrichtertätigkeit sei keine der übrigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts "wesensfremde", Tätigkeit (BFH-Urteil IV 135/58 U), werde ein neues Kriterium für die Abgrenzung von Nebeneinkünften eingeführt. In dem Urteil IV 135/58 U wurde lediglich die Ansicht der dortigen Vorinstanz zurückgewiesen, daß die Tätigkeit des Schiedsrichters von der als Anwalt "wesensverschieden" sei. Damit sollte keineswegs das Merkmal der "Abgrenzbarkeit" durch das der "Wesensverschiedenheit" ersetzt werden. Wenn andererseits der sachliche Zusammenhang einer Schiedsrichtertätigkeit mit der Berufstätigkeit eines freiberuflich tätigen Rechtsanwalts die Abgrenzbarkeit der Nebeneinkünfte ausschließt, so bedeutet das nicht, daß anderweitige Nebeneinkünfte eines Rechtsanwalts auf juristischem Gebiet nicht abgrenzbar sein können. Betätigt sich ein Rechtsanwalt als Schriftsteller, Fachschriftsteller oder Vortragender bei Lehrgängen, so setzt er auch damit seine juristischen Kenntnisse und Erfahrungen ein; er wird aber nicht als Rechtsanwalt, sondern als Schriftsteller und Unterrichtender tätig.

Wird ein Rechtsanwalt von Vertragspartnern zum Schiedsrichter gewählt, weil er aufgrund seiner Vorbildung und seiner beruflichen Erfahrung in der Lage ist, schwierige Rechtsprobleme als Schiedsrichter zu lösen, so trägt er damit als Organ und im Rahmen der Rechtspflege zur Rechtsfindung entscheidend bei. Die Darstellung des Klägers, daß der Rechtsanwalt als Schiedsrichter "völlig unabhängig als Richter" entscheide, bedarf der Erläuterung. Zwar hat er unabhängig von den Interessen der Vertragspartner sein schiedsrichterliches Gutachten abzugeben; auch hat der Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils (§ 1040 ZPO). Der Schiedsrichter wird aber nur aufgrund eines Schiedsvertrages zwischen den Parteien tätig und übt keine staatlichen Befugnisse aus (Baumbach-Lauterbach, a. a. O., Anhang zu § 1028 Anm. 2 C).

Auch wenn er dabei aufgrund besonderer vertraglicher Vereinbarungen zwischen zwei streitenden Parteien richtet, läßt sich nach Auffassung des erkennenden Senats bei der dahinführenden Tätigkeit ebensowenig wie bei der Erstattung von Rechtsgutachten - die nicht stets nur von einer Partei bestellt zu sein brauchen - oder von Schiedsgutachten der sachliche Zusammenhang mit der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts verneinen. Das weitere Vorbringen des Klägers dazu, es sei zweifelhaft, ob die Berufung zum Amt eines Schiedsrichters nur aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis geschehe, da von einem Schiedsrichter in aller Regel eine rasche und auch Billigkeitsgesichtspunkte berücksichtigende Entscheidung erwartet werde, kann schon deshalb nicht als gewichtig angesehen werden, weil ein Bestreiten des juristischen und damit wissenschaftlichen Gehalts einer Schiedsrichtertätigkeit der Nebentätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG ihren wissenschaftlichen Charakter nehmen würde.

Zu Unrecht sieht der Kläger in der Nichteinholung von Gutachten der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltsvereins einen Verfahrensverstoß des FG. Es ging und geht nicht um die Frage, ob die in § 1 Abs. 2 BRAGebO aufgezählten Tätigkeiten (als Vormund, Pfleger, Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter, Treuhänder, Schiedsrichter) zu den regelmäßigen Aufgaben eines Rechtsanwalts gehören, und ob dies im Sinne des Gebührenrechts zu verneinen wäre, sondern darum, daß hier für die Anwendung der steuerrechtlichen Vorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG der Begriff der Abgrenzbarkeit von einer Berufstätigkeit auszulegen ist. Dafür kann dem Richter des steuerrechtlichen Verfahrens die "Sachkenntnis" nicht abgesprochen werden. Daß die Erläuterungsbücher zur Rechtsanwaltsordnung und zur Bundesrechtsanwaltsordnung die Aufgaben eines Anwalts als Schiedsrichter nicht ausdrücklich behandeln, kann nicht von entscheidender Bedeutung sein. Auch über die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Vormund, Pfleger, Treuhänder usw. sowie über die Erstattung von Rechtsgutachten ist in den Erläuterungsbüchern zur Rechtsanwaltsordnung und zur Bundesrechtsanwaltsordnung nichts enthalten, obwohl die Nichtabgrenzbarkeit dieser Tätigkeiten gegenüber der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts nicht in Zweifel gezogen werden kann.

Wenn der Kläger schließlich als Verfahrensverstoß rügt, daß das FG die Vorschrift des § 1 Abs. 2 BRAGebO nicht mit den Beteiligten erörtert habe, so kann der erkennende Senat auch dem nicht folgen. Zwar verbietet der Grundsatz über die Gewährung des rechtlichen Gehörs, daß das Gericht die Beteiligten mit einer Rechtsansicht überrascht. Das kann aber nicht hinsichtlich des § 1 BRAGebO gegenüber einem Rechtssuchenden gelten, der selbst Rechtsanwalt ist, besonders nicht bei einer Rechtsfrage, die seit langem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung eindeutig entschieden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70964

BStBl II 1974, 568

BFHE 1974, 466

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge