Leitsatz (amtlich)

Gewächshäuser eines Betriebsgrundstücks, das nach § 99 Abs. 3 BewG 1965 nicht wie land- und forstwirtschaftliches Vermögen, sondern wie Grundvermögen zu bewerten ist, sind keine Betriebsvorrichtungen, sondern Gebäude.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 68, 99

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - ein gewerbliches Unternehmen - unterhält auf einem ihr gehörenden Grundstück ein Institut für Pflanzenschutzforschung. In den Jahren 1956 und 1959 errichtete die Klägerin auf dem Grundstück sechs Gewächshäuser, in denen sie zur Erprobung von Pflanzenschutzmitteln Pflanzen, zum Teil auch fremdländischer Art, aufzieht.

Die Gewächshäuser ruhen auf festen Fundamenten, in die eiserne Stütz- und Traggerüste eingelassen sind, und sie sind voll verglast. Die Fenster sind nach oben ausschwenkbar. Die Gewächshäuser enthalten Heizungsund Beregnungsanlagen sowie Vorrichtungen, durch die nach Licht, Luftzusammensetzung, Feuchtigkeitsgehalt und Temperatur verschiedene Klimaverhältnisse geschaffen werden können.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat im Zuge der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 das Grundstück durch Bescheid vom 22. Januar 1971 als Geschäftsgrundstück (Betriebsgrundstück) bewertet und den Einheitswert auf ... DM festgestellt. Das FA hat dabei die Gewächshäuser gemäß § 68 des Bewertungsgesetzes 1965 - künftig BewG - in die Bewertung miteinbezogen. Die Anwendung der Urteile des BFH vom 9. Dezember 1964 II 11/60 U (BFHE 81, 320, BStBl III 1965, 116) und vom 29. April 1965 IV 386/62 U (BFHE 83, 301, BStBl III 1965, 610), durch die Gewächshäuser in Gärtnereibetrieben nicht als Gebäude sondern als Betriebsvorrichtungen behandelt worden sind, hat das FA abgelehnt.

Der Einspruch führte zu einer Ermäßigung des Einheitswerts auf ... DM. Die Klage führte zu einer weiteren Ermäßigung des Einheitswerts auf ... DM. In der Streitfrage blieb es dabei, daß die Gewächshäuser als Gebäude und nicht als Betriebsvorrichtungen behandelt worden sind. Das FG sah die Merkmale des Gebäudebegriffs, so wie sie in dem übereinstimmenden Ländererlaß vom 31. März 1967 (BStBl II 1967, 127) niedergelegt sind, als erfüllt an und lehnte es ab, der Auffassung der beiden BFH-Urteile II 11/60 U und IV 386/62 U zu folgen.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, daß sich ihre Gewächshäuser in der Bauart in keiner Weise von Gewächshäusern von Gärtnereien unterschieden. Auch habe ein Gewächshaus eine andere Funktion als z. B. eine Fabrikhalle. Bei einem Gewächshaus bestehe eine enge und unmittelbare Verbindung des Bauwerks zum Erzeugungsvorgang selbst. Schließlich müsse es als äußerst zweifelhaft gelten, ob die Überdachung eines Gewächshauses, die nur aus Winkeleisen und Fensterglas bestehe, als eine Überdachung im Sinne der Gebäudedefinition angesehen werden könne.

Die Klägerin beantragt, die Gewächshäuser als Betriebsvorrichtungen zu behandeln und den Einheitswert für das Betriebsgrundstück entsprechend zu ermäßigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Es geht im Streitfall um die Bewertung eines Betriebsgrundstücks, das übereinstimmendem Parteivortrag gemäß nach § 99 Abs. 3 BewG nicht wie gärtnerisches Vermögen, sondern wie Grundvermögen zu bewerten ist. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden, weil nicht die gärtnerische Nutzung im Sinne des Bewertungsgesetzes (vgl. §§ 59 bis 61 BewG), sondern die Aufzucht für gewerbliche Forschung durch Erprobung von Pflanzenschutzmitteln im Vordergrund steht. Das ist keine gärtnerische Nutzung mehr (vgl. zum Begriff: § 26 der BewDV a. F.).

Nach § 68 Abs. 1 BewG gehören zum Grundvermögen außer dem Grund und Boden u. a. auch die Gebäude. Nicht in das Grundvermögen einzubeziehen sind Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtung), auch wenn sie wesentliche Bestandteile des Grund und Bodens oder der Gebäude sind (§ 68 Abs. 2 BewG). Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Abgrenzung zwischen den Gebäuden und den Betriebsvorrichtungen vom Gebäudebegriff her vorzunehmen ist (vgl. die Urteile vom 24. Februar 1961 III 434/58 S, BFHE 72, 621, BStBl III 1961, 228; vom 13. Juni 1969 III 17/65, BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517, und 13. Juni 1969 III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612). Ein Bauwerk, das als Gebäude zu betrachten ist, schließt somit die Möglichkeit, eine Betriebsvorrichtung zu sein, aus.

Unter Abschnitt B des gemeinsamen Ländererlasses vom 31. März 1967 ist der Gebäudebegriff definiert und im einzelnen erläutert. Der Senat ist bei seiner Rechtsprechung bisher ebenfalls von diesem Begriff ausgegangen. Danach ist ein Bauwerk als Gebäude anzusehen, wenn es Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewährt, den Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist. Diese Merkmale entsprechen der Verkehrsauffassung und werden auch in anderen Gesetzen verwendet (vgl. BFH-Urteil III 17/65).

Die Gewächshäuser der Klägerin erfüllen diese Voraussetzungen unzweifelhaft. Darauf braucht im einzelnen nicht näher eingegangen zu werden. Die Auffassung der Klägerin, daß es möglicherweise an einer "Überdachung", also an einer Umschließung und damit an einem ausreichenden Schutz gegen Witterungseinflüsse fehle, teilt der Senat nicht. Das FG hat auf einen entsprechenden Einwand der Klägerin im Klageverfahren bereits dargelegt, daß es der Annahme eines Gebäudes nicht entgegensteht, wenn die Gewächshäuser nur aus normalem Fensterglas bestehen und aus diesem Grund nicht gegen Sturm und Hagel schützen. Diese Ausführungen, die dort in erster Linie in bezug auf die Wände gemacht worden sind, gelten in gleicher Weise auch für die "Überdachung".

2. Die Klägerin kann sich auch nicht auf die beiden Urteile des II. und des IV. Senats des BFH berufen, in denen Gewächshäuser von Gärtnereien als Betriebsvorrichtungen anerkannt worden sind. Im vorliegenden Fall geht es im Rahmen der Bewertung des Grundvermögens um die Auslegung des § 68 BewG, während die genannten Urteile die Grunderwerbsteuer und die Einkommensteuer betrafen, wobei allerdings nicht zu übersehen ist, daß für die Entscheidung auch die in der Einheitsbewertung entwickelten Grundsätze mit herangezogen worden sind. Der erkennende Senat hält im übrigen die beiden Urteile durch die Entwicklung der Rechtsprechung für überholt. Die Urteile wurden im wesentlichen auf die Verkehrsauffassung (II 11/60 U) und auf den von der Klägerin auch in diesem Verfahren herausgestellten Gesichtspunkt gestützt, daß Gewächshäuser nicht nur einen umschützenden Raum (wie Fabrikhallen) darstellten, sondern gleichzeitig, wenn nicht sogar überwiegend die Funktion hätten, dem Produktionsvorgang - gedeihliches Wachsen der Pflanzen in einem künstlichen Klima - zu dienen (IV 386/62 U).

Die Auffassung, daß der Gebäudebegriff über die Verkehrsauffassung korrigiert werden könne, auch wenn sonst alle Merkmale des Gebäudebegriffs vorliegen, hat der Senat jedoch in den Urteilen III 17/65 und III R 132/67 mit ausführlicher Begründung abgelehnt. Er hält an dieser Auffassung fest. Bei der Frage, ob ein Bauwerk ein Gebäude oder eine Betriebsvorrichtung ist, kann auch nicht darauf abgestellt werden, ob zwischen dem Bauwerk und den darin sich vollziehenden Vorgängen ein mehr oder weniger enger Zusammenhang besteht. So hat es der Senat abgelehnt, die Zweckbestimmung des Bauwerks in die Beurteilung mit einzubeziehen (III R 132/67). Außerdem hat der Senat in Weiterführung dieser Rechtsprechung in den zur Investitionszulage ergangenen Urteilen vom 14. November 1975 III R 150/74 (BFHE 117, 492, BStBl II 1976, 198) und vom 6. August 1976 III R 163/73 (BFHE 120, 103, BStBl II 1976, 772) eine Autowaschhalle und einen vollklimatisierten Hühnerstall mit Legebatterien - einen Fall, der mit dem vorliegenden viel Ähnlichkeit hat - jeweils nicht als Betriebsvorrichtung, sondern als Gebäude angesehen. An dieser Auffassung hält der Senat fest.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72360

BStBl II 1977, 594

BFHE 1978, 150

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