Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Entspricht die Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. e EStG 1951/53 zum Erlaß von Rechtsverordnungen über die steuerliche Behandlung von Erfindervergütungen den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG?

Vergütungen für Geschmacksmuster sind nach der VOA nicht steuerbegünstigt.

GG Art. 80 Abs. 1; EStG 1951/53 § 34 Abs. 4 und 5, § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. e; Verordnung über die steuerliche Behandlung der Vergünstigungen für Arbeitnehmererfindungen (VOA) vom 6. Juni 1951 (BGBl 1951 I S. 388, BStBl 1951 I S. 184); Verordnung über die Behandlung von Erfindungen von

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 4-5, § 34/4/1; ArbnErfVO 1

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige war vom Jahre 1947 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1961 Angestellter beim A-Verlag. Seit dem 1. November 1952 war er Chefredakteur einer Zeitung, an deren Entstehen er in den Jahren 1951 und 1952 maßgebend mitgewirkt hatte. Im Schreiben vom 31. Dezember 1953 bot der Verlag dem Steuerpflichtigen eine einmalige "Erfindervergütung" von X DM an, "mit der alle seine Ansprüche an der Planung und Entwicklung der Zeitung abgegolten sein sollen". Nachdem das Flächenmuster der Zeitung als Geschmacksmuster zugunsten des Steuerpflichtigen und des Chefredakteurs B am 6. Dezember 1954 in das Musterregister des Amtsgerichts eingetragen war, wurden die X DM im Dezember 1954 auf das Tantieme-Konto des Steuerpflichtigen gebucht.

Das Finanzamt unterwarf im Einkommensteuerbescheid 1954 diesen Betrag zum normalen Steuersatz der Einkommensteuer, da nach seiner Ansicht die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nach § 1 der Verordnung über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen (VOA) vom 6. Juni 1951 (BGBl 1951 I S. 388, BStBl 1951 I S. 184) nicht gegeben waren. Der Einspruch des Steuerpflichtigen wurde vom Steuerausschuss als unbegründet zurückgewiesen.

Die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Der Verlag habe dem Steuerpflichtigen die Summe von X DM nicht für eine "schutzfähige Erfindung" im Sinne des § 1 VOA gezahlt. Nach der zutreffenden Auslegung dieser Bestimmung in Abschn. 52 d Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 1954 seien nur patent- oder gebrauchsmusterschutzfähige, nicht aber geschmacksmusterschutzfähige Erfindungen steuerbegünstigt. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei die Eintragung des Geschmacksmusters nur der äußere Anlaß für den Zeitpunkt der Zahlung. Wirtschaftlich sei die Zahlung für die Mitwirkung des Steuerpflichtigen an dem Teamwork der Planung und Entwicklung der Zeitung geleistet worden. Diese gemeinsame Arbeit habe sich nicht nur auf das Flächenmuster, sondern auf den gesamten Charakter der Zeitung erstreckt. Den Hilfsantrag des Steuerpflichtigen auf Anwendung des begünstigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 5 EStG 1953 lehnte das Finanzgericht ab, weil nach seiner Ansicht die Vergütung von X DM zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört und nicht für eine wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Arbeit gezahlt wurde. Auf Antrag des Steuerpflichtigen verteilte das Finanzgericht jedoch diese Zahlung gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1953 auf die Jahre 1951 und 1952.

Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige unrichtige Anwendung der VOA und des § 34 Abs. 5 EStG 1953. Er meint, "Erfindungen" im Sinne des § 1 VOA seien alle Geistesprodukte, die einen schöpferischen Fortschritt zeigten und einem sozialen Bedürfnis dienten. Hierzu gehörten auch Geschmacksmuster. Wenn die VOA nur patent- und gebrauchsmusterfähige Erfindungen hätte steuerlich begünstigen wollen, so wäre dies im Wortlaut des § 1 VOA zum Ausdruck gebracht worden. Das Geschmacksmustergesetz spreche nur deswegen nicht von "Erfindungen", weil man dieses Gesetz aus dem Jahre 1876 damals zum Urheberrecht und nicht zum gewerblichen Rechtsschutz gezählt habe. Wenn man seine - des Steuerpflichtigen - Arbeit an der Entwicklung der Zeitung nicht als im Betrieb entstandene Erfindung behandele, müßten die X DM als Einkünfte aus selbständiger künstlerischer Tätigkeit angesehen werden, die nach § 34 Abs. 5 EStG 1953 einem ermäßigten Einkommensteuersatz unterliege.

Der Steuerpflichtige beantragt,

das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und die Einkommensteuer niedriger festzusetzen,

hilfsweise, den Betrag von X DM dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 5 EStG 1953 zu unterwerfen.

Das Finanzamt beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts wurde der Betrag von X DM nicht ausschließlich für die durch das Geschmacksmuster geschützte graphische Gestaltung der Zeitung gezahlt. Der Steuerpflichtige hatte auch maßgebend an der inhaltlichen Gestaltung der Zeitung mitgewirkt und sollte gemäß dem Schreiben des Verlags vom 31. Dezember 1953 auch für diese Tätigkeit mit der Zahlung von X DM entschädigt werden. Steuerbegünstigt könnte also allenfalls nur ein Teil der Vergütung von X DM sein.

Der Steuerpflichtige stützt seinen Anspruch auf eine Tarifermäßigung zunächst auf die VOA. Diese Rechtsverordnung erging auf Grund der der Bundesregierung in Art. II Ziff. 2 Buchst. e des Gesetzes zur änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29. April 1950 (BGBl 1950 S. 95) erteilten Ermächtigung, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften "über die steuerliche Behandlung von Erfindervergütungen" zu erlassen (vgl. § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. e EStG 1951/1953). Zweifelhaft ist es jedoch, ob diese Ermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß den Anforderungen des Art. 80 des Grundgesetzes (GG) entspricht. Zunächst läßt sich nicht erkennen, ob freie Erfinder und Arbeitnehmer in gleicher Weise zu begünstigen sind; ferner ist der Begriff "Erfindervergütungen" nicht umschrieben; schließlich läßt die Ermächtigung offen, in welcher Weise und bis zu welcher Höhe die Erfindervergütungen steuerlich begünstigt werden sollen.

Zweifelhaft könnte es vielleicht sein, ob diese Mängel der Ermächtigung etwa rückwirkend auf das Streitjahr 1954 dadurch geheilt worden sind, daß durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern (StNG) vom 16. Dezember 1954 (BGBl 1954 I S. 373, BStBl 1954 I S. 575) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1955 die Ermächtigung wesentlich konkreter gefaßt wurde (vgl. § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. e EStG 1955) und die VOA sich im Rahmen dieser späteren Ermächtigung hält.

Der Senat hat im Urteil VI 64/60 U vom 25. Januar 1963 (BStBl 1963 III S. 185, Slg. Bd. 76 S. 503) zur Rechtsgültigkeit der VOA nicht Stellung genommen.

Er braucht diese Frage auch in diesem Streitfall nicht endgültig zu entscheiden; denn wenn die VOA rechtsgültig sein sollte, ist die Revision des Steuerpflichtigen sachlich unbegründet, weil Vergütungen für Geschmacksmuster nicht die Voraussetzungen der VOA erfüllen (siehe unten zu a). Wenn die VOA aber nichtig ist, besteht keine Vorschrift, auf Grund deren Erfindervergütungen steuerlich begünstigt sind (siehe unten zu b). Weil der Senat die Voraussetzungen der VOA nicht als erfüllt betrachtet, auch wenn er sie, die VOA, für rechtsgültig hält, besteht keine Möglichkeit, das konkrete Normenkontrollverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. e EStG 1951/53 beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten, weil die Verfassungsmäßigkeit der zweifelhaften Norm nicht entscheidungserheblich ist (vgl. auch Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 8/56 vom 25. Oktober 1960, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 11 S. 330 ff., und 2 BvL 9/59 vom 24. Oktober 1961, BVerfGE Bd. 13 S. 178 ff.).

Unterstellt man die Rechtsgültigkeit der VOA, so sind Entgelte, die ein Arbeitnehmer "auf Grund gesetzlicher Vorschriften" seinen Arbeitnehmern für eine schutzfähige Erfindung im Betrieb zahlt, nach § 1 VOA grundsätzlich nicht der Einkommensteuer, sondern der halben Lohnsteuer zu unterwerfen. "Gesetzliche Vorschriften" im Sinne dieser Bestimmung sind nur besondere arbeitsrechtliche Gesetze im materiellen Sinne, die Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen vorsehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 64/60 U, a. a. O.). Für das Streitjahr 1954 war dies noch die Verordnung über die Behandlung von Erfindungen von Gefolgschaftsmitgliedern (VOG) vom 12. Juli 1942 und die Durchführungsverordnung dazu (DOV - VOG) vom 20. März 1943 (RGBl 1942 I S. 466, RGBl 1943 I S. 257, RStBl 1943 S. 702). Diese Verordnungen waren auch nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 noch rechtsgültig, soweit sie sich nicht auf besondere Einrichtungen des nationalsozialistischen Staates bezogen (Urteil des Bundesarbeitsgerichts 2 AZR 268/54 vom 1. November 1956, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1957 S. 477, "Der Betrieb" 1957 S. 144).

Vergütungen für schutzfähige Geistesschöpfungen sind daher nur steuerbegünstigt, wenn sie in der VOG und der DVO-VOG eine arbeitsrechtliche Grundlage haben. Geschmacksmuster sind in diesen Verordnungen jedoch nicht erwähnt. Die VOG und DVO-VOG betreffen nur "Vergütungen" für "patentfähige Erfindungen" (ß 5 Abs. 1 DVO-VOG) und "Belohnungen" des Unternehmers für "nichtpatentfähige Erfindungen, Gebrauchsmuster und Verbesserungsvorschläge" (ß 5 Abs. 6 DVO-VOG). Wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, sind Geschmacksmuster keine "nichtpatentfähigen Erfindungen". Nach dem Sinnzusammenhang zwischen Abs. 1 und Abs. 6 des § 5 DVO-VOG ist eine "nichtpatentfähige Erfindung" eine Erfindung im Sinne des Patentgesetzes, die aber nicht ins Patentregister eingetragen wird. Geschmacksmuster sind auch keine "Verbesserungsvorschläge" im Sinne des § 5 Abs. 6 DVO-VOG; gemäß den Richtlinien für die Vergütung von Gefolgschaftserfindungen (RStBl 1943 S. 705) muß der Verbesserungsvorschlag das technische Gebiet betreffen; er muß eine "gegenüber dem innerbetrieblichen Stand der Technik erfinderische Sonderleistung darstellen". Geschmacksmuster sind keine technischen Verbesserungen in diesem Sinne, sondern sind Geistesschöpfungen ästhetischer Art, die die äußere Form betreffen. Wenn der Verordnungsgeber auch Belohnungen für Geschmacksmuster hätte gewähren wollen, so hätte er diese Muster sicherlich in § 5 Abs. 6 DVO-VOG ebenso erwähnt, wie er das bei Gebrauchsmustern getan hat. Diese Auslegung der DVO-VOG wird rückschauend auch bestätigt durch das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen vom 25. Juli 1957 (BGBl 1957 I S. 756), das an die Stelle dieser Verordnungen getreten ist; denn auch dieses Gesetz enthält nur Bestimmungen über patent- oder gebrauchsmusterfähige Erfindungen und technische Verbesserungsvorschläge.

Sollte die VOA wegen einer den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG nicht genügenden gesetzlichen Ermächtigung nichtig sein, so würde, wie gesagt, für das Streitjahr 1954 keine Vorschrift bestehen, auf Grund deren die Steuergerichte Vergütungen für Arbeitnehmererfinder als steuerlich begünstigt behandeln könnten. Ob der frühere Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 10. September 1943 (RStBl 1943 S. 701), der Tarifvergünstigungen vorsah, nach dem Zusammenbruch noch galt, war umstritten. Er würde in einigen Gebieten als nicht mehr gültig angesehen, in anderen Gebieten dagegen noch angewandt (vgl. für die ehemalige britische Zone "Finanz-Rundschau" 1947 S. 94 und "Der Betrieb" 1948 S. 264). Selbst wenn man annehmen wollte, daß der Erlaß vom 10. September 1943 als vorkonstitutioneller Milderungserlaß nach dem Jahre 1945 noch fortbestanden hat, so ist er nach der Auffassung des Senats jedenfalls durch die VOA im Jahre 1951 oder zumindest durch die Anweisungen des Bundesministers der Finanzen in Abschn. 155 a Abs. 2 letzter Satz EStR 1951 und in Abschn. 52 d LStR 1951, ab 13. Juni 1951 nur nach der VOA zu verfahren, aufgehoben worden. Aber auch diese Zweifelsfrage braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden, weil der Steuerpflichtige auch nach dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 10. September 1943 keinen Anspruch auf eine Steuervergünstigung gehabt hätte. Denn auch nach diesem Erlaß waren nur Vergütungen und Belohnungen für patentfähige und nicht patentfähige Erfindungen, Gebrauchsmuster und Verbesserungsvorschläge nach der DVO-VOG, nicht aber Vergütungen für Geschmacksmuster begünstigt.

Das Finanzgericht hat also rechtlich einwandfrei den Hauptantrag auf Anwendung der VOA als unbegründet zurückgewiesen.

Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, daß der Hilfsantrag des Steuerpflichtigen auf Anwendung des begünstigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 5 EStG 1953 ungerechtfertigt ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die graphische Gestaltung und der Entwurf des Flächenmusters der Zeitung eine künstlerische Tätigkeit war. Denn das Finanzgericht hat die Voraussetzungen des § 34 Abs. 5 Ziff. 2 EStG 1953 schon deswegen mit Recht als nicht erfüllt betrachtet, weil der Betrag von X DM vom Arbeitslohn des Steuerpflichtigen nicht klar abzugrenzen ist und die Mitarbeit des Steuerpflichtigen an der Entwicklung der Zeitung in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Haupttätigkeit als Angestellter (Arbeitnehmer) des Verlags stand. Wie das Finanzgericht einwandfrei feststellt, waren der Gedanke und die weitere Planung dieser Zeitung aus laufenden dienstlichen Gesprächen des Steuerpflichtigen mit anderen Mitarbeitern des Verlages unter der Leitung und nach den Weisungen des Verlegers entstanden, wobei dem Steuerpflichtigen seine Erfahrungen und Kenntnisse aus früheren ähnlichen Tätigkeiten zugute kamen. Der Steuerpflichtige kann sich für seine Rechtsauffassung auch nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 181/54 U vom 3. März 1955 (BStBl 1955 III S. 153, Slg. Bd. 60 S. 400) stützen, in dem Einnahmen eines angestellten Schriftleiters aus freiwilliger schriftstellerischer Nebentätigkeit für seinen Arbeitgeber als Einnahmen aus selbständiger Arbeit behandelt wurden; denn damals hatte der Schriftleiter freiwillig und außerhalb seiner Dienstobliegenheiten zu Hause die Artikel ohne Weisungsbefugnisse seines Arbeitgebers verfaßt.

 

Fundstellen

BStBl III 1966, 170

BFHE 1966, 466

BFHE 84, 466

StRK, EStG:51 R 15

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