Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Rechtsmittelführer sind die Kosten für das Rechtsmittel in einer höheren Rechtsstufe, das zu einer Aufhebung der Vorentscheidung und zu einer Zurückverweisung geführt hat, für alle durchlaufenen Rechtsstufen nach dem Ergebnis aufzuerlegen, mit dem er endgültig im Rechtsmittelverfahren unterlegen ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 AO).

Beruht die Aufhebung der Vorentscheidung und die Zurückverweisung in der Rechtsbeschwerdeinstanz darauf, daß in der Vorentscheidung feststehende Rechtsgrundsätze oder solche einer bereits veröffentlichten Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht berücksichtigt worden sind, so kann darin eine fehlerhafte Sachbehandlung im Sinne des § 314 AO liegen, die die Nichterhebung der Rechtsmittelgebühren und Auslagen der Rechtsmittelbehörde dieses Rechtszuges rechtfertigt. Entsprechendes kann für die Berufungsinstanz gelten.

 

Normenkette

AO § 307 Abs. 1; FGO § 135; AO §§ 251, 314; GKG § 7 Abs. 1; FGO § 140/1; AO § 318/1; FGO § 143; AO § 319 Abs. 1, § 253

 

Tatbestand

Streitig ist die Kostenentscheidung hinsichtlich der Rechtsbeschwerde (Rb.) im ersten Rechtsgang.

Die Berufung des Beschwerdeführers (Bf.) wurde vom Finanzgericht im ersten Rechtsgang als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht war der Auffassung, daß der Einspruch des Bf. gegen die angefochtenen Steuerbescheide unzulässig gewesen sei, weil der Bf. auf Rechtsmittel verzichtet habe. Die Rb. führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht. Im zweiten Rechtsgang wurde die Berufung nach § 94 der Reichsabgabenordnung (AO) erledigt und die mit 3.589 DM strittige Einkommensteuer um 1.681 DM niedriger festgesetzt. Vom Finanzgericht wurde nunmehr nur noch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens entschieden; dem Bf. wurden die Kosten des Einspruchs, der Berufung und der Rb. mit je 12/25 auferlegt. Mit seiner erneuten Rb. macht der Bf. geltend, daß die Kosten der Rb. des ersten Rechtsganges der Staatskasse aufzuerlegen seien. Da das Finanzgericht in diesem Rechtsgang seine Berufung lediglich aus formellen Gründen zurückgewiesen habe, sei die Einlegung der Rb. erforderlich gewesen. Es sei wirtschaftlich nicht gerechtfertigt, einem Rechtsmittelführer Prozeßkosten aufzuerlegen, die darauf beruhen, daß das Finanzgericht eine steuerliche Vorschrift rechtsirrig angewandt habe.

Die Rb. ist nicht begründet.

 

Entscheidungsgründe

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Rb. ist davon auszugehen, daß die Berufung in der Hauptsache erledigt war und die angefochtene Berufungsentscheidung lediglich noch die Kostenfrage zum Gegenstand hatte. Für einen solchen Fall hatte der Senat bereits in seinem Urteil IV 554/53 U vom 28. Januar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 470, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 90) die Zulässigkeit eines Rechtsmittels allein im Kostenpunkt anerkannt. Auch der VI. Senat des Bundesfinanzhofs hat in einem Urteil VI 112/55 U vom 1. Februar 1957 (Slg. Bd. 64 S. 237, BStBl 1957 III S. 90) die Entscheidung bestätigt, während er sonst grundsätzlich die Zulässigkeit einer Rb. allein im Kostenpunkt verneint.

Was die sachliche Kostenentscheidung betrifft, so ist das Finanzgericht zutreffend davon ausgegangen, daß bei einer anderen Erledigung des Rechtsmittels in der Hauptsache als durch Sachentscheidung über die Kosten so zu erkennen war, wie wenn sachlich zu entscheiden gewesen wäre. Dabei hat das Finanzgericht angenommen, daß der Streit zur Hauptsache im Sinne der nach § 94 AO getroffenen Regelung entschieden worden wäre. Gegenstand des Rechtsmittels zur Hauptsache war die Höhe der Schätzung der Betriebseinnahmen auf Grund strittiger Rohaufschlagsätze. Die Sachentscheidung hätte somit im wesentlichen auf Tatsachenwürdigung hinauslaufen müssen. Bei einem solchen Sachverhalt bestehen keine Bedenken, wenn das Finanzgericht für seine Kostenentscheidung von dem Ergebnis der nach § 94 AO getroffenen Einigung ausgegangen ist und demgemäß dem Bf. die Kosten des Rechtsmittelverfahrens in Höhe von 12/25 auferlegt hat (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 728/31 vom 3. Februar 1932 (Reichssteuerblatt - RStBl - S. 229).

Wenn das Finanzgericht dem Bf. die anteiligen Verfahrenskosten in Höhe von 12/25 nicht nur für das Einspruchsverfahren und das Verfahren über die Berufung, sondern auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren des ersten Rechtsganges auferlegt hat, so bestehen gegen die Entscheidung auch insoweit keine Bedenken. Nach § 307 Abs. 1 AO können einem Steuerpflichtigen die Kosten der sämtlichen Rechtsstufen eines Rechtsmittelverfahrens zum Teil auferlegt werden, wenn er im endgültigen Ergebnis zum Teil unterliegt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob er in einer der vor der Endentscheidung angerufenen Rechtsmittelinstanzen Erfolg gehabt hat oder nicht. Die Tatsache, daß der Bf. mit seiner Rb. im ersten Rechtsgang obgesiegt und daß die Rb. zur Aufhebung der Vorentscheidung geführt hatte, ist für die Kostenentscheidung grundsätzlich ohne Bedeutung. Es macht keinen Unterschied, ob auf die Rb. hin die Vorentscheidung aus formellen oder sachlichen Gründen aufgehoben worden ist. Für die Kostenentscheidung kann es nach der Vorschrift des § 307 Abs. 1 AO allein auf das endgültige Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens ankommen. Danach war der Bf. zu 12/25 unterlegen. Demgemäß mußte ihm auch ein entsprechender Anteil an den Verfahrenskosten auferlegt werden. Wenn auch bei teilweisem Unterliegen nach Satz 2 des § 307 Abs. 1 AO die Kostenverteilung auf einer "Kannvorschrift" beruht, so besagt dies doch nur, daß diese Kostenentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen ist. Daß das Finanzgericht bei seiner Kostenentscheidung sein pflichtgemäßes Ermessen verletzt hat, wenn es dem Bf. auch die anteiligen Kosten der Rb. auferlegt hat, ist nicht ersichtlich.

Der Bf. hatte in der Rb. des ersten Rechtsganges seine Anträge aus der Berufung wiederholt. Gegenstand dieses Rechtsstreites war somit der volle Streitwert aus dem Berufungsverfahren, in dem er endgültig mit 12/25 unterlegen ist. Nur wenn der Bfin. in dieser Rb. seine Anträge auf das Maß beschränkt hätte, in dem er nach der Zurückverweisung an das Finanzgericht schließlich obgesiegt hat, hätte er auch im endgültigen Ergebnis der Rb. obgesiegt. Allein unter dieser Voraussetzung wäre es gerechtfertigt gewesen, ihm von den Kosten der Rb. völlig freizustellen. Mit dem Einwand, daß eine Rb. hätte vermieden werden können, wenn das Finanzgericht bereits im ersten Rechtsgang sachlich verhandelt hätte, kann der Bf. deshalb nicht gehört werden.

Das Finanzgericht hat bei seiner Kostenentscheidung aber nicht beachtet, daß auch über die Anwendung der Vorschrift des § 314 AO zu befinden war. Nach dieser Vorschrift sind die Rechtsmittelgebühren und Auslagen der Rechtsmittelbehörde nicht zu erheben, wenn diese Kosten durch eine unrichtige Behandlung der Sache ohne Schuld der Beteiligten entstanden sind. Die Kosten für die Rb. des ersten Rechtsganges sind aber durch eine falsche Sachbehandlung des Finanzgerichts entstanden. Das Finanzgericht hatte im ersten Rechtsgang die Berufung des Bf. als unzulässig behandelt und dahin entschieden, daß der Bf. auf ein Rechtsmittel in der Streitsache wirksam verzichtet habe. Diese Entscheidung stand nicht im Einklang mit den vom Senat bereits in seinem Urteil IV 524/52 U vom 30. Juli 1953 (Slg. Bd. 57 S. 760, BStBl 1953 III S. 288) zur Frage des Rechtsmittelverzichts ausgesprochenen Grundsätzen. Dieses Urteil ist im BStBl vom 28. September 1953 veröffentlicht. Das Urteil des Finanzgerichts im ersten Rechtsgang ist am 27. November 1953 ergangen. Wenn das Finanzgericht in diesem Urteil die Grundsätze des genannten, bereits veröffentlichten Urteils IV 524/52 U nicht beachtet hat und sein Urteil unter Hinweis hierauf aufgehoben worden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 186/54 U vom 2. August 1955, Slg. Bd. 61 S. 345 (BStBl 1955 III S. 331), so war damit eine fehlerhafte Sachbehandlung im Sinne des § 314 AO gegeben. Das Finanzgericht hätte deshalb in seiner Kostenentscheidung den Erlaß der Rechtsmittelgebühren für die Rb. (des ersten Rechtsganges) aussprechen müssen. Da dies nicht geschehen ist, war die Entscheidung des Finanzgerichts insoweit zu ergänzen (§ 318 Abs. 1 Satz 2 AO).

Die Rechtsmittelgebühren und die Auslagen des Bundesfinanzhofs einerseits und die Auslagen des Bf. für seinen Bevollmächtigten für die Rb. des ersten Rechtsganges anderseits halten sich etwa die Waage. Hinsichtlich dieser Auslagen ist der Bf. in der Rb. des zweiten Rechtsganges unterlegen. Es waren ihm deshalb gemäß § 307 AO die Kosten zur Hälfte aufzuerlegen, zur anderen Hälfte dem Land. Es erschien jedoch dem Senat unbillig, die Kosten nach den gesetzlichen Vorschriften zu erheben (§ 319 Abs. 1 AO). Die Rechtsmittelgebühr für die Rb. des zweiten Rechtsganges und die dem Bundesfinanzhof erwachsenen Auslagen waren deshalb ganz zu erlassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408901

BStBl III 1958, 45

BFHE 1958, 114

BFHE 66, 114

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