Entscheidungsstichwort (Thema)

Abrechnungsverfahren - Anrechnungsverfahren

 

Leitsatz (NV)

Das Abrechnungsverfahren nach § 218 Abs. 2 AO 1977 ist als das speziellere Verfahren dem Beschwerdeverfahren gegen eine Anrechnungsverfügung gegenüber vorrangig.

 

Normenkette

AO 1977 § 218 Abs. 2, § 348 Abs. 1 Nr. 9

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren im Streitjahr verheiratet, bezogen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Einkommensteuerbescheid 1985 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuer auf ... DM fest. Den Steuerabzug vom Lohn wies es mit ... DM und den danach verbleibenden Betrag mit ./. ... DM aus, der den Klägern zu erstatten war. Durch Verwaltungsakt vom ... änderte das FA die Anrechnung der Steuerabzugsbeträge im Einkommensteuerbescheid dahin, daß als anzurechnende Steuerabzugsbeträge lediglich ... DM und als verbleibender Betrag ./. ... DM ausgewiesen wurden. Gleichzeitig wurden die Kläger zur Zahlung eines Betrages von ... DM aufgefordert.

Die Kläger wandten sich in zwei Schreiben gegen die geänderte Anrechnung der Einkommensteuer 1985 und begehrten die Aufhebung des Bescheides vom .... Das FA behandelte die beiden Schreiben zunächst als Beschwerde und legte sie der Oberfinanzdirektion (OFD) zur Entscheidung vor. Die OFD entschied darüber nicht, sondern wies das FA an, einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu erlassen, den das FA erließ. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Die Klage führte zur Aufhebung des Abrechnungsbescheids und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung.

Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es verweist auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach sei das Verwaltungs- und Klageverfahren gegen den Abrechnungsbescheid vorrangig gegenüber einer Anfechtung der Anrechnungsverfügung. Das Finanzgericht (FG) habe daher den Abrechnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung zu Unrecht aus formalen Gründen aufgehoben. Es hätte über die Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheids in materiell-rechtlicher Hinsicht entscheiden müssen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Auffassung des FG, daß das FA keinen Abrechnungsbescheid habe erlassen dürfen, weil es zuvor bereits die beschwerdefähige, geänderte Anrechnungsverfügung vom ... erlassen habe und die Kläger gegen diese Verfügung Beschwerde eingelegt hätten, über die noch nicht entschieden worden sei, ist rechtsfehlerhaft. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 25. Februar 1992 VII R 41/91 (BFH/NV 1992, 716), auf das er sich zur Vermeidung von Wiederholungen bezieht, ausgeführt, daß das Abrechnungsverfahren nach § 218 Abs. 2 AO 1977 als das speziellere Verfahren dem Beschwerdeverfahren gegenüber vorrangig ist. Danach geht das Verwaltungs- und Klageverfahren über den Abrechnungsbescheid dem einer Anfechtung der Anrechnungsverfügung vor. Im Streitfall besteht keine Veranlassung, von dieser bisher vertretenen Auffassung abzuweichen. Es kann dahinstehen, ob es notwendig war, zusätzlich zu dem (Anrechnungs-)Bescheid noch den Abrechnungsbescheid zu erlassen. Nachdem das FA jedoch einen solchen erlassen hat, war das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des ersten Bescheids entfallen, weil die Kläger ihre Rechte in dem speziell für den Fall der Erstattung nach §§ 218 Abs. 2, 348 Abs. 1 Nr. 9 AO 1977 vorgesehenen Verfahren verfolgen konnten. Die Vorinstanz hätte daher den Abrechnungsbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung nicht aus formalen Gründen aufheben dürfen, sondern darüber in materiell-rechtlicher Hinsicht entscheiden müssen.

Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG - von seinem Standpunkt her zu Recht - keine Feststellungen getroffen hat, die es dem Senat ermöglichen, selbst in der Sache zu entscheiden. Deshalb ist die Sache gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 288

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