Entscheidungsstichwort (Thema)

Billigkeitserlaß für Währungsausgleichsbeträge aus Anlaß der DM-Aufwertung vom 19. März 1973

 

Leitsatz (NV)

Es besteht kein Anspruch auf Billigkeitserlaß der aus Anlaß der DM-Aufwertung vom 19. März 1973 erhöhten Währungsausgleichsbeträge.

 

Normenkette

EWGV 1608/74

 

Tatbestand

Die Klägerin führte in der Zeit vom 5. März bis 15. August 1973 Butter aus den Niederlanden ein und ließ sie zum freien Verkehr abfertigen. Das ZA erhob u.a. Währungsausgleichsbeträge (WAB), wobei es die ab 3. Juli 1973 aufgrund der DM-Aufwertung vom 29. Juni 1973 erhöhten Sätze zugrunde legte. Mit Schreiben vom 5. September 1973 und 3. Juli 1974 beantragte die Klägerin die Erstattung des Teils der WAB, der auf die beiden DM-Aufwertungen vom 19. März und 29. Juni 1973 zurückzuführen war. Das HZA entsprach mit Bescheiden vom 1. September 1975 und 2. Dezember 1976 den Anträgen teilweise; es erstattete der Klägerin die aus Anlaß der DM-Aufwertung vom 29. Juni 1973 erhöhten WAB und lehnte die Erstattung des Teils der WAB, der auf der DM-Aufwertung vom 19. März 1973 beruhte, ab.

Die nach erfolglosen Beschwerden erhobenen Klagen hatten Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete antragsgemäß das HZA, unter Abänderung der genannten Bescheide und unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidungen der Oberfinanzdirektion der Klägerin zusätzlich noch . . . DM bzw. . . . DM WAB zu erstatten. Zur Begründung führte das FG in seinen Entscheidungen u. a. aus:

Rechtsgrundlage der von der Klägerin begehrten Erstattung sei die Verordnung (EWG) Nr. 1608/74 (VO Nr. 1608/74) der Kommission über Sonderbestimmungen für die WAB vom 26. Juni 1974 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 170/38 vom 27. Juni 1974). Entschließe sich ein Mitgliedstaat aufgrund der Ermächtigung des Art. 1 VO Nr. 1608/74, das in dieser Verordnung normierte Billigkeitsrecht anzuwenden, so könne und dürfe er dies nur in dem Maße und innerhalb des Rahmens tun, wie es die Verordnung selber mit ihrem Regelungsinhalt zulasse. So begegne der in Ausführung der genannten Ermächtigung ergangene Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 18. Juli 1974 keinen rechtlichen Bedenken. Da die aufgezeigten tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 2 VO Nr. 1608/74 einschließlich des erforderlichen Antrags und der beizubringenden Nachweise für sämtliche in Rede stehenden Einfuhrfälle gälten, stünde dem HZA keine rechtliche Möglichkeit zu, die Einfuhrpartien vor den Folgen der Währungsmaßnahme der DM-Aufwertung vom 29. Juni 1973 zu schützen, dies aber, soweit es die Folgen der DM-Aufwertung vom 19. März 1973 betreffe, zu verweigern.

Auch aus Art. 6 VO Nr. 1608/74 ergebe sich keine entsprechende Handhabe. Nach dem unmißverständlichen und einer Auslegung weder bedürfenden noch überhaupt fähigen Wortlaut dieser Vorschrift gelte die VO Nr. 1608/74 für Einfuhren, die seit dem 4. Juni 1973 getätigt worden seien. Die Kommission habe also erkennbar nicht auf den Zeitpunkt des Währungsereignisses abgestellt, sondern schlichtweg auf den Einfuhrzeitpunkt. Soweit die Bekanntmachung des BMF über die Anwendung der VO Nr. 1608/74 vom 3. Juli 1974 (Bundesanzeiger - BAnz - Nr. 122 vom 6. Juli 1974, Bundeszollblatt - BZBl - 1974, 788) die Aufwertung vom 29. Juni 1973 als Währungsereignis, welches die Anwendung der VO Nr. 1608/74 rechtfertigen soll, anerkennt, dies aber für die Aufwertung vom 19. März 1973 - jedenfalls ungeschriebenerweise - verneine, verstoße der BMF gegen Art. 6 VO Nr. 1608/74. Indem die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) von der Ermächtigung des Art. 1 VO Nr. 1608/74 durch die Bekanntmachung Gebrauch gemacht habe - wozu sie nicht verpflichtet, aber berechtigt gewesen sei - habe sie sich gleichzeitig zur Beachtung des gesamten Regelungsinhaltes der VO Nr. 1608/74 bekannt, hinsichtlich der Übergangsregelung aber den keine Abweichung zulassenden Art. 6 VO Nr. 1608/74 mißachtet. Sie habe also von der Verordnung nur einen eingeschränkten, den Importeur benachteiligenden Gebrauch gemacht.

Mit seinen Revisionen macht das HZA folgendes geltend: Das FG habe die VO Nr. 1608/74 verletzt. Danach habe die Bundesrepublik von der Ermächtigung des Art. 1 VO Nr. 1608/74 einen auf das Währungsereignis vom 29. Juni 1973 beschränkten Gebrauch machen dürfen, wie es durch die Bekanntmachung geschehen sei. Das FG habe die Einordnung der VO Nr. 1608/74 in den grundlegenden Wechsel des Währungsausgleichssystems vom 4. Juni 1973 völlig außer acht gelassen. Abgesehen davon habe die VO Nr. 1608/74 die Mitgliedstaaten ermächtigt, WAB ausdrücklich ,,aus Billigkeitsgründen" nicht zu erheben. Diese Präzisierung sei bewußt eingefügt worden, um den Mitgliedstaaten einen weiteren Ermessensspielraum bei dieser Sonderregelung zu gewähren. Die VO Nr. 1608/74 lasse daher auch eine einschränkendere und zurückhaltendere Freistellung von WAB zu als in der Verordnung vorgesehen. Diese Auffassung habe auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in seinem Urteil vom 2. März 1978 Rs. 12, 18 und 21/77 (EuGHE 1978, 553) bestätigt. Die Bundesrepublik hätte systemwidrig gehandelt, wenn sie durch ihre Bekanntmachung vom 3. Juli 1974 auch die Währungsmaßnahme vom 19. März 1973 einbezogen hätte, da nach dem vorletzten Erwägungsgrund der VO Nr. 1608/74 erst die Änderung des Währungsausgleichssystems zum 4. Juni 1973 Anlaß für den Erlaß der VO Nr. 1608/74 gegeben habe und sie deshalb nur bis zur ersten Anwendung dieses geänderten Währungsausgleichssystems habe zurückwirken sollen. Überdies sei das FG durch seine Entscheidung über die durch die VO Nr. 1608/74 gezogenen Grenzen hinausgegangen. Dem FG habe nicht die Befugnis zugestanden, es, das HZA, zu einer Erstattung zu verurteilen, ohne deren formale und sachliche Voraussetzungen festgestellt zu haben. Das FG habe sachliche Voraussetzungen bezüglich des Vertrages im Verfahren im einzelnen nicht geprüft; da die in Rede stehende Butter aufgrund des Vertrages vom 21. Juni 1973 geliefert worden sei, scheide eine Berücksichtigung der DM-Aufwertung vom 19. März 1973 schon nach Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 1608/74 aus. Das EuGH-Urteil vom 10. Oktober 1985 Rs. 183/84 (Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern - ZfZ - 1985, 362) habe die deutsche Praxis bestätigt.

Das HZA beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen, hilfsweise, die Rechtsstreite an das FG zurückzuverweisen. Sie macht u.a. geltend:

Der zeitliche Anwendungsbereich der VO Nr. 1608/74 habe durch die nationalen Behörden nicht weiter eingeschränkt werden dürfen, als es Art. 6 VO Nr. 1608/74 eindeutig bestimmt habe. Diese Vorschrift erfasse nach der zutreffenden Feststellung des EuGH in seinem Urteil in ZfZ 1985, 362 alle Ein- und Ausfuhrverträge, die vor dem 4. Juni 1973 abgeschlossen worden seien, deren Ein- und Ausfuhrlieferungen aber erst nach diesem Termin stattgefunden hätten. Die Übergangsregelung des Art. 6 VO Nr. 1608/74 hätte eine Ablösungsfunktion hinsichtlich der früheren Sondermaßnahmen der Kommission gehabt. Aus dieser Funktion ergebe sich, daß es für die vorliegenden Einfuhrverträge ohne Bedeutung sei, daß die Bundesrepublik für die Währungsmaßnahme vom 19. März 1973 keinen Gebrauch von der in Art. 1 VO Nr. 1608/74 erteilten Ermächtigung gemacht habe. Es sei nämlich zu berücksichtigen, daß nach Sinn und Zweck dieser Übergangsregelungen zum einen habe verhindert werden sollen, daß hinsichtlich der in der Übergangsregelung einbezogenen Verträge eine doppelte Zuständigkeit der Kommission für Sondermaßnahmen nach der Verordnung (EWG) Nr. 974/71 (VO Nr. 974/71) des Rates vom 12. Mai 1971 (ABlEG L 106/1 vom 12. Mai 1971) und der Mitgliedstaaten für Erlaß- oder Erstattungsmaßnahmen nach der VO Nr. 1608/74 gegeben sei. Zum anderen habe auch verhindert werden sollen, daß die in die Übergangsregelung einbezogenen laufenden Altverträge von der Anwendung beider Verordnungen ausgeschlossen würden. Es sei selbstverständlich, daß für einen Erstattungsanspruch nach der VO Nr. 1608/74 sämtliche Voraussetzungen der Art. 1 bis 5 erfüllt sein müßten. Diese seien hier von der Tatsacheninstanz richtigerweise überprüft und bejaht worden. Insbesondere seien auch fest abgeschlossene Altverträge gegeben. Die streitgegenständlichen Einfuhren beruhten nicht erst auf einem am 21. Juni 1973 abgeschlossenen Vertrag, sondern auf dem Vertrag vom 28. Februar 1973.

Der BMF ist den Verfahren beigetreten. Er hat sich im wesentlichen den Revisionsbegründungen des HZA angeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen des HZA sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Abweisung der Klagen.

Die Klägerin fordert vom HZA die Erstattung des Teils der für die streitbefangenen Buttereinfuhren gezahlten WAB, der auf die Aufwertung der DM vom 19. März 1973 zurückzuführen ist. Für diesen Anspruch fehlt es aber an einer Rechtsgrundlage.

Die VO Nr. 1608/74 enthält - für sich betrachtet - keine solche Rechtsgrundlage. Ihr Art. 1 ermächtigt lediglich die Mitgliedstaaten, unter bestimmten Voraussetzungen auf die Erhebung von WAB zu verzichten, die im Zusammenhang mit Währungsmaßnahmen zu erhöhten Sätzen entrichtet worden sind. Die Bundesrepublik hat von dieser Ermächtigung durch die Bekanntmachung vom 3. Juli 1974 Gebrauch gemacht. In Nr. 3 der Bekanntmachung heißt es, daß ,,die Änderung des Leitkurses der D-Mark am 29. 6. 1973 . . . eine Währungsmaßnahme im Sinne des Art. 1 der Verordnung" sei. Eine entsprechende Regelung für die Währungsmaßnahme vom 19. März 1973 fehlt. Die Bundesrepublik hat also insoweit die Ermächtigung des Art. 1 VO Nr. 1608/74 - falls diese überhaupt so weit ging - nicht genutzt. Die Billigkeitsregelung der VO Nr. 1608/74 gilt also nicht für WAB, die aus Anlaß der Aufwertung der DM vom 19. März 1973 erhöht worden sind. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, daß das HZA eine entsprechende Erstattung der WAB abgelehnt hat.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Klägerin der von ihr geltend gemachte Rechtsanspruch etwa dann zustünde, wenn die Bundesrepublik dadurch Gemeinschaftsrecht verletzt hätte, daß sie von der Ermächtigung des Art. 1 VO Nr. 1608/74 nicht auch für die Währungsmaßnahme vom 19. März 1973 Gebrauch gemacht hat. Denn jedenfalls enthält das Gemeinschaftsrecht keine solche Verpflichtung der Bundesrepublik.

Die Ermächtigung des Art. 1 VO Nr. 1608/74 gilt für jeden einzelnen Fall einer Währungsmaßnahme, die die Währung eines bestimmten Mitgliedstaates betrifft und Auswirkungen auf die WAB hatte. Das macht der Wortlaut dieser Vorschrift deutlich (,,Bei der . . . Erhöhung von WAB aufgrund der . . . Änderung des Leitkurses . . . der Währung eines Mitgliedstaates . . . ist der betreffende Mitgliedstaat ermächtigt . . ."). Die Mitgliedstaaten haben also bei jeder neuen Währungsmaßnahme von neuem zu prüfen, ob sie von der Ermächtigung Gebrauch machen wollen und ggf. einen entsprechenden Beschluß zu fassen. Der Verordnung ist nicht zu entnehmen, daß die Mitgliedstaaten, falls sie in bezug auf eine bestimmte Währungsmaßnahme einen solchen Beschluß gefaßt haben, verpflichtet seien, für alle anderen Währungsmaßnahmen das gleiche zu tun.

Die VO Nr. 1608/74 macht überdies deutlich, daß die Ermächtigung des Art. 1 zeitlich beschränkt ist, d. h. nicht gilt für Währungsmaßnahmen vor dem 4. Juni 1973. Die VO Nr. 1608/74 gilt nach ihrem Wortlaut grundsätzlich nur für die Zeit nach Inkrafttreten der Verordnung im Juli 1974 (vgl. z. B. den englischen Wortlaut: ,,. . . the Member State . . . shall be authorized . . ."). Diese Vorschrift ist aber im Zusammenhang mit Art. 6 Satz 2 VO Nr. 1608/74 zu lesen. Danach gilt die Regelung der Verordnung ,,Für Ein- oder Ausfuhren, die seit dem 4. Juni 1973 getätigt worden sind". Unmittelbar betrifft diese Vorschrift nur den Inhalt der Billigkeitsregelung, nicht auch das zeitliche Ausmaß der Ermächtigung des Art. 1. Art. 6 Satz 2 VO Nr. 1608/74 erhält aber nur Sinn, wenn man ihm auch entnimmt, daß die Mitgliedstaaten trotz des entgegenstehenden Wortlauts des Art. 1 ermächtigt sind, ausnahmsweise die Anwendung der Billigkeitsregelung der Verordnung auch in bezug auf in der Vergangenheit liegende Währungsmaßnahmen vorzuschreiben. Gleichzeitig ergibt sich aber auch aus Art. 6 Satz 2 VO Nr. 1608/74, daß die Mitgliedstaaten keine freie Hand haben, die Regelung der Verordnung uneingeschränkt auch für die Vergangenheit vorzuschreiben. Zwar besagt Art. 6 Satz 2 unmittelbar nur, daß die Verordnungsregelung für alle Einfuhren ab 4. Juni 1973 gilt (vorausgesetzt, die Mitgliedstaaten nutzen die Ermächtigung des Art. 1). Sie kann aber nur dahin verstanden werden, daß sie mittelbar auch das inhaltliche Ausmaß der Ermächtigung des Art. 1 VO Nr. 1608/74 klarstellt. Das ergibt sich aus den folgenden Überlegungen.

Es fehlt an einem plausiblen Grund, warum der Gemeinschaftsgesetzgeber den Mitgliedstaaten einerseits habe erlauben sollen, für Währungsmaßnahmen aus der Zeit vor dem 4. Juni 1973 von der Ermächtigung des Art. 1 Gebrauch zu machen, andererseits aber dann nur einen Teil der von einer solchen Währungsmaßnahme betroffenen Einfuhren (nämlich jene nach dem 4. Juni 1973) davon profitieren zu lassen. In den Absätzen 3 bis 6 der Erwägungsgründe der VO Nr. 1608/74 heißt es überdies, daß die Kommission Schwierigkeiten für den Handel, die sich aus Wirkungen von Währungsmaßnahmen auf die WAB ergeben hatten, bisher durch ,,Sondermaßnahmen" zu beheben gesucht habe; weil diese nicht befriedigend gewesen seien, sollten nunmehr die Mitgliedstaaten für die Zukunft zu solchen Maßnahmen ermächtigt werden. Diese Sondermaßnahmen hat die Kommission, wie Absatz 8 der Erwägungsgründe der VO Nr. 1608/74 beweist, bis zu der grundlegenden Änderung des Systems der WAB ab 4. Juni 1973 getroffen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die Mitgliedstaaten durch Art. 1 VO Nr. 1608/74 hatte ermächtigen wollen, die genannten Sonderregelungen durch rückwirkende Anwendung der Billigkeitsregelung der VO Nr. 1608/74 zu überlagern. Gegen eine solche Annahme sprechen Gründe der Rechtssicherheit, der Praktikabilität und der Gleichbehandlung aller von einer bestimmten Währungsmaßnahme Betroffenen. Art. 6 Satz 2 i.V.m. Absatz 8 der Erwägungsgründe der VO Nr. 1608/74 kann daher nur so verstanden werden, daß die Neuregelung dieser Verordnung frühestens ab dem Zeitpunkt angewendet werden sollte, bis zu dem Sonderregelungen der Kommission für bestimmte Währungsmaßnahmen erlassen worden waren, also nicht für Währungsmaßnahmen vor dem 4. Juni 1973.

Die Bundesrepublik war also nicht befugt, die Anwendung der Billigkeitsregelung der VO Nr. 1608/74 in bezug auf WAB anzuordnen, die aufgrund vor dem 4. Juni 1973 getroffener Währungsmaßnahmen erhöht worden waren. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem EuGH-Urteil in ZfZ 1985, 362. Der EuGH hat dort lediglich entschieden, daß sich eine Beschränkung der Billigkeitsregelung auf Ein- und Ausfuhren aufgrund von Verträgen, die nach dem 3. Juni 1973 abgeschlossen worden sind, aus der Verordnung nicht entnehmen lasse. Über die Bedeutung und Tragweite der Ermächtigung des Art. 1 VO Nr. 1608/74 hat der EuGH in diesem Urteil keine Aussage gemacht und brauchte es nach den ihm vom FG gestellten Fragen auch nicht zu tun.

Nach der VO Nr. 1608/74 hat die Klägerin also keinen Rechtsanspruch auf die Gewährung der begehrten Erstattung. Es gibt auch keine andere Rechtsnorm, die der Klägerin diesen Rechtsanspruch vermittelte. Vor dem FG hat die Klägerin sich noch auf § 131 der Reichsabgabenordnung (AO) berufen (in der Revisionsinstanz hat die Klägerin dazu nichts mehr vorgetragen). Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift im vorliegenden Fall nicht schon deswegen ohne Bedeutung ist, weil es an einem Bescheid des HZA fehlt, durch den es die Gewährung eines Billigkeitserweises nach § 131 AO abgelehnt hat. Es kann ferner unentschieden bleiben, ob die Anwendung des § 131 AO im vorliegenden Fall mit Gemeinschaftsrecht vereinbar wäre. Jedenfalls ergäbe sich für die Klägerin ein Rechtsanspruch der behaupteten Art aus § 131 AO nur, wenn sich der der Behörde danach grundsätzlich offenstehende Ermessensspielraum aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls so einengen würde, daß nur noch die Gewährung des begehrten Billigkeitserweises Rechtens wäre. Dafür aber bestehen keine Anhaltspunkte; auch die Klägerin hat nichts Entsprechendes vorgetragen.

Nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in der Auslegung des EuGH (Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415) braucht der Senat eine Vorabentscheidung des EuGH zu den sich in dem vorliegenden Fall stellenden gemeinschaftsrechtlichen Fragen nicht einzuholen (vgl. auch Urteil des Senats vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266, 270).

Das FG hat Gemeinschaftsrecht unrichtig ausgelegt. Die Vorentscheidungen waren daher aufzuheben. Da die Sachen spruchreif sind, waren die Klagen abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 202

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