Leitsatz (amtlich)

Bei der Einkommensteuer-Veranlagung ist die Tarifermäßigung des § 21 Abs. 1 BHG 1964 vor der Steuerermäßigung des § 14 des 2. VermBG zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BHG 1964 §§ 16-17, 21 Abs. 1; 2. VermBG § 14

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger), ein Westberliner Unternehmer, hat für seine Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen nach § 14 des 2. VermBG vom 1. Juli 1965, BGBl I 1965, 585, BStBl I 1965, 346) erbracht. Das FA gewährte dem Steuerpflichtigen die Vergünstigungen entsprechend dem Vordruck des Einkommensteuer-Berechnungsbogens nach der folgenden Berechnung:

Einkommensteuer lt. Bundestabelle 2 336,- DM

Ermäßigung nach § 14 des 2. VermBG

30 % von 624 DM 187,20 DM

verbleiben 2 148,80 DM

Ermäßigung für Einkünfte aus Berlin

(West) § 21 BHG 1964 644,64 DM

Einkommensteuer-Schuld (abgerundet) 1 504,- DM

Der Steuerpflichtige hielt dagegen die ihm günstigere Berechnung für richtig:

Steuer nach der Bundestabelle 2 336,- DM

Ermäßigung für Einkünfte aus Berlin

(West) § 21 BHG 1964 700,80 DM

verbleiben 1 635,20 DM

Ermäßigung nach § 14 des 2. VermBG

30 % von 624 DM 187,20 DM

Einkommensteuer-Schuld 1 448,- DM

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG gab der Klage statt. Es sehe keine Veranlassung, von der Rechtsansicht, die der BFH im Urteil VI 38/65 vom 13. Oktober 1967 (BFH 90, 447, BStBl II 1968, 141) in einem ähnlichen Fall vertreten habe, abzuweichen. Die Einkommensteuer sei zunächst um die Berliner Steuerpräferenz (§ 21 Abs. 1 BHG 1964) und erst danach gemäß § 14 des 2. VermBG zu kürzen. Entgegen der Ansicht der Finanzbehörde sei aus der Wortfassung des § 21 Abs. 1 BHG "... ermäßigt sich die veranlagte Einkommensteuer ..." nicht zu entnehmen, daß die Einkommensteuer vorher um die Vergünstigung nach dem 2. VermBG zu mindern sei. Die Fassung des § 21 BHG solle die Vorschriften über die Veranlagung der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer von der Lohnsteuerermäßigung nach den §§ 26 und 27 BHG abgrenzen. Durch die Worte "veranlagte Einkommensteuer" in den §§ 21 und 22 BHG werde zugleich deutlich gemacht, daß die Einkommensteuer zunächst einheitlich nach der Splitting-Tabelle zu ermitteln sei, auch wenn ein Steuerpflichtiger seine Einkünfte teilweise nicht aus Berlin (West) bezogen habe. Wenn die Einkommensteuer nach der Splitting-Tabelle vorab um die Berliner Steuerpräferenz zu kürzen sei, könne die Vergünstigung nach dem 2. VermBG nur auf der Grundlage der sich hiernach ergebenden Einkommensteuer berechnet werden. Dies ergebe sich schon aus dem Begriff "Einkommensteuer", wie er im 2. VermBG verwendet wird. Einkommensteuer im Sinne des 2. VermBG könne daher für Steuerpflichtige, die in Berlin (West) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hätten und dort Einkünfte erzielten, nur die um die Berliner Steuerpräferenz gekürzte Steuer sein.

Mit der durch das FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Das FG habe zu Unrecht der Steuerermäßigung nach § 21 BHG 1964 den Vorrang vor der Steuerermäßigung nach § 14 des 2. VermBG eingeräumt. Der Wortlaut beider Bestimmungen sei gleich. Beide Steuerermäßigungen seien von der "Einkommensteuer" abzuziehen. Aus dem Wortlaut lasse sich demnach die Reihenfolge für den Abzug der beiden Vergünstigungen nicht unmittelbar herleiten. Aus dem Sinn und Zweck beider Vorschriften lasse sich jedoch ohne weiteres schließen, daß von der Einkommensteuer lt. Bundestabelle zunächst die Ermäßigung nach § 14 des 2. VermBG abzuziehen und erst von der so geminderten Einkommensteuer die Berlinpräferenz zu berücksichtigen sei. § 14 des 2. VermBG sei eine allgemeine Steuerbegünstigung, während § 21 BHG eine spezielle Berlinvergünstigung darstelle, durch die die Einkommensteuer um 30 % ermäßigt werden solle, die unter entsprechenden Verhältnissen im übrigen Bundesgebiet zu entrichten wäre. Daraus folge, daß Bemessungsgrundlage für die Berlinpräferenz nur der um die Steuerermäßigung nach § 14 des 2. VermBG geminderte Steuerbetrag sein könne.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Das FG ist zutreffend von der Rechtsansicht ausgegangen, die der BFH in seiner Entscheidung VI 38/65 (a. a. O.) vertreten hat. Nach dieser Entscheidung wird bei den Steuerpflichtigen, die die Ermäßigung der veranlagten Einkommensteuer gemäß § 21 Abs. 1 BHG 1964 in Anspruch nehmen können, die nach der Einkommensteuertabelle des Bundes zu ermittelnde Einkommensteuer zunächst um die Steuerpräferenz nach den §§ 21 ff. BHG 1964 gekürzt. Diese "Berliner" Einkommensteuer ist die Einkommensteuer im Sinne der §§ 16 und 17 BHG 1964, die wiederum um die durch diese Vorschriften gewährten weiteren Steuerermäßigungen gekürzt wird. Diese Reihenfolge ergibt sich aus der Zielsetzung der verschiedenen Ermäßigungsvorschriften. Die Vorschriften der §§ 21 ff. BHG 1964 gewähren für Einkünfte aus Berlin (West) eine allgemeine Tariferleichterung, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschriften gegeben sind. Die §§ 16 und 17 BHG 1964 zielen dagegen mit ihren Steuerermäßigungen auf die Förderung bestimmter Einzelvorhaben (betriebliche Investitionen und Baumaßnahmen) ab. Die Einkommensteuer, die sich ermäßigt, ist jeweils die tarifliche Einkommensteuer. Kann der Steuerpflichtige nur eine von den beiden Steuerermäßigungen - §§ 21 ff. oder §§ 16, 17 BHG 1964 - in Anspruch nehmen, so ergibt sich die tarifliche Einkommensteuer stets aus dem Bundestarif. Treffen bei einem Steuerpflichtigen beide Arten von Steuerermäßigungen zusammen, so ist die tarifliche Einkommensteuer bei der Inanspruchnahme der §§ 16 und 17 BHG 1964 die Steuer, die sich nach der Anwendung der §§ 21 ff. BHG 1964 ergibt.

Nach § 14 des 2. VermBG ermäßigt sich für Steuerpflichtige, die ihren Arbeitnehmern vermögenswirksame Leistungen erbringen, die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum, in dem die Leistungen erbracht worden sind, um 30 % der Summe der vermögenswirksamen Leistungen. Dieser Abzug von der Steuerschuld ist vom Gesetzgeber bewußt den §§ 16 und 17 BHG 1964 nachgebildet worden (Bundestags-Drucksache IV/3224 zu § 14 - Nr. 1). Die Steuerermäßigung dient einer bestimmten Maßnahme, nämlich der Förderung der Vermögensbildung bei den Arbeitnehmern. Sie ist deshalb bei Steuerpflichtigen, die auch die allgemeine tarifliche Erleichterung der §§ 21 ff. BHG 1964 in Anspruch nehmen können, im Rang nach dieser Tarifermäßigung einzuordnen.

Das FA räumt mit Recht ein, daß sich aus dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen die Reihenfolge, in der beide Vergünstigungen abzuziehen sind, nicht unmittelbar ableiten läßt. Es irrt jedoch, wenn es meint, aus dem Sinn und Zweck beider Vorschriften ließe sich ohne weiteres schließen, daß die Ermäßigung nach § 14 des 2. VermBG von der Einkommensteuer lt. Bundestabelle abzuziehen und erst bei der so geminderten Einkommensteuer die Berlinpräferenz zu berücksichtigen sei. Aus der Systematik des BHG ist zu schließen, daß bei Steuerpflichtigen, denen die Tarifermäßigung nach §§ 21 ff. BHG 1964 zusteht, die Vorschrift des § 14 des 2. VermBG nicht als eine allgemeine, sondern als eine spezielle Steuervergünstigung anzusehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413198

BStBl II 1972, 479

BFHE 1972, 146

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